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Ehrenkränkung | eLexikon | Rechtswissenschaft - Justiz - Einzelne Verbrechen

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Sat Feb 26 1876
Titel
Elemente zu Beleidigung:

1) Die Ehre einer Person muß angegriffen sein, d. h. die Achtung

Beleidigung

(Injurie, lat. Injuria, Beschimpfung, Ehrenkränkung, Ehrenverletzung), die rechtswidrige Handlung, durch welche eine Person vorsätzlich die Ehre einer andern angreift. Je nachdem dies durch Thätlichkeiten oder auf andre Weise (Wort, Schrift, Abbildung etc.) geschieht, pflegt man zwischen Real- und Verbalinjurien zu unterscheiden. Wichtig ist ferner der Unterschied zwischen einfacher und Verleumdung (verleumderischer Beleidigung), welch letztere dann vorliegt, wenn die Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrührigen Thatsache wider besseres Wissen, also trotz des Bewußtseins der Unwahrheit derselben, erfolgte.

Ebenso unterscheidet das französische Recht zwischen Injure und Diffamation (Verleumdung), indem die fälschliche Beschuldigung einer strafbaren Handlung insbesondere Calomnie und die verleumderische Beleidigung eines öffentlichen Beamten Outrage genannt werden. Die einzelnen Merkmale einer Beleidigung sind folgende:

1) Die Ehre einer Person muß angegriffen sein, d. h. die Achtung, welche einer Person als solcher zukommt, ohne besondere Rücksicht auf die privatpersönliche Ehrenhaftigkeit derselben. Deshalb macht der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte die gegen den dadurch Betroffenen verübte Beleidigung nicht etwa straflos, weil jenem ja nur bestimmte staatsbürgerliche Rechte, keineswegs aber das Recht der Persönlichkeit überhaupt entzogen ist. Ebendeshalb können auch Unmündige und Wahnsinnige sowie die sogen. juristischen Personen, z. B. eine Gemeinde, beleidigt werden.

2) Eine Verletzung dieser Ehre muß vorliegen; es gibt keinen strafbaren Versuch der Beleidigung. Ob in der fraglichen Handlung wirklich ein Angriff auf die Ehre zu finden sei, bestimmt sich nach den Umständen des einzelnen Falles, namentlich auch nach der Lebensstellung des Beleidigers und des Beleidigten. In letzterer Beziehung erscheint es als Straferhöhungsgrund, wenn ein Beamter in seiner amtlichen Stellung beleidigt wurde (s. Amtsbeleidigung), oder wenn eine Militärperson einen Vorgesetzten beleidigte (sogen. Militärbeleidigung, s. unten).

3) Die Handlungsweise des Beleidigenden muß eine vorsätzliche sein. Aus Fahrlässigkeit kann man sich einer Beleidigung nicht schuldig machen; es gehört dazu vielmehr das Bewußtsein des beleidigenden Moments (animus injuriandi), wozu jedoch das Bewußtsein genügt, daß diese Handlungsweise geeignet sei, den andern an seiner Ehre zu kränken.

4) Die Handlungsweise muß widerrechtlich sein. In dieser Beziehung ist besonders hervorzuheben, daß man die Wahrheit jederzeit sagen darf, sollte dies auch der Ehre eines andern Eintrag thun. Man nennt den Einwand, daß die angeblich injuriöse Behauptung die Wahrheit enthalte, die Einrede der Wahrheit (exceptio veritatis), deren Beweis derjenige, welcher sich darauf beruft, zu erbringen hat. Ist die Thatsache, um welche es sich handelt, eine strafbare Handlung, so soll nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 190) der Beweis der Wahrheit als erbracht angesehen werden, wenn der angeblich Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist.

Dagegen soll der Beweis der Wahrheit ausgeschlossen sein, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung bereits rechtskräftig freigesprochen worden ist. Dazu kommt die Vorschrift § 191, wonach für den Fall, daß wegen der behaupteten strafbaren Handlung Anzeige beider Behörde gemacht ist, das Verfahren wegen der Beleidigung bis zur Erledigung jener Untersuchungssache sistiert werden soll. Dabei ist aber zu beachten und auch § 192 des Reichsstrafgesetzbuchs ausdrücklich hervorgehoben, daß der Beweis der Wahrheit die Strafbarkeit der Handlungsweise nicht ausschließt, wenn die Form der Behauptung schon an und für sich eine beleidigende war.

Diese letztere Einschränkung gilt auch für die § 193 zusammengestellten Fälle; es sollen nämlich hiernach tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ferner Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle, also z. B. auch Rügen des Lehrers den Schülern, der Eltern den Kindern, des Dienstherrn dem Dienstboten gegenüber, an und für sich straflos sein.



Beleihen - Belemniten

Bild 2.638: Beleihen - Belemniten
* 3 Seite 2.638.

Was die Bestrafung der Beleidigung anbelangt, so ging das ältere Recht von der Ansicht aus, daß dieselbe lediglich als Privatdelikt erscheine, und ebendarum gab das römische Recht dem Beleidigten nur eine zivilrechtliche Klage (actio injuriarum aestimatoria) auf eine an ihn zu zahlende Privatbuße. Das deutsche Recht nahm dagegen an, daß durch die Beleidigung mittelbar

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auch der Staat verletzt werde, und führte deshalb eine öffentliche, an den Staat zu verbüßende Strafe derselben ein, wenn es dem privaten Charakter dieses Delikts auch außerdem durch den Zwang zur Abbitte, zur Ehrenerklärung oder zum Widerruf Rechnung trug. Das deutsche Strafgesetzbuch hat jedoch diese letztern Genugthuungsmittel nicht beibehalten; es gewährt dem Beleidigten nur insofern eine Privatgenugthuung, als ihm auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils erteilt und, wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen oder in einer Zeitung oder Zeitschrift erfolgte, die Befugnis zugesprochen wird, die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen, und zwar im letztgedachten Fall, wenn möglich, durch ebendieselbe Zeitung oder Zeitschrift und in demselben Teil und mit derselben Schrift, wie die Beleidigung selbst veröffentlicht worden war (§ 200). Zudem wird dem privatrechtlichen Charakter des Delikts auch dadurch Rechnung getragen, daß die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, welch letzterer bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zurückgenommen werden kann (§ 194). Bei Beleidigungen, welche gegen Ehefrauen oder Kinder noch unter väterlicher Gewalt verübt wurden, haben auch die Ehemänner und Väter (§ 195) und bei Amtsbeleidigungen die amtlichen Vorgesetzten des Beleidigten das Recht zur Stellung des Strafantrags (§ 196). Wurde eine Beleidigung gegen eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats oder gegen eine sonstige politische Körperschaft begangen, so bedarf es zwar keines Antrags auf Bestrafung, wohl aber der Ermächtigung der beleidigten Körperschaft zur strafrechtlichen Verfolgung (§ 197). Der Antrag auf Bestrafung muß binnen drei Monaten von dem Tag an, seit welchem der zu diesem Antrag Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntnis gehabt, gestellt werden.

Ist bei wechselseitigen Beleidigungen von dem einen Teil Strafantrag gestellt worden, so kann der andre Teil seinerseits bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz, ohne Rücksicht auf jene Frist, ebenfalls Strafantrag stellen, muß dies aber auch bei Verlust dieses Rechts bis zu jenem Zeitpunkt thun (§ 198). Wurden Beleidigungen auf der Stelle mit solchen oder mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit erstern erwidert, so kann der Richter unter Umständen den einen Teil oder auch beide Teile für straflos erklären, indem hier eine sogen. Kompensation der beiderseits verwirkten Strafen eintritt (§ 199, 233).

Was die Höhe der verwirkten Strafe anbetrifft, so wird die verleumderische Beleidigung strenger geahndet als die einfache, die thätliche Beleidigung strenger als die Verbalinjurie. Eine verleumderische oder Verleumdung liegt nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 187) dann vor, wenn jemand wider besseres Wissen in Beziehung auf einen andern eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist.

Hier tritt Gefängnisstrafe von einem Tag bis zu zwei Jahren ein. Die Behauptung und Verbreitung solcher Thatsachen ohne das Bewußtsein ihrer Unwahrheit wird dagegen als einfache Beleidigung bestraft, wofern nicht etwa jene Thatsachen erweislich wahr sein sollten (§ 186). Es wird ferner die einfache wörtliche Beleidigung (§ 185) mit Geldstrafe von 3-600 Mk. oder mit Haft von einem Tag bis zu sechs Wochen oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu einem Jahr, die thätliche Beleidigung mit Geldstrafe von 3-1500 Mk. oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu zwei Jahren bestraft.

Als Straferhöhungsgrund erscheint es aber sowohl bei der einfachen als bei der verleumderischen Beleidigung, wenn diese öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist. Die Strafe besteht dann bei der einfachen in Geldstrafe bis zu 1500 Mk. oder Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren und bei der Verleumdung in Gefängnis bis zu fünf Jahren und nicht unter einem Monat. Doch kann bei der verleumderischen Beleidigung, wenn mildernde Umstände vorhanden, die Strafe bis auf einen Tag Gefängnis ermäßigt, oder es kann auf Geldstrafe bis zu 900 Mk. erkannt werden.

Übrigens kann, wenn die Verbreitung solcher Thatsachen nachteilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringen sollte, auf Antrag des letztern neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrag von 6000 Mk. erkannt werden (§ 188). Auch die Beleidigung eines Verstorbenen, d. h. die Beschimpfung des Andenkens eines solchen durch wissentlich unwahre Behauptung oder Verbreitung von Thatsachen, welche denselben bei Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet gewesen wären, wird auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten des Verstorbenen mit Gefängnis von einem Tag bis zu sechs Monaten, beim Vorhandensein mildernder Umstände mit Geldstrafe bis zu 900 Mk. bestraft.

Was endlich die bereits erwähnte Militärbeleidigung anbelangt, so bestraft das deutsche Militärstrafgesetzbuch die Beleidigung eines Vorgesetzten oder im Dienstrang Höhern mit Freiheitsstrafe (Gefängnis, Festungshaft, Arrest) bis zu zwei und, wenn die Beleidigung im Dienst oder in Beziehung auf eine Diensthandlung begangen ward, bis zu drei Jahren und, wenn die Beleidigung durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen begangen ward, mit Gefängnis oder Festungshaft, bei verleumderischen Beleidigungen aber nur mit Gefängnis bis zu fünf Jahren.

Beleidigungen fürstlicher Personen fallen, weil es sich hier nicht um einen Angriff auf die bürgerliche Ehre, sondern um eine Verletzung der Majestät handelt, nicht unter den Begriff der Beleidigung (s. Majestätsverbrechen).

Vgl.   Deutsches Strafgesetzbuch, § 185-200; Reichsgesetz vom 26. Febr. 1876 (sogen. Strafgesetznovelle), Art. I zu § 194, 200; Deutsches Militärstrafgesetzbuch vom 20. Juni 1872, § 89, 91, 121, 122; v. Schwarze, Beiträge zur Lehre [* 4] von der Ehrverletzung, in der »Sächsischen Gerichtszeitung«, Bd. 5-8, Bd. 12; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrecht, S. 1 ff. (Tübing. 1858);

Freudenstein, System des Rechts der Ehrenkränkungen (Hannov. 1880);

Baumeister, Über Injurien (Berl. 1880).