Seite 6.936, Gase - Gaseinatmungskrankheiten | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
eLexikon
Bewährtes Wissen in aktueller Form
Main
Gase - Gaseinatmungskr

1 Artikel | Textanfang / Anzahl Wörter |
---|---|
Gaseinatmungskrankheiten | entstehen durch die länger oder kürzer dauernde Einatmung verschiedener Gase, Dämpfe und / 901 |
mehr
herrschenden Druck ohne weiteres eintritt. Zur Beschleunigung der Absorption befindet sich in dem Gefäß [* 2] ein Rührer, oder man versetzt das Gefäß selbst in schaukelnde Bewegung, um die Berührung des Wassers mit der Kohlensäure zu befördern (vgl. Mineralwässer).
Beim Arbeiten im kleinen, z. B. bei der chemischen Analyse, benutzt man eigentümlich geformte Gefäße, wie z. B. den Liebigschen Kugelapparat [* 1] (Fig. 15), um den Weg, welchen das Gas durch die Flüssigkeit macht, zu verlängern und die Berührungsflächen zu vergrößern. Man kann auch ein langes, schwach knieförmig gebogenes Rohr [* 1] (Fig. 16) anwenden, in dessen aufwärts gerichtetem Schenkel die Gasblasen langsam emporsteigen und gut absorbiert werden. In diesen Fällen kommen Flüssigkeiten zur Anwendung, welche das Gas chemisch binden.
Damon - Dampf (physika

* 4
Dampf.Läßt man Gase [* 3] auf Flüssigkeiten einwirken, um eine chemische Wirkung zu erzielen, so ist ebenfalls innige Berührung Hauptbedingung. Diese erreicht man z. B. indem Oxydationsgefäß von Hargreaves [* 1] (Fig. 17) auf die Weise, daß man in ein vertikales Rohr a, welches in einem cylindrischen Gefäß durch einen Siebboden bis auf den wahren Boden geht u. hier vier seitliche Öffnungen besitzt, oberhalb aber trichterförmig erweitert und mit einem Bleirohr b von halber Weite versehen ist, aus dem Rohr c Dampf [* 4] von 3 Atmosphären Spannung einbläst.
Turma - Turmalin

* 7
Turm.Der Dampf reißt durch den Trichter Luft mit sich fort, und diese strömt durch die seitlichen Öffnungen des Rohrs a aus und wird durch den Siebboden in feine Blasen verteilt. Es findet hierbei eine sehr innige Mischung statt, die Flüssigkeit gerät in lebhaftes Wallen, und die beabsichtigte Oxydation wird z. B. bei Sodarohlauge sehr vollständig erzielt. Zum Einblasen von Gasen in Flüssigkeiten benutzt man auch Ventilatoren und sehr vorteilhaft den Körtingschen Injektor, [* 5] der auch zum Ansaugen von andern Gasen als Luft eingerichtet ist und z. B. in der Zuckerfabrikation bei der Saturation zum Einblasen von Kohlensäure in den Rübensaft dient. Im Großbetrieb benutzt man Kokstürme (s. Schwefelsäure), [* 6] in welchen die Flüssigkeit in feiner Verteilung über Koks herabrieselt, während das Gas, welches auf dieselbe einwirken soll, unten in den Turm [* 7] eintritt und der Flüssigkeit entgegenströmt.
Der zum Karbonisieren von Sodalauge dienende Apparat von Ungerer besteht aus einem eisernen oder gemauerten und mit Eisenblech gefütterten Turm, welcher oben durch eine Pfanne mit Siebboden abgeschlossen ist. Von letzterm hängen mehrere Hundert Drahtseile herunter, die durch eine unten angebrachte Vorrichtung gespannt werden. In diesem Turm steigen die kohlensäurereichen Feuergase oder reine Kohlensäure auf, während die Flüssigkeit in spiraligen Streifen und mithin mit ungemein vervielfachter Oberfläche an den Seilen herabrinnt. Statt der letztern sind auch Ketten anwendbar, und Salzausscheidungen an denselben schaden nicht, weil sie einfach durch Schütteln zum Herabfallen gebracht werden können.
Zur Behandlung von Schwefelsäure mit Schwefelwasserstoff läßt man dieselbe in einem aufrecht stehenden Cylinder in feinen Strahlen springbrunnenartig aufsteigen, während gleichzeitig das Gas durch den Cylinder strömt und sich sehr innig mit der Säure mischt, oder man wendet einen Turm an, in welchem 24 Reihen von je neun, ^-förmigen Bleidächern auf Bleilatten angebracht sind. Die untern Ränder der Dächer sind fein sägezahnförmig ausgeführt, so daß die Säure in einzelnen Tropfen auf das nächsttiefere Dach [* 8] fällt und verspritzt und dem von unten nach oben strömenden Gas eine sehr große Oberfläche darbietet.
Maß

* 9
Maßstab.Sollen Gase auf Gase einwirken, so genügt es, sie in denselben Raum ausströmen zu lassen, da sie sich alsbald innig mischen. Im großartigsten Maßstab [* 9] geschieht dies bei der Schwefelsäurefabrikation, wo schweflige Säure, Luft, Wasserdampf und Salpetergase in Bleikammern geleitet werden. In andern Fällen wird bei Einwirkung von Gasen auf Gase eine Flüssigkeit als Vermittler angewandt, so z. B. bei der Verarbeitung der Sodarückstände, wo man schweflige Säure auf Schwefelwasserstoff wirken läßt, um beide Gase zu Schwefel und Wasser zu zersetzen. Man benutzt hier einen mit Holzprismen ausgelegten Turm, in welchem eine Chlormagnesium oder Chlorcalciumlösung herabrieselt, während die beiden Gase unten einströmen. Bei der Darstellung von Schwefelsäureanhydrid läßt man schweflige Säure mit Sauerstoff über Platin strömen und erreicht unter Einwirkung des letztern eine direkte Verbindung der beiden Gase.
Gaseinatmungskrankheiten
entstehen durch die länger oder kürzer dauernde Einatmung verschiedener Gase, Dämpfe und Dünste und kommen vorzugsweise bei gewissen Gewerbtreibenden vor, welche in einer mit schädlichen Gasen und Dämpfen vermischten Atmosphäre zu arbeiten genötigt sind. Die Gase und Dämpfe lassen sich bezüglich ihres Verhaltens zur Atmung einteilen in atmungsfähige und atmungsunfähige. Die erstere Gruppe umfaßt beinahe sämtliche Gasgemenge, die letztere nur wenige Gasarten, wie Chlor-, Brom-, Fluorwasserstoff-, Salpetersäure-,
[* 1] ^[Abb.: Fig. 15. Liebigs Kugelapparat.]
[* 1] ^[Abb.: Fig. 16. Absorptionsrohr.]
Gasel - Gasentwendung

* 10
Seite 6.937.[* 1] ^[Abb.: Fig. 17. Oxydationsgefäß von Hargreaves.] ¶
mehr
Salzsäuredämpfe, Ammoniak, schweflige Säure, Untersalpetersäure, welche sofort krampfhafte Verengerung der Stimmritze auslösen. Die atmungsfähigen Gase zerfallen dann wieder 1) in solche, welche auf die Dauer das Leben der Säugetiere erhalten (atmosphärische Luft);
2) in solche, welche ohne Nachteil eingeatmet werden können, aber nicht das Leben erhalten (Stickstoff, Wasserstoff, reiner Sauerstoff etc.);
3) in solche, welche eingeatmet giftig wirken (Kohlenoxyd, Kohlensäure, Leuchtgas, [* 11] Arsen-, Phosphor- und Schwefelwasserstoff, Blausäure, Chloroformdämpfe etc.). Nur die letztere Gruppe und die irrespirabeln Gase und Dämpfe sind im stande, Gaseinatmungskrankheiten hervorzubringen. Sofern die schädliche Wirkung des Einatmens sehr rasch am Tierkörper bemerkbar wird und nur geringe Mengen für die Erkrankung oder den Eintritt des Todes erforderlich sind, sprechen wir von Gasvergiftungen (vgl. Gift); ist dagegen die Einwirkung eine langsame, wie bei vielen Gewerben eine auf viele Jahre sich ausdehnende, so haben wir es mit Gaseinatmungskrankheiten im eigentlichen Sinn zu thun.
Die Anzahl der Gewerbe, welche zu Gaseinatmungskrankheiten Veranlassung geben können, ist eine außerordentlich große. Durch Einatmung sogen. indifferenter Gase, z. B. des Stickstoffs, der Kohlenwasserstoffgase, welcher namentlich Bergleute und Grubenarbeiter ausgesetzt sind, entsteht Atemnot, welche die Arbeiter zu forcierten Atembewegungen zwingt und auf diese Weise mit der Zeit zur Entwickelung des Lungenemphysems (s. d.) zu führen pflegt. Schwefligsaure und schwefelsaure Dämpfe erzeugen Katarrhe der Atmungsschleimhaut, Husten, Bluthusten, Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit, saures Aufstoßen etc. Bei der Strohhutfabrikation, beim Schwefeln des Hopfens, der Schwefelsäurefabrikation, in Kalkbrennereien, beim Rösten von Schwefelkiesen, in Glashütten und chemischen Fabriken sind die Arbeiter der Gefahr der Einatmung solcher sauren Dämpfe ausgesetzt.
Salpetrigsaure und salzsaure Dämpfe rufen ebenfalls je nach dem Grade der Konzentration allerhand Reizungszustände der Respirationsorgane hervor. Die Einatmung von Ammoniak in größerer Menge, wie sie in chemischen Fabriken, Gerbereien, Zuckersiedereien, Tabaksfabriken, beim Räumen der Senkgruben vorkommt, bewirkt Brustbeklemmung, Erstickungsanfälle und vorübergehende Harnverhaltung, wogegen lange fortgesetzte Einatmung von Ammoniak in geringerer Konzentration zu chronischen Bronchialkatarrhen führt.
Äußerst reizend wirkt Chlor auf die Atmungsorgane ein, indem es akute Katarrhe der Luftwege, Lungenentzündungen und Blutungen aus den Luftwegen hervorruft. Arbeiter, welche sich lange Zeit in einer mit Chlor verunreinigten Atmosphäre, z. B. in chemischen und Papierfabriken, Bleichereien und Verzinnungsanstalten, aufgehalten haben, sehen stets bleich und elend aus und ältern ungewöhnlich schnell. Konzentriertes Chlorgas ruft Krampf der Stimmritze, Erstickungsgefahr, ja selbst den Tod hervor.
Direkt giftig wirkt das Kohlenoxydgas, welches die Leuchtgasarbeiter, Rohrleger, die Arbeiter in Eisenhütten, Koksfabriken, Gasanstalten, Metallgießereien, die Buchbinder und Büglerinnen zuweilen in größerer Menge einatmen (vgl. Kohlenoxydvergiftung). Auch die Einatmung von Kohlensäure und kohlensauren Gasgemengen scheint direkt giftig auf den Organismus zu wirken. Veranlassung dazu bietet sich sehr häufig dar, denn solche kohlensaure Gasgemenge kommen in schlecht ventilierten Kellern zur Zeit der Gärung des Weins und Biers, in den Spiritus- und Preßhefefabriken, in tiefen Brunnenschächten, Leichengrüften, Lohgruben, Bergwerken vor und bedingen oft genug Erstickungsanfälle, Scheintod und wirklichen Tod bei denen, welche sich unvorsichtigerweise an solche Orte begeben.
Auch der Schwefelwasserstoff, welcher nicht selten zusammen mit andern stinkenden Gasarten eingeatmet wird, gibt bei Kloaken- und Schleusenarbeitern, in Kautschukfabriken und beim Flachsrösten Veranlassung zu akuten Vergiftungen oder zu chronischem Siechtum. Dasselbe gilt von dem Schwefelkohlenstoffgas, welches bei der Kautschukfabrikation und in der Wollwäscherei eine große Rolle spielt. Arbeiter, welche mit der Fabrikation der Jod- und Brompräparate beschäftigt sind, sind zuweilen akuten Vergiftungszufällen durch diese Gase ausgesetzt, welche mit heftigem Hustenreiz, Kopfschmerz, Entzündung der Augenbindehaut und Nasenschleimhaut sowie mit einem rauschähnlichen Zustand einhergehen, aber schnell wieder verschwinden, wenn reine Luft eingeatmet wird.
Häufiger kommt die chronische Jodvergiftung vor, welche sich als allgemeine Kachexie, hochgradige Abmagerung etc. darstellt und mit hartnäckigem Magenkatarrh verbunden ist. Außerdem kommen noch in Betracht: die Arsendämpfe in chemischen Fabriken, Laboratorien und Hüttenwerken (s. Arsenikvergiftung);
die Zinkdämpfe, welche bei Messingarbeitern, Gelbgießern und Gürtlern das Gießfieber oder Zinkfieber veranlassen;
die Bleidämpfe, welche namentlich Malern und Schriftgießern verderblich werden (s. Bleivergiftung);
die Quecksilberdämpfe, welche die Arbeiter in Quecksilberberg- und Hüttenwerken, die Spiegelbeleger und Vergolder, die Thermometer- und Barometerfabrikanten, die Zündhütchenarbeiter etc. schädigen (s. Quecksilbervergiftung);
die Phosphordämpfe, denen die Arbeiter in Phosphor- und Zündhölzchenfabriken ausgesetzt sind (s. Phosphorvergiftung);
die Terpentinöldämpfe, welche bei Malern, Firnisarbeitern, Appretierern und in Zündhölzchenfabriken entzündliche Reizungen der Lungen, des Magens und der Nieren veranlassen;
die Anilindämpfe, welche den Anilismus erzeugen, etc. Auch die Einwirkung der komprimierten Luft (s. d.) ist hierher zu rechnen.
Was die Behandlung der Gaseinatmungskrankheiten anbetrifft, so kommt alles darauf an, die Gewerbtreibenden vor einer mit schädlichen Gasen verunreinigten Atmosphäre zu schützen, sie derselben möglichst zu entziehen oder doch durch einen zweckmäßigen Betrieb des Gewerbes, durch ausgiebige Ventilation der Arbeitsräume etc. die vorhandene Gefahr zu mildern. Gewisse Operationen lassen sich in abgeschlossenen, gut ventilierten Kasten etc. vornehmen, deren Luft niemals eingeatmet zu werden braucht und nie in die eigentlichen Arbeitsräume übertreten kann.
Oft kann man durch Respiratoren oder durch Vorbinden von Schwämmen und Tüchern, die mit geeigneten Flüssigkeiten getränkt sind, der Gefahr vorbeugen.
Vgl. Eulenburg, Die Lehre [* 12] von den schädlichen und giftigen Gasen (Braunschw. 1865);
Hirt, Die Gasinhalationskrankheiten (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie«, Bd. 1, 3. Aufl., Leipz. 1882);
Layet, Allgemeine und spezielle Gewerbepathologie (deutsch von Meinel, Erlang. 1877).