Seite 4.471, Dampfmaschine (Geschichte: ältere Maschinen vor Watt) | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
mehr
gebremste Leistung), während die vom Dampf [* 2] auf den Kolben übertragene Arbeit durch den Indikator [* 3] (s. d.) ermittelt wird (die sogen. indizierte Leistung). Erstere fällt wegen der durch Reibung [* 4] verbrauchten Arbeit des Kolbens, der Geradführung [* 5] etc. immer geringer aus als letztere.
Geschichte.
Daß das Wasser, wenn es in einem Gefäß [* 6] über Feuer erhitzt wird, in einen Zustand übergeht, in welchem es eine große Kraft [* 7] zu äußern vermag, mußte schon sehr früh wahrgenommen werden. Als erste Versuche, Dampf zur Erzeugung von Bewegung zu benutzen, sind der sogen. Heronsball [* 8] u. die auf dem Prinzip des Segnerschen Rades beruhende Äolipile, [* 9] Fig. 26 (beide von Heron von Alexandria 120 v. Chr. beschrieben), zu erwähnen. Nach einer Mitteilung von Leonardo da Vinci, der wahrscheinlich aus einem verloren gegangenen arabischen Text geschöpft hat soll auch schon Archimedes vorgeschlagen haben, die Spannkraft des Dampfes zu benutzen u. zwar zum Fortschleudern eines Geschosses aus einem kurzen Rohr.
Die Alten haben also sehr wohl Kenntnis von der Dampfkraft gehabt; aber sie kamen nicht über die angedeuteten Ideen hinaus, und ebensowenig zeigt sich irgend welcher nennenswerte Fortschritt bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts. Joh. Branca ließ 1629 den aus einem verschlossenen Gefäß durch ein gebogenes Rohr ausströmenden Dampf gegen ein Schaufelrädchen strömen [* 1] (Fig. 27), welches durch Räderübersetzung ein kleines Pochwerk in Bewegung setzen sollte.
Dampfmaschine I

* 10
Dampfmaschine.Man könnte noch einige derartige Versuche mehr aufzählen, würde aber damit immer nur weiter bestätigen, daß vor der Entwickelung der modernen Naturwissenschaft die eigentliche Idee der Dampfmaschine [* 10] völlig unbekannt war. Erst als Torricellis Beweis von der Schwere der Luft und die staunenerregenden Versuche Otto v. Guerikes mit der Luftpumpe [* 11] das Verlangen erweckt hatten, den Luftdruck industriell zu verwerten, gelang es dem Marburger Professor Dionysius Papin, eine Vorrichtung anzugeben, mittels welcher auf einfache Weise durch Dampf ein leerer Raum gewonnen werden kann. Er erhitzte [* 1] (Fig. 28) etwas Wasser in einem oben offenen Hohlcylinder A, wobei ein dicht anschließender Kolben B in dem Maß der Dampfentwickelung durch ein Gegengewicht L an einem über Rollen [* 12] T geführten Seil in die Höhe gezogen wurde, bis er seinen höchstem Stand erreicht hatte, in welchem er durch den Riegel E arretiert wurde.
Nach Entfernung des Feuers trat eine Abkühlung und Kondensation des Dampfes ein, und infolge des sich bildenden Vakuums wurde der Kolben nach Auslösung des Riegels E durch den Druck der Atmosphäre zurückgetrieben, dabei das Gewicht L anhebend. Diese Vorrichtung ward 1690 bekannt gemacht, doch fand der neue Gedanke wenig Anerkennung. 1698 hatte sich der Bergwerksbeamte Savery in England einen Apparat zum Heben von Wasser und zur Bewegung von Arbeitsmaschinen patentieren lassen [* 1] (Fig. 29). Der Dampf tritt bei Öffnung des Hahns C aus dem Kessel A (mit Speiserohr c und Sicherheitsventil d) durch das Rohr B nach D, kondensiert sich nach Verschließung von C dadurch, daß man von J auf D kaltes Wasser herabschießen läßt, so daß durch das sich bildende Vakuum Wasser aus G durch E und das Saugventil h angesogen wird, welches nach Wiedereröffnung von C durch den Dampfdruck, das Druckventil a passierend, durch F nach H getrieben wird.
Der dabei in D eintretende Dampf kondensiert sich wieder, saugt wieder Wasser an etc. Papin verbesserte diese Maschine [* 13] und scheint mit einer solchen ein Dampfschiff [* 14] ausgestattet zu haben, mit welchem er die Fulda [* 15] befuhr. Doch wurde ihm das Schiff [* 16] bei einem Streit von Matrosen zerschlagen. Viel brauchbarer war schon Newcomens atmosphärische Dampfmaschine (Fig. 30, S. 472), welche 1712 zuerst zum Fördern von Wasser aus einer Steinkohlengrube zu Griff in Warwickshire verwendet wurde. Sie besteht aus einem Cylinder B, in welchen von unten aus einem Dampfkessel [* 17] A Dampf durch das Rohr C eintritt, wobei nun der Kolben D ebenso wie bei der Vorrichtung Papins durch ein Gegengewicht K, welches durch die Kette H, den Balancier [* 18] F, eine zweite
[* 1] ^[Abb.: Fig. 26. Äolipile.]
^[Abb.: Fig. 27. Brancas Maschine.]
^[Abb.: Fig. 28. Papins Maschine.]
Dampfmaschine (Watts E

* 19
Seite 4.472.[* 1] ^[Abb.: Fig. 29. Saverys Aspirationsmaschine.] ¶
mehr
Kette und die Stange E mit dem Kolben in Verbindung steht und zugleich das Pumpengestänge I herabdrückt, in die Höhe gezogen wird. Alsdann wird der Dampfzutrittshahn C geschlossen und aus dem Gefäß L Wasser durch Rohr P in den Cylinder gespritzt, wobei eine Kondensation des Dampfes eintritt und infolge des im Cylinder entstehenden Vakuums der Kolben durch den Luftdruck herniedergedrückt wird, so daß das Gegengewicht mit dem Pumpengestänge gehoben wird. RS ist ein Ableitungsrohr für das Kondensationswasser, M das Gestänge zu einer kleinen Pumpe, [* 20] die mittels des Druckrohrs N das Reservoir L gefüllt erhält. An dieser Maschine geschah das Öffnen und Schließen der Hähne durch einen Arbeiter, ein solcher (Potter mit Namen) verband die Hähne durch Schnüre mit bewegten Maschinenteilen und erfand so die selbstthätige Steuerung.
Bis 1770 erhielt sich die Dampfmaschine wesentlich auf diesem Standpunkt, und es war James Watt vorbehalten, sie durch die glänzendsten Erfindungen auf eine ungleich höhere Stufe und zu einem solchen Grade der Vollkommenheit zu bringen, daß man selbst bis auf den heutigen Tag nicht im stande gewesen ist, größere, bedeutsamere und sehr wesentliche Verbesserungen in den Hauptteilen der Maschine anzubringen. Watt war der Schöpfer der Dampfmaschine von der Form und Einrichtung, wie sie jetzt allgemein benutzt wird.
Kondensationswasserabl

* 21
Kondensator.Bei seiner ersten, 1768 erbauten Maschine bewirkte der Dampf zugleich durch Druckwirkung und Erzeugung eines Vakuums durch Kondensation den Niedergang des Kolbens, während er durch Gegengewichte wieder in die Höhe gezogen wurde; die Kondensation fand in einem besondern Kondensator [* 21] statt. Solche Maschinen wurden namentlich in den Bergwerken von Cornwall zur Wasserhaltung angewendet und sind noch bis vor kurzem unter dem Namen Cornwall-Maschinen im Betrieb gewesen.
Schon 1769 trug sich Watt mit der Idee einer Expansionsmaschine, brachte dieselbe jedoch erst 1778 zur Ausführung. 1778 und 1779 kam Watt auf den Gedanken, Kurbel, [* 22] Lenkstange und Schwungrad auch bei der Dampfmaschine anzuwenden; da er aber mit der Sicherung durch ein Patent zögerte, so kamen ihm andre zuvor, und er sah sich lange auf die von ihm erfundene Sonnen- und Planetenradanordnung beschränkt. Im J. 1774 hatte er dem Unterhaus die Zeichnung einer doppelt wirkenden Dampfmaschine vorgelegt, und 1782 brachte er eine solche zur Ausführung.
Mühlen

* 24
Mühlen.Zwei Jahre später erfand er das Parallelogramm, [* 23] und gleichzeitig ließ er sich die Anwendung des Zentrifugalpendels patentieren, dessen man sich schon früher bei englischen Windmühlen bedient hatte. Durch alle diese Verbesserungen war die Dampfmaschine über die einseitige Verwendung in den Bergwerken hinausgehoben; es war ihr ein neues, unabsehbares Feld eröffnet, und bald bürgerte sie sich nun auch in Baumwollspinnereien, Bierbrauereien, Mühlen, [* 24] Walzwerken etc. ein.
Ungemein schnell verbreiteten sich die Dampfmaschinen [* 25] auf den britischen Inseln; Watt hatte sich 1769 mit Boulton associiert, und aus ihrer Fabrik in Soho bei Birmingham [* 26] gingen die ersten Dampfmaschinen hervor. Im J. 1776 wurde die erste große Maschine von 50 Zoll Kolbendurchmesser für ein Wasserpumpwerk bei Tipton in Staffordshire geliefert, 1778 eine ähnliche von 58 Zoll für Ketley in Shropshire. Die erste Dampfmaschine für die Manchester-Baumwollspinnerei lieferte Watt 1782 an Arkwright.
Hannover und Umgebung

* 31
Hannover.Schon 1810 wurde die Zahl der in Großbritannien [* 27] arbeitenden Dampfmaschinen auf 5000 geschätzt. In Frankreich baute Périer 1780 die erste Dampfmaschine nach Watts System, aber 1810 zählte man erst 200 Dampfmaschinen. In Preußen [* 28] wurde die erste Dampfmaschine 1788 in Tarnowitz [* 29] zum Wasserheben aufgestellt. Die zweite folgte 1822 in der Berliner [* 30] königlichen Porzellanmanufaktur, und erst von 1830 an datiert die allmählich zunehmende Verwendung der Dampfkraft. Hannover [* 31] erhielt 1832, Württemberg [* 32] 1841 die erste Dampfmaschine. Schon 1799 ersetzte Murdock in der Soho-Fabrik die Ventile der Steuerung durch einen Schieber, und Murray in Leeds [* 33] führte den Muschelschieber und die exzentrische Scheibe ein und lieferte die erste Dampfmaschine ohne Balancier.
Die erste wirklich brauchbare Hochdruckmaschine baute der Amerikaner Evans zum Betrieb einer Getreidemahlmühle, und in England wurde eine solche von Trevithick und Vivian 1802, zunächst nur als transportable Maschine, bald aber auch in vielseitigen andern Anordnungen, gebaut. Seit dieser Zeit kam die Hochdruckmaschine nicht wieder außer Gebrauch; die verhältnismäßig günstigen Resultate, welche sie lieferte, wurden zunächst Hauptveranlassung, daß man eine bereits 1781 von Hornblower versuchte Anordnung weiter ausbildete, nämlich Maschinen mit zwei Cylindern von verschiedener Weite, in denen der Dampf zunächst gegen den Kolben des kleinern, dann gegen den Kolben des größern Cylinders wirkte und zuletzt kondensiert wurde.
Hornblower scheiterte mit seiner Idee an den Patentrechten Watts; dagegen lieferte Woolf 1804 nach dem Erlöschen des Wattschen und des Hornblowerschen Patents Zweicylindermaschinen. Maudslay lieferte 1807 Dampfmaschinen ohne Balancier von einer bis dahin unbekannten Symmetrie und Eleganz, welche überall großen Beifall ernteten. Eine oszillierende Dampfmaschine führte Murdock 1785 im Modell aus; praktische Anwendung fand sie aber erst 1820 durch Cavé in Paris [* 34] und 1822 durch Manby in England. Direkt wirkende Maschinen mit unbeweglichem, liegendem Cylinder wurden zuerst 1801 von Symington gebaut; doch stand ihrer weitern Ausbreitung vorderhand das unbegründete Vorurteil im Weg, daß sich die Cylinder einseitig ausarbeiten und die Kolben schwerer dicht zu erhalten sein würden. Erst nach
[* 19] ^[Abb.: Fig. 30. Newcomens Dampfmaschine.] ¶
Fortsetzung Dampfmaschine:
→ Seite 4.473 || 1831, wo Stephenson angefangen hatte, bei seinem damaligen Dampfwagen ausschließlich Maschinen