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Bedürfnis | eLexikon

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Bedürfnis

ist das Gefühl des Mangels, welchem das Streben nach Befriedigung entspringt. Das menschliche Glück ist bedingt durch Fernhaltung und Beseitigung von Schmerzen und durch Steigerung des Wohlbefindens. Darum trägt der Mensch Verlangen nach dem, was Unlust erspart, und nach allem, was sein Wohlgefühl erhöht. Alles, was erforderlich ist, um diesem Verlangen zu genügen, die Bedürfnisse zu befriedigen, nennt man den Bedarf. Letzterer gibt sonach einen objektiven Maßstab [* 2] ab für Beurteilung der Art und der Stärke [* 3] der Bedürfnisse, von denen viele, zumal die sogen. höhern oder geistigen Bedürfnisse, für Dritte nicht erkennbar, noch weniger meßbar sind.

In der Bedarfsordnung würde sich die relative Stärke und Dringlichkeit der verschiedenen Bedürfnisse äußern. Dieser Umstand hat Veranlassung dazu gegeben, daß man auch die Gesamtsumme der Bedürfnisse als Bedarf bezeichnet, ja sogar vom Bedürfnis spricht, wo eine Verwechselung desselben mit dem Gegenstand, welcher zu seiner Befriedigung dient, durchaus unzulässig ist (z. B. Erzeugung von Lebensbedürfnissen, statt von Lebensmitteln, etc.). Das ganze menschliche Leben weist eine ununterbrochene Kette von Bedürfnissen auf, deren Zahl und Mannigfaltigkeit von äußern natürlichen Verhältnissen und vom Stande der Kultur abhängen.

Jundt - Jupiter

Bild 18.481: Jundt - Jupiter
* 4 Klima.

Zunächst kommt bei der Befriedigung in Betracht die Erfüllung der ersten Existenzbedingungen, die Selbsterhaltung. Die rein physischen Bedürfnisse (nach Erwärmung, Speise, Trank etc.) sind bedingt von der körperlichen Organisation und von allen äußern Umständen, welche auf dieselbe einwirken (Klima, [* 4] körperliche Anstrengung etc.). Sie sind an und für sich nur innerhalb sehr enger Grenzen [* 5] einer Steigerung fähig, doch gestattet ihre Befriedigung eine reiche Wahl mannigfaltiger und bald mehr, bald weniger kostspieliger Mittel. So kann der Durst mit Wasser, Bier und feinem Wein gelöscht, der Hunger mit Schwarzbrot und Leckerbissen gestillt, der Körper mit grobem Beiderwand wie mit Samt und Seide [* 6] gegen die Unbilden der Witterung geschützt werden.



Beecher

Bild 2.601: Beecher
* 7 Seite 2.601.

Bei der Wahl werden unter anderm auch Geschmack, ferner Schönheitssinn, Eitelkeit etc. maßgebend sein. So kommen wir denn zum reichen Gebiet der Bedürfnisse geistiger Natur, die je nach Kultur, Bildung, Sitte, Gewohnheit, Standesangehörigkeit einer enormen Steigerung fähig, wenn auch ihre Befriedigung sich jeweilig, um nicht in Überdruß auszuarten, innerhalb gewisser durch die Norm der Wirtschaftlichkeit und die Rücksicht auf gedeihliche soziale Entwickelung gebotener Schranken halten sollte. Im allgemeinen tritt mit steigender, echt sittlicher Kultur eine Vermehrung und Vermannigfaltigung, gleichzeitig aber auch eine Veredelung

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und Verfeinerung der Bedürfnisse ein. Häufig werden die Bedürfnisse nach mancherlei Gesichtspunkten klassifiziert, wobei jedoch oft die Begriffe und das zur Befriedigung desselben erforderliche Gut verwechselt werden. Dies ist der Fall bei der Unterscheidung zwischen notwendigen und entbehrlichen Bedürfnissen. Ein Bedürfnis kann dringend, oder es kann die Befriedigung (nicht das Bedürfnis) aufschiebbar sein. Viele Bedürfnisse, die voraussichtlich in Zukunft eintreten werden, erheischen gegenwärtig schon Vorkehrungen für die spätere Befriedigung.

Die Maßregeln werden verschiedene sein müssen, je nachdem das Bedürfnis regelmäßig in gleicher Größe wiederkehrt oder Intensität und Umfang wandelbar sind, je nachdem es dauernd ununterbrochen wirkt oder nur temporär eintritt. Man spricht hiernach von ordentlichen und außerordentlichen, je nach der Regelmäßigkeit der Wiederkehr; von ständigen und unständigen, je nachdem die Befriedigungsmittel von gleichbleibendem oder wandelbarem Betrag; ferner von stetigen, unterbrochenen, dauernden, temporären etc. Schutzbedürfnisse (sogen. negative) wollen einen vorhandenen Zustand gegenüber drohenden Widerwärtigkeiten erhalten, Nutzbedürfnisse (positive) das Wohlbefinden erhöht haben.

Viele Bedürfnisse sind ganz allgemeiner Natur, allen Menschen eigen, andre beschränken sich auf besondere Nationen, Klassen, Stände, Individuen (allgemeine gegenüber besondern). Manche Bedürfnisse werden zweckmäßig durch gemeinsame Wirksamkeit derjenigen, welche sie empfinden, auf dem Weg der Gemeinwirtschaft (Staat, Gemeinde, Korporationen, Vereine etc.) befriedigt; man spricht alsdann von Kollektivbedürfnissen gegenüber individuellen.