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Seite 9.693, Kerner | eLexikon

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  • ️Tue Apr 07 1812
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Tendenzen Bonapartes durchschaut hatte (Ende 1801). Von 1803 bis 1812 wirkte er in Hamburg [* 2] als Arzt. Gram über die Napoleonische Zwingherrschaft und übergroße Anstrengung in der opfermutigen Ausübung seines Berufs beschleunigten sein Lebensende. Er starb 7. April 1812.

Vgl.   Justinus Kerner (Georgs Bruder), Bilderbuch aus meiner Knabenzeit (neue Ausg. Stuttg. 1886);

Wohlwill, Georg ein deutsches Lebensbild (Hamb. 1886).

Württemberg und Hohenz

Bild 16.772a: Württemberg und Hohenzollern
* 7 Württemberg.

2) Andreas Justinus, hervorragender Dichter und medizinischer Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 18. Sept. 1786 zu Ludwigsburg, [* 3] erhielt seine Erziehung im Kloster Maulbronn, sollte nach dem Tode des Vaters wider seine Neigung Kaufmann werden, bezog 1804 die Universität Tübingen, [* 4] um Medizin und Naturwissenschaften zu studieren, und schloß dort mit Uhland und G. Schwab eine auf die gemeinsame Neigung zur Poesie gegründete innige Freundschaft. Nach Beendigung seiner Studien begab sich Kerner 1809 auf Reisen und lebte längere Zeit in Hamburg, Berlin, [* 5] Wien [* 6] u. a. O. Die Briefe, welche er während dieser Zeit an die zurückgebliebenen Freunde schrieb, bilden die »Reiseschatten von dem Schattenspieler Lux« (Heidelb. 1811), das bedeutendste dichterische Erzeugnis Kerners, welchem herrliche Lieder und dramatische Szenen voll seltenen, phantastischen Humors eingewebt sind. Zurückgekehrt, kam als Badearzt in das Wildbad und schrieb hier: »Das Wildbad im Königreich Württemberg« [* 7] (Tübing. 1811, 4. Aufl. 1839). Auch gab er mit Uhland, Schwab u. a. den »Poetischen Almanach« (Heidelb. 1812) sowie den »Deutschen Dichterwald« (Tübing. 1813) heraus, welcher die schönsten, frischesten und sangbarsten Gedichte Kerners und Beiträge von Uhland, Schwab, Kerner Mayer, Eichendorff u. a. enthält. Es folgten: »Romantische Dichtungen« (Karlsr. 1817). Im J. 1818 nach Weinsberg als Oberamtsarzt versetzt, baute er sich an dem Fuß der alten Burg Weibertreue unter grünen Bäumen an. Hier beschrieb er in anmutiger und altertümlicher Sprache [* 8] »Die Einnahme von Weinsberg im Bauernkriege« (2. Aufl., Heidelb. 1848) und lieferte die medizinische Schrift »Das Fettgift, oder die Fettsäure und ihre Wirkungen auf den tierischen Organismus« (Stuttg. 1822). Von Einfluß auf seine geistige Richtung wurden die Erfahrungen, die er auf dem Gebiet des tierischen Magnetismus [* 9] machte. Von der Beobachtung einiger Fälle dieser Art, wie er sie in der »Geschichte zweier Somnambulen« (Karlsr. 1824) beschreibt, schritt er schnell weiter und gelangte in der »Seherin von Prevorst« (Stuttg. 1829, 2 Bde.; 5. Aufl. 1877),

in den mit Eschenmayer herausgegebenen »Blättern aus Prevorst« (1.-7. Samml., Karlsr. 1831-35; 8.-12. Samml., Stuttg. 1836-39; fortgesetztes »Magikon«, das. 1842-53, 5 Bde.),

den Schriften: »Geschichten Besessener neuerer Zeit« (Karlsr. 1834, 2. Aufl. 1835),

»Eine Erscheinung aus dem Nachtgebiet der Natur« (Stuttg. 1836) und »Nachricht von dem Vorkommen des Besessenseins« (das. 1836) zur ernsthaften Behauptung des Hereinragens der Geisterwelt in die irdische. Daß Kerner übrigens auch Momente hatte, wo er von dem ihn sonst beherrschenden Hang zum Dämonismus frei war und mit dem dämonistischen Spuk, unter dessen Einfluß seine Phantasie für gewöhnlich stand, selbst Spott treiben konnte, beweist sein wunderliches Drama »Der Bärenhäuter im Salzbade« (Stuttg. 1837), das nur als Persiflage des ganzen Geisterkrams, von dem seine Phantasie erfüllt war, verständlich wird.

Bayern

Bild 2.532a: Bayern
* 10 Bayern.

Fast ganz erblindet, legte Kerner 1851 Amt und Praxis nieder. König Ludwig I. von Bayern [* 10] hatte dem Dichter einen kleinen Jahrgehalt ausgesetzt, dem König Wilhelm von Württemberg 1853 noch eine Summe zulegte; er wurde zum Ritter des Ordens der württembergischen Krone sowie zum Mitglied des bayrischen Maximiliansordens ernannt und erhielt, als er 1858 sein 50jähriges Doktorjubiläum feierte, von nah und fern zahllose Beweise von Hochschätzung und Verehrung. Die Schule des Dichters Kerner wie die Uhlands war das Studium der Volkslieder, und Kerner traf den volksmäßigen Liederton in einer Weise, daß selbst Kenner, wie Arnim und Brentano, ein Kernersches Lied für ein Volkslied nahmen.

Während aber Uhland klar und plastisch ist, waltet bei Kerner mehr das Phantastische und die Versenkung in dunklere Empfindungen vor. Seine Muse zeigt sich am eigentümlichsten da, wo sie das gegebene Menschliche verflüchtigt und im Dufte der Sehnsucht in das Unendliche aufsteigen läßt; daher ist der Grund seiner Poesie wehmütiger und ernster als im Volkslied. Übrigens tragen alle seine Lieder den wahrhaften Charakter des Liedes: sie sind schlagend, kurz, voll Seele und überraschender, zuweilen freilich seltsamer Bilder.

Die Romanzen suchen das Schaurige, Geisterhafte. Seine Dichtungen in ungebundener Rede und in dramatischer Form haben einen hier und da auch in den Gedichten vorklingenden kernigen Humor und mitunter scharfen Witz. Eine Sammlung seiner »Gedichte« erschien zuerst 1826 (5. verm. Aufl. u. d. T.: »Lyrische Gedichte«, Stuttg. 1854),

seine »Dichtungen«, welche auch die »Reiseschatten«, den »Bärenhäuter« u. a. in Prosa enthalten, 1834 (3. vermehrte Aufl., das. 1841, 2 Bde.). Eine anmutige Schilderung von Kerners Jugendjahren enthält sein »Bilderbuch aus meiner Knabenzeit« (Braunschw. 1849; 2. Abdruck, Stuttg. 1886). Auch gab Kerner »Gedichte von Johann Lämmerer, einem Weber in Gschwend« (Gmünd [* 11] 1820) heraus. 1853 veröffentlichte er noch eine Schrift: »Die somnambulen Tische«. Mit dem »Letzten Blütenstrauß« (Stuttg. 1852) nahm der Dichter von der Poesie Abschied, doch folgte noch 1859 eine neue Sammlung lyrischer Gedichte unter dem Titel: »Winterblüten«.

Seine »Ausgewählten poetischen Werke« erschienen in 2 Bänden (Stuttg. 1878). Er starb 21. Febr. 1862 in Weinsberg.

Vgl.   Marie Niethammer (Kerners Tochter),

J. Kerners Jugendliebe und mein Vaterhaus (Stuttg. 1877);

Reinhard, J. Kerner und das Kerner-Haus zu Weinsberg (2. Aufl., Tübing. 1886);

Rümelin, Justinus (in der »Allgemeinen Zeitung« 1862, Nr. 163-166 und 168-171);

Kerner Mayer, L. Uhland, seine Freunde etc. (Stuttg. 1867), mit vielen Briefen u. Gedichten Kerners; D. Strauß, [* 12] Gesammelte Schriften, Bd. 1 (Bonn [* 13] 1876);

du Prel, J. Kerner und die Seherin von Prevorst (Leipz. 1886).

Sein Sohn Theobald Kerner, geb. 14. Juni 1817 zu Gaildorf, praktischer Arzt in Weinsberg, hat sich ebenfalls als lyrischer (auch politischer) Dichter und talentvoller Erzähler sowie durch magnetische Kuren, in denen er eine Theorie seines Vaters praktisch anzuwenden versuchte, bekannt gemacht. Er veröffentlichte: »Gedichte« (Jena [* 14] 1845 u. Stuttg. 1852);

»Prinzessin Klatschrose« (das. 1851);

»Aus dem Kinderleben« (das. 1852);

»Natur und Frieden« (2. Ausg., Frankf. 1861);

»Galvanismus [* 15] und Magnetismus als Heilkraft« (4. Aufl., Kannst. 1858);

»Tragische Erlebnisse« (Hamb. 1864).



Kernfäule - Kerpely

Bild 9.694: Kernfäule - Kerpely
* 16 Seite 9.694.

3) Anton Kerner, Ritter von Marilaun, Botaniker, geb. 12. Nov. 1831 im Schloß zu Mautern in Niederösterreich, studierte Medizin in Wien, wurde 1855 zum Professor an der Oberrealschule und 1858 zum Professor an der technischen Hochschule in Ofen

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ernannt. Von hier aus bereiste er das botanisch bis dahin fast ganz unbekannte Hochgebirge an der Grenze von Ungarn [* 17] und Siebenbürgen, den Bakonyer Wald und sehr oft die Theißniederung. Die Ergebnisse dieser Exkursionen sind teils in seinem »Pflanzenleben der Donauländer« (Innsbr. 1863),

Garten

Bild 6.918: Garten
* 19 Garten.

teils in dem Werk »Vegetationsverhältnisse des mittlern und östlichen Ungarn und Siebenbürgen« (das. 1875, Lief. 1 u. 2) niedergelegt. 1860 erhielt Kerner die Professur der Naturgeschichte an der Universität Innsbruck. [* 18] Hier gestaltete er die Alpenpflanzenanlage zu einer Sehenswürdigkeit, legte kleine Versuchsgärten in der alpinen Region an und bestimmte weit über 1000 Baumgrenzen durch barometrische Messungen. Auch bemühte er sich um die Verbesserung der Alpenwirtschaft und gründete auf dem Blaser eine kleine Versuchsstation für diesen Zweck. Seine Schrift über die Kultur der Alpenpflanzen (Innsbr. 1864) trug viel zur Verbreitung dieser Liebhaberei bei. 1877 in den Ritterstand erhoben, folgte er 1878 einem Ruf als Professor der Botanik und Direktor des botanischen Gartens und Museums an der Wiener Universität. Hier gestaltete er den botanischen Garten [* 19] dem Plan entsprechend um, welchen er in seiner Schrift »Die botanischen Gärten, ihre Aufgabe in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft« (Innsbr. 1874) entwickelt hatte. Er schrieb noch unter anderm: »Flora der Bauerngärten in Deutschland« [* 20] (»Verhandlungen der Zoologisch-botanischen Gesellschaft« 1855);

»Die niederösterreichischen Weiden« (Wien 1860);

»Studien über die obern Grenzen [* 21] der Holzpflanzen in den Österreichischen Alpen« [* 22] (7 Abhandlungen in der »Österreichischen Revue« 1863-67);

»Herbarium österreichischer Weiden« (Innsbr. 1863-70, 9 Dekaden);

»Die Alpenwirtschaft in Tirol« [* 23] (Wien 1868);

»Der botanische Garten in Innsbruck« (2. Aufl., Innsbr. 1869);

»Die Abhängigkeit der Pflanzengestalt von Klima [* 24] und Boden« (das. 1869);

»Die natürlichen Floren im Gelände der Deutschen Alpen« (in Schaubachs »Deutschen Alpen«, Jena 1870);

»Die Schutzmittel des Pollens gegen die Nachteile vorzeitiger Befruchtung« [* 25] (Innsbr. 1873);

»Über die Bedeutung der Asyngamie für die Entstehung der Arten« (das. 1874);

»Geschichte der Aurikel« (München [* 26] 1875);

»Schutzmittel der Blüten gegen unberufene Gäste« (Wien 1876, 2. Aufl. 1879).

Sein neuestes Werk ist das »Pflanzenleben« (in dem Sammelwerk »Allgemeine Naturkunde«, Leipz. 1887, 2 Bde. mit vielen Abbild.).