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Seite 11.90, Magnetismus (Diamagnetismus) | eLexikon

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Eine andre Theorie des Magnetismus, [* 2] welche alle magnetischen Erscheinungen auf die Wirkungen elektrischer Ströme zurückführt, hat Ampère aufgestellt. Nachdem derselbe nämlich erkannt hatte, daß zwei Stromleiter sich anziehen oder abstoßen, je nachdem sie in gleicher oder entgegengesetzter Richtung vom Strom durchflossen werden, und daß eine von Elektrizität [* 3] durchströmte Drahtspirale (Solenoid) sich einem Magnet, der Erde oder einer zweiten durchströmten Spirale gegenüber ganz wie ein Magnetstab verhält, nahm er an, daß jedes Eisenmolekül unaufhörlich von einem kleinen Kreisstrom umflossen werde, von denen jeder nach den Gesetzen der Elektrodynamik [* 4] (s. d.) einen kleinen Magnet darstellt, dessen Pole zu beiden Seiten des Kreisstroms in der Achse liegen, die man sich senkrecht durch die Mitte des Kreises gelegt denken kann. In einem unmagnetischen Eisenstab haben die Ebenen dieser Kreisströme die verschiedensten Lagen und heben deswegen ihre Wirkungen nach außen gegenseitig auf.

Staatsverfassung - Sta

Bild 15.207: Staatsverfassung - Stabel
* 5 Stab.

Führt man nun einen elektrischen Strom um den Eisenstab, so richtet derselbe die Molekularströme gleichlaufend mit sich und folglich deren Achsen parallel zur Achse des Eisenstabes; der Stab [* 5] ist jetzt magnetisch (zu einem Elektromagnet, s. d.) geworden und hat seinen Südpol nach der Seite gewendet, von welcher aus betrachtet sowohl der magnetisierende Strom als auch die Molekularströme des Eisens in der Richtung des Uhrzeigers kreisen. Während die Molekularströme des weichen Eisens nach Aufhören der magnetisierenden Ursache in ihre frühern Lagen zurückkehren, behaupten diejenigen des Stahls dauernd die ihnen einmal gegebene Richtung.

Die Ströme, welche die innern Moleküle eines Magnets umkreisen, können nach außen keine bemerkbare magnetische Wirkung ausüben, weil in Bezug auf jeden solchen innern Kreisstrom alle benachbarten Ströme so laufen, daß sie die Wirkung desselben aufheben; vielmehr können nur die Ströme, welche die an dem Umfang des Stabes liegenden Moleküle umfließen, und zwar nur in den nach auswärts gewendeten Teilen ihrer Bahn die vom Stab ausgehende magnetische Wirkung verursachen.

Diese Ströme kann man sich aber ersetzt denken durch geschlossene Ströme, welche den ganzen Stab rings umlaufen, und sonach wäre ein Magnetstab vergleichbar mit einer vom Strom durchlaufenen Drahtspirale. Das Gesetz der Pole erklärt sich alsdann aus dem Bestreben der Ströme in den beiden aufeinander wirkenden Magneten, sich parallel und gleichzurichten [* 1] (Fig. 13). Ebenso wird eine Magnetnadel durch den elektrischen Strom abgelenkt, weil die sie umkreisenden Ströme sich parallel mit dem Strom im Leitungsdraht zu stellen suchen. Auch der Erdmagnetismus ist nach dieser Theorie nichts weiter als die Wirkung von elektrischen Strömen, welche die Erde in stets veränderlicher Richtung und Stärke, [* 6] aber im allgemeinen von O. nach W. umkreisen. Die tägliche Periode der magnetischen Variationen scheint darauf hinzudeuten, daß diese Erdströme thermoelektrischen Ursprungs sind.

Diamagnetismus.

Bringt man ein Stäbchen von Wismut, welches, an einem Kokonfaden aufgehängt, horizontal schwebt, zwischen die Pole eines sehr kräftigen Elektromagnets [* 1] (Fig. 14, von oben gesehen), so wird es von beiden Polen abgestoßen und stellt sich daher rechtwinkelig (a b) zur Verbindungslinie der beiden Pole (äquatorial), während ein Eisenstäbchen sich natürlich in die Verbindungslinie (N S) der beiden Pole (axial) gestellt hätte. In Bezug auf dieses Verhalten lassen sich alle Körper in zwei Gruppen teilen: die magnetischen (auch »paramagnetische« genannt) werden vom Magnet angezogen und stellen sich axial, die übrigen werden abgestoßen und stellen sich äquatorial;

letztere wurden von Faraday, der diese Erscheinung entdeckte, diamagnetisch genannt.

Eisen I

Bild 5.406a: Eisen I
* 7 Eisen.

Außer Eisen, [* 7] Nickel und Kobalt, deren magnetische Eigenschaften schon längst bekannt waren, erwiesen sich noch Mangan, Chrom, Cer, Titan, Palladium, Platin, Osmium sowie fast alle Eisenverbindungen als magnetisch, als diamagnetisch dagegen vorzüglich Wismut, sodann Antimon, Zink, Zinn, Blei, [* 8] Silber, Kupfer, [* 9] Gold [* 10] etc. Um Flüssigkeiten zu prüfen, füllt man sie in dünnwandige Glasröhren, oder man stellt sie in einem Uhrglas über die sehr genäherten Pole eines starken Elektromagnets; im letztern Fall bilden sie unebene Oberflächen, und zwar häufen sich magnetische Flüssigkeiten über den Kanten der Pole an und bilden kleine Hügel, während diamagnetische Flüssigkeiten sich nach der axialen Richtung ausdehnen und nach der äquatorialen zusammenziehen; in der Mitte zwischen den beiden Polen bildet sich alsdann statt des frühern Bergrückens ein in der äquatorialen Richtung sich hinziehendes Thal. [* 11]

Gase (Physikalisches)

Bild 6.930: Gase (Physikalisches)
* 12 Gase.

Kerzenflammen sind in höherm Grade diamagnetisch als die umgebende Luft; sie werden von den Magnetpolen abgestoßen und nehmen in äquatorialer Richtung eine verbreiterte Gestalt an. Die Gase [* 12] sind diamagnetisch, Sauerstoffgas aber verhält sich gegen alle andern Gase magnetisch, d. h. es ist weniger diamagnetisch als sie. Wie Plücker zuerst gezeigt hat, üben die Kristallisationsverhältnisse auf die diamagnetischen Erscheinungen einen wesentlichen Einfluß aus.

Eine parallel zur Kristallachse geschliffene Turmalinplatte stellt sich axial, wenn jene Achse senkrecht steht, dagegen äquatorial, wenn ihre Achse horizontal liegt. Aus Versuchen mit kristallisiertem Wismut ergab sich, daß die Hauptspaltungsebene sich äquatorial zu stellen strebt, so daß ein Stäbchen aus kristallisiertem Wismut, dessen Längsrichtung auf dieser Ebene senkrecht steht, sich axial stellt. Faraday nennt diese Richtung des kristallisierten Wismuts, welche sich axial zu stellen strebt, die Magnetkristallachse. Plücker bezeichnet als magnetische Kristallachsen solche durch die Kristallform bedingte feste Richtungen, nach welchen die magnetische oder diamagnetische Polarität unabhängig von der Lage der magnetisierenden Pole auftritt.

Weber erklärt den Diamagnetismus [* 13] durch molekulare Ströme, welche aber nicht, wie diejenigen der

[* 1] ^[Abb.: Fig. 13. Erklärung des Magnetismus nach Ampère.]



Magnetismus (Geschicht

Bild 11.91: Magnetismus (Geschichtliches)
* 14 Seite 11.91.

[* 1] ^[Abb.: Fig. 14. Diamagnetismus.]

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magnetischen Körper, bereits fertig gebildet sind und durch einen genäherten Magnet bloß seinen eignen Strömen gleichgerichtet werden, sondern welche durch den genäherten Magnet erst hervorgerufen oder, wie man sagt, induziert werden. Nähert man einem Magnetpol einen Leiter, z. B. einen Kupferstab, so werden in diesem Ströme induziert, welche den Ampèreschen Strömen entgegengesetzt sind. Diese Ströme sind jedoch von sehr kurzer Dauer, denn indem sie durch die Masse des Kupfers von Molekül zu Molekül übergehen, haben sie einen Leitungswiderstand zu überwinden, durch welchen ihre Energie sehr bald erschöpft wird.

Indret - Induktion

Bild 8.931: Indret - Induktion
* 15 Induktion.

Außer diesen durch die Masse des Leiters sich fortpflanzenden gewöhnlichen Induktionsströmen erregt der Magnet aber auch noch kleine Kreisströme um dessen Moleküle, welche den Molekularströmen des Magnets ebenfalls entgegengesetzt sind, aber, weil sie beim Umkreisen des Moleküls keinem Widerstand begegnen, so lange fortdauern, bis infolge einer neuen Induktion [* 15] neue entgegengesetzte Molekularströme entstehen, welche die ältern aufheben. Da nun diese Molekularströme denjenigen des Magnets entgegengesetzt sind, so sieht man, daß nach den elektrodynamischen Gesetzen Abstoßung eintreten muß.

Die induzierten Molekularströme können sich auch in Nichtleitern bilden, welche einen Übergang der Elektrizität von einem Molekül zum andern und daher das Entstehen gewöhnlicher Induktionsströme nicht gestatten; Glas, [* 16] Schwefelkohlenstoff und andre Nichtleiter zeigen sich in der That stark diamagnetisch. Die erste diamagnetische Erscheinung, welche Faraday beobachtete, war die Drehung der Polarisationsebene des Lichts (s. Polarisation) [* 17] durch den Magnetismus. Bringt man nämlich zwischen die Halbanker eines kräftigen Elektromagnets [* 14] (Fig. 15), welche in axialer Richtung (a d), um hindurchsehen zu können, durchbohrt sind, ein Stück (g) von Faradays »schwerem Glas« (kieselborsaurem Blei), so erleidet die Polarisationsebene eines durch dies Glasstück hindurchgeschickten linearpolarisierten Lichtstrahls eine Drehung und zwar in der Richtung, nach welcher der positive Strom den Elektromagnet umkreist.

Auch an andern durchsichtigen, festen und flüssigen Körpern beobachtet man die magnetische Drehung der Polarisationsebene, wenn auch in geringerm Grade. Denselben Erfolg erzielt man auch ohne Magnet, wenn man einen elektrischen Strom in Spiralwindungen um die durchsichtigen Körper herumleitet. Zwischen der magnetischen Drehung der Polarisationsebene und derjenigen Drehung, welche manchen Körpern (den zirkularpolarisierenden) von Natur eigen ist, besteht übrigens ein wesentlicher Unterschied.

Geht nämlich ein Strahl durch ein von Strömen umkreistes diamagnetisches Mittel, so wird die Polarisationsebene, wie erwähnt, nach der Richtung der Ströme gedreht, und man erhält mithin eine Drehung nach rechts oder nach links, je nachdem der Strahl in der einen oder in der andern Richtung durch das Mittel hindurchgeht. Bei zirkularpolarisierenden Körpern erhält man dagegen stets eine Drehung nach derselben Seite, gleichviel nach welcher Richtung man durch den Körper hindurchblickt.

Reflexerscheinungen -

Bild 63.691: Reflexerscheinungen - Reformation
* 18 Reflexion.

Wird daher der einfallende Strahl am andern Ende des zirkularpolarisierenden Mittels so reflektiert, daß er auf demselben Weg zurückkehrt, so beobachtet man gar keine Drehung, weil die beiden hintereinander erfolgten Drehungen, absolut genommen, entgegengesetzt waren. Bei der Drehung durch den Strom werden dagegen beide Drehungen, wieder absolut genommen, in gleichem Sinn erfolgen, und der Effekt wird durch die Reflexion [* 18] verdoppelt. Nach Wiedemanns Untersuchungen ist die Drehung der Polarisationsebene der Stärke des Stroms oder der magnetisierenden Kraft [* 19] proportional und nimmt zu mit der Brechbarkeit der Strahlen. Bei gleicher magnetisierender Kraft ist die Drehung in verschiedenen Stoffen sehr verschieden: in Lösungen von Salzen mit diamagnetischem Radikal ist das Drehungsvermögen fast durchgängig größer als für Wasser, dagegen ist es kleiner als für Wasser in Lösungen von Salzen mit magnetischem Radikal, so daß letztern Salzen ein negatives Drehungsvermögen zuzuschreiben ist.

Geschichtliches.

Der Magnetstein hat nach Lukrez seinen Namen von der Stadt Magnesia, wo ihn die Griechen zuerst gefunden haben sollen. Plinius erzählt von einem Hirten, Magnes, der auf dem Berg Ida mit den eisernen Nägeln seiner Sohlen und der eisernen Spitze seines Hirtenstabes auf einem magnetischen Stein festgehalten wurde. Die Alten scheinen die Kunst verstanden zu haben, den natürlichen Magnet zu armieren und dadurch zu verstärken. Das Geheimnisvolle, welches in dem Stein liegt, wurde namentlich von den Priestern vielfach ausgenutzt.

Europa. Fluß- und Gebi

Bild 5.919a: Europa. Fluß- und Gebirgssysteme
* 20 Europa.

Die Richtkraft des Magnets war wenigstens den Chinesen schon sehr lange bekannt; sie benutzten magnetische Wagen, auf denen der magnetische Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die Grasebenen der Tatarei zu finden. Im 3. Jahrh. nach unsrer Zeitrechnung segelten schon chinesische Fahrzeuge im Indischen Ozean nach magnetischer Südweisung. 400 Jahre vor Kolumbus kannten die Chinesen bereits die Deklination. In Europa [* 20] wird der Magnetstein zuerst gegen Ende des 11. Jahrh. von Are Frode in seiner Geschichte von der Entdeckung Islands erwähnt; man scheint den natürlichen Magnet an einem Faden [* 21] aufgehängt zu haben und nannte ihn Leitstein (engl. leadstone).

Gilbert erzählt, daß nach Flavius Blondus zuerst ums Jahr 1300 die Amalfitaner in Neapel [* 22] den Schiffskompaß konstruiert und angewendet hätten, und zwar nach der Anleitung des Flavio Gioja; doch sei es wahrscheinlicher, daß die Kenntnis des Kompasses ums Jahr 1260 durch Paulus Venetus aus China [* 23] nach Italien [* 24] gebracht sei. Jedenfalls war der Seekompaß im südlichen Europa schon zu Anfang des 13. Jahrh. bekannt. Im J. 1266 kannte man auch in Norwegen [* 25] die Magnetnadel, und wenige Jahre später wußte man, daß ungleichnamige Pole sich anziehen. In einem Briefe von Peter Adsiger wird ausführlich von der Deklination gesprochen, die später Kolumbus mit großer Bestürzung 200 Leguas von der Insel Ferro entfernt von neuem entdeckte. Kolumbus war der erste, welcher die Beobachtung machte, daß die Deklination an verschiedenen Orten ungleich stark ist. Genauere Bestimmungen der Deklination wurden erst um die Mitte des 16. Jahrh. gemacht, und 1543 entdeckte Georg Hartmann in Nürnberg [* 26] die Inklination. Er

[* 14] ^[Abb.: Fig. 15. Diamagnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichts.]

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