Diäten | eLexikon | Rechtswissenschaft - Verfassung - Geschäftsordnung
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Mon Jun 21 1875
Diäten
(eigentlich Diëten, v. lat. dies »Tag«, Tagegelder), die tagweise Vergütung, welche man bei besonderm Dienstaufwand beanspruchen kann. So erhalten Beamte, Anwalte, Ärzte etc. bei Verrichtungen außerhalb des Wohnorts nicht nur Vergütung der Reisekosten (Transportkosten), sondern auch zur Entschädigung für den außerdem erwachsenden besondern Aufwand Diäten, wie denn solche auch den Mitgliedern parlamentarischer Körperschaften bezahlt werden; daher Diät, s. v. w. Sitzungsperiode einer Ständeversammlung.
Werden Beamte im Vorbereitungsdienst ohne festen Gehalt beschäftigt und lediglich mit Diäten remuneriert, so bezeichnet man einen solchen zeitweise Angestellten als Diätar oder Diätarius. In Bezug auf den Rang und die amtliche Stellung der Staatsbeamten werden verschiedene Diätenklassen unterschieden, indem die höhern Beamten höhere, die niedern geringere Diätensätze zu beanspruchen haben, welche gesetzlich normiert sind. Für die Beamten des Deutschen Reichs sind die Tagegelder durch Verordnungen vom 21. Juni 1875 (Reichsgesetzblatt, S. 249) und 19. Nov. 1879 (Reichsgesetzblatt, S. 313) mit Ausführungsbekanntmachung vom 9. April 1881 (Zentralblatt für das Deutsche Reich, [* 2] S. 136) bestimmt. Auf Beamte der Reichseisenbahnverwaltung und der Postverwaltung sind diese Vorschriften ausgedehnt nach Maßgabe der Verordnungen vom 5. Juli 1875 (Reichsgesetzblatt, S. 253) und vom 29. Juni 1877 (Reichsgesetzblatt, S. 545), auf Militär- und Marinebeamte nach Maßgabe der Verordnung vom 20. Mai 1880 (Reichsgesetzblatt, S. 113), während für die gesandtschaftlichen und Konsularbeamten die Verordnungen vom 23. April 1879 (Reichsgesetzblatt, S. 127) und 7. Febr. 1881 (Reichsgesetzblatt, S. 27) maßgebend sind. Für die Reichsbeamten gilt der Grundsatz des preußischen Beamtenrechts (Gesetze vom 24. März 1873 und 28. Juni 1875), wonach Diäten erst bei einer Entfernung von mindestens 2 km vom Wohnort des Beamten gezahlt werden.
Viel erörtert und viel bestritten ist die Frage, ob den Mitgliedern der Volksvertretung während der Legislaturperiode Diäten zu zahlen seien oder nicht, namentlich seitdem man für den Norddeutschen Bund und in der Folge auch für das Deutsche Reich, entgegen der bisherigen deutschen Gewohnheit, gleichzeitig mit der Proklamierung des allgemeinen Stimmrechts das Prinzip der Diätenlosigkeit der Reichstagsabgeordneten adoptierte. Für die Nichtzahlung von Diäten wird auf der einen Seite der Umstand geltend gemacht, daß die Stellung der Abgeordneten, welche keine Diäten beziehen und ihren Beruf als Volksvertreter also lediglich als ein Ehrenamt ausüben, eine würdigere und angesehenere sei als im umgekehrten Fall, in welchem zudem manch unlauteres Mitglied durch die Verwilligung von Diäten in das Parlament gezogen werden könnte. So nennt John Stuart Mill die Diäten »ein immerwährendes Zugpflaster, auf die übelsten Seiten der menschlichen Natur gelegt«.
Schwächer ist der weiter für die Nichtzahlung von Diäten geltend gemachte Grund, daß die Sessionen der Ständeversammlungen von kürzerer Dauer sein möchten, und daß der Geschäftsgang in den parlamentarischen Verhandlungen ein rascherer sein werde, wenn die Abgeordneten lediglich auf ihre eignen Mittel angewiesen sind, als wenn sie Diäten beziehen. Die verbündeten deutschen Regierungen halten an der Diätenlosigkeit namentlich um deswillen fest, weil sie darin ein Korrektiv und Gegengewicht gegenüber dem allgemeinen Wahlrecht erblicken.
Man nimmt nämlich gewöhnlich an, daß die Wahlen konservativer ausfallen, wenn die diätenlosen Abgeordneten aus der besitzenden Klasse genommen werden, deren Angehörige konservativer zu sein pflegen als diejenigen, welche nichts zu verlieren haben und ebendeshalb dem Radikalismus geneigter sind. Mit dieser Annahme steht indessen das Anwachsen der sozialdemokratischen Partei im Reichstag nicht im Einklang. Man hat sich auch wohl auf das Beispiel Englands berufen, woselbst seit der zweiten Revolution die Mitglieder des Parlaments keine Diäten beziehen; doch ist dieser Vergleich bei der wesentlichen Verschiedenheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Englands gegenüber den unsrigen nicht allenthalben zutreffend.
Hanc veniam etc. - Han
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Hand.Auf der andern Seite macht man für die Verwilligung von Diäten geltend, daß der Zutritt zur Volksvertretung nicht bloß dem Reichen offen stehen soll, und daß Begabung und Wohlhabenheit nicht immer Hand [* 3] in Hand gehen, wie Dahlmann sagte, »daß nur die Diäten dem Volk verbürgen, daß seine Wahlkammer dem bürgerlichen Verdienst auch ohne das Geleit des Reichtums offen stehe«. Man erinnert auch daran, daß möglichst alle Berufsstände im Parlament vertreten sein sollen, und man weist darauf hin, wie im deutschen Reichstag namentlich der Stand der Großgrundbesitzer allzu reichlich vertreten sei, insbesondere gegenüber den Angehörigen des Kleingewerbes und dem Stande der kleinen Landwirte.
Diatessaron - Diatomee
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Seite 4.939.Gleichwohl halten die verbündeten Regierungen an dem § 32 der Reichsverfassung fest: »Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen«. Bei der Beratung der norddeutschen Bundesverfassung im konstituierenden Reichstag war diese Bestimmung ursprünglich verworfen worden; sie fand aber in der dritten Lesung eine ansehnliche Majorität, nachdem die Regierungen von derselben das Zustandekommen der Verfassung wesentlich mit abhängig gemacht hatten. Seitdem ist der Antrag auf Verwilligung von Diäten im Reichstag oft gestellt worden. 1868 und 1869 wurden diesbezügliche Anträge des Abgeordneten Waldeck [* 4] abgelehnt, und 1870 ging der Reichstag über einen solchen ¶
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Antrag des Abgeordneten Schulze-Delitzsch zur Tagesordnung über. In der Folgezeit wurde jedoch der Schulzesche Antrag wiederholt vom Reichstag angenommen, aber stets vom Bundesrat abgelehnt. Auch 1884 wurde der von der deutschfreisinnigen Partei eingebrachte Antrag auf Verwilligung von Diäten und Reisekostenentschädigung im Reichstag zwar mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Konservativen und eines Teils der Nationalliberalen angenommen, vom Bundesrat aber abgelehnt, nachdem der Fürst-Reichskanzler erklärt hatte, daß er die Diäten nur gegen entsprechende Abänderungen des Wahlsystems zugestehen würde.
Übrigens ist das Prinzip der Diätenlosigkeit schon einmal durchbrochen worden, als den Mitgliedern der sogen. Reichsjustizkommission, welche zur Vorberatung der Justizgesetze konstituiert war, eine Entschädigung durch Reichsgesetz verwilligt ward. Auch die seit 1874 getroffene Einrichtung, wonach den Reichsboten während der Session sowie acht Tage vor Beginn und acht Tage nach Schluß derselben freie Fahrt auf den deutschen Eisenbahnen eingeräumt ward, läßt sich mit dem Wortlaut jener Verfassungsbestimmung nur so vereinigen, daß man durch die jeweilige Feststellung des Etats und durch die Aufnahme einer entsprechenden Etatsposition eine Abänderung des § 32 der Verfassung als vereinbart zwischen den gesetzgebenden Faktoren des Reichs annimmt. Übrigens ist 1884 eine Beschränkung der Freikarten insofern eingetreten, als dieselben nur für die Fahrt vom Wohnort des Abgeordneten nach Berlin [* 6] gegeben werden und damit für die in Berlin wohnhaften Abgeordneten insbesondere ganz in Wegfall gekommen sind.
Zu der deutschen Diätenfrage ist endlich infolge verschiedener Ausführungen des Fürsten Bismarck noch ein weiterer Streitpunkt neuerdings hinzugekommen. Man nahm nämlich früher allgemein an, daß es trotz jener Verfassungsbestimmung dem Reichstagsabgeordneten unbenommen sei, von Privatpersonen, namentlich von den Parteigenossen, Vergütungen für die ihm durch sein Mandat erwachsenden Unkosten anzunehmen (sogen. Privat-, Parteidiäten). Die frühere deutsche Fortschrittspartei hatte zu diesem Behuf einen Diätenfonds gebildet, aus welchem einzelne Abgeordnete solche Entschädigungen erhielten.
Der Fürst-Reichskanzler hat dies jedoch wiederholt als unzulässig bezeichnet. Man hat auch dagegen geltend gemacht, daß ein solcher Abgeordneter leicht in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis der Parteileitung gegenüber kommen könne. Jedenfalls kann nach jener Bestimmung der Reichsverfassung weder aus der Reichskasse noch aus einer andern öffentlichen Kasse, Staats- oder Kommunalkasse, die Zahlung von an die Reichstagsmitglieder erfolgen, da eine solche Ausgabe als ungesetzlich beanstandet werden müßte.
Württemberg und Hohenz
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Württemberg.Wenn ferner, wie dies in Württemberg [* 7] in Ansehung der Staatsbeamten der Fall, jemand die Annahme von Geschenken untersagt ist, so würde er auch als Reichstagsabgeordneter solche Zuwendung von Privatdiäten nicht annehmen dürfen. Was aber im übrigen die Annahme von Privatdiäten anbetrifft, so hat die Verfassung keinerlei Nachteile mit derselben verbunden; sie hat sie weder mit Strafe noch mit Verlust des Mandats bedroht, so daß es völlig an einer Bestimmung fehlt, auf die man solche Folgen gründen könnte. Übrigens hat man in England die Entgegennahme derartiger Zuwendungen seitens einzelner Parlamentarier nicht beanstandet.
Stuttgart
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Stuttgart.Was die deutschen Einzellandtage anbetrifft, so erhalten die Mitglieder der Ersten Kammer (Herrenhaus) in Preußen [* 8] keine Diäten; dasselbe gilt für die Mitglieder der Kammer der Reichsräte in Bayern. [* 9] In Sachsen [* 10] bezieht sich die Diätenlosigkeit nur auf diejenigen Mitglieder der Ersten Kammer, welche vermöge erblichen Rechts oder als Abgeordnete der Kapitel und der Universität erscheinen. In Württemberg erhalten die standesherrlichen, die erblichen und die nicht in Stuttgart [* 11] wohnenden lebenslänglichen Mitglieder der Ersten Kammer nur dann Diäten, wenn sie darauf Anspruch machen, während in Hessen [* 12] sich der Diätenbezug auf diejenigen Mitglieder beschränkt, welche nicht durch die Geburt berufen sind, und deren Wohnsitz weiter als eine halbe Stunde vom Orte der Versammlung entfernt ist.
Die Mitglieder der Zweiten Kammern und der Landtage mit Einkammersystem erhalten in allen deutschen Staaten Diäten. Eine Verschiedenheit besteht hier nur rücksichtlich der am Orte der Versammlung wohnhaften Abgeordneten. Letztere erhalten in einigen Staaten (Braunschweig, [* 13] Oldenburg, [* 14] Meiningen [* 15] und Altenburg) [* 16] niedrigere, in Bayern, Sachsen, Baden [* 17] und Hessen gar keine Diäten, während in den übrigen Staaten ein solcher Unterschied nicht besteht. Eigentümlich ist endlich die Vorschrift der preußischen Verfassung (Art. 85), welche auch in den Verfassungsurkunden einiger Kleinstaaten wiederkehrt, daß ein Verzicht auf die Diäten unzulässig ist.
Grenzen der Hörbarkeit
![Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert] Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert]](http://peter-hug.ch/meyers/thumb/58/58_0307.jpeg)
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Grenzen.Während aber die Diäten der Abgeordneten in den deutschen Staaten sich in mäßigen Grenzen [* 18] halten, wie sie denn z. B. in Preußen (Gesetze vom 30. März 1873 und 24. Juni 1876) 15 Mk. pro Tag betragen, ist der Diätenbezug in manchen außerdeutschen Staaten ein so hoher, daß, entgegen der deutschen Auffassung, die Stellung des Abgeordneten zu einer lukrativen Einnahmequelle wird. In Frankreich erhält der Deputierte nach dem Gesetz vom 30. Nov. 1875: 9000 Frank jährlich. Während des Kaiserreichs stellten sich die Einkünfte noch höher.
In den Vereinigten Staaten [* 19] erhält der Abgeordnete 5000 Doll. für die Legislaturperiode, der Sprecher des Repräsentantenhauses bezieht 8000 Doll. Abgesehen von England, werden in allen außerdeutschen Staaten mit Repräsentativverfassung Diäten gezahlt. Auch die Mitglieder der Provinziallandtage, Kreistage u. dgl. beziehen Diäten Schöffen und Geschworne erhalten keine Diäten, sondern nur Vergütung der Reisekosten.
Vgl. außer den Hand- und Lehrbüchern des Staatsrechts Milner, Zur Diätenfrage (Tübing. 1874);
Dippe, Bestimmungen über Tagegelder etc. in Preußen und dem Deutschen Reich (Berl. 1880).