Seite 9.566, Karthago (Staatsverfassung, Handel etc.) | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
mehr
zu ihrer Eroberung durch die Vandalen eine der ersten Stellen unter den Städten des römischen Reichs einnahm. Im Mittelalter wurden die Marmortrümmer derselben nach allen Seiten hin, selbst nach Italien, [* 2] verschleppt; daher zeigt die weite Strecke, über welche sich die Stadt ausbreitete, nur noch einzelne, aber mitunter kolossale Bautrümmer; am besten erhalten sind die alten Zisternen und die Reste einer großen Wasserleitung. [* 3]
Vgl. Falbe, Recherches sur l'emplacement de Carthage (Par. 1835);
Dureau de la Malle, Recherches sur la topographie de Carthage (das. 1835);
H. Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeers [* 4] (Berl. 1849);
Beulé, Nachgrabungen in Karthago [* 5] (deutsch, Leipz. 1863);
Davis, Karthago und seine Überreste (a. d. Engl., das. 1863).
Staatsverfassung, Handel, Religion.
Das wenige, was über die Verfassung des altkarthagischen Staats bekannt ist, verdanken wir hauptsächlich Aristoteles, der in seinem Werk über die Politik die karthagische Verfassung den besten Verfassungen der alten Staaten an die Seite stellt. Die Verfassung Karthagos war ursprünglich ihrem vorherrschenden Charakter nach aristokratisch. An der Spitze des Staats standen zwei Suffeten (die Schophthim der Hebräer), welche bald mit den spartanischen Königen, bald mit den römischen Konsuln verglichen und daher von den Römern Reges, Consules, Dictatores genannt wurden.
Sie hatten den Vorsitz und Vortrag im Senat, den Vorsitz im Gericht und nicht selten auch den Oberbefehl im Krieg. Wie lange sie ihr Amt verwalteten, ist ungewiß. Wie die Suffeten, so wurden auch die Feldherren gewählt. In rein militärischen Sachen war die Gewalt der Feldherren in der Regel unbeschränkt; beim Abschluß von Bündnissen, Verträgen etc. aber waren sie an die Einwilligung von Senatoren gebunden, deren in der Regel eine Anzahl mit ins Feld ging. Charakteristisch ist die rücksichtslose Härte, mit welcher öfters gegen Feldherren, welche unglücklich gewesen waren, verfahren ward, wenn sie es nicht vorzogen, freiwillig zu sterben.
Nächst den Suffeten und Feldherren genossen die Priester des höchsten Ansehens; doch gab es keinen eigentlichen abgesonderten Priesterstand, wie sich auch keine Spuren davon vorfinden, daß gewisse Priesterämter in einzelnen Familien erblich gewesen seien. Das höchste beratende und vollziehende Kollegium war der Senat, der in einen Großen und in einen Kleinen Rat zerfiel. Er hatte die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, die Oberaufsicht über das Kriegs-, Finanz- und Polizeiwesen sowie die gesetzgebende Gewalt; nur wenn Senat und Suffeten nicht einerlei Meinung waren, mußten die Gesetzvorschläge zur letzten Entscheidung an das Volk gebracht werden.
Später (die Zeit ist nicht genau zu bestimmen) wurde dem Geschlechtersenat ein zweiter, der der Hundertmänner (die genauere Zahl war 104), an die Seite gesetzt, welchen Aristoteles mit dem Ephorat der Spartaner vergleicht, welcher wohl ein kontrollierender Gerichtshof war, und welcher demnach, obwohl er, wie ebenfalls von Aristoteles bezeugt wird, aus den reichsten Bürgern bestand, einen demokratischen Charakter gehabt zu haben scheint, was im Lauf der Zeit zu innern, den Staat zerrüttenden Parteikämpfen führte.
Die Einkünfte Karthagos bestanden in den Tributen, welche die andern Handelsstädte in Geld, die Ackerbau treibenden Bewohner des flachen Landes in Naturalien entrichten mußten, in den Zöllen, welche sowohl in dem Hafen der Hauptstadt als auch in andern Hafenplätzen erhoben wurden, vornehmlich aber in dem Ertrag der Bergwerke, namentlich der spanischen seit Hamilkars Eroberungen in diesem Lande. Die vornehmsten Ausgaben wurden durch die Flotte und die Mietstruppen veranlaßt; die Magistratspersonen erhielten gesetzlich keine Besoldung.
Syra - Syrakus

* 6
Syrakus.Die Kriegsmacht war vornehmlich Seemacht. Am stärksten war dieselbe während des ersten Punischen Kriegs; dann sank sie unter der Herrschaft der Barkiden, da diese zur Ausführung ihrer Eroberungspläne einer Seemacht weniger bedurften als einer tüchtigen Landmacht. Zur Zeit der Kriege mit Syrakus [* 6] hatte Karthago eine Flotte von 150-200 Kriegsschiffen, im ersten Krieg mit Rom [* 7] aber auf 350 Kriegsschiffen 150,000 Bewaffnete. Die trefflich eingeübten Ruderknechte waren gewöhnlich afrikanische Sklaven.
Die Landmacht war größtenteils ein buntes Gemisch der verschiedensten Nationalitäten. Nur wenige karthagische Bürger zogen unter dem Namen der heiligen Schar teils als schwer bewaffnete Reiter, teils als Hopliten mit in den Krieg. Den Kern des Landheers machten aber die Libyer als schwere Reiterei und Hopliten aus. Angeworbene Söldner, namentlich Spanier und Gallier, auch Kampanier, Ligurier und Griechen, endlich die numidischen Reiter, bildeten die übrige Masse. Die Sitte, Elefanten zum Gebrauch im Krieg abzurichten, scheint erst seit dem Krieg mit Pyrrhos in Karthago aufgekommen zu sein.
Die wichtigsten Forsch

* 8
Afrika.Das Hauptgebiet des karthagischen Handels war das westliche Mittelmeer, und hier bildeten besonders die sizilischen und süditalischen Seestädte die Stapelplätze für denselben. Die Karthager holten hier Öl und Wein und versahen damit teils ihre Hauptstadt, teils andre Gegenden; dagegen brachten sie schwarze Sklaven aus dem innern Afrika, [* 8] Edelsteine, [* 9] Gold, [* 10] afrikanische Früchte und karthagische Manufakturwaren, von denen besonders die Webereien sehr berühmt waren.
Malta lieferte den Karthagern baumwollene Gewänder für den Handel mit den afrikanischen Völkerschaften, die Liparischen Inseln Alaun, [* 11] Corsica [* 12] Wachs und Honig und besonders geschätzte Sklaven, Äthalia (Elba) Eisen. [* 13] Den Bewohnern der Balearischen Inseln brachten sie gegen Lasttiere und Früchte Sklavinnen und Wein; zugleich dienten diese Inseln als Stationsplätze für den Handel mit Spanien, [* 14] von wo sie außer edlen Metallen auch Wein und Öl bezogen haben mögen.
Mit der ängstlichsten Sorgfalt wirkten sie jeder möglichen Konkurrenz mit andern Völkern entgegen und legten selbst ihren Kolonien Beschränkungen in Bezug auf die Handelsfreiheit auf. Während daher der Hafen der Hauptstadt allen fremden Kaufleuten offen stand, wurden die Häfen der Kolonien diesen, so lange es nur möglich war, verschlossen oder doch nur unter lästigen Bedingungen geöffnet. Gleich den Phönikern, hatten die Karthager auch an der Westküste Europas Kolonien und besuchten, um Zinn zu holen, die britischen Inseln (Kassiteriden). Es ist ferner wenigstens wahrscheinlich, daß sie des Bernsteins wegen auch den Kanal [* 15] und den Sund durchsegelten und die Küsten der Ostsee besuchten.
Karthago (Geschichte)

* 16
Seite 9.567.An der Westküste von Afrika, an der sie bis zum Grünen Vorgebirge vordrangen, tauschten sie gegen Putzsachen und allerlei Gerätschaften sowie gegen Wein und ägyptische Leinwand Elfenbein und Felle ein; auch fingen sie hier den Thunfisch, der ihnen so wertvoll erschien, daß sie die weitere Ausfuhr desselben verboten. Was den Landhandel anlangt, so hören wir von Herodot, daß sich in dem ägyptischen Theben Libyer und Karthager, unzweifelhaft des Handels wegen, aufhielten, wohin ¶
mehr
sie über die Oasen Augila und Ammonion (Siwah) gehen mochten. Außerdem bezogen sie von den Garamanten, den Bewohnern des heutigen Fezzan, Negersklaven und Edelsteine; wahrscheinlich gelangten sie dahin auf der Straße, die noch heute von Tripolis nach Fezzan führt.
Die Religion der Karthager war im wesentlichen die phönikische, welche selbst wieder mit den Religionen Asiens, besonders Vorderasiens, eng zusammenhängt. Als die Hauptgottheiten werden Baal, Moloch, Melkarth und die Göttin Astarte genannt; die beiden ersten führen bei den Griechen den Namen Kronos, Melkarth ist der griechische Herakles [* 17] (Herkules), Astarte die griechische Aphrodite [* 18] (Venus). Baal und Melkarth erscheinen beide meist als Sonnengott, Moloch als Feuergott, Astarte als die Mondgottheit, und die Religion der Karthager gibt sich hierdurch als Natur- und überwiegend als Sternreligion zu erkennen, obwohl hiermit das (bei unsern spärlichen Nachrichten schwer zu erkennende) Wesen derselben keineswegs erschöpft ist.
Romanzement - Römer

* 19
Römer.Von dem Kultus ist nur der in ähnlicher Weise auch anderwärts vorkommende Gebrauch zu bemerken, dem Moloch (statt dessen aber auch oft Baal genannt wird) Menschenopfer darzubringen. Es war üblich, jedes Jahr ein Kind und zwar das einzige Kind vornehmer Eltern in die Arme des ehernen, über einem glühenden Ofen stehenden Standbildes des Gottes zu legen, von wo es in den Ofen herabglitt. Außerdem geschah dies auch noch bei besondern Gelegenheiten, oft mit einer großen Menge von Kindern, wie denn z. B., als Karthago durch Agathokles schwer bedroht war, deren 200 geopfert wurden. - Über die Litteratur ist nichts Näheres bekannt. Es wird indes berichtet, daß bei der Zerstörung der Stadt mehrere Bibliotheken vorgefunden wurden, welche die Römer, [* 19] mit Ausnahme des Werkes eines Mago über den Ackerbau, verschenkten; dieses letztere eigneten sie sich an, und es wurde von D. Silanus ins Lateinische übersetzt. Ferner ist zu bemerken, daß von einem Reisebericht (Periplus) Hannos, welcher eine Entdeckungsreise an der Westküste von Afrika machte, noch eine griechische Bearbeitung erhalten ist. Die Sprache [* 20] der Karthager war die phönikische.
Geschichte.
Wir kennen die Geschichte Karthagos nur aus fremden Schriftstellern und zwar solchen, die nicht zur Blütezeit des Staats gelebt haben. Nach der Sage gründete Dido (s. d.) oder Elissa, eine tyrische Königstochter, die Stadt und zwar nach Angabe der meisten alten Schriftsteller 814 (vielleicht auch 846) v. Chr. Als von den Phönikern abstammend, hießen die Bewohner der neuen Stadt Pönier oder Punier, und immer herrschte zwischen ihnen und den Tyriern ein Gefühl der Verwandtschaft.
Die Karthager entrichteten anfangs an die Libyer, von denen sie die Erlaubnis zur Niederlassung erkauft hatten, einen Tribut und traten mit den Eingebornen bald in lebhaften Verkehr, infolge dessen sich viele der letztern in Karthago niederließen, welchem Beispiel auch benachbarte phönikische Kolonisten, durch Karthagos günstige Lage angelockt, gefolgt sein mögen. Bald fühlten sich aber die Karthager stark genug, nicht nur den Libyern den Tribut zu verweigern, sondern sich dieselben durch Bekriegung auch dienstbar zu machen. So wurde das Gebiet Karthagos südlich bis an den Tritonsee, die Grenzmarke zwischen dem fruchtbaren Land und der Wüste, östlich bis zum Turris Euprantus und bis zu den Arae Philaenorum ausgedehnt, während es sich im W. bis in die Gegend von Hippo Regius (Bona), der Residenz der numidischen Könige, erstreckte.
Die bis an den Tritonsee und bis an die numidische Grenze wohnenden Libyer oder Libyphöniker waren Unterthanen der Karthager, mit Ausnahme der altphönikischen Städte Utica, Groß-Leptis, Hadrumetum, Klein-Leptis, Hippo Zarytos, welche in einem (jedoch meist untergeordneten) Bundesgenossenverhältnis zu Karthago standen; das weiter östlich gelegene Land war von nomadischen Völkerschaften bewohnt, weshalb daselbst keine feste Herrschaft der Karthager begründet werden konnte.
Säule, galvanische - S

* 21
Säulen.Von diesem ihrem Gebiet aus breiteten sie ihren Handel und ihre Herrschaft immer weiter aus. So war die Küste von Numidien und Mauretanien bis zu den Säulen des Herakles [* 21] (nach den Nachrichten der Alten) mit ihren Kolonien besetzt, desgleichen die Westküste von Spanien; insbesondere aber war ihr Augenmerk schon sehr früh auf Sizilien [* 22] und Sardinien [* 23] gerichtet. Es wird berichtet, daß zwischen 600 und 550 bereits ein Malchus und nach ihm, zwischen 550 und 500, Mago und seine Söhne und Enkel auf diesen Inseln Eroberungen gemacht hätten.
Außerdem wird aus dieser frühsten Zeit noch einer Seeschlacht gedacht, welche die Karthager in Verbindung mit den Etruskern 544 den Phokäern lieferten, die sich auf Kyrnos (Corsica) niedergelassen hatten. Ferner berichtet Polybios von einem Handelsvertrag mit Rom, durch welchen die Karthager 509 die Ausschließung der Römer von den fruchtbaren Gegenden südlich vom Schönen Vorgebirge, wo die Hauptemporien der Karthager lagen, bezweckten. Um dieselbe Zeit beschiffte Hanno die westafrikanische Küste und legte Kolonien daselbst an; dasselbe that Himilko an der Westküste Spaniens und Galliens.
Der Kampf um den ausschließlichen Besitz Siziliens nahm zwei Jahrhunderte lang die angestrengteste Thätigkeit des Handelsstaats in Anspruch. Zuerst setzten sich die Karthager auf dem westlichen Teil der Insel fest, bemächtigten sich der phönikischen Niederlassungen zu Motye und Panormos und dehnten sodann, die fortwährenden Streitigkeiten unter den griechischen Städten ausbeutend, ihre Herrschaft weiter nach Osten aus. Nach Herodot rief der durch Theron von Agrigent vertriebene Tyrann Terillos von Himera die Karthager zu Hilfe, und diese sollen 480 unter Hamilkars Anführung ein 300,000 Mann starkes Heer nach Sizilien gesandt haben; Theron ward jedoch von Gelon von Syrakus unterstützt, und dieser brachte den Karthagern bei Himera eine völlige Niederlage bei, in der ihr ganzes Heer vernichtet wurde.
Von nun an scheinen die Karthager den Krieg um Sizilien eine geraume Zeit ganz aufgegeben zu haben. Erst als die Segestäer, nach dem unglücklichen Ausgang der sizilischen Expedition der Athener von den Selinuntiern hart bedrängt, bei ihnen um Hilfe baten, schickten sie 408 Hannibal, den Enkel des bei Himera gefallenen Hamilkar, wieder mit einem großen Heer nach Sizilien. Dieser eroberte Selinus, Himera, Agrigent (406), Gela (405), wurde aber durch eine Pest, welche in seinem Heer große Verheerungen anrichtete, genötigt, mit Dionysios, dem Tyrannen von Syrakus (406-367), welcher die Verteidigung der griechischen Städte gegen Karthago übernommen hatte, um sie sich selbst zu unterwerfen, einen Vertrag abzuschließen, durch welchen den Karthagern der Besitz der gemachten Eroberungen zugestanden wurde. Dionysios erneuerte darauf den Krieg dreimal, um den Karthagern ihre Besitzungen auf der Insel zu entreißen. Im ersten Krieg (398-392) drang Himilko, nachdem er die ganze Insel erobert, bis vor Syrakus, welches er hart bedrängte. Da aber sein Heer erst ¶
Fortsetzung Karthago:
→ Seite 9.568 || durch eine Pest und dann durch einen Überfall der Belagerten zum großen Teil vernichtet worden