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Seite 13.206

Polygamie - Polygonalzahlen

klein.

Polygamie

(griech.),

eigentlich »Vielheirat«, gewöhnlich aber für Vielweiberei (Polygynie), d. h. eheliche Verbindung eines Mannes mit mehreren Frauen, gebraucht. In der Form der Vielmännerei (s. Polyandrie) war und ist die Polygamie weit seltener. Je nach der Zahl der Individuen, welche mit einer Person des andern Geschlechts ehelich vereinigt sind, heißt die Polygamie wieder Bigamie, Trigamie etc. Die Vielweiberei ist über ganz Afrika [* 1] verbreitet und bei fast allen asiatischen Völkern durch Sitte und Religion verstattet, dagegen wird sie in Amerika [* 2] unter den Indianervölkern selten angetroffen.

In der Türkei [* 3] ist Polygamie erlaubt, doch weit seltener, als man in Europa [* 4] meist annimmt; nur Wohlbemittelte können dort mehrere Frauen unterhalten, denn ein zahlreich bevölkerter Harem verursacht einen großen Kostenaufwand. Der Perser darf gesetzlich nicht mehr als vier rechtmäßige Frauen zu gleicher Zeit haben, mit denen er Ehe auf die Dauer verbindlich geschlossen hat; allein er darf daneben Weiber in unbeschränkter Zahl nehmen, die er aber nur auf eine vertragsmäßige Zeit ehelicht.

Schon bei den alten Hebräern kam nach Zeugnis einiger Bibelstellen Polygamie vor, wie jedenfalls auch bei manchen andern semitischen Völkern des Altertums; den Mohammedanern erlaubt der Koran (Sure 4) ausdrücklich die Ehe mit mehreren Weibern. Unter allen christlichen Völkern wird aber die Polygamie durch Kirche und Staat verpönt (vgl. Bigamie); nur die Mormonen (s. d.) lassen die Vielweiberei gesetzlich zu und halten sie sogar mit Hinweis auf die Vielweiberei der Erzväter für eine Gott wohlgefällige Einrichtung.

Geschichtskarten von D

Bild 4.772a: Geschichtskarten von Deutschland V
* 5 Deutschland.

Allerdings traten auch in Deutschland [* 5] zu manchen Zeiten Anhänger der Polygamie auf (Wiedertäufer zu Münster [* 6] 1533); auch suchten im 17. Jahrh. Joh. Lyser, Lorenz Berger u. a. durch ihre Schriften die Polygamie zu verteidigen, letzterer insbesondere auf Anstiften des Kurfürsten von der Pfalz, der zwei Frauen nahm. Allein allgemein ist unter den zivilisierten Völkern anerkannt, daß die sittliche Ordnung den polygamischen Ehen entschieden abhold sei, und daß man, namentlich im Hinblick auf den Orient und auf die Geschichte der morgenländischen Königshäuser, die Vielweiberei als schlimmes soziales Gebrechen bezeichnen müsse.

Als Gründe für die Herrschaft der Polygamie bei vielen Völkern werden angeführt: die schnelle Entwickelung und frühe Heiratsfähigkeit im Zusammenhang mit dem schnellen Verblühen des weiblichen Geschlechts und die ausdauernde Kräftigkeit der Männer. Allein die religiösen und ethischen Anschauungen von der Ehe und von der Stellung der Frau in der Familie verurteilen bei allen gebildeten Nationen die Polygamie, deren Erneuerung vielfach nur als eine moderne Form der Sklaverei zu betrachten ist.

Polyglotte

(griech., »vielzungig«),

Spanien und Portugal

Bild 15.63a: Spanien und Portugal
* 7 Spanien.

Wörterbuch, welches mehrere Sprachen umfaßt; Ausgabe eines Werkes, in welcher dem Urtext Übersetzungen beigegeben sind; daher besonders Polyglottenbibel, eine Bibelausgabe, in welcher die bedeutendsten Übersetzungen einander gegenübergestellt sind. Die bekanntesten solcher Bibelausgaben sind folgende: die komplutensische Bibel, so genannt von ihrem Druckort Complutum, dem alten Namen von Alcalá de Henares in Spanien, [* 7] enthält den hebräischen und griechischen Urtext, die Vulgata, die Septuaginta und das Targum des Onkelos und ward auf Veranstaltung des Kardinals Jimenez 1514-17 in 6 Bänden zu stande gebracht;

die Antwerpener (königliche) Bibel [* 8] (1569-72, 8 Bde.), unter Leitung des spanischen Gelehrten Benedikt Arias Montanus herausgegeben, ist noch vollständiger;

die Pariser (1629-1645, 10 Bde.), von dem Parlamentsadvokaten Guy Michel le Jay besorgt, gibt die vorige wieder, dazu eine syrische und eine arabische Übersetzung und den samaritanischen Pentateuch;

die Londoner (Waltonsche) Bibel (1657, 6 Bde.; Suppl. 1669, 2 Bde.), besorgt durch Brian Walton, gibt die Pariser Polyglotte mit abermaligen Bereicherungen wieder.

Eine Polyglottenbibel für den Handgebrauch (hebräisch, griechisch, lateinisch und deutsch) gaben Stier und Theile (Bielef. 1847-54, 6 Tle.; 4. Aufl. 1875) heraus.

Polygnotos,

Athen

Bild 1.999a: Athen
* 9 Athen.

der ausgezeichnetste Maler Griechenlands, aus Thasos gebürtig, Schüler seines Vaters Aglaophon, lebte um 450 v. Chr. in Athen, [* 9] welches ihn, ebenso wie Delphi, zum Dank für seine großartigen Schöpfungen mit dem Bürgerrecht belohnte. Er war Kimons Hausfreund und der begünstigte Liebhaber von dessen Schwester Elpinike. In der bunten Halle [* 10] (Poikile) zu Athen sah man von ihm das Gericht der griechischen Helden über die Gewaltthat des Aias gegen Kassandra, im Dioskurentempel daselbst den Raub der Leukippiden, ferner im Theseion mehrere Darstellungen attischer Legenden, bei deren Ausführung ihm der Maler Mikon Beistand leistete.

Verschiedene Bilder des Meisters enthielt die Pinakothek der Propyläen; den Freiermord des Odysseus malte Polygnotos in der Vorhalle des Athenetempels zu Platää. Sein bedeutendstes Werk befand sich aber in der Lesche der Knidier zu Delphi, nämlich rechts an der Wand die Eroberung Trojas und die Abfahrt der Hellenen, links Odysseus' Besuch in der Unterwelt. Goethe beschäftigte sich viel mit der Rekonstruktion desselben. In unserm Jahrhundert entspann sich eine noch immer unentschieden Kontroverse, ob die Gemälde des Polygnotos Wandbilder oder an der Wand befestigte Tafelbilder gewesen seien; für das letztere sind mehr Gründe vorhanden. Die Brüder Riepenhausen haben die delphischen Bilder nach des Pausanias genauer Beschreibung zu komponieren versucht (photolithographische Ausg., Leipz. 1884, 18 Bl.), nach ihnen sind Welcker, Jahn u. a., neuerdings auch Gebhardt (»Die Komposition der Gemälde des Polygnotos in der Lesche zu Delphi«, Götting. 1872) vergeblich der Lösung des Problems nachgegangen. Polygnotos beseitigte die alte Steifheit und Unbeweglichkeit in den Figuren und verband mit genauer Zeichnung und einfacher Farbengebung eine edle und scharfe Charakterisierung der Gestalten. Er legte seinen Kompositionen große geistige Ideen zu Grunde und wurde deshalb als Ethographos (»Charakterschilderer«) noch von Aristoteles hochgepriesen.

Polygon

(griech.), vieleckig, vielwinkelig;

als Substantiv s. v. w. Vieleck (s. d.), in der Befestigungskunst das Vieleck, welches dem Zug der Hauptumwallung der Festung [* 11] zu Grunde liegt, auf dessen (gedachten) Seiten also die einzelnen Fronten konstruiert sind.

Polygonalbefestigungen heißen solche, bei denen der Hauptwall aus möglichst langen geraden Linien besteht (s. Festung, S. 181 f.).