Christenheit | eLexikon | Theologie - Allgemeines
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Christenheit,
Inbegriff aller Christen, s. Christentum.
Christentum,
die von Jesus von Nazareth als dem »Christ«, d. h. Messias, gestiftete Religion, im weitern Sinn auch die ganze geschichtbildende Macht, die sich in jenem Namen verkörpert hat, mit der ganzen Summe ihrer innern Antriebe und äußern gesellschaftlichen Wirkungen, mit der gesamten Gedankenwelt, die sie heraufgeführt, und mit allen neuen Ordnungen und Sitten des Völker- und Menschheitslebens, die in ihrem Gefolge einhergehen. Die Geburtsverhältnisse dieser weltbewegenden Macht sind schwer bis ins einzelne zu durchschauen und zu beschreiben, zumal da zu den Schwierigkeiten, die in der Sache selbst liegen, sofort noch die mancherlei Unklarheiten und Mißverständnisse hinzutreten, welche aus der Einmischung religiöser Interessen mit Notwendigkeit sich ergeben mußten.
Noch jetzt wird ein erbitterter Kampf darüber geführt, ob das Christentum als ein »neuer Anfang« zu betrachten, d. h. übernatürliche Eigenschaften von seinem Stifter auszusagen, übernatürliche Wirkungen an sein Auftreten zu knüpfen seien, oder ob es vielmehr in der Gesamtentwickelung des religiösen Geistes einen Glanz- und Höhepunkt darstelle, der aber seine geschichtliche Bedingtheit in den vorausgegangenen Stadien des Gottesbewußtseins erkennen lasse. Anerkannt wird immerhin von beiden Seiten, daß das Christentum zunächst aus dem alttestamentlichen Gottesglauben herausgewachsen ist, dessen Vollendung es darstellt.
Derjenige Teil der Menschheit, welchem die Lösung der religiösen Fragen vorzugsweise angelegen war, das hebräische als das eigentliche Religionsvolk der Alten Welt, hatte den Glauben an den Einen Gott als Ergebnis seiner eignen Entwickelung durch den Sturm und Drang der Jahrhunderte gerettet; es hatte im Verlauf des prophetischen Zeitalters diesen Glauben sittlich vertieft und vergeistigt und den Dienst des »Heiligen in Israel« immer bewußter in Reinigung des Herzens und Lebens gesetzt.
Kraft [unkorrigiert]
![Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert] Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]](http://peter-hug.ch/meyers/thumb/60/60_0671.jpeg)
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Kraft.Freilich stellt das gesetzlich verfestigte Judentum der nachexilischen und neutestamentlichen Zeit mit seinem pharisäischen Äußerlichkeitsgeist einen auffallenden Rückschritt gegenüber den prophetischen Errungenschaften dar. Eine um so unmittelbarere Fortsetzung und Vollendung fanden die letztern dort, wo der erste und letzte Erklärungsgrund für die eigentümliche Lebensfülle und schöpferische Kraft [* 3] liegt, die das Christentum offenbarte, im Selbstbewußtsein Jesu.
Denn nicht die Verhältnisse haben das Christentum zu dem gemacht, was es geworden ist, sondern Christus selbst; an der Person seines Stifters hängt schließlich vorzugsweise die geschichtliche Bedeutung des Christentums. Eine originale Persönlichkeit aber, ein religiös-schöpferischer Geist zumal, behält immer für eine die Erscheinungen in ihre Elemente auflösende und auf ihre Herkunft befragende Wissenschaft etwas Undurchdringliches und Geheimnisvolles. Thatsache ist, daß in dem religiösen Bewußtsein Jesu das Verhältnis von Gottheit und Menschheit eine von allem Unreinen so durchgängig geläuterte, für die Lösung der sittlichen Aufgabe des ganzen Geschlechts so eminent fruchtbare Auffassung und zugleich auch, trotz aller unumgänglichen Bildlichkeit und sonstigen Unzulänglichkeit der zu Gebote stehenden sprachlichen Mittel, einen so reinen, unmittelbaren, ewig wahren Ausdruck gewonnen hat, wie ein zweites Beispiel in der Geschichte des fortschreitenden Gottesbewußtseins nicht wieder vorliegt.
Über das Eigentümliche und Durchschlagende im religiösen Bewußtsein des Stifters s. Jesus Christus. Was aber er ist, das sollen alle, zu denen sein Evangelium dringt, werden: »Kinder« oder, wie es im neutestamentlichen Text eigentlich heißt, »Söhne Gottes«. Ein solcher Übergang des eignen Reichtums in das Bewußtsein andrer setzt aber voraus, daß der ideale Inhalt eine ihm entsprechende, geschichtlich gegebene Form vorfindet, in welcher er sowohl schon dem Bahnbrecher selbst sich darbietet, als auch für die Zeitgenossen greifbar und faßlich wird.
Diese Form, dieses Losungs- und Schlagwort, vermöge dessen das neue Gottesbewußtsein eine geschichtliche Macht zu werden vermochte, bot die alttestamentliche Messiasidee, welche Jesus sittlich und geistig neu belebte und zum Bekenntnis seiner Jüngergemeinde machte (Matth. 16, 15-17). Jesus wußte sich, weil als »Sohn« im Verhältnis zu Gott überhaupt, so auch als den von den Propheten vor Jahrhunderten dem jüdischen Volk verheißenen Messias (s. d.),
der herkömmlicherweise »Sohn Gottes« hieß. Darin lag das geschichtlich Bedingte, das Nationale und Zeitliche in seinem Selbstbewußtsein, denn die Messiasidee war ein durchaus hebräisches Gewächs. Daran hielten sich, während jenes erste, rein menschliche Moment mehr zurücktrat, die ältesten, aus dem Judentum hervorgegangenen Gemeinden, die Stiftungen der zwölf Apostel, überhaupt die Judenchristen. Was diese von den gewöhnlichen Juden unterschied, war lediglich der Glaube an den nicht mehr bloß zu erwartenden, sondern schon gekommenen Messias.
Christentum
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Seite 4.84.Das erste Christentum ist einfach messiasgläubiges Judentum, genauer die Gemeinschaft des erfüllten Messianismus. Aber in der Thatsache, daß dieser Messias nicht in der erwarteten Gestalt eines theokratischen Herrschers und Heidenbezwingers aufgetreten war, sondern in der Demut und Niedrigkeit eines anspruchslosen Lehrers und Hirten, eines Befreiers nicht unterworfener Nationen, sondern geknechteter Willenskräfte, und ebendeshalb verachtet und verworfen von den Obersten seines Volkes, war ein Impuls gegeben, welcher nach einer andern Richtung treiben mußte. In der nachwirkenden Kraft dieses ¶
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von Jesus selbst so stark betonten Gegensatzes zum jüdischen Ideal lag der wirksamste Grund für die Ablösung der neuen Religion von der alten, die sich zunächst in der Form des Paulinismus vollziehen sollte. Infolge des starken Anstoßes, welchen das »Ärgernis des Kreuzes« (Gal. 5, 11). für die rechtgläubige Messiasidee und für die einfachsten Folgerungen aus dem jüdischen Gottesglauben darbot, kam es christlicherseits zu einer Weiterbildung des Messiasbegriffs, in deren Verlauf der Kreuzestod als gottgewollter, notwendiger Durchgangspunkt, der Messias selbst als ein gottähnliches, zum Zweck der Erlösung und Versöhnung der schuldbeladenen Menschheit auf Erden erschienenes Wesen zur Geltung kam, welches gerade im Tod nur die sinnliche Hülle abstreift, um sofort vermöge seiner Auferstehung und Erhöhung göttliche Würde und Hoheit anzutreten.
Der nähere Verlauf dieser für die christliche Weltanschauung entscheidenden Gedankengänge gehört nicht hierher (s. Christologie). Von selbst erhellt übrigens, wie dem der Geschichte verfallenen dogmatischen zugleich religiöse Ideen und sittliche Wahrheiten zu Grunde liegen, die von allgemeiner Bedeutung und Tragweite sind und dem Christentum seine bleibende, weltgeschichtliche Signatur gegeben haben. So ist nicht bloß dem ganzen religiösen Verhältnis dadurch, daß der Zweck des Auftretens des Messias in die Erlösung und Heiligung seines Volkes gesetzt wird, eine entschiedene Wendung und Richtung auf das Gebiet des sittlichen Lebens, auf die Zubereitung eines in Gott befreiten Willens, gegeben; es ist zugleich dadurch, daß dieser Erlöser trotz seiner göttlichen Würde erst »durch Leiden [* 5] des Todes vollendet« (Hebr. 2, 9. 10) werden mußte, nicht etwa bloß der Schmerz verklärt, das Leid und Wehe des Lebens mit einer selbst der tragischen Kunst des klassischen Altertums unerreichbaren Weihe geheiligt, sondern es ist dieses Dulden und Leiden geradezu zum Gegengift wider Sünde und Schuld, zur Existenzbedingung für alles erhoben worden, was sich im endlichen Leben als gereifter und bleibender Gehalt, was sich im menschlichen Dasein als göttlicher Kern bewähren soll.
Lehrbegriff - Lehrerin
![Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert] Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert]](http://peter-hug.ch/meyers/thumb/61/61_0037.jpeg)
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Lehre.Zugleich ist mit dieser Lehre [* 6] vom leidenden Sohn Gottes und von der durch sein Leiden versöhnten Welt der Gottesbegriff selbst der starren Einheit und überweltlichen Ferne, welche seine Merkmale im Judentum ausmachen, entkleidet worden, und diese durch die Lehre von Christus als seinem Sohn bedingte Veränderung in dem Begriff und Bild Gottes, welche innerhalb der christlichen Theologie sich besonders in den Dogmen von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes abspiegelt, deutet bei allen logischen Unmöglichkeiten dieser Dogmen selbst doch einen bleibenden Gewinn an, welchen das Gottesbewußtsein der Menschheit dem Christentum verdankt.
Kreiden - Kreis
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Kreis.Dazu kommt nun aber noch ein Weiteres. Nächster Zweck der Erscheinung des Messias war die Herstellung und Aufrichtung des »Gottesreichs«, der Herrschaft des Volkes Gottes auf Erden. Wenn die Idee Gottes als des Vaters und das Selbstbekenntnis zur Sohnschaft (s. auch Menschensohn) zwei leitende Gedanken des Auftretens Jesu bilden, so darf man ihnen getrost die Idee des Reichs Gottes als einen dritten, jene unter sich verbindenden Gedanken zur Seite stellen. Dieses »Reich Gottes« (s. d.) stellt den nächsten Kreis [* 7] dar, welcher sich um den in der Person Jesu gegebenen Mittelpunkt bildet.
Aber es konnte auch ganz ebenso unter einem doppelten Gesichtspunkt betrachtet werden wie der »Sohn Gottes«. An sich war es auf eine Neubelebung aller gesellschaftlichen Zustände vermöge der übergreifenden Triebkraft des neuen Gottesbewußtseins, auf Herstellung eines Gesamtlebens, in dem sich nur göttliche Zwecke realisieren, abgesehen. Im vierten Evangelium, welches die christlichen Ideen zwar schon mit zum Teil griechischen Ausdrucksmitteln, aber ebendeshalb auch in ihrer allgemein menschlichen Bedeutung, in ihrer durchsichtigsten Reinheit und Klarheit zur Darstellung bringt, erscheint das Reich Gottes geradezu als die Gemeinschaft der aus dem Fleisch in den Geist umgeschaffenen Menschheit (Joh. 3, 3),. als das nicht von dieser Welt stammende, aber in dieser Welt sich verwirklichende Reich der sittlichen Zwecke, der religiösen Wahrheit (Joh. 18, 37). Freilich konnte diese Idee in das Bewußtsein der Menschheit nur eintreten, indem sie an die jüdisch-volkstümlichen Begriffe von Gottesherrschaft und politischem Königtum anknüpfte.
Indem sich Jesus als Messias erklärte, erstrebte er allerdings zunächst eine Umgestaltung des ihn unmittelbar umgebenden Volkslebens nach den Idealen der Propheten. Noch viel entschiedener aber bewegte sich das Bewußtsein seiner ersten Jünger und Gemeinden innerhalb dieses volkstümlich gefärbten Kreises, ja sie gingen merklich hinter den vorgeschobenen Standpunkt zurück, welchen Jesus selbst eingenommen hatte. Während er als Messias sich kühn über alles »Kleine am Gesetz« stellen konnte, fand innerhalb seiner ersten Anhängerschaft zunächst geradezu eine auch äußerliche Vereinigung mit der jüdischen Theokratie statt.
Jerusalem (das alte)
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Jerusalem.Man nahm am nationalen Gottesdienst in Jerusalem [* 8] teil, brachte levitische Opfer, beobachtete die väterliche Kultussitte und hatte davon, daß das Christentum etwas grundsatzmäßig Neues sei, kaum eine Ahnung (Apostelgesch. 2, 46;. 3, 1; 5, 20. 42; 21, 20-27). Es war überhaupt nicht das Judentum im Mutterland Palästina, [* 9] sondern es war das hellenistische Judentum der Diaspora (s. d.), welches schon längst einen griechisch-philosophischen Zug mit dem hebräischen Glaubensgehalt verbunden hatte, worin nunmehr auch das Christentum den Weg ins Freie finden sollte. Hier erst gelangte die Überzeugung, daß dasselbe bestimmt sei zur Zusammenfassung der bisher getrennten Teile der Menschheit, der Heiden und der Juden, zum Durchbruch und zum Ausdruck. Aus den Synagogen Kleinasiens, Griechenlands und Roms, um welche sich Proselyten aus dem Heidentum schon zuvor in großer Menge gesammelt hatten, ging endlich die vom Judentum abgelöste Heiden- und Weltkirche hervor.
Christentum
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Seite 4.85.Hier ist nun der Ort, daran zu erinnern, daß das Christentum, abgesehen von dem Stammkapital, welches ihm im Gottes- und Selbstbewußtsein seines Stifters zugewachsen war, keineswegs lediglich von hebräischen Bildungselementen lebt. Schwerlich wäre es im Verlauf weniger Jahrhunderte die Religion des Morgen- und Abendlandes geworden, wenn nicht auch der griechische Geist auf die Gestaltung seiner Weltanschauung mächtig eingewirkt hätte. Schon vor der Zeit Jesu hatte das Judentum in Alexandria angefangen, in der Nachfolge der griechischen Philosophen den Gottesbegriff der eignen heiligen Bücher nach den Normen der Platonischen und der stoischen Philosophie umzubilden und zu vergeistigen (s. Alexandrinische Schule). Im C. fand sowohl die mythologisierende als die philosophierende Richtung des religiösen Griechentums, die Arbeit der Phantasie und diejenige des Gedankens, unmittelbare Fortsetzung: jene, insofern die ursprünglich ¶
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theokratischmessianische, von Jesus verinnerlichte und versittlichte Idee des »Sohnes Gottes« erklärt wurde als eine physische Gottessohnschaft, welche auf direkter Erzeugung nach Analogie der griechischen Halbgötter und Heroen beruhte; diese, insofern die Platonisch-stoische Unterscheidung des »Wortes« Gottes, des sogen. Logos (s. d.), von Gott selbst wie von den alexandrinischen Juden, so nunmehr auch von den philosophierenden Christen, erstmalig im Johanneischen Evangelium, aufgenommen und auf ihrem Grund eine Lehre von dem Verhältnis des Vaters zum Sohn erbaut wurde, welche sich dann unter Hinzutritt eines dritten zu berücksichtigenden Faktors, des Heiligen Geistes, im Trinitätsdogma abrundete.
Himation - Himmel
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Himmel.Aber nicht bloß auf religiösem, auch auf sittlichem Gebiet hatte der griechische Geist eine gewaltige Vorarbeit geliefert. Schon Sokrates bedurfte zur Begründung seiner Sittenlehre keiner von außen oder von oben kommenden Gebote mehr, da er dieselbe echt griechisch aus den Tiefen des gottverwandten Geistes ableitete, weshalb man von ihm gesagt hat, daß er die Philosophie vom Himmel [* 11] auf die Erde gebracht habe. Er lieferte damit wenigstens einen allgemeinen Typus für das, was später das Christentum, indem es den Geist freier Sittlichkeit von der Beschränktheit alttestamentlicher Gesetzlichkeit entband, was insonderheit der Protestantismus leistete.
Das unvergleichlich Größte aber hat Platon gethan, um die hellenische Gedankenwelt auf eine Stufe zu heben, auf welcher sie fähig war, sich mit den religiösen Erträgnissen des semitischen Orients, insonderheit mit dem Hebraismus, zu berühren und eine aus beiden bisher sich fliehenden Elementen gemischte Weltanschauung zu erzeugen. Als eine solche aber muß diejenige des Christentums, wie es sich in der Geschichte ausbreitete, bezeichnet werden. Semitisch und hebräisch ist das Gewebe [* 12] historischer Fäden, an welchem es seine Gottes- und Weltanschauung zur Darstellung bringt; griechisch und Platonisch ist der metaphysische Hintergrund, welchen es der geschichtlichen Fortbewegung seiner Ideen verleiht, jene ganze Grundanschauung, wonach eine höhere, übersinnliche Welt als ein dem endlichen Verstand überlegenes, nur mit dem Glauben zu fassendes Etwas in unser Sinnenleben hereinspielt, so daß, was von geistigem Reiz und göttlichem Gehalt in diesem letztern vorkommt, was von sittlichen Aufgaben sich stellt, aus solchem Hereinleuchten sich erklärt.
Ganz besonders brauchbar, wo es galt, die Verluste, die man durch Preisgeben des ursprünglichen Idealismus erlitten hatte, durch neubezogene Gewinne zu decken, fand man die Umbildung, welche die Gedanken Platons in dem nachgebornen System des Neuplatonismus erfuhren. Auf Grund dieses Systems also in seinen alten und neuen Formen haben Kirchenväter und Scholastiker ein Jahrtausend lang die christlichen Dogmen zuerst gebildet und bearbeitet, dann erklärt und bewiesen.
Nächst dem Platonismus war es endlich noch die Stoa, welche mit ihrer Lehre von der Gottverwandtheit und Gleichheit der menschlichen Natur Einfluß ausübte. Alle Menschen sind schon nach Chrysipp als Mitgenossen und Mitbürger zu betrachten, damit die Welt erscheine »wie Eine verbundene Herde, die durch Ein gemeinsames Gesetz geleitet wird« (Joh. 10, 16). Eine Menge direkter Parallelen zu Paulus ist aus Seneca zusammenzulesen. Auch das Wort, daß alle Menschen Brüder sind, hat man zuerst in der Stoa gehört.
Windvogel - Winkel
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Winkel.Wie schon das Altertum solchen Aussprüchen eine weltgeschichtliche Bedeutung beimaß, zeigt Plutarch, welcher meint, was Zenon gewollt, habe Alexander vollbracht. Alexanders Gedanke aber wurde im Grund erst durch das römische Weltreich verwirklicht, und als dieses eben unter dem ersten Kaiser seinen dauernden Zusammenschluß gefunden hatte, entstand in einem seiner entlegenen Winkel [* 13] auch diejenige Religion, welche unter allen dagewesenen Religionen allein eine solche Unabhängigkeit von jedweder national-partikularistischen Bedingtheit erlangen konnte und sollte, daß sie fähig wurde, den ungeheuern Riesenleib jenes Reichs gleichmäßig zu beseelen, ja sogar, als derselbe allmählich abstarb und zerfiel, ihn als europäische Weltreligion zu überdauern und eine neue, weltgeschichtlich noch verheißungsvollere Verbindung mit dem germanischen Element einzugehen.
Eine solche Dauerhaftigkeit, wie sie das Christentum unter dem Zusammensturz aller Kultur- und Staatsmächte der Alten Welt an den Tag legte, setzt freilich voraus, daß dasselbe sich zuvor schon in bestimmt gegliederten Verfassungsformen verfestigt hatte, daß es Kirche (s. d.) geworden war. Das aber ist es keineswegs etwa von vornherein schon gewesen. Vielmehr hatte man ursprünglich mit der gesamten Wirklichkeit und mit jeder Zuversicht auf die Entwickelungsfähigkeit derselben so gründlich gebrochen, daß der urchristlichen Phantasie zunächst auch die durch den Glauben an Jesu Messianität gebildete Gemeinde nur durch das direkte Wunder der Wiederkunft ihres Stifters zur Erbin der alten Weltreiche erhoben werden zu können schien.
Schweriner See - Schwe
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Schwerpunkt.Der Schwerpunkt [* 14] der urchristlichen Zukunftsgedanken fiel noch ganz in das sogen. Tausendjährige Reich (s. Chiliasmus). Erst allmählich übte die in den Paulinischen und Johanneischen Schriften angelegte Auffassung, wonach Christus als göttliches Prinzip in der Gemeinde seiner Gläubigen waltet und diese letztere zur Trägerin seines Bewußtseins, zur Fortsetzerin seines Willens wird, einen umgestaltenden und versöhnenden Einfluß, während die Kirche sich zugleich immer unumgänglicher auf einen längern irdischen Bestand einrichten mußte.
Schon die Ausscheidung der Montanisten (s. d.) bedeutete im Grunde den Entschluß der Kirche, unter Verzicht auf ihre ursprüngliche Ausstattung und Kraft eine Weltmission im großen zu beginnen und die Völker zu erziehen. Diese Art von Realismus gewann dem ursprünglichen Idealismus im Verlauf des 3. Jahrh. massenhaftes Terrain ab. Die Kirche wurde ein Staat im Staat; sie unternahm es, den Weltstaat zu christianisieren, indem sie zugleich seine Bildung und Philosophie, seine Rechtsordnung und seine Kulte in den eignen Dienst nahm, bez. sich ihnen akkommodierte.
Vollends seitdem sie Staatskirche geworden war (s. Konstantin d. Gr.), schiebt sich der Schwerpunkt des christlich-frommen Bewußtseins von der apokalyptischen Zukunftshoffnung hinweg in den gegenwärtigen, von der Kirche verbürgten und in ihr gegebenen Heilsbesitz. Das Band, [* 15] welches jetzt die Christenheit zusammenhält, ist nicht mehr die selbst von Heiden der frühern Jahrhunderte gepriesene Bruderliebe und die gemeinsame Hoffnung auf die große Endkatastrophe, sondern eine hierarchische Ordnung, welche mit der christlichen Mündigkeit und Freiheit leicht auch die brüderliche Gesinnung ersticken konnte. Das höchste und umfassendste aller sittlichen Ideale des Stifters, das Reich Gottes, fiel diesem Katholizismus (s. d.) eben schon in Eins zusammen mit der empirischen Kirche, während der Protestantismus (s. d.) als ein neuer Versuch zur Realisierung des christlichen Prinzips beide Gedanken wieder voneinander zu scheiden unternahm. Die gegenwärtige Zahl ¶
Fortsetzung Christentum:
→ Seite 4.86 || aller Christen der Erde beträgt etwa 446 Mill. (vgl. die statistische Übersicht zur Karte