Puten • Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Zuletzt geändert am 3. Mai 2024
Puten, auch Truthühner genannt, sind intelligente, fühlende und soziale Lebewesen. In der Landwirtschaft werden sie ausschließlich zum Zweck der Fleischproduktion gehalten. Dafür werden besonders schnell und massiv wachsende Zuchtlinien verwendet. Das Fleisch wird unabhängig vom Geschlecht des jeweiligen Tieres als »Pute« oder »Truthahn« verkauft. Es handelt sich dabei immer um dieselbe Spezies.
In der Massentierhaltung leiden »Mastputen« sowohl psychisch als auch körperlich, und zwar besonders unter den Folgen von Qualzucht, unter den Haltungsbedingungen, auf Transporten sowie während der Schlachtung.
Bis zu 13 % der Tiere sterben unter diesen Bedingungen bereits während der Mast.1
durchschnittlicher Bestand von
Puten in Deutschland
(Stand 2023)
in Deutschland geschlachtete
Puten pro Jahr
(Stand 2023)
Inhalt
- Zucht: Warum sind »Mastputen« Qualzuchten?
- Haltung: Wie leiden Puten in der Mast?
- Schnabelkürzen: Verstümmelung gegen Verhaltensstörungen
- Transport und Schlachtung: Wie werden Puten getötet?
- Unsere Forderungen
Zucht: Warum sind »Mastputen« Qualzuchten?

Puten oder Haustruthühner (Meleagris gallopavo domestica) stammen vom Wilden Truthuhn (Meleagris gallopavo) ab. Dieses ist in Mittel- und Nordamerika heimisch und lebt dort bevorzugt in Wäldern und Steppen. Wilde Truthähne wiegen etwa 5 kg,2 Truthennen etwas weniger – damit sind sie die größten Vertreter:innen aus der Ordnung der Hühnervögel. Moderne »Mastputen« wiegen allerdings das Mehrfache ihrer wilden Vorfahren.
Über viele Jahrhunderte wurden Puten so gezüchtet, dass sich der »Fleischertrag« immer weiter steigerte hat. Die Fleischindustrie bevorzugt Tiere, die möglichst schnell und mit möglichst wenig Futter möglichst viel Fleisch (also Muskelgewebe) bilden – insbesondere an der Brust, weil die meisten Menschen am liebsten die Brust der Vögel essen.
Für die »Mastputen« bedeutet das, dass ihr Körper so massiv wächst, dass Knochen und Organe damit überfordert sind – sie sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, haben Probleme mit dem Gleichgewicht, können sich nur noch schlecht selbst putzen, liegen viel, haben Schmerzen, Deformationen, Kreislaufprobleme und können sogar an Organversagen sterben.
Zu viel Brust
In Deutschland wird zur Putenmast überwiegend die Zuchtlinie »B.U.T. 6« verwendet. Sie wird auch »Zerlegepute« genannt, da die Tiere später nicht im Ganzen, sondern als Teilstücke vermarktet werden. Ein männliches Küken dieser Rasse wiegt in der ersten Lebenswoche im Schnitt 180 g und legt innerhalb von 22 Wochen etwa 23,5 kg zu. Ein weibliches Küken dieser Rasse wiegt in der ersten Lebenswoche durchschnittlich 170 g und nach 18 Wochen mehr als 12 kg.3
Die Brustmuskulatur macht bei modernen »Mastputen« letztlich bis zu 37 % des gesamten Körpergewichts aus.4 Die Tiere sind dadurch behäbiger und weniger beweglich. Sie haben Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Während Wilde Truthühner gut fliegen können, ist das bei »Mastputen« undenkbar. Nicht einmal das Erklimmen eines erhöhten Ruheplatzes, wenn es denn einen gäbe, wäre den Tieren möglich. Sie liegen daher viel auf dem zugekoteten Stallboden.5
Aufgrund ihrer übergroßen Brustmuskulatur können sich »Mastputen« nur noch eingeschränkt im Liegen putzen. Auch das zur Gefiederpflege nötige Sandbaden können sie aufgrund von Platzmangel und schmutziger Einstreu mit fortschreitender Mastdauer immer schlechter ausführen. Die Folge sind starke Gefiederverschmutzungen und Federverluste.6
Knochenbrüche und Herzversagen
Die Überzüchtung ist mit erheblichen gesundheitlichen Schäden für die Puten verbunden:
Der riesige Brustmuskel führt zu einer Verlagerung der Körperachse und schon früh machen sich Fehlstellungen und Deformationen der Beine (X- und O-Beine) bemerkbar.7 Bei manchen Truthähnen brechen die Oberschenkelknochen unter der Last. Zusammen mit verkrümmten Zehen und überlasteten, teils ausgerissenen Bändern in den Beinen sowie Gelenk- oder Muskelerkrankungen werden diese Bewegungsstörungen als Beinschwächesyndrom bezeichnet.8
Bis zu 35 % aller Tierverluste (Tiere, die vor dem Ende der Mast verenden) entstehen außerdem durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Typisch ist der plötzliche krampfartige Tod durch Risse in der Hauptschlagader. Neben der frühen Schnellwüchsigkeit, zu hohen Temperaturen und Stress wird auch eine Sauerstoffunterversorgung in der Brutmaschine als Ursache diskutiert. Zum Vergleich: Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen bei Wilden Truthühnern praktisch nicht vor.9
»Mastputen« sind Hybride
Fleischproduzenten mästen ausschließlich »Hybride« – das sind Kreuzungen verschiedener Rassen. Bei diesen Puten sind die gewünschten Zuchtmerkmale stärker ausgeprägt als bei ihren Eltern (Heterosiseffekt). Die modernen Hybridlinien sind das Endprodukt jahrelanger Zuchtprogramme für »Hochleistungen« in der Mast.
Die Hybride geben die Zuchtmerkmale jedoch nicht in gleichem Maße an ihre Nachkommen weiter, weshalb jede neue Generation aus einem der wenigen spezialisierten Zuchtbetriebe stammt. Die Genetik ihrer Zuchtlinien ist ein gut geschütztes Geschäftsgeheimnis dieser Unternehmen. Sie sind in den Dachorganisationen »Hendrix Genetics« und »Aviagen Turkeys« organisiert.10
Haltung: Wie leiden Puten in der Mast?

Heutige »Mastputen« haben im Grunde dieselben Bedürfnisse wie ihre wilden Vorfahren. Dazu gehören Sozialverhalten, Körperpflege, Ruheverhalten, verschiedene Bewegungsarten (z. B. Flattern, Laufen, Rennen) und diverse Techniken der Nahrungssuche und -aufnahme wie Scharren, Ausgraben, Picken und Hacken.11 In den Mastbetrieben werden diese aus Kosten- und Effizienzgründen nicht nur ignoriert, mehr noch, die vorherrschenden Haltungsbedingungen verhindern das Ausleben wesentlicher Bedürfnisse.
Gemästet werden sowohl männliche als auch weibliche Tiere. Das dominierende Mastverfahren ist die sogenannte Langmast (95 % der Putenmast in Deutschland12), bei der die Hennen nach 15 bis 17 Wochen und die Hähne nach 19 bis 22 Wochen geschlachtet werden. Die seltenere Kurzmast dauert bei beiden Geschlechtern nur 9 bis 12 Wochen – diese Tiere werden meist als sogenannte »Baby-Puten« vermarktet.13
Nach Geschlechtern getrennt werden Hennen und Hähne in großen Hallen ohne Auslauf und mit jeweils mehreren Tausend Tieren pro Gruppe gehalten.14 Die meisten Ställe sind gänzlich unstrukturiert und nur von Futtertrögen und Tränkeeinrichtungen durchzogen. Durch die hohe Besatzdichte sieht man zum Ende der Mast vor lauter Tieren den Stallboden kaum mehr.
Ihr natürliches Verhalten oder ein Sozialleben können die Tiere in einer solchen Umgebung nicht oder nur sehr eingeschränkt ausleben. Besonders die strukturarme Umwelt und die Besatzdichte beeinträchtigen das Wohlbefinden der Puten und führen zu schweren Verhaltensstörungen.
Einige Puten sterben aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen einen langsamen Tod im Maststall. Die erschöpften Tiere erreichen die Trink- und Futterapparaturen nicht mehr und verdursten (seltener: verhungern).15
Besatzdichte: Drei bis vier Hähne pro Quadratmeter
Mit jeder Lebenswoche werden die Tiere rapide größer – und die Situation im Stall beengter. Zum Ende der Mastperiode sind Besatzdichten mit bis zu 52 bzw. 58 kg Lebendgewicht pro m² (je nach Geschlecht) üblich – das entspricht etwa fünf Hennen von 10 bis 11 kg oder drei bis vier Hähnen von 20 bis 21 kg pro m².16
Die Puten leben dadurch in ständigem Gedränge, sie haben kaum Platz. Laufen, Scharren, Putzen oder Flügelschlagen ist unter diesen Umständen kaum noch möglich. Da es den Puten eh schon schwer fällt, ihre massigen Körper zu bewegen, liegen sie die meiste Zeit auf dem Stallboden. Auch die Gefiederpflege wird nicht mehr so häufig ausgeführt.17
Die Tiere sind zudem permanent gestresst: Eine von Artgenoss:innen ungestörte Futteraufnahme ist insgesamt kaum noch möglich,18 ebenso wie ungestörtes Ruhen. Im Gedränge werden die am Boden liegenden Tiere von ihren Artgenoss:innen regelrecht überlaufen, Kratzwunden am ganzen Körper sind die Folge.19
In der anonymen Enge können die Tiere darüber hinaus keine normalen Sozialstrukturen bilden. Das führt zu Aggressionen und Verhaltensstörungen.
Auslauf: Die allermeisten »Mastputen« haben keinen
Auslauf ins Freie steht »Mastputen« nur in Bio-Betrieben zu – für mindestens ein Drittel ihrer Lebenszeit. In Bio-Haltung leben jedoch nur 2 % der Tiere in Deutschland.20 Der Anteil von Tieren, die Zugang zu einem Auslauf haben, dürfte sich also ungefähr in diesem Prozentbereich bewegen.
Beschäftigung: Langweiliges Fast Food statt geschäftiges Scharren
In freier Natur verbringen Puten bis zu 50 % ihrer aktiven Zeit mit der Suche, der Prüfung, der Bearbeitung und der Aufnahme von Nahrung.21 Zum Nahrungsspektrum gehören Samen, Pflanzen, Insekten und Würmer.22
In der Putenmast werden die Tiere mit Kraftfutterpellets gefüttert, wodurch sich die Zeit der Nahrungsaufnahme auf nur etwa 8 % der Tagesaktivitäten reduziert.23 Andere Beschäftigungsmöglichkeiten haben die Tiere in den üblichen Mastställen nicht. Zwar werden gelegentlich Materialien wie Stroh, Papier, CDs, Plastikteile oder -bänder angeboten,24 das reicht jedoch nicht aus.
Folgen der eingeschränkten Möglichkeiten zur arttypischen Nahrungssuche und -aufnahme sind Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Kannibalismus.
Die in Mastställen üblichen Fütterungseinrichtungen reichen zudem nicht aus, um der großen Zahl von Puten ein gleichzeitiges und ungestörtes Essen zu ermöglichen. Auch die Nippeltränken mit kleinen Trinkschalen werden dem natürlichen Trinkverhalten – typisch ist das Eintauchen des Schnabels ins Wasser – nicht gerecht.25
Sozialleben: Mutterseelenallein unter Fremden
In der Natur leben Puten in komplexen Sozialstrukturen. Zur kalten Jahreszeit formieren sie nach Geschlechtern getrennte Verbände von mehreren Hundert Tieren mit fester Rangordnung. Speziell in der Brutzeit leben weibliche Puten dagegen abgeschieden in Nistgruppen von nur zwei bis fünf Hennen. Nach dem Schlüpfen der Jungen schließen sich Hennen und Küken wiederum zu großen Herden zusammen. Sieben Monate lang werden die Jungtiere von ihren Müttern behutsam betreut und beschützt.26 Diese soziale Vielfalt erleben Puten in der Massentierhaltung nicht.
Stattdessen werden die Puteneier in automatischen Brutmaschinen ausgebrütet.27 Bereits kurz nach ihrem Schlupf werden die Küken in die Mastbetriebe gebracht. Sie finden sich dort in einer anonymen Masse wieder und sind auf sich gestellt – ohne Mutter, die sie beruhigt und anleitet.
Ein normales Sozialleben können die Puten unter diesen Umständen auch später nicht entwickeln. Für den typischen hierarchischen Sozialverband fehlt außerdem eine natürliche Altersstruktur innerhalb der Gruppe.28
Hinzu kommt, dass die Lichtverhältnisse im Stall soziale Interaktionen erschweren können: Die Vögel orientieren sich vor allem visuell und können sogar Farben im ultravioletten (UV-)Bereich sehen. Unter UV-Licht lassen sich im Gefieder Markierungen erkennen, die dieses Licht auf besondere Weise reflektieren. Da in den Mastställen aber hauptsächlich normale Glühlampen genutzt werden, erscheint das Gefieder einheitlich. Es wird vermutet, dass die Tiere in diesem Licht Artgenoss:innen und Umgebung nur eingeschränkt – sogar regelrecht verzerrt – wahrnehmen. Dies hat negative Einflüsse auf das Sozialverhalten und begünstigt das Federpicken.29
Ruhen: Keine Entspannung möglich
Wilde Truthühner verstecken sich in dichtem Unterholz, bauen ihre Nester auf dem Boden und suchen ihre Schlafplätze auf Bäumen.30 Das Bedürfnis, auf Bäumen oder ähnlichen erhöhten Plätzen zu schlafen, ist auch bei den modernen »Mastputen« stark ausgeprägt.31 Da jedoch in den Masthallen entsprechende Vorrichtungen wie etwa Sitzstangen oder erhöhte Ebenen fehlen, ist ein artgemäßes Ruhen und Schlafen für die Tiere unmöglich.
Doch selbst wenn man den schweren »Mastputen« Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellt, können sie diese mit zunehmendem Mastalter und den damit verbundenen Bewegungs- und Gleichgewichtsproblemen kaum noch nutzen.32
Im Maststall herrscht zudem eine ständige Unruhe,33 da die Besatzdichte zu hoch ist und es keine Trennung von Aktivitäts- und Ruhebereichen für die Tiere gibt. Durch das Gedränge werden die Ruhezeiten ständig von Artgenoss:innen unterbrochen und verkürzen sich: Schon bei mehr als zwei Hähnen pro m² wird das Ruhe- und Schlafverhalten beeinträchtigt.34
Ein weiteres Problem: Damit die Putenküken in den ersten Tagen ausreichend essen, so früh wie möglich an Körpergewicht zunehmen und nicht an Hunger sterben, wird der Stall bis zu 23 Stunden pro Tag hell erleuchtet.35 Auch das stört beim Zurruhekommen.
Hygiene: Leben im eigenen Dreck
Je mehr Tiere zusammengedrängt in einem Stall leben, desto mehr Exkremente fallen an und die Qualität der Einstreu verschlechtert sich von Tag zu Tag. Häufig wird nur eine dünne Schicht nachgestreut, gegen Ende der Mast wird völlig darauf verzichtet.36
Puten zeigen normalerweise eine große Bandbreite an Komfort- und Putzverhalten.37 Aufgrund ihrer übergroßen Brustmuskulatur und der damit verbundenen Gleichgewichtsprobleme und Beinschmerzen können sich »Mastputen« jedoch nur noch eingeschränkt im Liegen und deutlich seltener putzen – und gerade liegende Tiere geraten vermehrt mit Exkrementen in Kontakt. Auch das zur Gefiederpflege nötige Sandbaden kann unter diesen Umständen mit fortschreitender Mastdauer immer schlechter ausgeführt werden. Starke Gefiederverschmutzungen und Federverluste sind die Folge.38
Da die riesige Brust kaum mehr mit Federn bedeckt ist (während der Zucht hat sich die Anzahl und Größe der Federn nicht verändert), wird die Brusthaut nicht ausreichend vor den Exkrementen geschützt.39 Die Folge sind schmerzhafte Brustblasen (mit Flüssigkeit oder Eiter gefüllter entzündeter Brustschleimbeutel und umkapselte Entzündungen in der Haut) und Brustknöpfchen (engl. »Breast Buttons«, rundliche schmerzhafte Hautgeschwüre).40
Aus dem Gemisch von Einstreu und Exkrementen gelangen zudem Schadgase wie Ammoniak in die Stallluft und reizen die Schleimhäute der Tiere.41 Zusammen mit Stress und Infektionen durch Bakterien, Viren oder Pilze führen diese Umstände zu Entzündungen der Atemwege und der Lunge.
Vor allem Hennen leiden zudem unter schmerzhaften Veränderungen der Sohlenballen. Die höhere Besatzdichte bei ihrer Haltung (im Vergleich zur Haltung der männlichen Tiere) führt zu einer stärkeren Verschmutzung der Einstreu mit Exkrementen. Die Sohlenballen weichen regelrecht auf, was die Entstehung von Entzündungen erleichtert. Zum Mastende haben weniger als 1 % der Hennen gesunde Fußballen.42
Es gibt keine artspezifischen gesetzlichen Tierschutzvorgaben für Puten in Deutschland
Das Deutsche Tierschutzgesetz gilt für alle Tiere – auch sogenannte Nutztiere – und schreibt in § 2 vor, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden müssen. Für einige landwirtschaftlich genutzte Tiere hält die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung spezifischere Vorgaben bereit – nicht aber für Puten. Auch im Tierzuchtgesetz kommen Puten nicht vor.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) plant zwar, im Rahmen der Überarbeitung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Puten darin aufzunehmen. Viel zu erwarten ist davon allerdings nicht: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt hatte Gelegenheit, die Entwürfe des BMEL einzusehen und Stellung dazu zu nehmen. Unser Urteil: Zwar sind die Vorschläge eine Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Praxis. Es ist allerdings weiterhin noch viel Luft nach oben. So fehlen darin zum Beispiel die Themen Qualzucht, Schnabelkürzen sowie Vorgaben zu den Eltern- und Großelterntieren in Zuchtbetrieben ganz. Auch die bereits vorhandenen konkreten Anforderungen für andere Spezies sind oftmals lasch, nicht stringent und lückenhaft.
Es braucht starke konkrete Vorgaben, die wissenschaftlich fundiert definieren, was der Art und den Bedürfnissen der Puten entspricht.
Schnabelkürzen: Verstümmelung gegen Verhaltensstörungen

Artgemäßes Sozialverhalten ist unter den Haltungsbedingungen der Massentierhaltung kaum möglich: Die Puten leben gedrängt unter Tausenden fremden Artgenoss:innen. Sie sind gestresst und können sich gegenseitig kaum aus dem Weg gehen. Dadurch kommt es immer wieder zu Raufereien mit gefährlichen, teils tödlichen Verletzungen.
In Kombination mit fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten häufen sich zudem Verhaltensstörungen bei den Tieren. Sie picken an den Federn und Wunden der Artgenoss:innen herum und hören auch dann nicht auf, wenn Blut fließt.
Um Verluste durch gegenseitige Verletzungen zu reduzieren, werden landwirtschaftlich genutzten Putenküken routinemäßig die Schnabelspitzen gekürzt. Diese Verstümmelung ist nicht nur schmerzhaft für die Tiere, sondern beschädigt auch ihr wichtigstes Tast- und Greiforgan.
Das Vorgehen ist typisch für die Massentierhaltung: Statt die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen, werden die Tiere den Haltungsbedingungen angepasst, weil das wirtschaftlicher ist.
Kannibalismus: Extreme Reaktion auf extreme Bedingungen
Vor allem Hähne drohen und imponieren Artgenossen. Dabei spreizen sie ihre Flügel weit ab und plustern ihr Gefieder auf. Im Gedränge schlägt dies schnell in Aggressionen um. Die Folgen sind schmerzhafte Pick- und Hackverletzungen. Wunden entstehen dabei vor allem an federlosen Körperstellen wie Kopf, Hals oder Kloake.43
Schon im Kükenalter fangen »Mastputen« zudem damit an, an den Federn der Artgenoss:innen herumzupicken, was zum Kannibalismus führen kann. Als mögliche Ursachen werden schnelles Wachstum, die Herdengröße, die Besatzdichte, eine reizarme Haltungsumwelt, schlechtes Stallklima, Fütterung und auch die Genetik diskutiert.44
Offene Wunden stellen immer ein Infektionsrisiko dar und manche Tiere sterben an den Verletzungen.45
Bei den Verhaltensstörungen handelt es sich um gravierende Tierschutzprobleme, die sowohl in der Stallhaltung als auch in der Auslaufhaltung vorkommen.46
Schnabelkürzen: Symptom- statt Ursachenbekämpfung
Um die Verletzungen und Todesfälle durch Kannibalismus einzudämmen, wird jedem Truthuhn – egal ob zukünftiges »Mast-« oder »Zuchttier« – die Schnabelspitze gekürzt.47 Dazu hängen Arbeiter:innen die frisch geschlüpften Küken in eine Maschine, in der bis zu 4.000 Küken pro Stunde automatisch »behandelt« werden können.48 Nur am Kopf hängend werden sie zum sogenannten Brenner transportiert. Dort trifft ein dünner Infrarotstrahl von oben auf den Schnabel und wirkt mit extremer Hitze auf die Zellen im Schnabel ein. Einige Tage später wird die vom Laser getroffene Stelle des Oberschnabels blasig und verfärbt sich. Über wenige Tage hinweg verschorft das Gewebe teilweise, bis die Schnabelspitze vollständig abfällt.49
Der Infrarot-Eingriff zerstört auch das hochsensible Schnabelspitzenorgan im Unterschnabel, das bei der Futtersuche und -aufnahme hilft. Bei vielen Putenküken wird zusätzlich Knochengewebe entfernt – starke Schmerzen sind die Folge. Mikroskopische Untersuchungen der Schnäbel vergleichen die Schnabelveränderungen nach dem Infrarot-Eingriff mit den Folgen einer Verbrennung zweiten oder dritten Grades beim Menschen.50
Die Schnabelspitzenamputation stellt einen extremen Eingriff dar, der die Vögel ein Leben lang beeinträchtigt: Ein intakter Schnabel – ein mit Blutgefäßen und Nerven durchzogenes sensibles Tastorgan ähnlich den menschlichen Fingerspitzen – ist das wichtigste Werkzeug der Pute. Rein funktionell lässt sich der Schnabel teilweise mit Lippen und Zähnen von Säugetieren vergleichen.51 Mit ihm picken sie nach Futter, streifen Pflanzen gezielt nach Samen ab und pflegen sie ihr Gefieder.52 Nach dem Schnabelkürzen sind normale Verhaltensweisen wie Nahrungssuche und Gefiederpflege nur noch eingeschränkt möglich.53
Nach § 6 des deutschen Tierschutzgesetzes ist das Schnabelkürzen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Auch die Europaratsempfehlung verbietet grundsätzlich Eingriffe an den Tieren, weicht dieses Verbot jedoch schon im nächsten Absatz durch eine behördlich erteilte Ausnahme auf. In der Praxis wird das Verbot mit Ausnahmegenehmigungen von den Behörden umgangen und die Amputation bei den Puten standardmäßig durchgeführt.54
Das Schnabelkürzen wird durchgeführt, um trotz Federpicken und Kannibalismus möglichst viele Tiere auf engstem Raum halten zu können.55 Gänzlich verhindert werden Verletzungen dadurch nicht.56
Transport und Schlachtung: Wie werden Puten getötet?

Schon das Einfangen und der Transport zu einem der 180 Geflügelschlachthöfe in Deutschland57 sind für »Mastputen« meist mit Stress und Verletzungen verbunden.
Im Schlachtbetrieb müssen die Puten vor der Tötung laut deutscher Tierschutz-Schlachtverordnung betäubt werden. Bei der Betäubung und Tötung müssen Schmerzen, Leiden sowie Aufregung und Stress eigentlich vermieden werden. Dies wird durch die genutzten Verfahren – Elektro- oder Gasbetäubung – jedoch nicht gewährleistet.
Nach dem Betäubungsschritt werden die Puten entblutet. Dazu durchtrennt ein:e Arbeiter:in oder ein sogenannter Halsschnittautomat den Hals inklusive der Schlagadern.58
Transport: Bis zu 12 Stunden ohne Futter und Wasser
Im Mastbetrieb werden die »schlachtreifen« Puten zusammengetrieben, in Transportbehälter gesperrt und auf LKWs verladen.59 Puten dürfen laut der Tierschutztransportverordnung zwölf Stunden ohne Zugang zu Futter und Wasser transportiert werden. Das Einfangen, Verladen, der Hunger und der Transport bedeuten Stress für die Puten.60
Der ständig herrschende Zeitdruck und fehlende Kontrollen beim Verladen führen zu einem groben Umgang mit den Tieren. Beim Verladen und Transport zum Schlachthof erleiden die Tiere häufig Verletzungen wie schmerzhafte Knochenbrüche und Blutungen.61
Mehr über Tierschutzprobleme bei Tiertransporten erfahren Sie hier.
Elektrobetäubung: Kopfüber geschockt
Das Elektroverfahren ermöglicht hohe Schlachtzahlen in kurzer Zeit, ist aber aus Sicht des Tierschutzes mit vielen Nachteilen verbunden.62
Bei dieser Methode werden die Puten aus den Transportbehältern genommen und kopfüber an den Beinen in Metallbügel einer Förderkette eingehängt.63 Für die Tiere bedeutet das eine hohe Stressbelastung, die mit Kreislaufproblemen einhergehen kann. Der Druck der Bügel und die Zugbelastung durch ihr hohes Eigengewicht verursachen starke Schmerzen. Verschlimmert wird die Situation, da fast alle Puten an schmerzhaften Beinveränderungen leiden. Die gestressten Tiere reagieren mit heftigen Abwehrbewegungen und erleiden dabei Verrenkungen und Knochenbrüche.64
Die Förderkette zieht die Tiere automatisch durch das Elektro-Wasserbad. Durch den Strom können starke Muskelkrämpfe und in der Folge Knochenbrüche entstehen. Da außerdem die Flügel vieler Puten so lang sind, dass sie das Wasser vor Eintauchen des Kopfes berühren, erleiden die Tiere vor der Betäubung schmerzhafte Elektroschocks an den Flügelspitzen.65
Wenn die Puten ihren Kopf reflexartig vom Wasser wegziehen oder dieser nicht oder nur unvollständig das elektrisch durchströmte Wasser berührt, kann es zu Fehlbetäubungen kommen.66 Die Tiere erleben die anschließende Entblutung bewusst mit. Eigentlich müsste das Kontrollpersonal eingreifen und die Tiere nachbetäuben – aus Zeit- und Kostengründen wird der Schlachtprozess jedoch nicht unterbrochen.67
Gasbetäubung: Fühlt sich wie Ersticken an
Neben der elektrischen Betäubung wird auch Gas eingesetzt. Bei hoher Gaskonzentration wird damit auch zugleich getötet. Da der alleinige Einsatz von Kohlendioxid (CO2) zusammen mit einem Sauerstoffmangel zu panikartigen Erstickungsreaktionen führt, wird ein mehrphasiges Verfahren (Einleitungsphase zur Betäubung, zweite Phase zur Tötung) eingesetzt oder es werden weitere Gase wie Argon eingemischt.68
Mitarbeiter:innen setzen die Transportkäfige mit den Tieren auf ein Fließband, das in einen Tunnel fährt.69 Dabei können die Tiere, die schon auf dem Weg zum Schlachthof in den Transportkäfigen gestorben sind, nicht erkannt werden70 – auch sie werden folglich weiterverarbeitet.
Im Tunnel atmen die noch lebenden Tiere ein bis zwei Minuten das Gas ein. Schon nach kurzer Zeit leiden sie unter einem starken Erstickungsgefühl. Zusätzlich reizt das CO2 die Schleimhäute. Die Tiere zeigen noch Abwehrbewegungen und Schmerzreaktionen wie Kopfschütteln, Luftschnappen, Keuchen, heftiges Flügelschlagen und Fluchtversuche.71 Nach dem Vorgang werden die betäubten Tiere (oder bei der mehrphasigen Methode die getöteten Tiere) aus den Kisten herausgeholt und in eine Förderkette eingehängt.72
Zusammenfassung: Tierschutzprobleme bei »Mastputen«
»Mastputen« sind qualgezüchtet, d. h. sie wachsen so massiv, dass sie in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind und gesundheitliche Probleme haben oder sogar daran sterben können.
Qualzucht und Haltungsbedingungen verhindern, dass die wichtigsten Bedürfnisse der »Mastputen« erfüllt werden: Sie können sich nur wenig bewegen, sich nicht ausreichend sauber halten, finden kaum Ruhe, können sich nicht beschäftigen und kein normales Sozialverhalten ausleben.
Transport und Schlachtung führen häufig zu Verletzungen bei den »Mastputen«. Beides ist immer mit Stress, oft auch mit Schmerzen verbunden. Immer wieder kommt es zu Fehlbetäubungen, sodass einzelne Tiere ihre Tötung bewusst miterleben müssen.
Unsere Forderungen

Die gängigen Bedingungen in der Putenmast widersprechen § 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Tierschutzgesetzes, wonach Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden müssen und ihre Möglichkeiten zur artgemäßen Bewegung nicht so eingeschränkt werden dürfen, dass ihnen Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Wir plädieren daher für die Abschaffung der Putenmast.
Solange das nicht erreicht ist, könnten folgende Veränderungen die Probleme zumindest etwas abschwächen:
- gesetzliche artspezifische Mindestanforderungen an die Haltung von Puten
- Beendigung des Schnabelkürzens
- kein Einsatz von schnell wachsenden und schweren Rassen bzw. Linien
- maximale Besatzdichte von 21 kg/m²
- Zugang zu einem überdachten Außenklimabereich
- strukturierte Ställe und Trennung von Aktivitäts- und Ruhebereich
- vielfältigeres, kalorienärmeres Futter
- stets trockene Einstreu
- Förderung einer intakten Sozialstruktur, z. B. Aufzucht der Küken durch erwachsene Hennen
- putengerechte Beleuchtung (Tag-Nacht-Rhythmus, Beleuchtung mit UV-Spektrum)
- keine Betäubung und Tötung im stromführenden Wasserbad
- Gasbetäubung mit Gasen, die keine Abwehrreaktionen verursachen
Was Sie für Puten in der Mast tun können
- Schaffen Sie zusammen mit uns die Massentierhaltung ab.
- Essen Sie kein Putenfleisch. Auch die Bedingungen in der Bio-Haltung können ähnlich schlimm aussehen, zumal die gleichen Qualzuchtlinien eingesetzt werden.
- Probieren Sie pflanzliche Alternativen aus. Mit unserer Vegan Taste Week bieten wir Ihnen kostenlos viele Tipps und Rezepte.
- Erzählen Sie Ihren Freund:innen und Bekannten, was Sie über die Putenmast wissen.
