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Ancillon | eLexikon | Geschichte - Staatsmänner, Politiker, Abgeordnete etc

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Ancillon

974 Wörter, 6'901 Zeichen

Geschichte — Staatsmänner, Politiker, Abgeordnete etc

Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888

Titel
Elemente zu Ancillon:

1) Charles, Jurist und Diplomat

2) Johann Peter Friedrich, preuß. Staatsmann, Urenkel des vorigen

Ancillon

Berlin

Bild 2.752a: Berlin
* 7 Berlin.

(spr. angssijong), 1) Charles, Jurist und Diplomat, geb. 28. Juli 1659 zu Metz, [* 2] studierte in Marburg, [* 3] Genf [* 4] und Paris [* 5] und war 1685 Parlamentsadvokat zu Metz. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes [* 6] folgte er seinem Vater, der 1692 als Prediger der französisch-reformierten Gemeinde zu Berlin [* 7] starb, in diese Stadt, wo ihn der Kurfürst zum Gerichtsvorstand der französischen Kolonie und 1691 zum Gesandten in der Schweiz [* 8] und beim Markgrafen von Baden-Durlach ernannte. Im J. 1699 kehrte Ancillon nach Berlin zurück und wurde Historiograph des Königs. Er starb 5. Juli 1715 als Polizeidirektor in Berlin. Seine »Histoire de l'établissement des Français réfugiés dans les états de l'Electeur de Brandebourg« (Berl. 1690) bewog noch viele französische Protestanten zur Niederlassung in Brandenburg. [* 9] Ferner schrieb er: »L'irrévocabilité de l'édit de Nantes« (Amsterd. 1688);

»La France intéressée à rétablir l'édit de Nantes« (das. 1690);

»Histoire de Soliman II« (Rotterd. 1706) u. a.

2) Johann Peter Friedrich, preuß. Staatsmann, Urenkel des vorigen, geb. 30. April 1767 zu Berlin, studierte in Genf Theologie und wurde 1790 Prediger der französischen Gemeinde zu Berlin, 1792 zugleich Professor der Geschichte an der Kriegsakademie, 1803 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und königlicher Historiograph, nachdem er sich durch sein »Tableau des révolutions du système politique de l'Europe depuis le XV. siècle« (1803, 4 Bde.; neue Aufl. 1824) als tüchtigen Historiker bewährt hatte. Im J. 1809 wurde er zum Staatsrat im Departement des Kultus ernannt und 1810 zum Erzieher des Kronprinzen, nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm IV., berufen, dessen Neigung zur nebelhaften Romantik und zum nervösen Subjektivismus er freilich nur steigerte, statt sie zu bekämpfen, so daß er an den unglücklichen Ergebnissen der Regierung seines Zöglings wesentliche Schuld trägt.

Von diesem seinem neuen Wirkungskreis völlig in Anspruch genommen, gab Ancillon das Predigtamt und die Professur auf. Nachdem er 1813 und 1814 seinen Zögling ins Feld begleitet hatte, trat er 15. Okt. 1814, als der Kronprinz majorenn wurde, von seiner Stellung als Prinzenerzieher zurück und ward als Wirklicher Geheimer Legationsrat in das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten berufen, womit seine eigentliche politische Laufbahn begann. Bei der 1817 erfolgten Errichtung des Ausschusses für die Bearbeitung und Einführung der provinzialständischen Verfassung und des Oberzensurkollegiums wurde Ancillon als Mitglied hinzugezogen.

Neuenburg (Stadt) - Ne

Bild 62.265: Neuenburg (Stadt) - Neuenburger See [unkorrigiert]
* 10 Neuenburg.

Auch ward er zum Mitglied des Staatsrats ernannt, als diese oberste Staatsbehörde 1817 ins Leben gerufen wurde. Bei den wiederholten und langwierigen Krankheitsanfällen des Grafen von Bernstorff, der seit 1818 an der Spitze des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten stand, leitete Ancillon die Geschäfte der politischen Sektion. An den Beratungen über eine ständische Verfassung nahm er teil, zeigte sich aber sehr unselbständig und schwankend und lenkte schließlich ganz in die romantisch-reaktionären Bahnen des Kronprinzen ein. Im Mai 1831 wurde er zum Wirklichen Geheimrat sowie zum Chef des Departements für das Fürstentum Neuenburg, [* 10] 25. Juli d. J. aber zum Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten ernannt und 1832 als Staatsminister an die Spitze dieses Ministeriums gestellt.

Obwohl in dem Ruf eines gewissen Liberalismus stand, leitete er die Geschäfte doch in ganz reaktionärem Sinn und im engsten Anschluß an Österreich; [* 11] er entwarf 1834 mit Metternich das Wiener Schlußprotokoll, welches jede Erweiterung konstitutioneller Rechte in Deutschland [* 12] ausschloß. Er starb 19. April 1837. Trotz der Menge der Geschäfte, die ihm während seiner politischen Laufbahn seit 1814 oblagen, war er fortdauernd schriftstellerisch thätig. Außer vielen akademischen und politischen Abhandlungen schrieb er noch: »Mélanges de littérature et de philosophie« (Berl. 1801, 2 Bde.; 3. Aufl. 1823);

»Über Souveränität und Staatsverfassung« (das. 1816);

»Über Staatswissenschaft« (das. 1819);

»Über Glauben und Wissen in der Philosophie« (das. 1824);

»Nouveaux essais de politique et de philosophie« (das. 1824, 2 Bde.);

»Über den Geist der Staatsverfassungen und dessen Einfluß auf die Gesetzgebung« (1825; neue Ausg. in franz. Sprache, [* 13] Par. 1850);

»Pensées sur l'homme, ses rapports et intérêts« (Berl. 1829, 2 Bde.);

»Zur Vermittelung der Extreme in den Meinungen« (das. 1828-31, 2 Bde.; 2. Aufl. 1838).

Doch besitzen seine Schriften keinen wissenschaftlichen Wert mehr.

Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910



Ancien régime - Ancona

Bild 51.589: Ancien régime - Ancona
* 14 Seite 51.589.

Ancillon

(fpr. angßijóng), Charles, jurist. und histor. Schriftsteller, geb. 28. Juli 1659 zu Metz, war daselbst Advokat, ging aber nach Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) gleich vielen seiner reform. Glaubensgenossen in die brandenb. Lande. In Berlin wurde er zum Mitglied des Richterkollegiums und des Direktoriums der franz. Kolonie ernannt und kurze Zeit mit diplomat. Aufträgen des Kurfürsten nach der Schweiz und an den Hof [* 15] von Baden-Durlach gesandt, dann 1699 als Nachfolger Pusendorfs zum Hofhistoriographen berufen. Er starb 5. Juli 1715 zu Berlin. Von seinen Schriften sind besonders zu erwähnen: «L'irrévocabilité de l'édit de Nantes» (Amsterd. 1688),

«Historie de l'etablissement des Français réfugiés dans les États de Brandebourg» (Berl. 1690).

Ancillon

(spr. angßijóng), Friedr., oder Jean Pierre Fréderic, preuß. Staatsminister, Urenkel des vorigen, geb. 30. April 1767 zu Berlin, studierte in Genf Theologie, war in Paris 1789 Augenzeuge der Revolution, wurde 1790 Prediger bei der franz. Kirche zu Berlin und 1792 zugleich Professor der Geschichte an der Militärakademie zu Berlin, dann Mitglied der Akademie der Wissenschaften und auf Grund seines «Tableau des révolutions du système politique de l'Europe depuis le 15e siècle» (4 Bde., Berl. 1803-5: neue Ausg., Par. 1823) königl. Historiograph. Im Aug. 1810 verließ er die Kanzel und den Lehrstuhl, um die Erziehung des Kronprinzen zu übernehmen, gewann aber auch polit.

Einfluß. Seine Denkweise charakterisiert ein vom Könige gebilligter Aufsatz vom 4. Febr. 1813, der von energischer Erhebung gegen Napoleon abriet und das specielle preuß. Interesse unbedingt über das deutschnationale setzte. Als Wirkl. Geh. Legationsrat trat er ins Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten und erhielt 1832 als Staatsminister die Verwaltung dieses Ministeriums, die er im Metternichschen Geiste führte. Ancillon starb 19. April 1837. Von seinen Schriften sind noch hervorzuheben: «Über Souveränität und Staatsverfassungen» (2. Aufl., Berl. 1816),

«über die Staatswissenschaft» (ebd. 1820),

«über Glauben und Wissen in der Philosophie» (ebd. 1824),

«Über den Geist der Staatsverfassungen und dessen Einfluß auf die Gesetzgebung» (ebd. 1825),

«Zur Vermittelung der Extreme in den Meinungen» (2 Bde., 2. Aufl. 1838),

«Pensées sur l'homme» (2 Bde., ebd. 1829).