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Englische Hochkirche | eLexikon | Theologie - Anglikanische Kirche

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Sat Nov 03 1534

Anglikanische

Kirche (Anglokatholische Kirche, Established church of England), die Staatskirche in England, welche hinsichtlich der Lehre [* 4] den reformierten Kirchen beizuzählen ist, in Kultus und Kirchenverfassung aber zwischen Katholizismus und Protestantismus die Mitte hält. Diese ihre eigentümliche Stellung erklärt sich aus der Art und Weise ihrer Entstehung. Die Reformation Englands ist nicht wie die deutsche aus einer religiösen Bewegung des Volks hervorgegangen, an deren Spitze sich dann die Großen gestellt hätten, sondern der Bruch mit Rom [* 5] war die Folge des launenhaften Eigenwillens eines tyrannischen Königs.

Erst als unter den Nachfolgern desselben sich zeigte, wie eng die politische mit der religiösen Freiheit verbunden sei, wurde im Kampf mit politischer Willkür der englische Volksgeist eng an den Protestantismus gekettet. Vorbereitet war zwar auch hier die Reformation, teils durch Wiclef und die Lollarden, teils durch die Humanisten. Gleichwohl mußte jede reformatorische Bewegung so lange vergeblich bleiben, als nicht die politische Gewalt des Staats sich mit ihr verbunden hatte.

Banco - Banda

Bild 2.309: Banco - Banda
* 6 Band.

Heinrich VIII., der das Band [* 6] mit Rom zerriß, war seiner ganzen Denkweise nach der römischen Lehrauffassung völlig zugethan, wie er denn nicht allein die protestantisch Gesinnten in seinem Land verfolgt, sondern auch durch eine Streitschrift gegen Luther sich den Ehrentitel eines Beschützers des Glaubens erworben hatte. Erst als der Papst seine Ehe mit Katharina von Aragonien nicht auflösen wollte, ließ der König vom Parlament die bisherigen Rechte des Papstes vernichten und schloß 1532 ohne päpstliche Dispensation seine Ehe mit Anna Boleyn.

Lehrbataillon - Lehren

Bild 10.636: Lehrbataillon - Lehren
* 7 Lehren.

Als der Papst 1534 den Bann über ihn aussprach und 3. Nov. 1534 die Suprematsakte den König zum Haupte der englische Kirche machte, 1536-40 die sämtlichen Klöster und Abteien unter Einziehung ihres Vermögens aufgehoben wurden, ward der Bruch mit Rom unheilbar. Doch blieb die neukonstituierte Kirche ihrem Wesen nach in Kultus und Lehre katholisch, da den König kein religiöser Beweggrund bestimmte, und nur in wenigen Punkten konnten der evangelisch gesinnte Erzbischof Cranmer und der Staatssekretär Cromwell für eine vermittelnde Auffassung Raum gewinnen. Im J. 1539 bedrohten die sechs Blutartikel jeden Angriff auf die Lehren [* 7] von der Transsubstantiation und der Kelchentziehung, von dem Cölibat und der Unauflöslichkeit des Keuschheitsgelübdes, von der Ohrenbeichte und den Seelenmessen mit dem Tod.

Zwar wurden fortwährend durch Cranmer einzelne Mißbräuche abgeschafft, aber noch 1547 erneuerte der König das Verbot der Bibel. [* 8] Erst unter Eduard VI., der von Cranmer erzogen war, und unter dem der Reformation günstigen Herzog von Somerset durften die unter Heinrich Verbannten zurückkehren. Auch wurden ausländische Gelehrte, wie Martin Bucer u. a., berufen, unter deren Beihilfe die Liturgie geändert ward. Im J. 1549 wurde das Abendmahl unter beiderlei Gestalt eingeführt und die Priesterehe gestattet; ein von Cranmer verfaßtes Homilienbuch trug zur Reform des Gottesdienstes im evangelischen Sinn viel bei.

Das von Cranmer entworfene allgemeine Gebetbuch erhielt 1549 durch die erste Uniformitätsakte kirchliche Sanktion. Durch den Einfluß des Auslandes empfing die anglikanische Kirche den reformierten Charakter, der schon in der zweiten Uniformitätsakte (1552), in der Revision des allgemeinen Gebetbuches und in dem Glaubensbekenntnis der 42 Artikel von demselben Jahr sich deutlich ausspricht. Die Herrschaft der katholischen Maria (1553-58) brachte eine kurze blutige Reaktion des Katholizismus.



Anglikanische Kirche

Bild 1.577: Anglikanische Kirche
* 9 Seite 1.577.

Bald nach Elisabeths Thronbesteigung aber ward 1. Febr. 1559 die Suprematie der Krone wiederhergestellt. Die neue Uniformitätsakte von 1559 führte das revidierte Gebetbuch ein, und mit der Feststellung der 39 Artikel (1571), der Einführung des neuen Katechismus und einer revidierten Bibelübersetzung war der Bau der englischen Staatskirche vollendet. Dieselbe ruht auf der Voraussetzung, daß Kirche und Staat sich decken. Es erschien daher jeder kirchliche Ungehorsam als Insubordination und Hochverrat, und die Gesetzgebung der letzten Jahre Elisabeths wandte sich nicht bloß gegen die Katholiken, sondern auch gegen die Presbyterianer und Puritaner, welche an dem Ritual und der Hierarchie Anstoß nahmen, wie gegen andre unter den Namen Nonkonformisten oder Dissenters, Independenten (s. diese Artikel) etc. zusammengefaßte Sekten. Jakob I. gab alles Kirchengut in dem unterworfenen Irland dem aufgezwungenen anglikanischen Klerus, obwohl das Land katholisch blieb. Die Bedrückung der Katholiken hatte 1641 das entsetzliche irische Blutbad zur Folge, in welchem die Mehrzahl der Protestanten ermordet wurde, die Überlebenden die Insel verlassen mußten. Als aber unter Karl I. durch Erzbischof

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Land das mit dem politischen Absolutismus verbundene Prälatentum in Willkür und Despotismus ausartete und durch ein ausgebildetes Zeremonienwesen Anstoß gab, rief der Versuch, die bischöfliche Kirche in Schottland einzuführen, dort 1637 eine Empörung hervor. Auch in England wurde 1643 der Presbyterianismus zur herrschenden Kirche bis zur Wiederherstellung der Staatskirche durch die neue Uniformitätsakte von 1662 (s. Dissenters).

Die innere Verfassung der anglikanischen Kirche ist eine rein hierarchische. Die Geistlichkeit besteht aus Bischöfen, Priestern und Diakonen (deacons). Unter den beiden Erzbischöfen von Canterbury (Primas von ganz England und Metropolit) und von York (Primas von England) stehen 31 Bischöfe, von denen indes nur 26 im Herrenhaus Sitz und Stimme haben. Jedem Bischof steht ein Kapitel (chapter) zur Seite, zu welchem außer dem Dekan (dean) auch noch Chorherren (canons), Domherren (prebendaries), Archidiakonen (archdeacons) und andre Würdenträger einschließlich eines rechtsgelehrten Vicar gehören.

Die Bischöfe, die meisten Dekane und viele der andern Würdenträger werden von der Krone ernannt. Die Bischöfe beziehen einen Gehalt von 2000-15,000 Pfd. Sterl. jährlich, die Dekane durchschnittlich 715 (350-1250) Pfd. Sterl. Die Pfarreien (benefices, livings) werden von Patronatsherren besetzt. Dieses Besetzungsrecht (advowson) wird in den meisten Fällen von Privatpersonen ausgeübt, doch wird der Kandidat nur dann vom Bischof in sein Amt eingeführt, wenn er die nötige Qualifikation besitzt.

Die Pfründner (incumbents) sind entweder rectors, wenn sie im Vollgenuß des Zehnten und des Ertrags des Pfarrlandes (glebe) stehen, Vicars, wenn sie nur den »kleinen« Zehnten beziehen, oder perpetual curates, die in dotierten Filialkirchen den Dienst versehen. In größern Gemeinden wird der Pfarrherr durch Hilfsgeistliche (stipendiary curates) unterstützt. Die Gesetzgebung sorgt dafür, daß die Pfründner wenigstens einen Teil des Jahrs selbst den Gottesdienst versehen.

Hanc veniam etc. - Han

Bild 8.65: Hanc veniam etc. - Hand
* 10 Hand.

Auch die früher übliche Vereinigung von vielen Pfründen in einer Hand [* 10] (plurality) ist eingeschränkt worden. Daß indes bei obwaltenden Verhältnissen das Recht der Besetzung (noch bei Lebzeiten eines Pfründners) an den Meistbietenden versteigert werden kann, und daß viele reichdotierte Pfarreien als Ausstattung in den Besitz der jüngern Söhne der großen Gutsherren und der bischöflichen Verwandten gelangen, ist wohl selbstverständlich. Die sämtlichen 13,728 Pfründen haben einen Jahreswert von 4,525,395 Pfd. Sterl. Das Besetzungsrecht üben in 960 Fällen die Krone, in 3465 Fällen die Bischöfe und ihr Kapitel, in 882 Fällen die Universitäten und die Kollegien von Eton und Winchester und in 8521 Fällen Privatpersonen oder Korporationen von Laien aus. Den Bischöfen liegt die gesamte innere Verwaltung der Kirche ob, auch stehen ihnen die Disziplin und die Gerichtsbarkeit zu. Jedes der beiden Erzbistümer hat sein House of Convocation, in welchem die Bischöfe, die Dekane und Vertreter der Kapitel und niedern Geistlichkeit (proctors) Sitz und Stimme haben. Das Laienelement ist ausgeschlossen. Für Bildung der Geistlichkeit sorgen außer den Universitäten noch 18 theologische Seminare.

Man schätzt die Gesamteinnahme der anglikanischen Kirche auf 8 Mill. Pfd. Sterl. Dieselbe entspringt dem Zehnten (wobei zu bemerken, daß ein großer Teil des Landes zehntfrei ist), liegenden Gütern, angelegtem Kapital, Stolgebühren, Kirchstuhlmieten und freiwilligen Gaben. Die Kirchensteuer (church rate) ist seit 1868 abgeschafft. Die Dotierung der Bischöfe und Kapitel wird durch eine 1842 ernannte Ecclesiastical Commission verwaltet, in welcher neben den Bischöfen noch 5 Staatsminister, 3 Richter, 3 Dekane und 12 Laien Sitz und Stimme haben.

Der Ertrag übersteigt 1 Mill. Pfd. Sterl., und die Überschüsse, die sich nach Zahlung der vom Parlament festgesetzten Gehalte etc. ergeben, werden für allgemeine Kirchenzwecke verwendet. Auch die Annaten (first fruits) werden von der Krone verwaltet und dienen namentlich dazu, um als Queen Anne's Bounty (weil diese Bestimmung zur Zeit der Königin Anna getroffen wurde) die Einnahmen gering dotierter Pfründen zu erhöhen. Der Zehnte ist seit 1836 in einen Erbzins verwandelt worden, dessen Betrag von sieben zu sieben Jahren festgesetzt wird. Sehr bedeutend sind auch die freiwilligen Beisteuern zu kirchlichen Zwecken. So haben die 24 Gesellschaften für äußere Mission eine Jahreseinnahme von über 500,000 Pfd. Sterl.

Der Gottesdienst ist durch das allgemeine Gebetbuch (s. Common Prayer Book) genau geregelt und zeichnet sich durch liturgischen Reichtum unter allen evangelischen Kulten aus. Die Predigt tritt hinter der Liturgie zurück. Dem Katholizismus nahestehend in Verfassung und Ritus, ist die in der anglikanische Kirchein der Lehre durchaus protestantisch; denn die 39 Artikel, das eigentliche Glaubenssymbol, auf welches alle Geistlichen verpflichtet werden, stimmen zum Teil wörtlich mit den deutschen evangelischen, insbesondere reformierten, Bekenntnisschriften überein.

Die rein juristische formelle Anwendung der 39 Artikel bei der Bemessung der Lehrfreiheit der Geistlichen hindert aber nicht, daß auch in der anglikanischen Kirche die verschiedensten Richtungen sich geltend machen und der Streit zwischen diesen so weit geht, daß sie sich gegenseitig die Anerkennung verweigern. Man pflegt drei Parteien zu unterscheiden: Die hochkirchliche Partei (High Church party) hält vor allem an der Verfassung und dem allgemeinen Gebetbuch fest.

Aus ihr sind hervorgegangen die Puseyiten oder Traktarianer, auch Anglokatholiken oder Ritualisten genannt, welche, Pusey (s. d.) folgend, im Ritus und im Dogma sich sehr dem Katholizismus nähern und ihren Anhang vornehmlich in der vornehmen Welt haben. Die niederkirchliche Partei (Low Church oder Evangelical party) legt weniger Wert auf Ritus und Verfassung als auf thätiges Christentum in innerer und äußerer Mission. Aus dieser Partei ging die 1846 gestiftete Evangelische Allianz (s. d.) hervor.



Anglisieren - Angola

Bild 1.578: Anglisieren - Angola
* 12 Seite 1.578.

In der Partei der sogen. Breitkirchlichen (Broad Church party) ringt eine freiere, von deutscher Wissenschaft angeregte Theologie nach kirchlicher Anerkennung; zu ihr gehörten Männer wie Arnold, Colenso, P. Stanley. Die a. K. beschränkt sich als Staatskirche nur auf England, Wales und die Insel Man; doch sind aus derselben mehrere Tochterkirchen hervorgegangen. Die protestantisch-bischöfliche Kirche von Irland, 1800 mit der anglikanischen Kirche als United Church of England and Ireland vereinigt, ist seit 1871 unabhängig und hat die 39 Artikel in wesentlichen Punkten abgeändert. Sie steht unter 12 Bischöfen und hat eine Synode, in welcher neben den Bischöfen und 208 Vertretern der Geistlichkeit auch 416 Laien Sitz und Stimme haben. Die Episcopal Church in Scotland sowohl als die American Episcopal Church in Amerika [* 11] sind gleichfalls Tochterkirchen, aber mit vollkommen selbständiger Verwaltung. Dahingegen stehen die 60 Bischöfe in den Kolonien, 12 sogen. Missionsbischöfe in Heidenländern und etwa

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90 unabhängige Gemeinden im Ausland noch in einigem Zusammenhang mit der Mutterkirche, welche ihnen bedeutende Unterstützungen gewährt. Doch ist in keiner der Kolonien die anglikanische Kirche Staatskirche und betreffs ihrer Erhaltung fast lediglich auf die Beisteuer der Gemeindemitglieder angewiesen.

Vgl.   Bailey, Jurisdiction and mission of the Anglican episcopate (Oxf. 1871);

in historischer Beziehung namentlich G. Weber, Geschichte der Kirchenreformation in Großbritannien [* 13] (neue Ausg., Leipz. 1856, 2 Bde.);

Ranke, Englische Geschichte im 16. und 17. Jahrhundert (4. Aufl., das. 1877 ff., 9 Bde.);

Maurenbrecher, England im Reformationszeitalter (Düsseld. 1866);

Weingarten, Die Revolutionskirchen Englands (Leipz. 1868);

Stoughton, Ecclesiastical history of England (Lond. 1867-1874, 5 Bde.);

Gladstone, Ritualism and the Church of England (1875);

Lee, The Church under Queen Elizabeth (1880, 2 Bde.);

Dixon, History of the Church of England from the abolition of the Roman jurisdiction (1878-80, 2 Bde.).