Darmkatarrh | eLexikon | Medicin - Specielle Pathologie - Mund-, Magen- und Darmkrankheiten
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Darmentzündung
Darmentzündung
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Seite 4.554.(Enteritis), diejenigen entzündlichen Affektionen des Darmkanals, welche von der Schleimhaut des Darms ausgehen und diese vorzugsweise betreffen, während die Entzündungen des serösen Überzugs der Därme zur Bauchfellentzündung gehören. Die Darmentzündung tritt hauptsächlich in drei Formen auf, nämlich als katarrhalische Darmentzündung oder Darmkatarrh, als kruppöse und diphtheritische Darmentzündung. Der Darmkatarrh gehört zu den am häufigsten vorkommenden Krankheiten. Er wird gewöhnlich veranlaßt durch Diätfehler aller Art, wohin auch Vergiftungen und Alkoholmißbrauch zu rechnen sind, durch Stauung des Bluts bei Herzfehlern, Leberschrumpfung, Geschwulstbildungen in der Bauchhöhle, durch Kotstauungen, fremde Körper, Eingeweidewürmer, Erkältungen des Unterleibes und der Füße, heftige Gemütsbewegungen, namentlich Angst und Schreck, etc. Zu ¶
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gewissen Zeiten häufen sich, ohne daß man die Ursache davon genau kennt, die Fälle von Darmkatarrh in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe an, was man dann auf Rechnung des herrschenden Genius epidemicus bringt. Die epidemisch auftretende, entweder katarrhalische oder diphtheritische Darmentzündung des Dickdarms bezeichnet man als Ruhr. Die akuteste und bösartigste, gleichfalls teils katarrhalische, teils diphtheritische Form s. unter Cholera. Nur selten wird das Darmrohr in seiner ganzen Länge vom Katarrh befallen; bald ist nur oder doch vorzugsweise der Dünndarm, bald vorzugsweise oder ausschließlich der Dickdarm, selten bloß der Zwölffingerdarm davon ergriffen.
Die anatomischen Veränderungen, welche die Darmschleimhaut zeigt, bestehen beim akuten Katarrh in Rötung und Schwellung der Schleimhaut, welche an ihrer Oberfläche mit einer ansehnlichen Schicht eines trüben und leicht abstreifbaren Schleims überzogen ist. Dieser Schleim enthält massenhafte Cylinderepithelzellen, deren schnelle Bildung und Abstoßung zum Wesen des Katarrhs gehört. Nicht selten findet man eine Schwellung der lymphatischen Gebilde, welche in der Schleimhaut eingebettet sind, nämlich der solitären Lymphfollikel und der Peyerschen Drüsenhaufen.
Zumal bei kleinen Kindern erreicht die Schwellung der Lymphfollikel des Darms manchmal einen bedeutenden Umfang. Bei dem chronischen Katarrh treten die Rötung und Schwellung der Schleimhaut mehr zurück, dagegen nimmt letztere häufig eine graue, schieferähnliche Farbe an; das schleimige Sekret auf der Oberfläche ist spärlicher, aber zäher, von mehr glasigem Aussehen. Nicht selten entstehen in den geschwollenen Lymphfollikeln Absceßbildungen (s. Darmgeschwüre). Bei ganz kleinen Kindern findet man nach langwierigen, tödlich verlaufenden Darmkatarrhen oft weiter nichts als eine auffallende Blässe, Dünnheit und leichte Zerreißbarkeit des Darmrohrs.
Darm
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Darm.Die Symptome des Darmkatarrhs sind verschieden nach dem Sitz der Affektion in den einzelnen Abschnitten des Darmrohrs. Bei den selten vorkommenden Katarrhen des Zwölffingerdarms ist, wenn die Affektion auf dieses Darmstück beschränkt bleibt, außer Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung vorzugsweise die Gelbsucht zu erwähnen, welche dadurch bedingt wird, daß die Schwellung der Darmschleimhaut sich in den gemeinschaftlichen Gallengang fortsetzt, diesen verstopft und also der Galle nicht erlaubt, sich in den Darm [* 4] zu ergießen.
Das wichtigste Symptom beim akuten Katarrh des Dünn- und Dickdarms ist der Durchfall. Die Stuhlentleerungen sind nicht bloß flüssiger, weil eine starke wässerige Ausscheidung aus den Blutgefäßen der Darmwand in die Höhle des Darms stattfindet, sondern sie folgen auch schneller aufeinander, weil die wurmförmigen Bewegungen des Darms beim akuten Katarrh sehr lebhaft und selbst stürmisch sind. Dem Durchfall geht gewöhnlich Kollern im Leib voraus. Schmerzen und andre Beschwerden pflegen, abgesehen vom Durchfall, zu fehlen, wenn der Katarrh auf den Dünndarm beschränkt ist.
Gase (Physikalisches)
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Gase.Dagegen ist der Katarrh des Dickdarms in der Regel mit kolikartigen kneipenden Schmerzen verbunden, die anfallsweise eintreten und nach erfolgter Stuhlentleerung sich bessern. Die Kräfte und der Ernährungszustand des Patienten bleiben normal, wenn die Ausleerungen nicht zu massenhaft und zu häufig sind. Verlieren aber die Ausleerungen das Aussehen und den Geruch nach Kot, werden sie wässerig, dünnflüssig, farblos, und wiederholen sie sich sehr oft, so bewirken sie, zumal bei kleinen Kindern, einen hohen Grad von Erschöpfung und Abmagerung. Der Leib ist beim akuten Darmkatarrh zuweilen mäßig aufgetrieben, und es entleeren sich mit dem Durchfall große Mengen übelriechender Gase. [* 5] Schwere Darmkatarrhe gehen mit Fieber einher. Setzt sich die Entzündung bis auf den Mastdarm fort, so sind beständiger Stuhldrang und schmerzhafte Gefühle im After (Stuhlzwang) vorhanden. - Der chronische Darmkatarrh ist bei Erwachsenen gewöhnlich nicht von Durchfall begleitet, im Gegenteil leiden die Kranken häufig an Stuhlverstopfung, die abgehenden Kotmassen sind aber in reichlichen zähen Schleim eingehüllt. Es treten dabei leicht abnorme Zersetzungen des Darminhalts mit reichlicher Entwickelung stinkender Gase, Auftreibung des Leibes, Oppressionsgefühl, Blähungen etc. ein. Die Kranken verlieren dabei die Kräfte, magern ab, haben eine bleiche, schmutzig graugelbe Gesichtsfarbe. Sie bilden sich ein, an der Leber zu leiden, sind verstimmt und werden von hypochondrischen und selbst melancholischen Stimmungen heimgesucht. Krankheitszustände dieser Art sind für den Patienten wie für seinen Arzt überaus lästig und im ganzen schwer zu beseitigen, aber meist ohne besondere Gefahr.
Der chronische Darmkatarrh der Kinder verläuft bald mit, bald ohne Fieber, fast immer aber in Gestalt eines hartnäckigen und erschöpfenden Durchfalles, infolge dessen die Kinder im höchsten Grad abmagern und sehr häufig ein Opfer des Todes werden. Besonders sind ganz kleine Kinder, kurz nach dem Entwöhnen, dieser gefährlichen Krankheit (Diarrhoea ablactatorum) ausgesetzt (s. Darmschwindsucht).
Die kruppöse Darmentzündung kommt in ihrer reinen Form äußerst selten, am ehesten noch bei Vergiftungen mit ätzenden Substanzen, zur Beobachtung. Sie ist öfters verbunden mit der diphtheritischen Darmentzündung. Diese betrifft bald den Dünndarm, bald den Dickdarm oder beide Abschnitte zugleich. Sie entwickelt sich meist auf der Grundlage schwerer einfacher Darmentzündung, z. B. epidemisch bei der als Ruhr bezeichneten Krankheit, bei Cholera, bei Darmschwindsucht, Kotstauungen, Einklemmungen etc. Die Darmdiphtheritis beruht in einem Absterben der oberflächlichen Schleimhautschichten, welche dann abgestoßen werden und Substanzverluste hinterlassen, die auf der Höhe der Falten zu liegen pflegen. Als Ursache sind Bakterienvegetationen zu betrachten. Die Erscheinungen gleichen denen des heftigen akuten Katarrhs.
Bett
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Bett.Die Behandlung des Darmkatarrhs hat sich zunächst mit der Beseitigung seiner Ursachen zu beschäftigen. Liegt dem akuten Darmkatarrh eine Erkältung zu Grunde, so hat der Kranke das Bett [* 6] zu hüten, er mag einige Tassen warmen Thee (Kamillen- oder Pfefferminzaufguß) genießen und warme Tücher oder einen naßkalten Umschlag auf den Leib legen, welcher bald warm wird und dann längere Zeit liegen bleiben muß. In einem rauhen Klima [* 7] wird man sich durch wollene Strümpfe, durch eine Leibbinde aus Flanell und (namentlich die Frauen) durch das Tragen von Beinkleidern aus Barchent und andern dichten Stoffen gegen Darmkatarrhe schützen können.
Darmfäule - Darmgeschw
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Seite 4.555.Ist der Darmkatarrh die Folge von Diätfehlern oder einer unzweckmäßigen Ernährungsweise, so muß die Diät reguliert werden. Bei kleinen Kindern hat man in dieser Beziehung mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Milchdiät vertragen sie während der Dauer eines Durchfalles gewöhnlich nicht; man muß sie dann mit kräftigen Fleischbrühen, mit etwas süßem Wein (Malaga), [* 8] mit kleinen Portionen fein geschabten rohen Rindfleisches oder mit der neuerdings von Professor Leube in Erlangen [* 9] ¶
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angegebenen Fleischsolution (vom Apotheker Mirus in Jena [* 11] zu beziehen) zu erhalten suchen. Jedenfalls aber muß vorher noch ein Versuch mit Mutter- oder Ammenmilch gemacht werden. Sind harte zurückgehaltene Kotmassen die Ursache des Katarrhs, so hat die Kur mit einem Abführmittel zu beginnen, welches in gewissen Fällen häufig, fast täglich wiederholt werden muß; auch kann durch Klystiere nachgeholfen werden. Gegen chronischen Darmkatarrh mit habitueller Stuhlverstopfung werden die Belladonnapillen als außerordentlich wirksam gerühmt.
Eine Hauptaufgabe bei der Behandlung des Darmkatarrhs ist die Bekämpfung des Durchfalles, wenn dieser Gefahr zu bringen droht. Man versucht es zunächst mit schleimigen Getränken (Hafer- oder Gerstenschleim), mit Suppen von gebranntem Mehl [* 12] u. dgl. Unter den Arzneien ist das Opium das souveräne Mittel, welches aber seiner Giftigkeit wegen, und weil es in vielen Fällen nicht am Platz ist, nur vom Arzt verordnet werden darf und bei Kindern, die dasselbe schlecht vertragen, niemals zu reichen ist. Ferner sind zusammenziehende Mittel, wie Tannin, Bleisalze in Klystierform, oft Salzsäure oder bloße Wärme [* 13] von Wirkung. Bei chronischer Diarrhöe stehen die Bäder von Kissingen, [* 14] Ems, [* 15] Karlsbad, Marienbad in gutem Ruf.
Eine ganz eigentümliche und höchst gefährliche Form der Darmentzündung ist die Entzündung des Blinddarms und seines wurmförmigen Anhanges (Typhlitis). Diese entsteht zuweilen durch Erkältung, meist durch fremde Körper, Kirschkerne, Fischgräten u. dgl., welche sich in dem engen Wurmfortsatz einkeilen, diesen in Entzündung und oft in Verschwärung versetzen. Dieser Prozeß schreitet unter der Form einer eiterigen Infiltration, der Erweichung, Verschwärung und des brandigen Zerfalles auf den Bauchfellüberzug des Blinddarms und Wurmfortsatzes fort, und es kommt zu einer umschriebenen Bauchfellentzündung (Perityphlitis).
Haut (anatomisch)
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Haut.Häufig wird der Blinddarm oder Wurmfortsatz von dem vorhandenen Geschwür durchbohrt, dann tritt der Inhalt des Darms in den Bauchfellsack über, und es entsteht eine allgemeine und fast ausnahmslos in kürzester Frist tödliche Unterleibsentzündung. War vorher eine Verwachsung des Blinddarms mit seiner Umgebung eingetreten, so bilden sich in der Umgebung des Blinddarms Jaucheherde, welche im glücklichen Fall durch die äußere Haut [* 16] aufbrechen und sich entleeren, ohne daß notwendig eine allgemeine Unterleibsentzündung eintreten müßte.
Diese letztern Fälle können zwar ausheilen, aber oft bedingen auch sie nach längerer Dauer durch allgemeine Erschöpfung den Tod des Patienten. Diese Blinddarmentzündung (Typhlitis stercoralis) gibt sich zu erkennen durch eine harte und schmerzhafte Geschwulst in der Gegend der rechten Darmbeinschaufel, welche nicht deutlich abgegrenzt ist. Es besteht hartnäckige, wenn auch nicht absolute Stuhlverstopfung. Dazu kommt häufig Übelkeit, Würgen und Erbrechen von kotig riechenden Massen (Heus), welche durch antiperistaltische Darmbewegungen in den Magen [* 17] zurückgedrängt worden sind. Die Geschwulst in der rechten Unterbauchgegend wird immer schmerzhafter, der Kranke kann selbst die leiseste Berührung dieser Gegend kaum ertragen. Bessert sich die Krankheit, so geschieht es durch Entleerung größerer Mengen von übelriechenden Kotmassen unter den heftigsten reißenden Schmerzen im Bauch. [* 18] Schreitet die Krankheit aber fort, so stellen sich die Erscheinungen einer Bauchfellentzündung (s. d.) ein. - Die Behandlung der Blinddarmentzündung führt nur dann zum Ziel, wenn sie rechtzeitig eintritt und umsichtig geleitet wird.
Blutegel
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Blutegel.Ist der Fall noch frisch und noch kein Erbrechen vorhanden, so gebe man eine starke Dosis (2-3 Eßlöffel) Rizinusöl und suche dadurch die Kotmassen zu entleeren. Gelingt dies nicht, tritt vielmehr Erbrechen hinzu, so sehe man davon ab, den Stuhl durch Abführmittel zu erzwingen. Dann müssen große Mengen von warmem Wasser mit einem Zusatz von Honig oder Öl durch eine Klistierspritze oder besser durch die Klysopompe in den Mastdarm eingebracht werden. Außerdem setze man 10-20 Blutegel [* 19] in die rechte Unterbauchgegend auf die dort befindliche Kotgeschwulst und unterhalte eine starke Nachblutung.
Hierauf werden anhaltend feuchtwarme Umschläge auf die schmerzhafte Stelle des Unterleibes gelegt. Gegen die heftigen Schmerzen, wenn sie nicht durch die Blutentziehung und die Kataplasmen beseitigt werden können, sowie gegen das Erbrechen und bei drohender Gefahr der Perforation sind subkutane Einspritzungen einer Morphiumlösung anzuwenden. Eine etwa eintretende Unterleibsentzündung ist nach den für diese gültigen Regeln zu behandeln. Bilden sich Abscesse in der Umgebung des Blinddarms, so müssen dieselben mit dem Messer [* 20] frühzeitig und ausgiebig eröffnet werden, um der Jauche den Ausfluß [* 21] zu verstatten. Selbst in Fällen der Genesung muß der Kranke auf das sorgfältigste beobachtet und behandelt werden. Die Kranken erholen sich gewöhnlich nur sehr langsam von ihrem schweren Leiden. [* 22] Überdies bleiben öfters schmerzhafte harte Partien im Unterleib, ja sogar Knickungen und Verengerungen des Darmrohrs zurück.