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Seite 12.146, Niederlande (Verwaltung, Rechtspflege, Finanzen, Heerwesen) | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Tue Aug 31 1880
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des Königs und deren Deszendenten nach dem Rechte der Erstgeburt und in Ermangelung dieser auf die Tochter des letzten Königs nach dem Rechte der Erstgeburt über. Zur Thronfolge berechtigt ist gegenwärtig zunächst die Prinzessin Wilhelmine (geb. 31. Aug. 1880), sodann die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar, Schwester des Königs, resp. deren Dependenz. Das Einkommen des Königs fließt teils aus Domanialgütern, teils besteht es aus einer festen, jedesmal bei der Thronbesteigung fixierten Zivilliste; außerdem werden jährlich 50,000 Guld. für Unterhaltung der königlichen Schlösser bewilligt.

Der König hat die Oberleitung der auswärtigen Angelegenheiten, das Recht der Kriegserklärung, schließt und bestätigt Verträge mit andern Mächten. Er hat den Oberbefehl über die Land- und Seemacht, die oberste Verwaltung der Kolonien und der Finanzen, verleiht Adelstitel, übt das Recht der Begnadigung, legt den Kammern Gesetzentwürfe vor, sanktioniert oder verwirft die Anträge der Kammern, hat den Vorsitz im Staatsrat, dessen Mitglieder er ernennt und wählt, und entläßt seine Minister nach Belieben.

Belgien und Luxemburg

Bild 2.644a: Belgien und Luxemburg
* 3 Luxemburg.

Alle königlichen Beschlüsse und Bescheide müssen aber durch einen Minister kontrasigniert sein. Gegenwärtiger König ist Wilhelm III. (seit 17. März 1849). Sein Titel ist: »König der Niederlande, [* 2] Prinz von Oranien-Nassau, Großherzog von Luxemburg«. [* 3] Der Kronprinz (gegenwärtig nicht vorhanden) führt den Titel: »Prinz von Oranien«. Königliche [* 4] Residenz ist Haag. [* 5] Im Monat April pflegt der Hof [* 6] eine Woche lang in Amsterdam [* 7] auf Kosten dieser Stadt zu residieren.

In administrativer Beziehung besteht das europäische Gebiet des Königreichs aus den oben aufgeführten 11 Provinzen. An der Spitze der Staatsverwaltung steht ein Ministerrat, der aus den Chefs der 8 Ministerien: des Auswärtigen, der Justiz, des Innern, der Marine, der Finanzen, des Kriegs, der Kolonien, endlich des Handels und der Industrie (Departement van Waterstaat) besteht. Das Präsidium wechselt unter den Ministern nach der Reihenfolge ihrer Ernennung alle drei Monate.

An der Spitze der Verwaltung einer jeden Provinz steht ein königlicher Kommissar (früher Gouverneur genannt). Jede Provinz wird durch Provinzialstände vertreten, deren Mitglieder auf sechs Jahre gewählt werden. Die Obrigkeit jeder Gemeinde besteht aus einem Rat von 7-39 Mitgliedern, einem Bürgermeister und Schöffen (Wethouders). Der Bürgermeister wird vom König auf sechs Jahre ernannt, die Schöffen werden vom Rat aus seiner Mitte auf dieselbe Zeit gewählt.

Flüsse

Bild 56.938: Flüsse
* 8 Flüsse.

Die Wahl der Ratsherren geschieht durch die Bürgerschaft. Eine eigentümliche Behörde sind die Waterschappen, welche die Aufsicht über Dämme, Teiche, Polder, Flüsse [* 8] etc. führen. Die Niederlande sind in zwei Inspektionen (zusammen elf Wasserdistrikte) eingeteilt, mit je einem Inspektor an der Spitze. Der oberste Gerichtshof ist der Hohe Rat (Hooge Raad) im Haag, zugleich allgemeiner Kassationshof. Unter ihm stehen die fünf Provinzialgerichte; von diesen ressortieren die Bezirksgerichtshöfe (Arrondissementsregtbanken), 23 an der Zahl, von diesen endlich die 106 Einzelrichter (Kantonregters). Es besteht Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, eine Staatsanwaltschaft, Beweistheorie, aber ohne Schwurgerichte.

Die »allgemeine Rechenkammer« im Haag kontrolliert die Ausgaben und Einnahmen des Staats und ist als selbständige Behörde keinem Ministerium untergeordnet. Das Budget für 1887 beläuft sich in den Einnahmen auf 115,973,075 Guld., in den Ausgaben auf 132,257,559 Guld. Unter den Einnahmen waren die Hauptposten: direkte Steuern (Grund-, Personal- und Patentsteuer) 26,623,000, Accise 42,340,000 und Stempel, Enregistrement und Erbsteuer 22,003,500 Guld.;

unter den Ausgaben figurierten das königliche Haus mit 650,000, die Verzinsung der Staatsschuld mit 33,871,314, das Kriegsministerium mit 20,386,939, das Marineministerium mit 12,336,556, Handelsministerium mit 23,666,896, Finanzministerium mit 23,323,245, Ministerium des Innern mit 10,195,018 Guld. Die Verwaltung der Provinzen kostete 1886: 6,692,000 Guld., wozu die Provinzen selbst 6 Mill. Guld. beisteuerten.

Die Einnahmen der Gemeinden beliefen sich 1886 auf 75 Mill., die Ausgaben auf 68½ Mill. Guld. Die Staatsschuld hat eine eigentümliche Entwickelung gehabt. Bei der Invasion der Franzosen 1795 betrug die Schuld der Republik 787 Mill. Guld. und stieg bis Ende 1803 infolge von Erpressungen und Zwangsanleihen bis auf 1126 Mill. Bei der Einverleibung der Niederlande in das französische Kaiserreich wurde diese noch um 90 Mill. vermehrte Schuld von Napoleon auf ein Drittel reduziert und belief sich infolgedessen beim Abzug der Franzosen 1814 auf 575 Mill. Guld. Unter Wilhelm I. wurden zwar die gewaltsam beseitigen zwei Drittel wieder anerkannt, jedoch bis zur Abtragung des ersten Drittels und der neuen Schuld als unverzinslich erklärt. 1836 sah man sich genötigt, die Kolonien als Hypothek für die Staatsschuld zu erklären. Endlich erlangte Holland eine wesentliche Erleichterung, indem Belgien zufolge des Vertrags vom 19. April 1839 eine jährliche Rente von 5 Mill. Guld. übernehmen mußte, und 1850 begann eine energische Schuldentilgung. Anfang 1846 betrug das Schuldkapital 1231,12 Mill., 1864: 1015,29 Mill., 1876: 924,3 Mill., 1887 dagegen wieder 1059 Mill. Guld., wozu noch 15 Mill. Guld. Papiergeld kommen.

Heer und Flotte.

Die Kriegsmacht der Niederlande besteht aus dem europäischen und dem indischen Heer und der Marine. Das erstere und die Marine ergänzen sich durch Aushebung (mit fünfjähriger Dienstpflicht vom 20. Jahr an) und Losung mit gestatteter Stellvertretung und vielen Befreiungen oder durch freiwilligen Eintritt, das indische Heer durch Werbung. Die Landmacht zerfällt in stehendes Heer, Schutterij und Landsturm. Die Bürgerwehr (Schutterij) ist zur Verteidigung des Landes im Krieg und zur Erhaltung der innern Ruhe bestimmt; in ihr muß jeder Staatsangehörige vom Beginn des 25. Lebensjahrs 10 Jahre lang dienen, darunter 5 Jahre in den Gemeinden mit mehr als 2500 Einwohnern aktiv.

Der Landsturm umfaßt alle Waffenfähigen von 19-50 Jahren. Die Formation der Armee (ohne die Kolonialtruppen) war Ende 1886: 1) Infanterie, 1 Regiment Grenadiere und Jäger zu 4 Bataillonen (à 5 Kompanien und 2 Depotkompanien), 8 Linienregimenter à 5 Bataillone (jedes zu 4 Kompanien) und 1 Depot (5 Kompanien), 1 Lehrbataillon;

2) Kavallerie, 3 Husarenregimenter (à 5 Eskadrons, 1 Reserveeskadron und 1 Depot);

3) Artillerie, 3 Regimenter Feldartillerie (à 6 oder 8 Batterien, 1 Depot-, 1 oder 2 Trainkompanien), 1 Regiment reitende Artillerie (4 Batterien und 1 Depot), 4 Regimenter Festungsartillerie (mit 42 Kompanien), 1 Pontonierkorps (2 Kompanien);

4) Geniewaffe, 1 Bataillon Sappeure und Mineure (5 Kompanien);



12.147

Bild 12.147: Niederlande (Flotte, Kolonien, Wappen, Orden etc.; Geschichte)
* 10 Seite 12.147.

5) Marechausseekorps (Sicherheitstruppe) etc. Die Schutterij begreift 132 Bataillone, 53 selbständige Infanterie- und 26 Artilleriekompanien. Stärke [* 9] des Landheers: Armee:

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Infanterie 43,896, Kavallerie 4030, Artillerie 14,332, Genie und Pontoniere 1527, sonstige Branchen 1018, zusammen 64,803 Mann; Schutterij: aktive 38,188, nicht aktive 77,103 Mann. Die ostindische Armee zählte 1886: 1371 Offiziere und 29,049 Soldaten. Die Landesverteidigung stützt sich nach Gesetz vom 11. März 1874 auf folgende 9 zusammenhängende Befestigungslinien: die neue holländische Wasserlinie;

die Stellung im Gelderland und in der Nieder-Betuwe;

die Stellung des Hollandsch-Diep und Volkerak;

die Stellung an den Mündungen der Maas und des Haringvliet;

die am Helder;

die Werke zur Deckung der Übergänge über Yssel, Waal und Maas;

die Stellung von Amsterdam;

die Wasserlinie von der Maas oberhalb St. Andries bis zum Amer unterhalb Geertruidenberg;

die Werke an der Schelde.

Die Flotte zählte im Juli 1887: 144 Schiffe [* 11] (darunter 24 Panzerfahrzeuge, 30 Kanonen- und 27 Torpedoboote) mit 7204 Mann;

außerdem 2287 Milizsoldaten und 876 Eingeborne in Ostindien. [* 12]

Bevölkerungsstatistisc

Bild 2.851a: Bevölkerungsstatistische Karten
* 13 Bevölkerung.

Kolonien, Wappen und Orden.

Die niederländischen Kolonien teilen sich in die ostindischen und westindischen (mit Surinam). Die ostindischen Kolonien: die Großen Sundainseln (Java und Madura, Sumatra, Borneo und Celebes), die Kleinen Sundainseln (Bali, Lombok, Sumbawa, Flores, Timor, Sumba oder Sandelhout) und die Molukken, umfassen mit den dazu gehörigen kleinern Inseln 1,856,616 qkm (33,718 QM.) mit einer Bevölkerung [* 13] von ca. (1886) 29,000,000 Einw. (Genaueres s. Niederländisch-Indien); die westindischen: Curassao, Aruba, St. Martin, Bonaire, St. Eustach und Saba, 1130 qkm (20,46 QM.) mit 44,734 Einw.;

Surinam (Niederländisch-Guayana) 119,321 qkm (2167 QM.) mit 74,132 Einw. Die ostindischen Besitzungen ergaben nach dem Budget von 1887 eine Einnahme von 133½ Mill. Guld. gegenüber einer Ausgabe von 136,9 Mill. Guld. Von den westindischen war die Einnahme für Surinam in 1887 geschätzt auf 1,307,143 Guld., die Ausgabe auf 1,614,232 Guld.;

Vergleichende Darstell

Bild 9.954a: Vergleichende Darstellung des Kolonialbesitzes der europäischen Staaten
* 14 Kolonien.

für die Inseln die Einnahme und Ausgabe auf 635,051 Guld. Mithin erforderten die Kolonien vom Mutterland einen Zuschuß von 3⅔ Mill. Guld. S. Karte »Kolonien«. [* 14]

Das königliche Wappen [* 15] ist der goldene schreitende Löwe des Hauses Nassau mit ausgestreckter Zunge, auf azurblauem Feld, mit einem goldenen Block und dem Wahlspruch: »Je maintiendrai« (s. Tafel »Wappen«). Die Staatsflagge besteht aus drei horizontal laufenden Streifen: rot, weiß, blau (s. Tafel »Flaggen«). [* 16] Die Nationalfarbe und das Feldzeichen sind Orange. Ritterorden sind der militärische Wilhelmsorden (30. April 1815 gegründet) mit vier Klassen und der Orden [* 17] des niederländischen Löwen [* 18] (29. Sept. 1815 gegründet, s. Tafel »Orden«, Fig. 15) mit drei Klassen. Außerdem werden verschiedene Kreuze und Medaillen an Militär- und Zivilpersonen verliehen. Die 1811 aufgehobene Deutschordensballei wurde durch Dekret vom 8. Aug. 1815 wiederhergestellt.

Vgl.   van Heusden, Handboek de aardrijkskunde, staatsinrigting etc. van het koningrijk der Nederlanden (Haarl. 1866);

Staring, De bodem van Nederland (das. 1856-60, 2 Bde.);

Derselbe, Voormaals en thans (hrsg. von van Pesch, Zwolle 1878);

Witkamp, Aardrijkskundig Woordenboek van Nederland (1871 ff.);

Beekman, Nederland als polderland (Zütphen 1884; neue Ausg.: »De strijd om het bestaan«, das. 1887);

Bädeker, Reisehandbuch für Belgien und Holland (17. Aufl., Leipz. 1885);

de Hartog, Staatsrecht des Königreichs der Niederlande (Freiburg [* 19] 1886);

Bürger, Les musées de la Hollande (Par. 1858-60, 2 Bde.);

Steyn-Parvé, Organisation de l'instruction dans le royaume des Pays-Bas (Leiden [* 20] 1878);

Lauer, Entwickelung des niederland.

Volksschulwesens (Berl. 1885);

»Statistische jaarboeken voor het koninkrijk der Nederlanden« (Gravenh. 1851 ff.);

»Algemeene statistiek van Nederland« (Leid. 1870-73, 2 Bde.);

»Jaarcijfers, uitgegeven door het Statistisch Instituut der Vereeniging voor de Statistiek in Nederland« (39. Jahrgang 1886).

Kartenwerke: Topographische en militaire kaart (1:50,000, 62 Blatt, [* 21] 2. Aufl. 1871 ff.);

Waterstaatskaart van Nederland (1:50,000, seit 1865);

Topographischer Atlas [* 22] der Niederlande (1:200,000, 1868-71);

Staring, Geologischer Atlas (1:200,000, 24 Bl., 1859-69);

Kuyper, Atlas van de Nederlanden en de overzee'sche besittingen (Leeuw. 1865-68).

Romanzement - Römer

Bild 13.922: Romanzement - Römer
* 23 Römer.

Geschichte.

Das Gebiet der Niederungen zwischen den weitverzweigten Mündungen des Rheins, der Maas und Schelde, dessen Küste damals noch nicht so zerrissen war wie jetzt, wurde in ältester Zeit von den Belgen (südlich vom Rhein), den Batavern und Friesen (nördlich vom Rhein) bewohnt. Die Römer [* 23] unterwarfen die Niederlande bis zum Rhein und behaupteten sich trotz des Aufstandes der Bataver unter Claudius Civilis (70 n. Chr.) bis um 400, wo die Franken den Rhein überschritten und der südlichen Niederlande sich bemächtigten, während die Friesen, welche um den Zuidersee, damals noch ein Binnensee, bis zur Ems [* 24] wohnten, ihre Unabhängigkeit bewahrten.

Nachdem auch sie von Karl Martell, Pippin und Karl d. Gr. im 8. Jahrh. zum Christentum bekehrt und zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit gezwungen worden, gehörten die ganzen Niederlande zum fränkischen Reich, wurden im Vertrag von Verdun [* 25] 843 dem mittlern Reich Lothars I. zugeteilt und bildeten nach dessen Tod (855) den Hauptteil des Reichs seines Sohns Lothar II., Lotharingiens. Doch wurde dieses nach Lothars II. Tod schon 870 zwischen Ost- und Westfranken so geteilt, daß jenes den größten, deutsch redenden Teil, dieses bloß das Gebiet links der Schelde, Artois und Flandern, empfing. Die Niederlande gehörten seitdem als ein Teil des Herzogtums Lothringen zum Deutschen Reich.

Geschichtskarten von D

Bild 4.772a: Geschichtskarten von Deutschland V
* 26 Deutschland.

Als die Herzogsgewalt im 11. Jahrh. oft ihre Inhaber wechselte und ihre Macht verlor, entstanden auch in den Niederlanden wie im übrigen Deutschland [* 26] zahlreiche kleinere Gemeinwesen, freie Bauernschaften, Bistümer und Abteien, Grafschaften und Herzogtümer, vor allem mächtige Städte, welche, durch Industrie und Handel blühend, sich von den Grafen und Herzögen Freibriefe und Privilegien ertrotzten, sich von aus den angesehensten Bürgern (vroedschappen) gewählten Schulzen (schout) und Schöffen regieren ließen und das vlämische Quartier der Hansa bildeten.

Nur mit Mühe behaupteten die Herzöge und Grafen dadurch eine gewisse Oberherrlichkeit, daß sie die Prälaten, den Adel und die Städte ihres Landes, die Stände oder Staaten, zu einem Landtag versammelten. Die Staaten bewilligten Geldbeihilfen (beden) und gaben ihren Rat in allen Landesnöten, vermehrten aber dafür bei der Blyde incomste (joyeuse entrée) jedes neuen Fürsten ihre Rechte und Privilegien und ergriffen oft selbst die Zügel der Regierung; dem Landesherrn blieben oft nur eine Oberaufsicht und das Recht der Heerführung sowie das, die Beamten aus den Listen der Vroedschappen zu wählen.

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