Infimum und Supremum – Wikipedia

In der Mathematik treten die Begriffe Supremum und Infimum sowie kleinste obere Schranke bzw. größte untere Schranke bei der Untersuchung halbgeordneter Mengen auf. Anschaulich ist das Supremum eine obere Schranke, die kleiner als alle anderen oberen Schranken ist. Entsprechend ist das Infimum eine untere Schranke, die größer als alle anderen unteren Schranken ist. Wenn ein Supremum oder Infimum existiert, ist es eindeutig bestimmt. Das Konzept wird in unterschiedlichen Abwandlungen in fast allen mathematischen Teilgebieten verwendet.

Das Supremum (auf Deutsch „Oberstes“) einer Menge ist verwandt mit dem Maximum einer Menge und ist – anschaulich gesprochen – ein Element, welches „über“ allen oder „jenseits“ (oberhalb) aller anderen Elemente liegt. Der Ausdruck „über den anderen“ soll andeuten, dass das Supremum nicht das größte Element „unter den anderen“ sein muss, sondern durchaus auch außerhalb („jenseits“) der Menge liegen kann. Und weil es mehrere Elemente geben kann, die dieser Anschauung entsprechen, wird aus Eindeutigkeitsgründen das kleinste Element gewählt, welches diese Eigenschaft hat; sozusagen das Element, das am „nächsten“ oder „unmittelbar“ über allen anderen liegt – das Supremum bezeichnet also ein „unmittelbar Darüberliegendes“. Elemente, die zwar über allen Elementen einer Menge liegen, aber nicht zwingend in unmittelbarer Weise, heißen obere Schranken. Damit ergibt sich dann die Definition des Supremums als kleinste obere Schranke einer Menge.
Das Infimum (deutsch „untere Grenze“) einer Menge ist analog definiert, als „unmittelbar Darunterliegendes“ bzw. größte untere Schranke.
Diese Anschauung lässt sich leicht auf Mengen von reellen Zahlen (als Untermengen der reellen Zahlen) übertragen: Sei
die Menge der reellen Zahlen kleiner als 2. Dann ist 2 das Supremum von (in
). Denn 2 ist eine obere Schranke von
, da sie größer oder gleich (tatsächlich sogar echt größer) als jedes Element von
ist – also „darüberliegt“. Aber im Gegensatz etwa zu der Zahl 4, die auch eine obere Schranke ist, gibt es keine Zahl kleiner als 2, die auch obere Schranke von
ist. Daher ist 2 kleinste obere Schranke von
, mithin Supremum.
Durch eine kleine Abänderung wird sodann die Verwandtschaft von Supremum und Maximum deutlich. Das Maximum ist nämlich das größte Element „unter allen Elementen“ einer Menge:
Offenbar hat kein Maximum, da es zu jeder reellen Zahl
wieder eine reelle Zahl
gibt, die größer als
ist, z. B. mit der Wahl
. Die Zahl 2 ist als Supremum zwar größer als alle Elemente von
, liegt aber nicht in
, da sie nicht echt kleiner als sie selbst ist. Betrachten wir nun die Menge
,
so ist 2 Maximum von , da sie kleiner-gleich als sie selbst ist und es auch keine größere Zahl als 2 gibt, die kleiner-gleich 2 ist. Gleichfalls ist 2 aber auch Supremum von
wie schon von
, da dieselben Bedingungen wie dort erfüllt sind.
Tatsächlich ist jedes Maximum immer auch Supremum. Daher ist es auch üblich, den Begriff Maximum gar nicht elementar zu definieren, sondern ihn als Sonderfall des Supremums zu benennen, wenn dieses selbst Element der Menge ist, deren Supremum es darstellt. – Analog gilt das für das Minimum.
Obere und untere Schranken sowie Suprema und Infima können jedoch nicht nur auf den reellen Zahlen, sondern allgemein auf halbgeordneten Mengen betrachtet werden. Die formalen Definitionen lauten wie folgt:
Ist eine halbgeordnete Menge mit Halbordnung
und
eine Teilmenge von
so gilt:
- Obere Schranke
- Ein Element
heißt obere Schranke von
, wenn
für alle
gilt.
Untere Schranke
- Analog heißt
untere Schranke von
, wenn
für alle
gilt.
nach oben bzw. unten beschränkte Menge
- Existiert eine obere (untere) Schranke von
, so heißt
nach oben (unten) beschränkt.
nach oben bzw. unten unbeschränkte Menge
- Ist
nicht nach oben (unten) beschränkt, so heißt
nach oben (unten) unbeschränkt.
beschränkte Menge
heißt beschränkt, falls
nach oben und unten beschränkt ist, andernfalls unbeschränkt oder nicht-beschränkt. Das heißt:
ist unbeschränkt (oder nicht-beschränkt), wenn
entweder nach oben oder nach unten oder nach oben und unten unbeschränkt ist. Soll ausgedrückt werden, dass eine Menge sowohl nach oben als auch nach unten unbeschränkt ist, so muss die Menge ausdrücklich als nach oben und unten unbeschränkt beschrieben werden.
Supremum
- Ein Element
heißt Supremum von
, wenn
eine kleinste obere Schranke von
ist.
Infimum
- Es heißt Infimum von
, wenn es eine größte untere Schranke von
ist.
Ist die Menge der reellen Zahlen, so gilt:
- Ist
nach oben beschränkt und nicht leer, dann besitzt
eine kleinste obere Schranke (Beweisidee unten) und man nennt sie obere Grenze oder Supremum von
– in Zeichen
.
- Ist
nach unten beschränkt und nicht leer, dann besitzt
eine größte untere Schranke (Beweis analog) und man nennt sie untere Grenze oder Infimum von
– in Zeichen
.
- Falls
nach oben beschränkt und das Supremum von
in
enthalten ist, bezeichnet man das Supremum auch als Maximum von
, in Zeichen
.
- Falls
nach unten beschränkt und das Infimum von
in
enthalten ist, bezeichnet man das Infimum auch als Minimum von
, in Zeichen
.
- Ist
nach oben unbeschränkt, schreibt man:
(siehe Unendlichkeit).
Das Symbol +∞ ist dabei aber keine reelle Zahl und auch nicht das Supremum vonim hier definierten Sinne:
als Supremumswert ist gerade die formale Schreibweise dafür, dass kein Supremum vorhanden ist, siehe auch bei erweiterte reelle Zahlen. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang
auch als „uneigentliches Supremum“ bezeichnet.
- Ist
nach unten unbeschränkt, schreibt man analog:
.
Der Begriff des Supremums auf Mengen wird sinngemäß auch auf Abbildungen (Funktionen) angewendet. Denn das Bild einer Abbildung ist ja immer auch eine Menge. Nämlich für eine Abbildung
die Menge
der sogenannten Elementbilder, d. h. der Bilder der einzelnen Elemente von unter der Abbildung
.
wird auch Bild der Funktion
genannt.
Ist eine halbgeordnete Menge, so definiert man das Supremum von
auf
– sofern es in
existiert – durch
.
Das Supremum einer Funktion ist also definiert als das Supremum der Bildmenge von
. Analog wird das Infimum von
auf
definiert.
Die definierende Eigenschaft des Supremums kann als monotone Galoisverbindung zwischen
und
formuliert werden: für alle
und
gilt
.
Hierbei ist mit der punktweisen Ordnung ausgestattet und
.
Analog gilt .
Fasst man eine Folge von Elementen aus
als Abbildung
auf – also gemäß
– so ergibt sich aus der Definition des Supremums (Infimums) von Abbildungen sofort die Definition des Supremums (Infimums) einer Folge – sofern es in
existiert.
Ist eine obere Schranke von
und
, so ist auch
eine obere Schranke von
. Ist umgekehrt
keine obere Schranke von
und
, so ist auch
keine obere Schranke von
. Analoges gilt für untere Schranken.
Das Supremum von ist (im Falle seiner Existenz) eindeutig bestimmt. Dasselbe gilt für das Infimum von
.
Es ist möglich, dass eine Teilmenge einer halbgeordneten Menge
mehrere minimale obere Schranken hat, d. h. obere Schranken, so dass jedes kleinere Element keine obere Schranke ist. Sobald
jedoch mehr als eine minimale obere Schranke hat, gibt es keine kleinste obere Schranke, d. h. kein Supremum, von
. Ein Beispiel ist die Menge
mit der Halbordnung
. Hier hat
die beiden minimalen oberen Schranken
und
.
Sei eine nichtleere Teilmenge der reellen Zahlen, dann gilt außerdem für das
- Supremum von
:
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
ist.
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
.
- Wenn
- Infimum von
:
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
ist.
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
.
- Wenn
- Beweis:
sei eine Nullfolge,
ist eine konstante Folge. Mit den Rechenregeln für Grenzwerte konvergiert die Folge
„von unten“ gegen
. Wegen der im vorhergehenden Abschnitt genannten „Eigenschaft des Supremums in Bezug auf eine Epsilon-Umgebung“ existieren die Glieder
einer Folge
die mit
zwischen
und
eingeschlossen ist. Also konvergiert
wie die einschließenden Folgen gegen
.
- Beweis:
ist eine konstante Folge,
sei eine Nullfolge. Mit den Rechenregeln für Grenzwerte konvergiert die Folge
„von oben“ gegen
. Wegen der im vorhergehenden Abschnitt genannten „Eigenschaft des Infimums in Bezug auf eine Epsilon-Umgebung“ existieren die Glieder
einer Folge
, die mit
zwischen
und
eingeschlossen ist. Also konvergiert
wie die einschließenden Folgen gegen
.
Bemerkungen:
Die Existenz des Supremums für eine beschränkte Teilmenge der reellen Zahlen kann auf mehrere Arten gezeigt werden:
A. Zum einen kann man die Existenz von Supremum und Infimum für beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen einfach als Axiom festlegen. Diese Forderung wird oft Supremumsaxiom oder Vollständigkeitsaxiom genannt.
B. Geht man von dem Axiom aus, dass jede Intervallschachtelung genau eine reelle Zahl definiert, kann zum Nachweis der Existenz des Supremums von
eine Intervallschachtelung
dienen, für die kein
obere Schranke von
ist, aber jedes
eine solche.
Eine solche Intervallschachtelung definiert eine Zahl , und die Folgen
und
konvergieren gegen
.[1] Ein beliebiges
ist wegen
größer als fast alle
. Da jedes
obere Schranke von
ist, ist
. Also ist
eine obere Schranke von
. Zu überlegen bleibt, ob nicht auch ein
obere Schranke von
sein kann. Wegen
sind fast alle
größer als
. Da kein
obere Schranke von
ist, ist auch
keine solche. Also ist
das behauptete Supremum von
. - Zu zeigen bleibt, dass eine Intervallschachtelung
existiert, die der Bedingung (i) genügt.
Hierzu sei eine Intervallfolge rekursiv definiert. Für das erste Intervall sei
eine beliebige Zahl, die kleiner als ein beliebiges Element von
ist,
eine beliebige obere Schranke von
.
ist der Mittelpunkt des
-ten Intervalls der Folge. Die Grenzen des jeweils folgenden Intervalls
seien,
Für eine solche Intervallfolge gilt: ist eine obere Schranke von
,
nicht. Beim Übergang von
zu
ersetzt
genau dann eine Intervallgrenze, die obere Schranke von
ist, wenn
selbst obere Schranke von
ist; wenn aber
keine obere Schranke von
ist, ersetzt
eine Intervallgrenze, die auch keine solche ist. Also[2] ist jedes
, aber kein
obere Schranke von
, und die Intervallfolge
erfüllt die Bedingung (i). - Zu zeigen bleibt, dass
eine Intervallschachtelung ist.
Behauptung: ist monoton steigend
.
- Beweis: Für
ist nichts zu beweisen. Für
folgt aus
:
.
Behauptung: ist monoton fallend
.
- Beweis: Für
ist nichts zu beweisen. Für
folgt aus
:
.
Behauptung: ,
ist eine Nullfollge.
. - Beweis:
Also können alle auch
geschrieben werden, und
ist wegen
eine (geometrische) Nullfolge.[3]
Mit (1), (2) und (3) ist eine Intervallschachtelung, q. e. d.
C. Eine äquivalente Formulierung zur Existenz des Supremums ist das Schnittaxiom, nachdem jeder Dedekindsche Schnitt von einer reellen Zahl erzeugt wird.
Folgende Beispiele beziehen sich auf Teilmengen der reellen Zahlen.
Auf hat jede nicht-leere nach oben bzw. unten beschränkte Teilmenge ein Supremum bzw. Infimum.
Betrachtet man andere Mengen, auf denen Ordnungsrelationen definiert sind, so ist dies nicht zwingend:
- Aus dem Begriff Supremum wird in der Maßtheorie der Begriff des wesentlichen Supremums abgeleitet, der zum Beispiel in der Theorie der
-Räume eine wichtige Rolle spielt.
- Die Untersuchung von partiell geordneten Mengen, in denen zu jeder zweielementigen Teilmenge ein Supremum und ein Infimum existiert, ist Gegenstand der Verbandstheorie.
- Stefan Hildebrandt: Analysis 1. Springer 2005, ISBN 3-540-25368-8.
- ↑ Intervallschachtelung#Konvergenz der Grenzfolgen einer Intervallschachtelung
- ↑ Der Gedankengang ist eine vollständige Induktion.
- ↑ Weiteres zur Konvergenz bestimmter geometrischer Folgen hier.