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Cyanwasserstoffsäure | eLexikon | Chemie - II. Organische Chemie

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Blausäure

(Cyanwasserstoffsäure) CNH kommt in der Natur nicht fertig gebildet vor, tritt aber in reichlicher Menge auf, wenn man die Kerne der Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche und bittern Mandeln zerstößt und mit Wasser anrührt, ebenso wenn man die Blätter und zarten Zweigspitzen des Kirschlorbeerbaums (Prunus laurocerasus) oder die Rinde der Sumpfkirsche (P. padus) und andre Teile von Pflanzen aus den Familien der Amygdaleen, Pomaceen und mancher Spiräen zerstößt und mit Wasser in Berührung bringt.

Same (botanisch)

Bild 14.253: Same (botanisch)
* 3 Samen.

Diese Pflanzenteile enthalten Amygdalin und gesondert von demselben eine eiweißartige Substanz, das Emulsin. Kommen beide Stoffe beim Zerstoßen der Samen [* 3] oder Rinden miteinander und mit Wasser in Berührung, so wird das Amygdalin durch Emulsin zersetzt, und es entstehen Blausäure, Bittermandelöl und Zucker. [* 4] Man kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn man zu Mandelmilch aus süßen Mandeln, welche nur Emulsin enthält, etwas Amygdalin hinzufügt; es tritt dann sofort der bekannte Bittermandelgeruch auf, und in der Flüssigkeit ist Blausäure nachzuweisen.

Umgekehrt entwickeln trocken zerstoßene bittere Mandeln keine und wenn man das Pulver mit Alkohol vom Amygdalin befreit hat, so gibt es auch beim Anrühren mit Wasser keine Blausäure mehr. Auch der Saft der geriebenen Wurzel [* 5] von Manihot utilissima enthält Blausäure. Sie entsteht außerdem beim Erhitzen von ameisensaurem Ammoniak NH4CHO2 , welches in und Wasser zerfällt. Die Blausäure ist daher als Nitril der Ameisensäure (Formonitril) zu betrachten. Direkt lassen sich Cyan und Wasserstoff durch dunkle elektrische Entladung vereinigen.



Blausaures Eisen - Bla

Bild 3.9: Blausaures Eisen - Blausucht
* 11 Seite 3.9.

Zur Darstellung wasserfreier Blausäure destilliert man grob gepulvertes gelbes Blutlaugensalz (Ferrocyankalium) mit wenig verdünnter Schwefelsäure, [* 6] leitet die Dämpfe durch ein mit Chlorcalcium gefülltes und auf 30° erwärmtes Rohr (welches alles Wasser zurückhält) und dann in eine mit Eis [* 7] gekühlte Vorlage. Hier verdichtet sich eine farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,697, welche bei 26° siedet, mit Wasser, Alkohol und Äther mischbar ist, mit blauer Flamme [* 8] brennt, sich sehr bald zersetzt und nicht sauer reagiert. Sie ist ein so furchtbares Gift, daß vor ihrer Darstellung nicht ernstlich genug gewarnt werden kann. Wässerige Blausäure bereitet man durch Destillation [* 9] von stärker verdünntem Blutlaugensalz mit Schwefelsäure aus einer Kochflasche mit durchbohrtem Pfropfen. [* 10] Es steigt nämlich an der Glaswand ein blaues Häutchen aus der Flüssigkeit auf und gelangt unfehlbar in die Vorlage, wenn es

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nicht durch den Pfropfen aufgehalten wird. Das Ableitungsrohr läßt man mit der Spitze in etwas Wasser tauchen, damit sich der zuerst übergehende Cyanwasserstoff leichter verdichtet. Die verdünnte Blausäure riecht bittermandelartig, betäubend und kratzend, schmeckt bitter (äußerste Vorsicht!) und zersetzt sich bald unter Bildung von Ameisensäure, Ammoniak und Abscheidung einer braunen Substanz. Diese Zersetzung wird durch geringe Mengen starker Säuren verhindert. Blausäure reagiert schwach sauer, zersetzt die Kohlensäuresalze der Alkalien unter Bildung von Cyanmetallen, aber nicht die der alkalischen Erden; sie wird durch salpetersaures Silber weiß gefällt und gibt einen blauen Niederschlag, wenn man zuerst Kalilauge, dann Eisenoxyduloxydlösung zusetzt und mit Salzsäure ansäuert. Verdampft man Blausäure mit gelbem Schwefelammonium bis zur Farblosigkeit und säuert dann an, so färbt sich die Flüssigkeit mit Eisenchlorid blutrot Blausäure dient zur Darstellung von Cyanpräparaten. Früher war eine 2proz. Säure offizinell. Blausäure wurde zuerst 1782 von Scheele aus Berliner Blau [* 12] abgeschieden und als die färbende Materie in demselben betrachtet, daher die Namen Berliner Blausäure, Preußische Säure.

In den Arzneischatz wurde die Blausäure zuerst von den italienischen Ärzten Borda, Brugnatelli und Rasori eingeführt; namentlich aber verdanken wir Ittner die ersten sichern Kenntnisse über ihre Wirkungsweise. In größern Dosen wirkt die Blausäure als eins der lästigsten Gifte, sowohl auf Pflanzen als auf Tiere. Am schnellsten wirkt sie, wenn sie dampfförmig eingeatmet (wasserfreie oder in die Venen eingespritzt wird. Nach dem Genuß kleiner Gaben von Blausäure, die man wiederholt, zeigen sich im Anfang Atmungsnot, Schwindel, glänzende Augen, stierer Blick, Herzbangigkeit; dann Konvulsionen, Krämpfe des Kehlkopfes, Blasenkrampf, lautes Aufschreien, Abgang von Urin, Kot und Samen, Bewußtlosigkeit; ferner Lähmung, Pulslosigkeit, Schlafsucht, Erschlaffung der Muskulatur, allmähliches Aufhören des Atems sowie des Herzschlags, starke Pupillenerweiterung, Speichelfluß und Tod.

Diese sämtlichen Erscheinungen folgen sich aber äußerst rasch, indem der Tod meist in ½-1 Stunde eintritt. Dauert das Leben 10-12 Stunden nach dem Genuß des Giftes fort, so kann man den Vergifteten für gerettet halten, und derselbe erholt sich rasch. wieder. Nach sehr großen Gaben von Blausäure erfolgt in den meisten Fällen der Tod fast augenblicklich, oder es stellen sich vorher Übelsein, Speichelfluß, Kopfschmerz, Bangigkeit, kurzer Atem, Krämpfe, Bewußtlosigkeit, Empfindungslosigkeit ein.

Magenbiesfliege - Mage

Bild 11.63: Magenbiesfliege - Magenentzündung
* 13 Magen.

Wegen der raschen Wirkung der Blausäure ist bei Vergiftungen schleunige Hilfe nötig. Man kitzelt den Schlund mit einer Federfahne, um Erbrechen zu erregen, macht kalte Umschläge auf den Kopf und kalte Begießungen, läßt kaltes Wasser trinken, gibt kalte Klystiere und befördert das Einatmen guter, sauerstoffreicher Luft. Während noch vor 10-15 Jahren absichtliche Vergiftungen mit Blausäure äußerst selten waren, so ist einmal durch die schnelle Giftwirkung und dann wegen der großen Verbreitung des Cyankaliums (welches im Magen [* 13] sofort Blausäure entwickelt) in mehreren Gewerben (Photographen, Gürtler, Lackierer) die Zahl der jährlichen Selbstmorde durch Blausäurevergiftung außerordentlich gestiegen.

Der Sektionsbefund bei der Blausäurevergiftung zeigt keine besonders auffallenden Giftwirkungen, während nach Genuß von Cyankalium der Magen durch die Kaliwirkung quillt und kirschrot aussieht. Bei beiden Todesarten deuten die hellroten Totenflecke und der Geruch nach bittern Mandeln, welcher allen Organen der frischern Leichen entströmt, sofort auf das Gift hin, welches auch chemisch schnell nachgewiesen werden kann. Als Arzneimittel wird die Blausäure jetzt weit seltener als früher angewendet, da sie schwer zu dosieren und in ihrer Anwendung nicht ungefährlich ist. Am meisten wendet man das blausäurehaltige Bittermandelwasser an und zwar besonders als krampfstillendes Mittel bei entzündlichen Leiden [* 14] der Atmungs- und Verdauungsorgane, bei Magenkrampf, Asthma, Keuchhusten, Nervenschmerzen etc.

Vgl.   Preyer, Die Blausäure (Bonn [* 15] 1868-1870, 2 Bde.).