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Gemarkung – Wikipedia

Karte der Gemarkung der Gemeinde Hasel in Baden im Jahr 1904 mit einem Vorschlag zum Gebietstausch zwecks Arrondierung der Jagdgrenze zwischen dem Jagdbezirk der Gemeinde Hasel und dem örtlichen Domänenjagdbezirk

Eine Gemarkung (auch Markung, in der Schweiz auch Gemarchen, in Österreich Katastralgemeinde) ist eine Flächeneinheit des Liegenschaftskatasters. Die Eigentumsverhältnisse der einzelnen Gemarkungen sind im Grundbuch verzeichnet. Die Gemarkung bildet einen Grundstücksverband aus einer größeren Zahl von in der Regel zusammenhängenden Grundstücken bzw. Flurstücken. Zwischen Flurstücken und ihrer Gemarkung befindet sich fast immer die Ebene der Flur.

Der Name einer Gemarkung entspricht meistens dem Namen der auf ihr befindlichen Siedlung. Das ist ein Hinweis auf gesellschaftsgeschichtlich bedeutende, historisch gewachsene Zusammenhänge, die zwischen dem Zuständigkeitsbereich z. B. einer politischen Gemeinde (Gemeindeterritorium) und einem bestimmten Grundstücksverband (Gemarkung) bestehen.

Eine Gemarkung ist keine Verwaltungseinheit. Trotzdem fallen die Grenzen (und meist auch die Namen) der modernen Verwaltungseinheiten (Grenzen einer Gemeinde, eines Stadtbezirks, Stadt- oder Ortsteils, oder eines gemeindefreien Gebiets) oft mit denen einer Gemarkung zusammen. Allerdings wurden bei den Eingemeindungen die Gemarkungen der zusammengelegten Gemeinden oft nicht mehr vereinigt, weswegen heute Gemeindegebiete oft mehrere Gemarkungen (bzw. – in Österreich oder Tschechien – Katastralgemeinden) aufweisen.

Das Gemeindewappen von Bobenheim enthält ein Gemarkungszeichen

Im Gelände werden Gemarkungsgrenzen mit Marksteinen gekennzeichnet, die traditionell mit den Initialen der Ortsnamen oder individuellen Gemarkungszeichen versehen sind. Diese Hausmarken ähnlichen geometrischen Figuren dienten vielen Orten als Grundlage für das Gemeindewappen und entwickelten sich so zu gemeinen Figuren der Heraldik.[1][2]

Ursprünglich bedeutete (Ge-)Markung „Grenze“.[3] Später entwickelte sich der Wortinhalt „Gemeindegebiet“[4][5] (das konnte neben Grundstücksverband auch Steuerbezirk, Bezirk des Gemeindegerichts und vieles andere bedeuten) oder auch „bestimmtes gemeindefreies Gebiet“ (ausmärkisches Gebiet).[6][7][8] Die Gemarkungen wurden in der Regel genau dokumentiert und mit natürlichen, später auch künstlich gesetzten Markzeichen abgegrenzt.[9][10] Zur Tradition vieler Gemeinden gehörte der jährliche „Untergang“ (auch: Schnadegang), das ist das Abschreiten und Kontrollieren der Gemarkungsgrenze.[11]

Gemarkungen im heutigen Sinn gibt es seit Einführung des Reichskatasters durch das Bodenschätzungsgesetz von 1934. Durch sie wurden die Steuerbezirke abgelöst.[12]

Nur in Bayern kommt es vor, dass Teile einer Gemarkung zu verschiedenen Gemeinden oder gemeindefreien Gebieten gehören. Solche Fälle sind historisch bedingt durch Auflösungen von Gemeinden durch Gemeindegebietsreformen sowie durch Auflösungen von gemeindefreien Gebieten oder durch Eingliederungen von Teilen gemeindefreier Gebiete in benachbarte Gemeinden, wobei die Gemarkungsgrenzen, die ursprünglich den Gemeindegrenzen folgten, erhalten blieben.

Die Gemarkungsschlüssel, auch Gemarkungsnummern genannt, sind in Deutschland sechsstellig, wobei sich die ersten beiden Ziffern aus dem Länderschlüssel ergeben, durch die der Gemarkungsschlüssel bundesweit erst eindeutig wird. Innerhalb eines Bundeslandes wird der Länderschlüssel gelegentlich weggelassen und nur der verkürzte vierstellige Gemarkungsschlüssel verwendet.[13] Für die Gemarkungsteile in Bayern wird der Gemarkungsschlüssel um eine Ziffer erweitert, die Werte zwischen 0 und 4 annehmen kann.

Eine Besonderheit ist das Tägermoos, das staatsrechtlich zur Schweiz gehört und dort einen Teil der Gemeinde Tägerwilen bildet und zugleich eine Gemarkung der deutschen Stadt Konstanz darstellt.

Land Länder-
schlüssel
Anzahl
Gemeinden
30.06.1960[14]
Anzahl
Gemeinden
31.12.2020[15]
Anzahl
Gemarkungen[16]
 Schleswig-Holstein 01 1.395 1.106 3.024
 Hamburg 02 1 1 122
 Niedersachsen 03 4.273 944 4.593
 Bremen 04 2 2 498
 Nordrhein-Westfalen 05 2.371 396 2.903
 Hessen 06 2.700 422 2.865
 Rheinland-Pfalz 07 2.918 2.302 3.111
 Baden-Württemberg 08 3.381 1.101 3.380
 Bayern 09 7.116 2.056 7.859
 Saarland 10 347 52 409
 Berlin 11 1 1 97
 Brandenburg 12 417 2.364
 Mecklenburg-Vorpommern 13 726 3.555
 Sachsen 14 419 5.389
 Sachsen-Anhalt 15 218 1.655
 Thüringen 16 633 2.704
 Deutschland 10.796 44.528
  1. Karl Siegfried Bader: Die Gemarkungsgrenze. In: Grenzrecht und Grenzzeichen. [Theodor Knapp zu seinem 85. Geburtstag gewidmet] (= Das Rechtswahrzeichen. Nr. 2). Freiburg im Breisgau 1940, S. 56–67.
  2. Rolf Räch: Die Geschichte der Grenzmarkierung – erläutert an Beispielen aus der Pfalz. In: Andrea Zeeb-Lanz, Reinhard Stupperich (Hrsg.): Palatinatus Illustrandus. Festschrift für Helmut Bernhard zum 65. Geburtstag. Mainz/Ruhpolding 2013, S. 35–38.
  3. Franz Irsigler: Der Einfluß politischer Grenzen auf die Siedlungs- und Kulturlandschaftsentwicklung. In: Siedlungsforschung. Band 9, 1991, S. 9–23, darin S. 10 f. (kulturlandschaft.org [PDF; 33,8 MB; abgerufen am 1. Dezember 2016]).
  4. Markung. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 12: L, M – (VI). S. Hirzel, Leipzig 1885, Sp. 1657 (woerterbuchnetz.de).
  5. Gemarkung. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 5: Gefoppe–Getreibs – (IV, 1. Abteilung, Teil 2). S. Hirzel, Leipzig 1897, Sp. 3165 (woerterbuchnetz.de).
  6. Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. 3., verbesserte Auflage. Band 2. Stuttgart 2000, Kap. II.3 c) Die Mark (Gemarkung, Allmende, Großmark), S. 68–71.
  7. Karl Siegfried Bader: Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich. Weimar 1957, 1. Kap. Das Dorf, S. 20 f., 37–51.
  8. Karl Siegfried Bader: Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde. 2., unveränderte Auflage. Wien / Köln / Graz 1974, 3. Kap. I. Die Markgenossenschaft, S. 116–129.
  9. Rudolf Völkel: Die Ortsgemarkungskarte als Grundlage kulturlandschaftlicher Forschungen (= Rhein-Mainische Forschungen. Nr. 17). Frankfurt am Main 1937, Kap. II. Quellenwert und Auswertbarkeit der Gemarkungsgrenzen, S. 25–40 (Im ersten Kapitel und in den Schlußbemerkungen erweist sich der Autor als Nationalsozialist, der seine Arbeit als Beitrag zur Blut-und-Boden-Ideologie einstuft. Die übrigen Kapitel sind ideologisch unbelastet und argumentieren wissenschaftlich).
  10. Karl Siegfried Bader: Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf. Wien/Köln/Graz 1973, 8. Kap. Nutzungsstreitigkeiten und deren Beilegung, S. 235–252.
  11. Karl Siegfried Bader: Der schwäbische Untergang. Studien zum Grenzrecht und Grenzprozeß im Mittelalter (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Nr. 4). Berlin 1933.
  12. Gerhard Walther: Gemeindefreie Gebiete und ihre Geschichte. In: 250 Jahre Bayerische Staatsforstverwaltung, in: Mitteilungen aus der Bayerischen Staatsforstverwaltung, 51, 2002, Band II, S. 623–632, hier S. 623–624.
  13. Gemarkungs- und Gemeindeverzeichnis (Bayern)
  14. Statistisches Bundesamt: Gemeinden und Kreise mit ihrer Wohnbevölkerung am 30.6.1960 nach Größenklassen und Verzeichnis der Gemeinden mit 20 000 und mehr Einwohnern. Wiesbaden 1960, S. 4
  15. Destatis.de: Gemeinden nach Bundesländern und Einwohnergrößenklassen am 31.12.2020
  16. Geolytics: Bundesländer in Deutschland (abgerufen am 17. Januar 2022)