Absperrung | eLexikon | Rechtswissenschaft - Verwaltung - 3) Polizei
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Tue May 01 1894
Absperrung.
In früherer Zeit wurde es als ein selbstverständliches Recht jedes souveränen Staates betrachtet, zur Verfolgung von Staatszwecken sein Gebiet allen fremden Personen und Gütern zu verschließen, oder denselben den Eingang nur unter ihm genehmen Bedingungen zu verstatten. Von diesem Rechte ist teilweise bis in neuere Zeiten Gebrauch gemacht worden, bald aus polit. oder religiösen Gründen (so in den alten theokratischen Staaten der Ägypter, der Juden, der Hindu, in China, [* 2] in neuerer Zeit in Paraguay [* 3] unter der Regierung des Diktators Francia), bald aus Rücksichten auf die eigene Industrie.
Jetzt kommt eine vollständige Absperrung nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Kriegen, ansteckenden Krankheiten u. s. w., vor. In sanitätspolizeilicher Hinsicht ist die Absperrung eine höchst wichtige Maßregel der sog. Prophylaxe, d. h. der Bemühung, Krankheiten zu verhüten. Sie besteht in der teilweisen oder völligen Verhinderung des Verkehrs mit Orten, an denen eine ansteckende Krankheit herrscht, sei es, daß dieselbe nur einzelne Individuen befallen oder sich über eine Ortschaft oder ein ganzes Land verbreitet hat.
Trägerrecht - Tragisch
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Träger.Die Absperrung hat sich, nach der Art der Krankheit, nicht bloß auf Menschen und Tiere, sondern auf alles zu beziehen, was Träger [* 4] des Ansteckungsstoffs sein kann, wie z. B. die Felle der an gewissen Viehseuchen gefallenen Tiere. Als eine Maßregel der Sanitätspolizei ist die Absperrung jedoch nur bei einigen wenigen Krankheiten von entschiedenem Nutzen, und zwar im kleinen bei Pocken und Wasserscheu, im großen bei Pest und gewissen Viehseuchen (Reichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, vom 1. Mai 1894), namentlich bei der Rinderpest, gegen welche das 1871 auf das ganze Deutsche Reich [* 5] ausgedehnte norddeutsche Bundesgesetz vom 7. April 1809 nebst Instruktion vom 20. Mai 1869 Maßregeln trifft.
Das Deutsche Strafgesetzbuch bedroht in §. 327 die wissentliche Verletzung der Absperrungsmaßregeln zur Verhütung des Einführens einer ansteckenden Krankheit mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, in §. 328 beziehentlich der Viehseuche mit Gefängnis bis zu einem Jahre. Von der Absperrung bei Typhus und Cholera ist man fast ganz zurückgekommen, und es wäre dieselbe höchstens in außerordentlichen Fällen anzuraten. Denn durch die Hemmung des Verkehrs wird den Erkrankten leicht auch die Zufuhr reichlicher und frischer Nahrungsmittel [* 6] u. s. w. abgeschnitten, der Erwerb der Gesunden beeinträchtigt und das allgemeine Elend nur gefördert. (S. Ansteckung.)
Wenn eine Ortschaft oder auch nur eine Straße oder ein Gebäude wegen einer Krankheit, welche dort herrscht, abgesperrt sind, so gewährt das geltende Recht eine erleichterte Form für die Errichtung letztwilliger Verfügungen. Das Gemeine Recht stellt die Voraussetzung nicht gerade auf die Absperrung, wenn es für das Testament tempore pestis Formerleichterungen gewährt, und ihm folgen das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2113, sowie das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 597, wohl aber stellen schon das Bayrische Landr.
III, 4, §. 6, das Preuß. Allg. Landr. I, 12, §§. 198-204, der Code civil Art. 985-987, und zahlreiche andere, insbesondere wegen der Cholera erlassene Gesetze das Erfordernis der Absperrung auf. Der Grund dafür liegt offenbar darin, daß die Beschränkung des Verkehrs es dem Erblasser nicht unmöglich machen soll, für den Fall seines Todes letztwillig zu verfügen. Dies tritt um so deutlicher hervor, als die Wirksamkeit solcher letztwilligen Verfügungen regelmäßig an kurze Fristen gebunden ist. Der Deutsche Entwurf hat im §. 1927 (Motive V, 283 fg.) einen Ersatz zu geben versucht.