peter-hug.ch

Bretonische Sprache | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Bretonische

Sprache [* 2] und Litteratur. Das Bretonische (Breizad, franz. bas breton), die alte Sprache der Bretagne, hier und da auch Armorikanisch genannt (von Aremorica, dem alten Namen der Bretagne), ist eine der wenigen keltischen Sprachen (s. d.), die sich bis auf die Gegenwart erhalten haben. Es bildet zusammen mit dem »Welsh« in Wales und dem neuerdings ausgestorbenen »Cornish« in Cornwallis sowie mit der nur aus einer Anzahl alter Inschriften bekannten Sprache der alten Gallier die kymrische oder südliche Gruppe der keltischen Sprachen.

Das Herrschaftsgebiet der vier bretonischen Dialekte, von denen der von Léon (s. Bretagne) am wichtigsten und genauesten erforscht ist, beschränkt sich heutzutage auf wenige Departements im westlichen Frankreich, nämlich auf das Departement Finistère und den östlichen Teil der Departements Côtes du Nord und Morbihan. Am nächsten verwandt ist das Bretonische mit dem keltischen Dialekt der englischen Provinz Wales, dem schon genannten »Welsh«, sowie mit dem »Cornish«, übertrifft aber diese beiden Dialekte noch an Abgeschliffenheit seiner Formen und Wörter und gibt der vergleichenden Sprachforschung manche schwierige Rätsel zu raten auf.

Oxford (geolog.) - Oxf

Bild 12.580: Oxford (geolog.) - Oxford (Stadt)
* 3 Oxford.

Der englische Keltolog J. ^[John] Rhys in Oxford [* 3] und andre kompetente Beurteiler halten daher das Bretonische für einen Abkömmling der keltischen Dialekte Englands, indem sie sich auf die Nachrichten alter Autoren über wiederholte Einwanderungen aus Großbritannien [* 4] nach der Bretagne stützen, die etwa im 6. Jahrh. n. Chr. ihren Abschluß erreichten (vgl. Rhys, Lectures on Welsh philology, 2. Aufl., Lond. 1879; Belloguet, Ethnogénie gauloise, Par. 1858-75, 4 Bde.). Um die grammatische und lexikalische Bearbeitung der Sprache haben sich besonders der Pater Gregoire von Rostrenen, L. Lepelletier und vor allen Le [* 5] Gonidec (gest. 1838) verdient gemacht. Letzterer verfaßte die beste Grammatik (Par. 1807, 3. Aufl. 1850) sowie ein vorzügliches Wörterbuch (Angoulême 1821, St.-Brieuc 1847-50, 2 Bde.) und hat das Bretonische überhaupt erst zur eigentlichen Schriftsprache erhoben.

Viele auf das Bretonische bezügliche Abhandlungen enthält die von Gaidoz in Paris [* 6] redigierte Zeitschrift »Revue Celtique«. Die bretonische Litteratur der frühsten Zeit (seit dem 6. Jahrh.) fällt mit der Bardenlitteratur auf den britischen Inseln zusammen. Mehrere der ältesten und ausgezeichnetsten jener Sänger (darunter Gweznou, Taliesin, Sulio) gehörten der Bretagne an, und ihre kräftigen und lebensvollen Poesien, teils historisch-patriotischen, teils religiösen und erotischen Inhalts, waren von nicht geringem Einfluß auf die Dichtung der französischen Trouvères der nachfolgenden Jahrhunderte.

Wir erinnern nur an den reichen, von den mittelalterlichen Dichtern so vielfach behandelten Sagenkreis von König Artus (s. d.) und dem Zauberer Merlin, welcher aus den Lais der walisisch-bretonischen Harfner hervorgegangen ist. Zu den bekanntesten altbretonischen Werken gehören die aus dem 13. und 14. Jahrh. stammenden Mysterien: »La vie de sainte Nonne« und »Jésus« (letzteres hrsg. von La Villemarqué, 2. Aufl. 1866). Als im Lauf der Zeit die französische Sprache und Kultur immer entschiedener im Land zur Herrschaft gelangten und das Bardentum allmählich abstarb, wurde auch das Bretonische aus den höhern Schichten der Gesellschaft immer mehr verdrängt; aber das eigentliche Volk hielt an der heimischen Sprache und Poesie, an den nationalen Erinnerungen und Überlieferungen mit um so größerer Zähigkeit fest.

Köln

Bild 9.945a: Köln
* 7 Köln.

Die alten volksmäßig gewordenen Lieder und Sagen wurden fortgesungen und forterzählt, umgedichtet und durch neue, in dem gleichen Geist verfaßte vermehrt und haben sich so in großer Anzahl bis auf unsre Tage erhalten. Um die Bekanntmachung bretonischer Litteraturdenkmäler hat sich in neuerer Zeit besonders La Villemarqué Verdienste erworben, der eine vorzügliche Sammlung bretonischer Volkslieder unter dem Titel: »Barzaz-Breiz« (mit Übersetzung, Anmerkungen, Melodien etc., Par. 1839; 6. Aufl. 1867; deutsch von Hartmann u. Pfau, Köln [* 7] 1859),

außerdem »Contes populaires des anciens Bretons« (1842, 2 Bde.),

»Les Bardes bretons« (Gedichte des 6. Jahrh.; 2. Ausg., Par. 1860),



Bretschneider - Brette

Bild 3.412: Bretschneider - Bretten
* 8 Seite 3.412.

»Poèmes bretons au moyen-âge« (mit Übersetzung und Glossar, das. 1879) u. a. veröffentlichte. Die erwähnten Volkslieder sind von hoher Eigentümlichkeit und enthalten ohne Zweifel mehr von echter Poesie als die Überbleibsel der keltischen Bardendichtung jenseit des Kanals. Eine andre Sammlung bretonischer Dichtungen gab Luzel unter dem Titel: »Bepred Breizad« (Morlaix 1865) heraus. Die Legenden und Sagen fanden an Souvestre in dessen »Foyer breton« (Par. 1844) einen verständnisvollen

mehr

Bearbeiter. Seit dem 16. Jahrh. bedienten sich auch die Geistlichen der bretonischen Sprache, um durch Abfassung geistlicher Dramen und religiöser Dichtungen, durch Predigten und Erbauungsbücher auf das Volk einzuwirken, und hatten zum Teil, wie namentlich Le Nobletz de Kerodern (gest. 1651) und der Pater Maunoir (gest. 1683), großen Erfolg. Gegenwärtig erscheinen nicht nur Zeitschriften in bretonischer Sprache, sondern auch Dichter und Schriftsteller verwerten, ähnlich wie in der Provence, das alte Volksidiom in selbständigen Arbeiten, wie z. B. Brizeux, Goesbrand, Laouénou, Ricou, Clech u. a.

Vgl.   Le Maou, La bibliothèque bretonne (St.-Brieuc 1851);

La Villemarqué, Notices des principaux manuscrits des anciens Bretons (Par. 1856).