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Böhmen | eLexikon | Geschichte - Oesterreich-Ungarn - Einzelne Länder

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Böhmen

Böhmen, Mähren und Öst

Bild 3.134a: Böhmen, Mähren und Österreich.-Schlesien
* 2 Böhmen.

[* 2] (hierzu Karte: Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien; vgl. für den nordöstl. Teil die Karte: Preußische Provinz Schlesien; [* 3] für den nordwestl. Teil: Königreich Sachsen, [* 4] Preußische Provinz Sachsen [südl. Teil] und Thüringische Staaten), czech. Čechy, lat. Bohemia, d. i. Land der Bojer, sonst Böheim, früher ein selbständiges Königreich, jetzt ein zum cisleithanischen Teile der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehöriges Kronland, zwischen 48° 34' bis 51° 3½' nördl. Br. und 12° 7' bis 16° 50' östlich von Greenwich, enthält den nördlichsten Punkt der ganzen Monarchie. Es hat von W. nach O. eine Länge von 330 km, von N. nach S. von 277 km. In den Umrissen eines 51 948,18 qkm großen, verschobenen Vierecks grenzt es im NW. an das Königreich Sachsen, im NO. an die preuß. Provinz Schlesien, im SO. an die Markgrafschaft Mähren und das Erzherzogtum Nieder-Österreich, im S. an das Erzherzogtum Ober-Österreich und im SW. an Bayern. [* 5]

Grenzen der Hörbarkeit

Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert]
* 6 Grenzen.

Oberflächengestaltung. Allerdings treffen die polit. Grenzen [* 6] auch auf den drei nichtösterr. Seiten mit den natürlichen Grenzwällen des Böhmerwaldes, Fichtel- und Erzgebirges und den Gliedern des sudetischen Bergsystems fast überall zusammen; doch ist deshalb Böhmen nicht als ein von allen Seiten geschlossenes und in der Mitte eingesenktes Kesselland anzusehen, sondern es schließt sich durch das Fichtelgebirge (s. d.) an die mitteldeutschen Terrassenlandschaften an, deren vertikale Entwicklungsart es teilt.

Adler

Bild 1.120a: Adler
* 9 Adler.

Mit Mähren ist es so innig verwachsen, daß man in dem Raume zwischen der Eger, [* 7] Elbe und Donau einerseits und March und Raab [* 8] andererseits ein gemeinsames böhmisch-mährisches, hochummauertes, welliges Terrassenland verfolgen kann, dessen Treppenabsteigung von SW. nach NO. nur durch wenige kleine Binnensenken gestört wird. Durch sehr geringe Quellgebiete (3184 qkm, d. i. 6,8 Proz. des Landes) im SO. und NO. haben Donau und Oder Anteil am böhm. Boden, der fast ganz dem Elbgebiet (48 772 qkm) zufällt, und zwar durch die Elbe selbst in ihrem obern Laufe bis zum Durchbruche der merkwürdigen Felsgebilde des Elbsandsteingebirges und durch den bei Melnik mündenden echt böhm. Fluß, die Moldau (Gebiet 28 135 qkm). Die Elbe, welche bei Melnik schiffbar wird, nimmt auf: rechts die Cidlina, Iser und den Polzen; links Aupa, Mettau, Adler, [* 9] Laucha (Loučna), Chrudimka, Doubrawa, Moldau, Eger und Biela.

Der Moldau fließen zu: rechts Malisch, Luschnitz und Sazawa, links Wotawa und Beraun. Für das eigentliche böhm. Terrassenland treten gliedernd auf die Elbe und Eger, die Sazawa und Beraun, die tiefe Meridianfurche der Moldau und der diese nördlich fortsetzenden Elbe. Die kleinen, rings umschlossenen Tiefebenen sind folgende: Im Norden [* 10] das Teplitz-Komotauer Becken, die Laun-Saazer Ebene an der Eger, 120-150 m hoch, die ebenso hohe Theresienstädter, an der Egermündung gelegene Ebene, östlich davon an der Moldaumündung die Melniker Ebene, an diese anschließend die Nimburger und die Pardubitzer Ebene, d. i. der südwestlich von Königgrätz [* 11] eingesenkte Elbkessel, der von Teichen zerrissen und 190-200 m hoch ist.

In der Mitte bei Pilsen [* 12] das Sammelbecken der Beraun, etwa 300 m hoch. Im Süden breitet sich, von Teichgruppen erfüllt, aber bis zu etwa 400 m erhoben, die Budweis-Wittingauer Tiefplatte weiter aus. Dieselbe Überhöhung behaupten auch die den genannten Ebenen südwärts anliegenden Stufen, unter einer zweiten allgemeinen Neigung nach Osten hin, sodaß das böhm. Bergland westlich der Moldau den östl. Abschnitt immer um fast 100 m an Höhe überragt. Die nördliche böhm. Terrasse erhebt sich in schroffen Rändern und einzelnen scharf markierten Vorsprüngen, wie z. B. dem Engelhäuser Berg (645 m), Purberg (562 m) und Georgenberg (455 m), zur Mittelhöhe von 310 bis 380 m. Die mittlere Stufe steigt zu 450-500 m und ragt am Brdýwald 853 m und am Třemschin-(Třemšin-)berg 822 m empor.



Böhmen (Klima. Mineral

Bild 53.221: Böhmen (Klima. Mineralreich. Tierreich)
* 13 Seite 53.221.

Die südl. Terrasse schließt sich bei 570-630 m hohen Nordrändern an den Böhmer- und Greinerwald (höchste Spitze: Kubany, 1358 m). Die natürliche Grenze B.s gegen Westen bildet der Böhmerwald (s. d.), der durch das Plateau von Waldsassen mit dem Fichtelgebirge in Verbindung steht. Die Bodenform des nördlichen am rechten Elb-, Adler- und linken Egerufer, wird durch das sächs. und sudetische Bergland bedingt. Östlich und nordöstlich des Elbkessels, im Gebiete der linken Zuflüsse der obern Elbe, übersteigt man kurze Absätze ziemlich scharfgezeichneter Bergformen, um zu den Sudeten (s. d.) und zwar entweder zu den Vor- und Hochketten des Glatzer Gebirgslandes, besonders zu den Böhmischen und Habelschwerdter Kämmen oder Adlergebirge (Hohe Mense, 1085 m), Heuschmergebirge (920 m), Politzer Felsen und Adersbacher Sandsteinklippen, oder zu den steilen Kämmen des Riesengebirges (s. d., Schneekoppe, 1605 m) zu gelangen. Im N. und in dem Gebiete der rechten Elbzuflüsse aber führen breitere Plateaumassen, wie das Gitschiner und das Daubaer Plateau, zu den Ketten des Isergebirges (Tafelfichte, 1124 m) und den Massen des Lausitzer Gebirges (Jeschkenberg, 1013 m). Diesem liegen südwestlich

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Haufen dichtgedrängter Bergkuppen vor, die zwischen Leitmeritz und Aussig von der Elbe durchbrochen werden. Östlich sind es die unzusammenhängenden Gruppen des Kleis- und des Geltschberges (725 m) und westlich die gleichfalls basaltischen Massen des Böhmischen Mittelgebirges, welches in dem Donnersberg (Mileschauer) 835 m Höhe erreicht und im N. durch die tiefe Furche der Biela vom Erzgebirge getrennt wird. Dieses begrenzt mit seinen Steilabfällen den nördl. Egerabschnitt, trägt die böhm. Grenze auf seinem plateauförmigen, breiten Scheitel, erreicht im Lande die größte Höhe im Keilberg (1238 m) und geht westlich zu den sanftern Formen des Egerlandes über, das sich allmählich dem Fichtelgebirgsplateau öffnet.

Präeminenz - Prag

Bild 13.305: Präeminenz - Prag
* 14 Prag.

Mit dem Wechsel der äußern Formen des Bodens steht auch vielfach die Änderung des geognost. Bildes in Verbindung. Der höhere Süden ist aus den Massen des Urgesteins (Gneis, Granit u. s. w.) zusammengesetzt. Die westl. Mitte zwischen Prag [* 14] und Klattau besteht aus den Schichten der Cambrischen, der Silur- und Steinkohlenformation, und die östl. Mitte in und um den Elbkessel gehört der Kreidegruppe an. Ein noch bunteres Bild zeigt der nördl. Abschnitt. Östlich von der Elbe herrscht der Quadersandstein vor, stellenweise auf den Schichten des Rotliegenden aufliegend; westlich nehmen die mächtigen Schichten der Braunkohlenformation den Fuß des Erzgebirges ein. Überall treten hier Kuppen, Kegel und Ströme vulkanischer Gesteine [* 15] (Basalt, Phonolith), das basaltische Mittelgebirge bildend, auf, während an der westl. Grenze die Primärformation, die sog. Urschieferformation des Südens im Anschluß an das Fichtelgebirge vorherrscht.

Klima. [* 16] Die klimatischen Verhältnisse schließen sich zwar den günstigen Beziehungen Mitteldeutschlands an durch das Vorhandensein einer, von den Gebirgen abgesehen, ziemlich gleichmäßigen Temperatur, die Bodengestaltungen greifen jedoch wesentlich zur Erzeugung eigentümlicher Erscheinungen ein. Während die westl. und nördl. Grenzgegenden noch oceanischen Einflüssen zugänglich sind, hat das Klima des übrigen Landes rein kontinentalen Charakter.

Der höhere Süden ist rauher als der tiefere Norden, die Gebirgsgegend kälter als die geschützte Ebene. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Budweis 8,0, in Deutsch-Brod 7,2, Pilsen 8,4, Eger 7,4, Prag 9,2, Bodenbach 8,6° C., ist also in Prag im Mittelpunkte des Landes am höchsten und nimmt gegen die Ränder ab. Am niedrigsten ist sie im Egerbecken, am Plateau von Tepl, im Süden und Südosten, endlich auf dem nordöstl. Kreideplateau, wo Minima unter -30° C. beobachtet wurden, während in Prag die Temperatur nur bis -26,8° C. sank. Das absolute Maximum betrug in Prag 36,4° C. in 30 Jahren. Die Niederschlagsmengen schließen sich den Höhenverhältnissen an, sind am größten an den Rändern, am geringsten in der Mitte; Prag hat nur 416 mm Regenmenge, in Marienbad erreicht sie 758 mm, im Riesengebirge steigt sie dagegen über 1200 mm.

Gold (Gewinnung aus ge

Bild 7.477: Gold (Gewinnung aus geschwefelten Erzen)
* 17 Gold.

Mineralreich. Außerordentlich rasch sind die Fortschritte, welche das durch seinen Produktenreichtum von Natur gesegnete Land in der neuern Zeit auf allen Gebieten der physischen und der technischen Kultur genommen hat. Zunächst ist es das Mineralreich, welches in ergiebigster Weise die mannigfaltigsten Schätze darbietet. Goldgruben giebt es bei Eule, die aber seit mehrern Jahren nicht mehr ausgebeutet werden. Die Produktion von Golderzen betrug (1891) 283 Doppelcentner, von Gold [* 17] 1,96 kg (im Werte von 351 Fl.), von Silber 35 314 kg (im Werte von 3 146 481 Fl.), besonders in den Werken von Joachimsthal und Přibram; Kuttenberg östlich von Prag wurde im Mittelalter ausgebeutet und neuerdings wieder in Angriff genommen.

Alaun (gebrannter) - A

Bild 51.314: Alaun (gebrannter) - Alaun (konzentrierter)
* 22 Alaun.

Der Eisenbergbau ist zu einer bedeutenden Entwicklung gelangt (1891: 3 133 204 Doppelcentner Eisenerze); die sich jährlich mehrenden Hochöfen erzeugten (1891) 1097 009 Doppclcentner Frisch- und 175 733 Doppelcentner Gußroheisen, zusammen im Werte von 5,15 Mill. Fl. Böhmen ist unter allen österr. Kronländern das einzige, welches Zinn produziert, und zwar im Erzgebirge (1891) 7205 Doppelcentner Zinnerze und daraus 562 Doppelcentner Zinn; der Bergbau [* 18] lieferte 15 610 Doppelcentner Blei [* 19] und 22 676 Doppelcentner Glätte, etwas Kupfer, [* 20] Nickel und Kobalt, Antimon (1541 Doppelcentner), Wismut, Arsenik, Uran- und Wolframerz (567 Doppelcentner), Braunstein, Schwefel (456 Doppelcentner), 122 679 Doppelcentner Schwefelsäure, [* 21] 8384 Doppelcentner Mineralfarben und 11 843 Doppelcentner Eisenvitriol, Graphit (126 830 Doppelcentner), Alaun, [* 22] Porzellanerde, vorzügliche Bau- und Nutzsteine sowie mehrere Arten Edel- und Halbedelsteine (insbesondere die berühmten böhm. Granaten), [* 23] deren Aufsuchen und Bearbeitung jedoch bei weitem nicht mehr die Ausdehnung [* 24] hat wie ehedem.

Den größten Anteil am Bergbau des Landes, der Menge wie dem Wert nach, hat die Kohlenproduktion. Im mittlern Böhmen (Pilsen, Nürschan, Kladno) werden Steinkohlen gewonnen, im nördl. Teile des Landes (Dux, Brüx, Ossegg, Falkenau) befinden sich Braunkohlengebiete, die zu den reichsten in Europa [* 25] gehören. Böhmen produzierte (1891) 37 911 924 Doppelcentner Steinkohlen und 129 563 004 Doppelcentner Braunkohlen im Werte von 12,52, bez. 20,84 Mill. Fl. Torflager werden nur vereinzelt, namentlich im Oberlaufe der Moldau ausgebeutet. Der Wert der Produktion des Bergbaues in Böhmen betrug (1891) 37 953 588 Fl., der des Hüttenbetriebes 9.651.326 Fl. Kochsalz fehlt ganz; dagegen haben die Mineralquellen (s. Böhmische Bäder) dem Lande einen Weltruf verschafft.

Katze

Bild 9.622: Katze
* 26 Katze.

Tierreich. Unter den Tieren sind die wilden mit zunehmender Landeskultur immer mehr den Haustieren gewichen oder doch wenigstens die Gegenstände geregelten Jagdbetriebes geworden. Bär und Wolf sucht man jetzt vergebens, wohl aber trifft man noch, wenn auch selten, die wilde Katze [* 26] an; in den Gebirgswaldungen ist der Dachs verbreitet. Schwarz- und Rotwild giebt es in großer Menge, zumeist in eingezäunten Waldstrecken; Hasen sind so häufig, daß jährlich beinahe ½ Mill. Felle ausgeführt werden; die Zucht der böhm. Fasane ist weithin berühmt.



Böhmen (Bevölkerung. L

Bild 53.222: Böhmen (Bevölkerung. Land- und Forstwirtschaft. Industrie und Gewerbe)
* 30 Seite 53.222.

Die Viehzucht [* 27] ist im allgemeinen in starkem, wenn auch in den einzelnen Gegenden und in ihren verschiedenen Zweigen ungleichem Betriebe und in neuern Zeiten ein Gegenstand höherer Sorgfalt geworden. Die Pferdezucht [* 28] hat sich besonders aus Veranlassung militär. Rücksichten unter Maria Theresia und Joseph II. gehoben. Außer vielen Privatgestüten giebt es ein kaiserl. Hofgestüt zu Kladrub. Der Pferdebestand des Landes betrug (1890) 215 729 Stück; der beste Schlag findet sich in den südl. und östl. Landesteilen. An Rindvieh zählte man 2 022 305 Stück. Die Schafzucht stand ehedem, vorzüglich durch die Fürsorge der Kaiserin Maria Theresia, in Blüte, [* 29] ist aber neuestens stark zurückgegangen. Die Anzahl

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der Schafe [* 31] betrug (1890) 423 002, der Schweine [* 32] 514 367 Stück. Die Ziegenzucht (334 117 Stück) findet viele Pflege in den Gebirgsgegenden, die Gänsezucht im Süden, wo Herden von vielen Tausend Gänsen weiden, von denen man jährlich an 15000 Ctr. Bettfedern gewinnt; Hauptsitz des Handels mit Bettfedern ist Neuern in der Bezirkshauptmannschaft Klattau. Die Seidenkultur ist durch viele Aufmunterungen in neuesten Zeiten nicht ohne Erfolg geblieben (5 Mill. Pfd. Cocons). Die Bienenzucht [* 33] (1890: 149 738 Stöcke) liefert dem Handel ein gleich dem mährischen sehr geschätztes Wachs. Die Fischerei [* 34] wird in den zahlreichen Teichen mit großem Vorteil getrieben, und böhm. Karpfen und Hechte gehen in Menge nach den benachbarten Ländern.

Deutsche Altertümer -

Bild 54.996: Deutsche Altertümer - Deutsche Buchdrucker-Berufsgenossenschaft
* 36 Deutsche.

Bevölkerung. [* 35] Die Einwohnerzahl betrug 1785 etwa 2,7 Mill., 1807 über 3,1 Mill., 1827 3,7 Mill., 1837 4 Mill., 1846 4,34 Mill., 1857 4 705 526, 1869 5 106 069, 1880 5 560 819, 1890 5 843 094 (34 392 Militär), d. i. 112 E. auf 1 qkm, wonach Böhmen zu den bestbevölkerten Kronländern Österreich-Ungarns gehört. Die Zunahme betrug 1869-80 420 275 oder 7,43 Proz., 1880-90 286 695 oder 5,16 Proz. Am dichtesten sind die nördlichen, am wenigsten die südwestl. Gegenden bewohnt. Dem Geschlechte nach waren (1890) 2 821 989 männlich, 3 021 105 weiblich (d. i. 1071 Frauen auf 1000 Männer); der Nationalität nach 2 159 O11 (37,20 Proz.) Deutsche, [* 36] 3 644 188 (62,79 Proz.) Czechen.

Die Czechen (s. d.) nehmen besonders die Mitte und den Osten des Landes ein, während die Deutschen vorzugsweise an den Grenzen wohnen, am meisten im Norden und im Südwesten. Der Religion nach waren 5 612 297 (96 Proz.) Katholiken, 127 236 (2,17 Proz.) Evangelische, darunter 60 737 Lutheraner (1,04 Proz.) und 66 499 (1,13 Proz.) Reformierte, 94 479 (1,6 Proz.) Israeliten, 6514 Altkatholiken, 1180 Konfessionslose. Es gab 2 Städte mit eigenem Statut, 89 polit. Bezirke, 218 Gerichtsbezirke, 7151 Gemeinden, 19 931 Ortschaften, 726 226 Wohngebäude, 1289 808 Wohnparteien.

Auf 1 Wohngebäude entfielen 1,77 Wohnparteien und 8,05 E., auf 1 Wohnpartei 4,5 E. Die Bewegung der Bevölkerung ergab (1890) 42 500 Eheschließungen, 204 407 Lebendgeborene, darunter 27 287 uneheliche, 167 757 Sterbefälle. Dem Berufe nach gehörten (1880) an 3,10 Proz. den Berufsarten mit höherer Schulbildung, 45,25 Proz. der Land- und Forstwirtschaft, 39,65 Proz. dem Bergwesen, der Industrie und dem Gewerbe, 5,96 Proz. dem Handel und Transportwesen, 3,36 Proz. den Haus- und Rentenbesitzern und Pensionisten, endlich 1,85 Proz. der dienenden Klasse.

Getreide (Zusammensetz

Bild 7.264: Getreide (Zusammensetzung, Nahrungswert etc.)
* 37 Getreide.

Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche des Landes sind 96,75 Proz. produktiv, davon entfallen auf Äcker 50,54, Wiesen 10,05, Gärten 1,35, Weingärten 0,01, Hutweiden 5,05, Waldungen 29,01, Teiche 0,74 Proz. Von der Ackerfläche des Landes (2 625 402 ha) wurden (1890) 97 Proz. angebaut, 3 Proz. blieben als Brache liegen. Mit Getreide [* 37] wurden im zehnjährigen Durchschnitte (1880-89) 1 581 400 ha, mit Hülsenfrüchten 58 369 ha, mit Kartoffeln 334 158 ha, mit Zuckerrüben 128 194 ha bepflanzt. In diesem Zeitraume produzierte Böhmen durchschnittlich jährlich 4 631 764 hl Weizen, 9 271 293 hl Roggen, 6 278 258 hl Gerste [* 38] und 10 113 600 hl Hafer. [* 39] An Kartoffeln wurden geerntet 31 241 782 hl. Ebenso ist an Hülsenfrüchten (568 228 hl), Küchen- und Gartengewächsen aller Art Überfluß.

Unter den Gewerbspflanzen nehmen Flachs, Hopfen [* 40] und die Zuckerrüben die erste Stelle ein. Der Flachs gedeiht besonders in den Gebirgsgegenden; 1890 wurden 127 690 Doppelcentner Bast [* 41] und 80 150 Doppelcentner Samen [* 42] erzeugt. Der Hopfenbau ist berühmt, namentlich im Egerthale und besonders bei Saaz. Die Ernte [* 43] schwankt zwischen 25000 und 50000 (1890: 42 380) Doppelcentner. An Zuckerrüben wurden geerntet 38 161 520 Doppelcentner. Die Hanfkultur ist untergeordnet, dagegen der Anbau des Rapses in rascher Aufnahme begriffen (1890: 18 741 ha mit 208 220 Doppelcentner Ertrag).

Holywood - Holz

Bild 8.668: Holywood - Holz
* 44 Holz.

Der Obstbau liefert große Mengen zu Handelszwecken, die Zahl der Obstbäume im ganzen Lande wird auf 21 173.000 geschätzt. Die Weinkultur liefert im Durchschnitt 9000 hl (1880, ein Mißjahr, 3905 hl, 1890: 861 ha mit 6160 hl Ertrag) und ist auf das Elbthal von Melnik bis Aussig und die Gegend um Prag beschränkt. Die Waldungen (1890: 1 507 325 ha) bestehen aus 1 368 331 ha Nadel-, 59 928 ha Laub- und 79 066 ha Mittel- und Niederwald, und geben eine Ausbeute von mehr als 10 Mill. cbm Holz. [* 44]

Zur Hebung [* 45] des Ackerbaues sind landwirtschaftliche Lehranstalten, für die deutsche Bevölkerung zu Liebwerd bei Tetschen und eine für den czech. Teil zu Tabor, errichtet worden. Überdies bestehen landwirtschaftliche Landes-Mittelschulen in Kaaden und Tetschen-Liebwerd (deutsch), in Tabor, Chrudim, Raudnitz-Hracholusk (czechisch), Ackerbauschulen in Budweis (deutsch und eine czechische), Böhmisch-Leipa, Eger, Trautenau (deutsch), Rakonitz, Jungbunzlau, Kuttenberg, Pisek, Klattau und Libějitz-Rabin (czechisch), ein pomolog. Institut in Troja [* 46] bei Prag, Obst- und Weinbauschulen in Leitmeritz und Melnik und eine Forstlehranstalt in Weißwasser. Eine böhm. Hypothekenbank für den Bodenkredit wurde im Aug. 1864 ins Leben gerufen, welche einen Pfandbriefumlauf von 105 Mill. Fl. besitzt, außerdem eine landwirtschaftliche Kreditbank für Böhmen (seit 1867) und ein Kredit- und Hypothekenverein für Saaz.

Industrie und Gewerbe. Die Aufzählung der einzelnen Zweige der physischen Kultur in Böhmen bestätigt zwar im allgemeinen eine günstige Benutzung der natürlichen Landesreichtümer, indeß noch günstiger gestalten sich die Verhältnisse der Gewerbsthätigkeit in welcher Beziehung das Königreich das erste Industrieland in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie ist und überhaupt zu den bedeutendsten Industrieländern Europas gehört, vorzugsweise in seinen nördl. Gegenden.

Die Industrie hat seit 1852, noch mehr aber seit 1860 und 1867 eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Ganze Zweige, insbesondere von städtischen Gewerben, sind verschwunden, andere neu entstanden und wieder andere in ihrem Betriebe geändert oder in ihrer Örtlichkeit versetzt worden. Als nach der Entlastung des Grund und Bodens keine Robot (s. d.) mehr zu Gebote stand, mußte man trachten, die sich verteuernde Handarbeit durch die Maschine [* 47] zu ersetzen. So entwickelte sich die fabrikmäßige Erzeugung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte. Der Mühlenbetrieb gestaltete sich nach amerik. System um und beginnt sich mehr in großen Etablissements zu vereinigen. Die durch die Eisenbahnen erleichterte Konkurrenz des ungar. Getreides und Mehles nötigte die Landwirte, in andern Bodenfrüchten einen bessern Ertrag zu suchen, daher die große Ausbreitung der Rübenzuckerfabrikation und die wenigstens intensiv gesteigerte Spirituserzeugung. In vielen Gegenden

Fortsetzung Böhmen: → Seite 53.223 || wurden von den kleinen Landwirten auf Aktien Zuckerfabriken angelegt, denen sich später Fabriken