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Chalîf | eLexikon

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Chalîf

(Chalîfa, unrichtig: Kalif), Titel der Nachfolger Mohammeds in der weltlichen und geistlichen Führung der mohammed. Kirche. Nach dem Tode des Propheten, der hinsichtlich der Nachfolge keine Verfügung getroffen hatte, entstanden Parteistreitigkeiten unter den Anhängern des Islam bezüglich der Besetzung des Herrscheramtes (Chalifat). Der hervorragenden Familie der Koreischiten, aus der der Prophet selbst hervorgegangen war, traten die Anßâr (s. d.) entgegen. Unter den Anhängern der Koreischiten stellte sich der Partei, welche die Chalifenwürde aus dem Wege der Wahl besetzen wollte, eine Partei entgegen, die die Lehre [* 3] von der Erblichkeit dieser Würde in der Familie des Propheten aufstellte. Der Kandidat dieser Partei war zunächst Alî ibn Abî Tâlib (s. d.). - Unmittelbar nach dem Tode Mohammeds wurde den Streitigkeiten über die Nachfolge durch die Proklamierung des Abû Bekr (s. d.) ein Ende gemacht (632). Unterstützt von seinem Feldherrn Châlid begann er sofort, nachdem die innern Empörungen niedergeschlagen waren, mit des Schwertes Gewalt den Islam zu benachbarten Völkern zu tragen. Siegreich in manchen Treffen, wurde das mohammed. Heer doch auch von den Byzantinern mehreremal geschlagen; als aber die Mohammedaner in der Schlacht am Jarmuk über das byzant. Heer gesiegt hatten, unternahmen sie den Zug gegen Damaskus, das sie nach langer Belagerung (635) zur Übergabe zwangen. Inzwischen war Abû-Bekr (Aug. 634) gestorben, und es folgte ihm Omar ibn al-Chattâb (634-641). Omar vertraute den Oberbefehl dem Abû-Ubeida an und vollendete durch diesen 638 die Unterwerfung von Syrien.

Ägypten etc

Bild 1.209a: Ägypten etc
* 4 Ägypten.

Ebenso glücklich war Amr, ein anderer Feldherr Omars, in Ägypten, [* 4] das 638-640 dem Chalifat unterworfen wurde. Als 638 Jerusalem [* 5] genötigt war, die Übergabe anzubieten, zog Omar selbst dahin und bestimmte die Kapitulation, die nachher bei der Feststellung des Verhältnisses der Mohammedaner zu den unterworfenen Christen als Grundlage diente. Auch gegen das Sassanidenreich wurden glänzende Siege erfochten und der Islam über den größten Teil von Persien [* 6] verbreitet.

Ausdehnung (der festen

Bild 2.109: Ausdehnung (der festen und flüssigen Körper)
* 7 Ausdehnung.

Omar organisierte die Staatseinrichtungen des Chalifenreichs, gründete 636 Basra und 638 Kufa, führte die Zeitrechnung der Hidschra ein und dotierte Moscheen und Schulen mit unveräußerlichem Eigentum (Wakf). Er war der erste, welcher Emîr al-Mûminin, d. i. Befehlshaber der Gläubigen, genannt wurde, ein Titel, der auf alle folgenden Chalîf forterbte. Nach Omars Ermordung erwählte ein Rat von sechs Männern, die er bei seinem Tode ernannt, mit abermaliger Übergehung Alis, Othmân, einen Eidam des Propheten, zum dritten Chalîf (644-666). Unter ihm gelangte das Reich der Araber zu noch größerer Ausdehnung. [* 7]

Während sie in Persien die Herrschaft des Islam befestigten und weiter verbreiteten, auch in Armenien und Kleinasien glänzende Eroberungen machten, unterwarfen sie die ganze Nordküste von Afrika [* 8] bis über Tunis [* 9] hinaus. Manche Unfälle, welche die Araber in dieser Zeit erlitten, waren eine Folge der Maßregeln des im allgemeinen sehr schwachen Othmân, der seinen Verwandten und Günstlingen die Provinzen vertraute. Die Unzufriedenheit mit ihm, welche von den Anhängern Alis sowie von andern unzufriedenen Elementen, welche der unter Othmân überhandnehmende Nepotismus zur Eifersucht reizte, geschürt wurde, endigte mit der Ermordung des Chalîf. Durch die Wahl des Volks von Medina wurde nun Alî (656-660) der vierte Chalîf, der von den Schiiten für den ersten rechtmäßigen Imâm (s. d.) gehalten wird. Nachdem er 661 ermordet war, legte sein Sohn Hasan nach sechs Monaten die Regierung nieder.

Der neue Chalîf, Mo’âwija I. (661-680), verlegte den Sitz des Chalifats aus Medina, wo (mit Ausnahme Alis, dessen Residenz Kufa war) alle übrigen Chalîf residiert hatten, in seine bisherige Statthalterschaft nach Damaskus. Mit ihm beginnt die Reihe der Omajjaden-Chalifen (661-750). Nachdem er gleich im Anfange seiner Regierung den Aufstand der Châridschiten (s. d.) und die Empörung der Anhänger der Familie Alîs nicht ohne grausame Maßregeln niedergeschlagen, arbeiteten seine Heerführer an der Befestigung und Ausbreitung des Reichs.

Konstantinopel

Bild 10.28a: Konstantinopel
* 10 Konstantinopel.

Große Erfolge erzielten sie in Mittelasien, der Oxus wurde überschritten und die Provinz Mâ-warâ al-nahr (Transoxanien) organisiert; von Chorassan aus wurden Eroberungszüge bis an den Indus unternommen; Jesid, der Sohn des Chalîf, that sich in Kleinasien hervor und dachte bereits an die Eroberung von Konstantinopel, [* 10] das er jedoch ohne Erfolg belagerte. Ebenso wie Mo’awija I. das Reich nach außen vergrößerte, gelang es seiner Klugheit, dasselbe auch im Innern zu organisieren; dazu machte er das Chalifat erblich und erzwang 670 die Anerkennung seines Sohnes Jesîd bei seinen Lebzeiten in Syrien und Irak.

Jesîd (680-683) hatte während seiner kurzen Regierungsdauer gegen innere Feinde zu kämpfen. Die heiligen arab. Städte lehnten sich unter Anführung des Abdallâh ibn Sobejr, welcher als Gegenchalif auftrat, gegen die omajjadische Dynastie auf;

die Unzufriedenen in Irâk scharten sich um Husejn, den zweiten Sohn des Alî, den sie aus Arabien zur Bekämpfung des Jesîd herbeilockten;

der Aufstand endigte in der dürren Ebene von Kerbela mit dem Tode des Husejn (680);

auch der arab. Aufstand wurde unterdrückt, indem die Heilige Stadt (683) einer schonungslosen Plünderung unterworfen wurde, von welcher auch die Ka’ba zu leiden hatte.

Inzwischen starb Jesîd; ihm folgte sein schwacher Sohn Mo’âwija II. (683), der nach wenig Monaten starb oder aus dem Wege geräumt wurde. Während Arabien, Irak und Ägypten sich dem Sohne Sobejrs anschlossen, ward in Damaskus der Omajjade Merwân I. als Chalîf anerkannt und wußte sich auch inmitten der Empörungen der gegnerischen Parteien zu behaupten, bis er von seiner Gattin, der Mutter Châlids, eines Sohnes Jesîds, den er von der Nachfolge ausschloß, ermordet ward.

Merwân hatte nicht verhindern können, daß Abdallâh ibn Sobejr sich in einem Teil des Reichs, namentlich in Arabien und Persien, als Gegenchalif erhielt. Unter Merwâns Sohn Abdulmelik (685-705), mit welchem die Regierung der merwânischen Linie der Omajjadendynastie beginnt, wurde Mochtar, der sich als Propheten und als Rächer des Husejn ausgab und einen Sohn Alî’s, Mohammed ibn al-Hanafijja, als Deckmantel seiner Bestrebungen gebrauchte, durch den Anhang, den er unter den Aliden in Irâk fand, dem Chalifat gefährlich. Nach der Besiegung dieses Aufstandes (687) wandte Abdulmelik sich gegen den arab. Rivalen Abdallâh, schlug dessen Anhänger in Irak, und sein Feldherr Haddschadsch nahm Mekka mit Sturm, wobei Abdallâh blieb; so vereinigte Abdulmelik wieder in seiner Hand [* 11] die Herrschaft über den ganzen Islam. Auch gegen das Byzantinische Reich kämpften die Moham-



Chalif

Bild 54.80: Chalif
* 12 Seite 54.80.

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medaner unter Abdulmelik mit wechselndem Glück; der Bruder des Chalîf, Mohammed, machte große Fortschritte in Cilicien und Armenien, sowie Musâ ibn Nußeir die Herrschaft des Islam in Afrika befestigte und die Berbern bis an das Ufer des Atlantischen Meers unterwarf. Nach dem Tode des Abdulmelik bestieg den Chalifenthron dessen Sohn Welîd I. (705-715);

unter ihm, den die frommen Mohammedaner wegen seines religionswidrigen Lebenswandels verpönten, gelangte das Reich der Chalîf auf den Gipfelpunkt seiner Blüte [* 13] durch ausgedehnte Eroberungen in Turkestan und Kleinasien;

mohammed. Flotten erschienen im Mittelländischen Meer und setzten ihre Krieger in Sardinien, [* 14] den Balearen und Majorka ans Land;

auch die Eroberung Spaniens (711) knüpft sich an die Regierung Welîds, dessen Herrschaft auch für die morgenländ.

Kunst durch groß angelegte Moscheebauten denkwürdig ist. - Unter seinem Bruder und Nachfolger Suleimân (715-717) wurde abermals die Eroberung Konstantinopels durch den Bruder des Chalîf, Maslama, erfolglos versucht. Sein Nachfolger, Omar II. (717-720), einfach, gerecht und fromm, erregte das Mißvergnügen der Omajjaden durch seine milden Gesinnungen gegen die Aliden; im Gegensatz zu seinen Vorgängern schlug er eine fromme Richtung ein, wofür er von den Pietisten den vier ersten Chalîf gleichgestellt wird; er starb durch Gift.

Ihm folgte Jesîd II. (720-724), der Sohn des Abdulmelik, der, Ausschweifungen ergeben, bald starb, während das Reich von Empörungen und Aufständen allerwärts erschüttert war. Seinem Bruder Hischâm (724-743), einem einsichtsvollen Regenten, der, während seine Feldherren gegen die Griechen in Kleinasien und die Türken in Mittelasien fochten, sich angelegentlich mit den innern Angelegenheiten seines Reichs beschäftigte, machte der Alide Seid, Husejns Enkel, das Chalifat streitig.

Asien. Fluß- und Gebir

Bild 1.911a: Asien. Fluß- und Gebirgssysteme
* 15 Asien.

Zwar wurde derselbe überwunden und getötet; allein sehr bald erwuchs Hischâm ein neuer Feind in den Abbasiden. Unter Hischâm wurde den Fortschritten der Araber im Westen durch Karl Martell ein Ziel gesetzt (s. Abd-ar-Rahmân). Welîd II. (743-744) wurde nach einjähriger Herrschaft umgebracht. Nach den kurzen Regierungen Jesîds III. und Ibrahims (744) folgte Merwân II. (744-750). Mit diesem erreichte die Dynastie der Omajjaden in Asien [* 15] ihr Ende. Sie wurde verdrängt durch die Abbasiden, die ihre Ansprüche auf das Chalifat darauf gründeten, daß sie mit dem Propheten näher verwandt seien als die Omajjaden. (Vgl. Abbâs.) Sie konnten sich sowohl auf die frommen Elemente des Reichs, denen das religionslose Treiben der Omajjaden ein Greuel war, als auch auf die pers. Bevölkerung [* 16] stützen.

Die Völkerschaften des Chorassan, von ihren Missionaren gewonnen, erklärten sich für sie und pflanzten unter Anführung des Abu Muslim die schwarze Fahne der Abbâsiden auf. Ibrahim, ein Urenkel des Abbâs, das damalige Oberhaupt der Abbâsiden, wurde von den Chorassaniern kräftig unterstützt, sodaß er die Zeit für gekommen erachtete, sich offen anerkennen zu lassen; allein von Merwân II. gefangen genommen, übergab er im Kerker, in welchem er später ermordet wurde, seine Ansprüche auf das Chalifat seinem Bruder Abul-Abbas.

Rüstungen und Waffen

Bild 14.100a: Rüstungen und Waffen
* 17 Waffen.

Nachdem dieser von den Anhängern der abbâsidischen Sache in Mesopotamien zum Chalîf ausgerufen worden war, erhob dessen Oheim Abdallâh die Waffen [* 17] gegen Merwan, der auch eine gefährliche Empörung in Syrien zu bekämpfen hatte. In zwei Treffen überwunden, floh Merwân, von Abdallâh verfolgt, von Land zu Land bis nach Ägypten (756), wo ihn der Tod ereilte. Grausam wütete der Sieger gegen die Mitglieder der omajjadischen Familie; in einem gräßlichen Blutbade mordete er verräterischerweise alle, deren er habhaft werden konnte. Nur wenige entrannen, darunter Abd-ar-Rahmân, der nach Spanien [* 18] entkam, wo er das unabhängige Chalifat von Cordoba [* 19] stiftete. (S. Omajjaden.)

Der erste Chalîf der neuen Dynastie, Abul-’Abbâs (750-754), der in Anbar und später in dem von ihm gegründeten Hâschimijja residierte, erhielt wegen seiner Grausamkeit den Namen el-Saffâh, d. h. der Blutvergießer. Sein Bruder und Nachfolger Abû-Dscha’far (754-775), genannt Almansōr, hatte am Beginn seiner Herrschaft alidische Prätendenten sowie seinen eigenen Oheim Abdallâh zu bekämpfen. Er war rücksichtslos in der Wegräumung aller Hindernisse, die sich seiner Macht entgegenstellten oder seinen Argwohn erregten; selbst den Abu Muslim, den ergebensten Freund der abbâsidischen Ansprüche, ließ er meuchlings erdolchen.

Die unter seiner Regierung unternommenen Feldzüge in Armenien, Cilicien und Kappadocien wiesen nicht viel Erfolge auf; sehr viel Mühe verursachte die Befestigung der Herrschaft in Nordafrika; erst nach vieljährigen Kämpfen konnte 772 die Ruhe in dieser aufrührerischen Provinz hergestellt werden. Spanien ging für das Chalifat gänzlich verloren. Dagegen begann unter ihm eine neue Blütezeit für Wissenschaft und Litteratur. Bagdad wurde erbaut und 768 zur Residenz erhoben.

Unter seinem Sohn und Nachfolger Al-Mahdi (775-785) wurden die im pers. Teile des Reichs entstandenen ketzerischen Sekten (Râwenditen, Zendike), der Betrüger Al-Mukanna’, der sich als Inkarnation der Gottheit ausgab, und andere sektiererische Gaukler energisch verfolgt. Mit Erfolg kämpften seine Heerführer in Kleinasien, und die Bedrohung von Byzanz wurde nur unter den der Kaiserin Irene abgerungenen vorteilhaften Bedingungen aufgegeben. Während dieser Kriege that sich der Prinz Hârûn (al-Raschîd) rühmlich hervor.

Al-Hâdî, des vorigen Sohn und Nachfolger (785-786), starb nach kurzer Regierung; während derselben wurde ein alidischer Aufstand in Medina unterdrückt. Ihm folgte fein Bruder Hârûn (786-809), Al-Raschîd, d. h. der Gerechte genannt, der durch Beförderung der Künste, Wissenschaften und überhaupt der Wohlfahrt seines Reichs berühmt ist. Die erfolgreichen Unternehmungen gegen das Byzantinische Reich setzte er als Chalîf fort; der Kaiser Nikephoros I. mußte unter erniedrigenden Bedingungen Frieden schließen.

Hinsichtlich der Nachfolge versuchte er das Reich unter seine drei Söhne zu teilen. Mohammed al-Amîn sollte Irak, Arabien, Syrien, Ägypten und Afrika unmittelbar beherrschen, unter ihm Al-Mamûn Persien, Turkestan, Chorassan und den ganzen Osten, und Kâsim Cilicien, Armenien sowie die jenseit der syr. Grenze befindlichen ehemaligen Teile des griech. Reichs und die Küstenländer des Schwarzen Meers. Die jüngern Brüder sollten Amîn im Chalifat folgen. Mohammed al-Amîn (809-813) ließ sich von seinem Wesir bewegen, seinen Sohn zum Nachfolger zu ernennen, wodurch ein Bruderkrieg veranlaßt wurde. Mamûns Feldherr, Tâhir, schlug das Heer des Chalîf, nahm Bagdad ein und ließ 813 Amîn töten. Al-Mamûn (813-833) wurde nun als Chalîf anerkannt. Seine Absicht, durch Verheira-



Chalif

Bild 54.81: Chalif
* 20 Seite 54.81.

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tung seiner Tochter mit einem Aliden den durch alidische Prätendenten fortwährend bedrohten innern Frieden herzustellen, brachte die mächtigen Abbâsiden gegen ihn zum Aufstande. Sie erklärten ihn des Throns für verlustig und riefen seinen Oheim Ibrâhîm als aus, unterwarfen sich aber wieder, als der Schwiegersohn gestorben und der Chalîf andern Sinnes geworden war. Al-Mamûn, ausgezeichnet durch Freiheit des Geistes, ein Feind und Bekämpfer der buchstabengläubigen Orthodoxie, begünstigte in erfolgreichster Weise die Wissenschaften.

Das große, in zahlreiche Statthalterschaften geteilte Reich der Araber, das sich über drei Weltteile ausbreitete, ließ sich immer schwerer unter Einem Scepter halten. Es beginnt nun der für die Einheit des Reichs verhängnisvolle Abbröckelungsprozeß, welcher durch die Vererbung der Statthalterwürde in den Provinzen zur Gestaltung selbständiger Vasallendynastien führte (Aghlabiden in Nordafrika, Tâhiriden in Choraßan u. a. m.), welche in der Folge immer unabhängiger auftraten. Im Kampfe gegen das Byzantinische Reich war Al-Mamûn nicht glücklich; zwei von ihm unternommene Züge gegen Konstantinopel mißlangen völlig. Unter seiner Regierung eroberten um 830 die afrik. Araber Sicilien und Sardinien, wo sie sich über 200 Jahre behaupteten, bis ihnen jenes 1061-91 von den Normannen, dieses 1052 von den Pisanern entrissen wurde.

Lehrbataillon - Lehren

Bild 10.636: Lehrbataillon - Lehren
* 21 Lehren.

Auf Al-Mamûn folgte Al-Mo’taßim-Billâhi (833-842), ein anderer Sohn Hârûns, welcher Samarra erbaute, wohin er seine Residenz verlegte. In seinen Kriegen gegen die Griechen und aufrührerischen Perser brauchte er zuerst türk. Söldner, die in der Folge zu immer mächtigerm Einfluß gelangten. In religiöser Beziehung fuhr er in der Beförderung der unter seinem Vorgänger begünstigten freisinnigen Lehren [* 21] fort und wollte dieselben durch Zwangsmaßregeln zum allgemeinen Bekenntnis erheben. Im selben Geiste regierte auch sein Sohn und Nachfolger Al-Wâthik Billâhi (842-847). Der nach seinem Tode eingetretene Erbfolgestreit wurde nicht ohne Einfluß der mächtigen türk. Prätorianer zu Gunsten seines Bruders Al-Mutawakkil Billâhi (847-861) entschieden.

Dieser Fürst war roh und grausam und zeigte einen blinden Haß gegen die Aliden, sowie er auch zu der durch seine Vorgänger verdrängten Orthodoxie zurückkehrte und auch gegen Nichtmohammedaner erniedrigende Maßregeln ins Leben rief. Endlich verschwor sich sein ältester Sohn, Muntaßir, dem er einen jüngern vorziehen wollte, mit der türk. Leibwache gegen ihn und ließ ihn umbringen. Die türk. Leibwache rief nun Muntaßir (861-862) zum aus, und nach dessen Tode Musta’în Billâhi (862-866), einen andern Enkel des Chalîf Mo’taßim.

Thrombus - Thugut

Bild 15.676: Thrombus - Thugut
* 22 Thron.

Zwei Aliden warfen sich neben ihm zu Chalîf auf. Der eine, zu Kufa, wurde besiegt und getötet; der andere aber, Hasan ibn Seid, stiftete in Tabaristan ein unabhängiges Reich, das ein halbes Jahrhundert bestand. Uneinigkeit der türk. Söldner untereinander selbst vollendete die Zerrüttung des Reichs. 866 erhob eine der Parteien Al-Mu’tazz, den zweiten Sohn Mutawakkils, auf den Thron [* 22] und nötigte Musta’în abzudanken. Al-Mu’tazz Billâhi (866-869) ließ sowohl Musta’în als seinen eigenen Bruder Muajjad töten; auch dachte er daran, die türk. Söldner abzuschaffen; aber ehe er noch dazu kam, empörten sich diese und nötigten ihn, die Regierung niederzulegen.

Sie erhoben Al-Muhtadî Billâhi auf den Thron (869), stürzten ihn aber schon nach 11 Monaten wieder (870), weil er sie einer strengern Zucht unterwerfen wollte. Unter Mutawakkils drittem Sohne, dem Lüstlinge Al-Mu’tamid Billâhi (870-892), der darauf zum Chalîf ausgerufen wurde, gelang es endlich dessen klugem Bruder Al-Muwaffak, dem verderblichen Einfluß der türk. Leibwache Einhalt zu thun. Mu’tamid verlegte den Sitz des Chalifats 873 von Samarra wieder nach Bagdad, wo er seitdem blieb. In demselben Jahre folgte in Chorassan auf die Dynastie der Tâhiriden die der Saffariden, die ihre Herrschaft in der Folge über Tabaristan und Sedschestan ausbreitete.

Auch der Statthalter von Ägypten und Syrien, Ahmed ibn Tulun, machte sich 877, ohne vom Chalifat formell abzufallen, selbständig und gründete die Dynastie der Tuluniden. Zwar wendete der tapfere Muwaffak 881 vom Reiche die Gefahr ab, welche ihm in Mesopotamien von seiten der Zendsch ein Jahrzehnt hindurch drohte; aber das durch innere Revolutionen der Châridschiten, Aliden und anderer Aufrührer, sowie durch äußere Kämpfe zerwühlte Chalifat vor dem Zerfall zu erretten, vermochte weder er noch sein Sohn Al-Mu’tadhid Billâhi (892-902), der seinem Oheim in der Regierung folgte und durch manche heilsame Einrichtung die Verwaltung des Reichs zu reformieren strebte.

Unter seiner Regierung tritt die Sekte der Karmaten beunruhigend auf; sowohl er als auch sein Sohn Al-Muktafî Billâhi (902-909) beschäftigen sich mit der Bekämpfung derselben sowie es dem letztern auch gelang, das Überhandnehmen der Unabhängigkeitsgelüste der Tuluniden in Ägypten und Syrien (906) erfolgreich zurückzuweisen und auch die in Syrien einfallenden Griechen aufzuhalten. Nach dieser kurzen Zeit energischerer Handhabung der Herrschaft beginnt der unaufhaltsame Verfall des Chalifats unter Al-Muktadir Billâhi (909-931), dem Bruder Muktafîs, dem er in einem Alter von 13 J. folgte.

Dieser wurde von einer überhandnehmenden Camarilla ab- und wieder eingesetzt. Unter ihm erhob sich in Afrika der alidische Prätendent Obeidallah, stürzte 909 die Dynastie der Aghlabiden und stiftete die der Fâtimiden (s. d.). In Persien beginnt 925 die Dynastie der Bûjiden zu Ansehen und Macht zu gelangen. In Chorassan treten an der Saffariden Stelle die Sâmâniden als vom Chalifat unabhängige Herrscher; und auch in andern Teilen des Reichs herrschen Familien, die nicht viel um die Autorität des Chalîf sich kümmern (Hamdaniden in Mesopotamien, Ichschididen in Ägypten); in einem Teile Arabiens herrschten die ketzerischen Karmaten, die auch andere Teile des Reichs bedrohten.

Die Byzantiner nahmen den Mohammedanern bedeutende Gebiete ab. Al-Kâhir Billâhi (931-934), Mu’tadhids dritter Sohn, schon bei Lebzeiten seines Bruders ein- und wieder abgesetzt, wurde durch die türk. Söldner vom Throne gestürzt und starb 940. Sein Nachfolger Al-Râdhî Billâhi (934-941), der Sohn Muktadirs, entäußerte sich durch die Einführung der Würde des Emîr al-Umarâ, die er zuerst dem Türken Ibn Râik verlieh und mit der die Ausübung einer unumschränkten Gewalt im Namen des Chalîf verbunden war, ähnlich der der fränk. Hausmeier, aller Selbständigkeit und lieferte das Chalifat den Intriguen seiner türk. Würdenträger vollends aus. Seinem ihm nachfolgenden Bruder Al-Muttakî Billâhi (941-944) gelang es nicht, dieses Ein-

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