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Churfirsten | eLexikon | Geographie - Schweiz - Gebirge

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Churfirsten

(Kt. St. Gallen, Bez. Sargans und Ober Toggenburg). Gebirgszug am N.-Ufer des Walensees. Ueber den Namen ist viel gestritten worden. Wissenschaftlich richtig soll sein Churfirsten als die Grenzfirste der deutschen Lande gegen Churrätien, poetisch schöner finden andere die Kurfürsten als Ausfluss des Volkswitzes. Das kann man sich ja beides gefallen lassen, aber Kuhfirsten ist doch wohl weder wissenschaftlich noch poetisch. Die Siegfriedkarte schreibt Curfirsten.



Churfirsten

Bild 41.517: Churfirsten
* 2 Seite 41.517.

Dieselben bilden einen in flachem Bogen fast genau von W. nach O. verlaufenden Gebirgszug am N.-Ufer des Walensees und geben mit diesem zusammen eine der grossartigsten und schönsten Gebirgs- und Seelandschaften der Schweiz. Ihre Begrenzung an den beiden Enden ist etwas unbestimmt. Wir nehmen hier als W.-Grenze eine Line von Starkenbach im Toggenburg längs dem Leistbach und am Fliegenspitz vorbei nach dem Beerenbach bis zu dessen Mündung in den Walensee, im O. eine Linie von Grabs im Rheinthal längs dem Watchenbach zur Mulde des Voralpsees und über die Passlücke der Schlewitzer Niedere nach Walenstadt. Dort im W. gehen die Churfirsten über in die schöne orographische

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und geologische Mulde von Amden, hier im O. in die Gebirgsgruppe des Alvier, die nach SO. streichend mit dem Gonzen endigt. Die N.-Grenze bildet eine Linie von Grabs durch das Simmitobel nach Wildhaus und der Thur nach hinunter nach Starkenbach. Im diesem Umfang beteiligen sich am Aufbau der Churfirsten Gesteine der Jura-, Kreide- und Eocänperiode, doch so, dass die Kreide vorherrscht und die höhern Partien, insbesondere auch sämtliche Gipfel und das N.-Gehänge bis weit hinunter bildet, der Jura besonders an der Basis der S.-Seite, das Eocän als Saum der N.-Seite und zwar in breiterer Zone längs dem Simmitobel, in schmälerem Streifen längs der Thur und des Leistbachs bis in die Amdener Mulde erscheint.

Die Schichten sind von N. nach S. aufgerichtet, so dass die Gehänge der N.-Seite aus den Schichtflächen bestehen und sanft ansteigen, die S.-Seite dagegen die Schichtköpfe weist und demgemäss in steil abgebrochenen kahlen Felsstufen abfällt, das Ganze also einen typischen Monoklinalkamm bildet. Im Weitern sei zur Geologie dieses schönen Gebirgszuges noch einiges bemerkt, ohne auf Einzelheiten näher einzugehen. Schon von der Eisenbahnlinie am Walensee kann man bei einiger Aufmerksamkeit leicht einige hübsche geologische Beobachtungen machen. An dem Wechsel der Böschungen und Farben der Felswände erkennt man den Wechsel der Gesteine.

vergrössern: Karte der Churfirsten. ^[Karte: 7° 0’ O; 47° 10’ N; 1:140000]. [Karten in der Umgebung].
Karte der Churfirsten.

Vom ö. Teil des Sees aufsteigend gegen eine der ö. Churfirstenzacken trifft man da in normaler Lagerung unten bis ziemlich weit hinauf den Malm oder obern Jura, als Hochgebirgskalk ziemlich hohe, kahle Felsmassen, als Balfriesschiefer sanfter geneigte, beraste und zum Teil bewaldete Terrassen bildend. Darüber folgen die Kreidestufen des Neocom, Schrattenkalk, Gault und Seewerkalk. Die obersten Spitzen bestehen fast durchweg aus hellfarbigem Seewerkalk, der aber nirgends in grösserer Mächtigkeit, sondern überall nur noch in Form von kleinen Kappen den Gipfeln aufgesetzt ist.

Darunter zieht sich ein schmales dunkles Gaultband hin, das aber am Scheibenstoll und Zustoll, die ihre Seewerkalkkappen verloren haben und darum auch etwas niedriger sind als ihre nächsten Nachbarn, den Scheitel bildet. Die hohen, schroffen, wieder hellfarbigen Wände bestehen aus Schrattenkalk und die erste grössere Rasenterrasse aus Neocom. Der untere Rand derselben liegt in einer Höhe von 1500-1600 m (oder 1100-1200 m über dem See). Nach O. sinkt er aber beträchtlich, so dass er über Walenstadt nur noch etwa 1200 m hoch ist.

Die darunter folgende Wand ist Malm (Hochgebirgskalk), und dieser hält dann bis fast zum Seespiegel an, wo noch etwas Dogger zum Vorschein kommt. Da der Malm neben harten Kalksteinschichten auch weichere schieferige und mergelige Schichten, wie die Balfriesschiefer, enthält, so können sich in seinem Gebiet neben steilen Felsbändern auch sanftere Vegetationsterrassen bilden, wie eine solche in grösserer Ausdehnung durch die schönen Wiesenhänge der Walenstadter Berge dargestellt wird.

Weiter w., etwa im Profil von Quinten nach dem Leistkamm, sind die Verhältnisse komplizierter, indem sich die Kreideschichten wiederholen und zwischen den beiden Kreidekomplexen ein Eocänband sich in etwa halber Höhe der Wand hinzieht. Das Profil zeigt also folgende Schichtenanordnung: unten am See Malm (Hochgebirgskalk), dann die Kreideschichten Neocom, Schrattenkalk, Gault und Seewerkalk, darauf ein Eocänband und nun noch einmal die Kreideschichten von Neocom bis Seewerkalk und zwar wieder in normaler Reihenfolge.

Das Ganze bildet eine sog. Faltenverwerfung, das heisst eine liegende Falte, deren Mittelschenkel mit der umgekehrten Schichtenfolge durch Auswalzung verschwunden und durch eine blosse Rutschfläche ersetzt ist, so dass der Gewölbeschenkel direkt auf den Muldenschenkel zu liegen kommt. Die untere Schichtenreihe vom Malm bis zum Eocän repräsentiert also den Muldenschenkel, die obere Reihe vom Neocom bis zum Seewerkalk den teilweise abgetragenen Gewölbeschenkel.



Churfirsten

Bild 41.518: Churfirsten
* 3 Seite 41.518.

Auf der N.-Seite der Churfirsten ist von allem dem nichts zu sehen. Dieselbe bildet eine sanft geneigte Rasenfläche, deren Untergrund aus Gault und am untern Saum aus Eocän besteht. Nur in der Gipfelregion findet sich auch noch der Seewerkalk. Ursprünglich war aber das Ganze eine zusammenhängende Platte von Seewerkalk, unter welcher die übrigen Kreideschichten in normaler Ordnung folgten. Diese Platte wurde allmählich durch Erosion zerstückelt. Indem diese von unten nach oben immer mehr vorrückte und die einmal entstandenen Schluchten immer mehr vertiefte und erweiterte, wurde die zusammenhängende Gesteinsdecke in eine Anzahl breiter Rücken zerteilt, die sich dann mit der Zeit verschmälern mussten. Der darauf lagernde Seewerkalk wurde immer mehr abgetragen, so dass jetzt nur noch einzelne Streifen und Fetzen davon übrig sind. So wie der N.-Abhang in Rücken, so wurde der Kamm, als die Schluchten diesen erreichten, in einzelne Zacken zerschnitten, die nun die schöne Gipfelreihe der Churfirsten bilden. Die Furchen oder Schluchten sind natürlich nicht völlig gleichen Alters und darum

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vergrössern: Die Churfirsten von Walenstadt aus.
Die Churfirsten von Walenstadt aus.

auch ungleich tief eingeschnitten. Zwar haben am Nordabhang alle den Seewerkalk schon vollständig durchschnitten und sind tief in den Gault eingedrungen, ohne jedoch bis jetzt irgendwo den Schrattenkalk erreicht zu haben. Aber am Grat ist die Schartung ungleich weit vorgerückt. Zwischen Käsernruck und Hinterruck, den zwei östlichsten Gipfeln der Churfirsten, hat die Schlucht von N. her den Kamm nur eben erreicht, aber noch keine Scharte in denselben eingeschnitten und darum auch den Seewerkalk noch intakt gelassen.

Aber weiter w. schneiden die Scharten alle mindestens in den Gault, zum Teil auch schon in den Schrattenkalk ein. Wie viele solcher Scharten und damit wie viele Gipfel man zählen soll, ist etwas unbestimmt. Wer an den 7 Kurfürsten festhält, wird als solche bezeichnen die Reihe: Selun (2208 m), Frümsel (2268 m), Brisi (2280 m), Zustoll (2239 m), Scheibenstoll (2238 m), Hinterruck (2309 m) und Käsernruck (2267 m), von denen also keiner unter 2200 m sinkt, aber auch keiner wesentlich über 2300 m steigt.

Ebenso kommen sich die zwischenliegenden Scharten an Höhe sehr nahe. Eine einzige, die zwischen Zustoll und Scheibenstoll, sinkt auf unter 2000 m, nämlich auf 1957 m. Die übrigen bewegen sich zwischen 2012 und 2038 m, abgesehen von dem Sattel zwischen Hinterruck und Käsernruck, der eben noch keine Scharte ist. Es ist bezeichnend, dass zwischen den niedrigsten Gipfeln (abgesehen vom Selun) auch die tiefste Scharte, zwischen den höchsten Gipfeln auch die höchste Scharte (zwischen Brisi und Frümsel), resp. gar keine Scharte sich findet. Es zeigt dies im kleinen wie die Erniedrigung der Gipfel im allgemeinen Schritt hält mit dem Einschneiden der Scharten. Zu den sieben Fürsten, den stolzen Häuptern des ganzen Zuges, gesellen sich ein paar Trabanten. Es sind nach W. hin der Wart (2068 m), die Scheere (2187 m), der Nägeliberg (2165 m), der vordere und hintere Leistkamm (2106 und 2105 m); nach O. der Tristenkolben (2179 m) sö. vom Käsernruck und mit diesem durch den breiten Rücken des Rosenboden verbunden, dann der schöne breite Gamserruck (2072 m) ö. vom Käsernruck und von diesem getrennt durch eine breite Senke, auf deren Grund die wunderlichen Karrenbildungen des Schrattenkalks zum Vorschein kommen, während die gebänderten Wände zu beiden Seiten die Gault- und Seewerschichten etagenförmig aufweisen.

Der Gamserruck ist der einzige Churfirstengipfel, der vom Walensee aus nicht sichtbar ist, da er hinter der breiten Wand des Rosenboden verborgen bleibt. Er nimmt aber auch sonst eine Sonderstellung ein. Dem geologischen Bau nach stimmt er zwar durchaus mit den Churfirsten überein, nach seinen orographischen Formen weicht er aber wesentlich von diesen ab. Mit seinem breiten Rücken aus einer dicken Lage von Seewerkalk, mit seiner schweren massigen Gestalt scheint er gegenüber den eigentlichen Churfirsten aus der Art gefallen zu sein. In Wirklichkeit repräsentiert er aber nur ein früheres Stadium in der Formenentwicklung derselben.

Auch bei diesen muss es einmal, als die zwischenliegenden Schluchten u. Scharten noch weniger tief u. weniger zahlreich waren, solche breite Rücken à la Gamserruck gegeben haben. Ein weiteres Stadium in dieser Formentwicklung zeigt uns die Gruppe Rosenboden-Käsernruck-Hinterruck, wo die Rücken von Seewerkalk zwar noch vorhanden, aber doch schon wesentlich verschmälert sind. Noch weiter vorgerückt in dieser Entwicklung sind der Brisi, Frümsel und Selun, wo die Seewerkalkdecken noch mehr reduziert sind und teilweise nur kleine Kappen bilden.

Das bisher erreichte Schlussstadium endlich stellen Scheibenstoll und Zustoll dar, die im Kampf ums Dasein auch die Seewerkalkmützen verloren haben und nun den weniger widerstandsfähigen Gaultscheitel dem Zahn der Zeit ausgesetzt sehen, dessen Wirkung in der stärkern Erniedrigung und scharfen Zuspitzung dieser zwei Gipfel zu erkennen ist. So steht denn der breite Gamserruck am Anfang, der spitze Zustoll am Ende einer morphologischen Entwicklungsreihe, und was rein äusserlich sich so verschieden darstellt, erscheint genetisch und nach der innern Verwandtschaft eng verbunden.

[Dr E. Imhof.]

vergrössern: Geologisches Querprofil durch die Churfirsten. F. Flysch; Cs. Seewerkalk (Obere Kreide); Cg. Albien (Gault); U. Urgon (Schrattenkalk); H. Hauterivien; V. Valangien; Vi. Palfriesschiefer (Berrias), unteres Valangien; Js. Malm; Jmi. Dogger u. Lias; T. Trias (Rauchwacke, Rötidolomit und Quartenschiefer); P. Perm (Verrucano).
Geologisches Querprofil durch die Churfirsten. F. Flysch; Cs. Seewerkalk (Obere Kreide); Cg. Albien (Gault); U. Urgon (Schrattenkalk); H. Hauterivien; V. Valangien; Vi. Palfriesschiefer (Berrias), unteres Valangien; Js. Malm; Jmi. Dogger u. Lias; T. Trias (Rauchwacke, Rötidolomit und Quartenschiefer); P. Perm (Verrucano).

Am S.-Hang der Churfirsten treffen wir eine Reihe von Pflanzenarten, die dem N.-Hang des Gebirges fehlen; solche sind z. B. Oxytropis campestris, Petasites niveus, Artemisia Mutellina, Gentiana obtusifolia, Rumex nivalis, Eriophorum Scheuchzeri, Carex lagopina, Elyna scirpina. Charakteristische Voralpenpflanzen sind hier Polygala alpestre, Sedum villosum, Crepis succisæfolia, Sweertia perennis, Eriophorum alpinum, Carex tenuis. Die untern Teile der S.-Hänge sind ausserdem reich an Fönpflanzen: Prunus Mahaleb, Cyclaminus europaeus, Lilium croceum, Asperula taurina, Sedum hispanicum, Juniperus Sabina, Alnus incana v. sericea. Am N.-Hang erreicht ihren westlichsten Standort der sonst in der Schweiz nirgends anzutreffende Ungarische Enzian (Gentiana pannonica). Die eben genannten Arten ausgenommen, zeigt die Flora der Churfirsten allgemein den Charakter derjenigen der n. Voralpenzone. Vergl. die wichtige Arbeit: Baumgartner, Glieb. Das Curfirstengebiet; in seinen Pflanzengeograph. u. wirtschaftl. Ver-

Fortsetzung Churfirsten: → Seite 41.519 || hältnissen dargestellt. (SA. aus dem Jahresber. der st. gall. naturwiss. Gesellschaft). St.