Seite 46.102, Thurgau | eLexikon
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Zahl der Nagelfluhbänke, an deren Stelle Sandsteine und Mergel treten. Die Linie Bischofszell-Sulgen-Strasse nach Kreuzlingen bezeichnet die nordöstl. Grenze des Vorkommens der Nagelfluh. Der jenseits dieser Linie gelegene Kantonsteil präsentiert sich in meist sanften hügeligen Formen, bedeckt von diluvialen Ablagerungen. Im diesseits der genannten Linie gelegenen Gebiete, dessen Anhöhen vielfach Nagelfluhbänke aufweisen, die dem Einfluss der Atmosphärilien besser widerstehen als Sandsteine und Mergel, erheben sich teilweise recht scharf ausgeprägte Berggruppen. - e) Sehr häufig ist das Vorkommen von Molassekohle in Form von Flötz- und Nesterkohle. Eine Ausbeute fand eine Zeit lang statt in Herdern, Wellhausen, Murkart, Littenheid. Genauere Untersuchungen haben ergeben, dass das Vorhandensein abbauwürdiger Kohlenlager überhaupt höchst unwahrscheinlich ist. - f) Hinsichtlich der Flora und Fauna kann ein reiches Vorkommen von fossilen pflanzlichen und tierischen Vertretern erwähnt werden. Bekannte Fundorte sind Stettfurt, Herdern, Steckborn, Berlingen, Tägerwilen, Bernrain u. a.
Die diluvialen Bildungen liefern in ausgezeichneter Weise nicht nur Beweise für die einstige Vergletscherung des thurgauischen Bodens überhaupt, sondern namentlich auch für die mechanische Tätigkeit der Gletscher, welche zur Thalbildung beigetragen hat. Als Zeugen der Eiszeit seien erwähnt:
a) die Glazialschotter. Diese fluvioglazialen Bildungen sind in mehr oder weniger ausgeprägter Weise reich verbreitet und werden stellenweise auch ausgebeutet. Die Umgebung von Bischofszell z. B. weist nicht nur Schottermassen der jüngeren Eiszeit auf, sondern am rechten Ufer der Sitter auch den Deckenschotter von Hohlenstein. Niederterrassenschotter findet sich in der Umgebung von Rickenbach bei Wil. - b) Von den Drumlins- und Moränenlandschaften haben namentlich die ersteren eine grosse Verbreitung.
Man findet solche im Gottshaus südöstl. Bischofszell, dann nördl. Bischofszell-Zihlschlacht, jenseits des Deckenschotterplateaus vom Hohlenstein, östl. der Thur und südl. der Bahnlinie Frauenfeld-Romanshorn. In den Gemeinden Sulgen, Erlen, Leimbach und Donzhausen sind Drumlins zerstreut. Weitere typische Landschaften beobachtet man in dem Gebiet Märwil-Tobel-Affeltrangen-Lommis-Thürn-Sedel-St. Margarethen, ferner in der Gegend Engwang-Wigoltingen-Pfin, im Kemmenthal von Siegershausen über Hugelshofen bis Märstetten, dann zwischen Vorder- und Hinterhorben bis Wilen-Nunforn und endlich in der Umgebung von Kefikon.
Moränenlandschaften finden sich in den Gebieten zwischen Schlattingen und Unter Stammheim, von Nussbaumen, um die Seen nach Uerschhausen, ferner von Eschenz-Kaltenbach-Etzwilen-Stein-Oeningen. Das ganz beträchtliche Gletschermaterial, das sich in den meisten Thälern ablagerte, war im Stande, Wasserläufen eine andere Richtung zu geben (Thur bei Schwarzenbach, Thunbach, Lützelmurg), Thäler zu sperren und Seen (Hüttwilerseen, ehemaliger Frauenfeldersee), sowie eine grosse Zahl von Sümpfen (Torfmooren) zu bilden. - c) Erratische Blöcke, deren Heimat zum weitaus grössten Teil im Einzugsgebiet des Rheingletschers zu suchen ist, liegen im ganzen Kanton zerstreut umher.
Die bis jetzt gefundenen sind meist von geringer Grösse, solche von mehr als 1-2 m3 Inhalt gehören schon zu den grossen. Einer der bemerkenswertesten Blöcke ist der «graue Stein» oberhalb Ermatingen (subalpiner Muschelsandstein). Ausser diesem leicht erkennbaren Gestein, das im ganzen Kanton Fundstellen aufweist, kommen noch vor Kalksteine der alpinen Jura-, Kreide- und Eozänformation, dann häufig auch grünliche, talkige Quarzschiefer oder grünliche, gneisartige Verrucanogesteine; ferner roter Verrucano, Granite vom Val Puntaiglas und Julier, seltener subalpine Molasse, Kalknagelfluh u. s. w. - d) Gletscherschliffe sind selten. Zwischen Münchwilen und Sirnach wurde im Jahr 1876 ausgezeichnet geschliffener Kalk gefunden. - e) Die Flora der Eiszeit. Fundorte fossiler interglazialer und glazialer Pflanzen sind, abgesehen von einer Stelle in Niederwil bei Frauenfeld, noch keine nachgewiesen. Dagegen ist in Torfmooren und an geschützten Stellen von Moränen noch eine bedeutende Zahl lebender Vertreter der alpinen Flora erhalten geblieben.
Das Studium der erwähnten glazialen Ablagerungen bietet ein Mittel, den Lauf wenigstens des letzten Gletschers zu bestimmen. Vom sanft welligen Oberthurgau aus, der eine allgemeine Bedeckung mit Grundmoräne aufweist, arbeitete sich die Eismasse lappenförmig durch die Molasse hindurch und zwar in der Weise, dass sich ein nördl. Arm in das Gebiet des jetzigen Untersees erstreckte, während der südl. die S.-Grenze des Kantons bestrich und der mittlere sich zwischen dem Otten- und Braunauerberg hindurch drängte. Von diesem letztern Arm zweigte sich ein Lappen ab und zog sich zwischen dem Braunauerberg im S. und dem Sonnenberg im N. bis zur Murg im W. hin. Ein zweiter Lappen bewegte sich durch das Kemmenthal, während der Hauptstrom in die Thäler des untern Thurgau führte. In den südlichsten Gebieten findet sich Erratikum, das auf eine zeitweise Bedeckung durch den Säntisgletscher schliessen lässt.
Der Thurgau ist durchzogen einesteils von ausgedehnten Thalböden, andernteils aber durchfurcht von tief eingeschnittenen, schluchtartigen Thälern. In den letztern weisen die Bäche ein starkes Gefälle auf und konzentrieren sie ihre ganze Wirkung auf das Einsägen in die Tiefe.
Während also die Entstehung der tiefeingeschnittenen, schmalen Thäler das Werk der erodierenden Tätigkeit des fliessenden Wassers ist, muss dagegen bei der Bildung der breiten Thäler grösstenteils Gletschererosion mitgewirkt haben.
Zu den alluvialen Ablagerungen gehören die Flussanschwemmungen, die sich im Murg- und Thurthal vorfinden, dann die Schuttkegel oberhalb Frauenfeld von Wellhausen bis Eschikofen und am Untersee von Eschenz bis Emmishofen. Tuffbildungen finden sich nicht selten. Manche Gegenden sind namentlich in regnerischen Jahren reich an Erdschlipfen.
[Dr. J. Eberli.]
6. Klima.
Der Kanton Thurgau hat seit langen Jahren ein dichtes Netz von Regenmessstationen, so dass wir über die Niederschlagsverhältnisse dieses Gebietes sehr gut orientiert sind. Folgende Tabelle gibt die jährliche Niederschlagsmenge reduziert auf die Periode 1864/1903 für eine Auswahl dieser Regenmessstationen:
mm | mm | ||
---|---|---|---|
Romanshorn | 942 | Weinfelden | 963 |
Amriswil | 984 | Frauenfeld | 963 |
Kreuzlingen | 844 | Nieder Neunforn | 813 |
Haidenhaus | 966 | Wängi | 963 |
Eschenz | 820 | Aadorf | 1006 |
Diessenhofen | 804 | Eschlikon | 1123 |
Bischofszell | 1016 | Dussnang | 1289 |
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Thurgau
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Die Differenzen sind also, wenn wir vom obern Murgthal absehen, relativ klein;
die durchschnittliche Jahresmenge beträgt am Bodenseeufer, auf dem Seerücken und im Thurthal etwa 95 cm;
sie nimmt gegen W. ab bis auf 80 cm (Diessenhofen, Nieder Neunforn);
am meisten Niederschlag hat Dussnang in dem gegen das Hörnli aufsteigenden Murgthal.
Vollständige meteorologische Stationen bestehen im Thurgau drei: Frauenfeld, Kreuzlingen und Haidenhaus (auf dem Seerücken ob Steckborn);
langjährige Beobachtungen liegen auch vor von der früheren Station Diessenhofen.
Die mittlern Temperaturen des Jahres und der extremen Monate (reduziert auf den Zeitraum 1864-1900) sind:
Januar °C. | Juli °C. | Jahr °C. | |
---|---|---|---|
Kreuzlingen (430 m) | -1,4 | 18.3 | 8.5 |
Frauenfeld (425 m) | -1,8 | 17.9 | 8.1 |
Diessenhofen (410 m) | -2,2 | 17.4 | 7.7 |
Haidenhaus (695 m) | -2,6 | 16.7 | 7.2 |
Die drei Stationen in der Niederung weisen trotz gleicher Seehöhe nicht unerhebliche Differenzen auf. Am wärmsten ist Kreuzlingen, wohl unter dem Einfluss der grossen Wasserfläche des Bodensees, wie die Differenzen gegen Frauenfeld - am kleinsten im Frühjahr, am grössten im Herbst - zeigen. Die tiefsten Temperaturmittel hat Diessenhofen. Die selbe Reihenfolge der Stationen ergibt sich nach dem mittleren jährlichen Minimum der Temperatur (Kreuzlingen -12,2° C.; Frauenfeld -14,6° C.; Diessenhofen -17,0° C.), während der durchschnittlich erreichte höchste Wert der Temperatur im Jahre sich an allen drei Stationen recht nahe kommt (etwa 29½° C.).
Die mittlere Bewölkung der drei Stationen ist die selbe (6,4); das hochgelegene Haidenhaus hat eine kleinere Bewölkung (5,8), hauptsächlich wegen grösserer Helligkeit im Spätherbst und Winter. Tage mit Nebel werden in Frauenfeld durchschnittlich 55, in Kreuzlingen 63 gezählt; noch häufiger scheint der Nebel in Diessenhofen zu sein. Die Zahl der Regentage beträgt in den Niederungen etwa 145, während Haidenhaus etwa 160 hat. Schnee fällt in Frauenfeld an 27, in Haidenhaus an 45 Tagen im Jahr. An etwa 18 Tagen im Jahre kommen Gewitter vor; bezüglich derselben sei auf eine interessante Studie von Prof. Cl. Hess verwiesen (Einiges über Gewitter in der Schweiz im allgemeinen und Gewitterzüge im Thurgau im speziellen in den Mitteilungen der Thurg. Naturf. Gesellsch. 15).
Im ganzen genommen ist das Klima des Thurgaues dasjenige des die nämlichen Höhenlagen aufweisenden schweizerischen Mittellandes überhaupt. Die Luftströmungen werden hier nicht von Bergketten aufgehalten oder verzögert, so dass sich ihre Wirkung stärker fühlbar zu machen pflegt als in den eigentlichen Bergregionen. Am mildesten und am meisten ausgeglichen erscheint das Klima der Ufergebiete am Boden- und Untersee. Am häufigsten sind frische und feuchte SW.- und W.-Winde. Im Winter bläst häufig die Bise, d. h. der kalte und trockene NO.
[Dr. R. Billwiller.]
7. Flora.
Der Wechsel in Bodenform und Bodenbeschaffenheit ist so gering, dass nur kleine Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der Pflanzendecke erwartet werden dürfen. In der Tat sind überall die gewöhnlichen Verhältnisse des Mittellandes vorhanden. Kaum dass am Hörnli und bei Bischofszell noch einige Vertreter der Bergflora hereinstrahlen (Adenostyles, Elymus, Nardus, Rosa alpina, Carlina acaulis, Polygonum bistorta, Alnus viridis etc.) oder längs der Thur herabgeschwemmt vorkommen (Campanula pusilla, Ranunculus aconitifolius, Pleurospermum, Gypsophila repens) und im W. etliche Kalkpflanzen vom Jura her sich bemerkbar machen (Cytisus nigricans, Helleborus foetidus, Pulsatilla).
Floristische Seltenheiten fehlen indes nicht vollständig (Samolus Valerandi und Thalictrum exaltatum bei Güttingen, Aspidium cristatum im Hudelmoos bei Zihlschlacht, Saxifraga oppositifolia am Seestrand von Güttingen bis Kreuzlingen und bei Glarisegg; Gladiolus palustris und Ophioglossum bei Gottlieben; Deschampsia rhenana am See- und Rheinufer, Armeria rhenana bei Mammern, Najas flexilis, Alisma graminifolium und Sagittaria bei Ermatingen). Bei Diessenhofen und Neunforn, in der Zone geringsten Regenfalls, ist eine Anzahl von Bürgern wärmerer Gegenden vorhanden (Lamium amplexicaule, Andropogon Ischaemum, Tunica prolifera, Gypsophila muralis, Antirrhinum orontium, Euphrasia lutea, Urtica urens etc.), und das Seeufer zeichnet sich infolge gemilderter Winter durch eine reiche Parkflora aus.
Die Torfmoore sind meist vorwiegend aus Riedgräsern, Gräsern und Binsen zusammengesetzte Flachmoore mit Erle, Birke und Faulbaum; das Hochmoor mit schwellenden Sphagnumpolstern, mit Ericaceen (Oxycoccus, Andromeda, Calluna) und mit Eriophorum vaginatum findet sich in etwas grösserer Ausdehnung fast nur im obern Thurgau (Rudel-, Heldswiler- und Waldbachermoos). Leider müssen die Moore mehr und mehr dem Kulturland weichen. Mit ihnen schwinden auch viele schöne Pflanzen, besonders Glazialrelikte, die hier ihre Zufluchtsstätte haben (Eriophorum vaginatum und E. alpinum, Oxycoccus, Andromeda, Trollius, Pinguicula alpina, Botrychium lunaria etc.). Uebrigens finden sich solche auch im glazialen Trümmerfeld zwischen Frauenfeld und Diessenhofen, sowie auf Seerücken, Ottenberg, Immen- und Wellenberg (Arctostaphylos, Pirola uniflora, Gymnadenia odoratissima etc.) und am Seestrand (Saxifraga oppositifolia).
Einen eigentümlichen Einschlag in die thurgauische Flora bedeuten die auf mehrere Hektaren zu veranschlagenden und sich stets weiter ausbreitendem Bestände der kanadischen Goldrute (Solidago serotina), die im Ufergebiet von Thur und Murg allmälig die heimische Flora verdrängen, selbst Weidenkulturen ersticken und den Streueertrag bedenklich mindern, so dass der Eindringling bereits den Namen «Streuepest» erhalten hat. Als Streue und Futter ist die Goldrute fast wertlos, als Bienenpflanze dagegen nicht ohne Bedeutung. In ihrer Gesellschaft finden sich, auch herdenweise, doch bedeutend bescheidener auftretend, noch einige weitere, ebenfalls aus Nordamerika stammende Gartenflüchtlinge, wie Solidago graminifolia, Aster salicifolius, A. Novi Belgii und A. parviflorus etc. Die Kryptogamenflora ist noch wenig erforscht. Boltshauser hat in der Umgebung von Amriswil 130 Arten Laubmoose konstatiert. Die Algenflora des Bodensees machten Schroeter und Kirchner bekannt. Die Speisepilze werden selten gesammelt, obschon Keulenschwämme, Reizker, Pfifferling, Brätling und Champignon häufig ¶
Fortsetzung Thurgau:
→ Seite 46.104 || sind. Längs der Thur und Murg finden sich Morcheln, und im Laubwald Steinpilze und Parasolschwamm.