Gemeindeausschuß | eLexikon | Rechtswissenschaft - Verwaltung - Korporationen
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Sat Nov 19 1808
Gemeinde
(Kommune), im allgemeinen Bezeichnung für jedes räumlich begrenzte Gemeinwesen, namentlich Gemeinwesen politischer Art. Doch werden auch Vereinigungen zu andern Zwecken und auf andern Gebieten nicht selten als Gemeinden bezeichnet, wie man denn z. B. von einer akademischen Gemeinde, als der korporativen Vereinigung des akademischen Lehrkörpers und der studierenden Jugend, zu sprechen pflegt. In der Regel versteht man jedoch unter Gemeinde das politische Gemeinwesen, welches innerhalb des Staatsgebiets und für einen bestimmten Teil desselben zur Förderung und Verwirklichung örtlicher Gemeinzwecke besteht.
Spricht man von Gemeinde schlechthin, so ist damit die politische Ortsgemeinde, d. h. dasjenige Gemeinwesen, welchem die Verwirklichung politischer Aufgaben in der kleinsten örtlichen Begrenzung obliegt, gemeint. Diese räumliche Begrenzung unterscheidet die Gemeinde wesentlich von dem Staate, der ein mehr oder weniger großes Gebiet umfaßt. Dazu kommt, daß der Staat alle politischen Aufgaben in den Bereich seiner Thätigkeit zieht, während die Gemeinden als Unterabteilungen des Staatsganzen nur mit gewissen politischen Aufgaben befaßt sind. In dieser Hinsicht erscheint die Gemeinde als ein Bezirk der staatlichen Lokalverwaltung.
Den Gemeinden ist insbesondere die Ortspolizei übertragen, abgesehen von den größern Stadtgemeinden, für welche besondere staatliche Polizeiverwaltungen (Polizeipräsidien) bestehen. Sodann ist den Gemeinden die Verwaltung des öffentlichen Schulwesens, namentlich des Volksschulwesens, in gewissem Umfang überlassen. Die Gemeinde ist ferner das hauptsächlichste Organ der Armenpflege. Die Krankenversicherung der Arbeiter ist ihr subsidiär übertragen.
Dazu kommen die Fürsorge für den Wegebau und für sonstige gemeinnützige Anstalten, die Verpflichtung zu Kriegs- und Friedensleistungen für die bewaffnete Macht, das Gewerbewesen und die zahlreichen Angelegenheiten, welche mit der örtlichen Polizeiverwaltung zusammenhängen. Auf der andern Seite hat die Gemeinde als die Grundlage des Staats aber auch einen wirtschaftlichen Charakter. Sie stellt sich als ein Gemeinwesen zur Förderung gemeinsamer Vermögensinteressen der Gemeindeangehörigen dar, indem sie, als juristische Person mit gemeinsamem Vermögen, vielfach auch besondere Gemeindeunternehmungen ins Leben ruft und unterhält (s. Gemeindehaushalt).
Geschichtskarten von D
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Deutschland.Dies schließt nicht aus, daß innerhalb einer Gemeinde noch besondere Korporationen mit gesonderter Vermögensverwaltung bestehen. Insbesondere haben sich in Deutschland [* 4] Überreste der alten Markgemeinden erhalten, welch letztere gemeinsames Land gemeinschaftlich besaßen und bewirtschafteten. So erklärt sich in manchen Gegenden und in einzelnen Gemeinden der Unterschied zwischen der politischen Gemeinde und einer Allmand-, Alt-, Nutzungs-, Realgemeinde etc., indem die letztere diejenigen Flurgenossen umfaßt, welche in ausschließlicher Weile an dem Vermögen dieser Sondergemeinden beteiligt sind (s. Allmande).
Kreiden - Kreis
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Kreis.Aber auch da, wo solche Sondergemeinden nicht bestehen, sind nur die eigentlichen Gemeindebürger zur Teilnahme an den vermögensrechtlichen Gemeindenutzungen berechtigt, und so besteht der wichtige Gegensatz zwischen der Bürgergemeinde und der Einwohnergemeinde, zu welch letzterer außer jenen Berechtigten alle sonstigen Personen gehören, die sich in dem betreffenden Gemeindebezirk niedergelassen haben. Zur Erfüllung jener staatlichen Aufgaben reichen indessen auf manchen Gebieten die Kräfte der Einzelgemeinde nicht aus, und ebendarum erscheinen die vielfach bestehenden Gemeindeverbände für besondere Zwecke, wie die Kirchen- und Schulgemeinden, Wege-, Armen-, Deichverbände etc., als gerechtfertigt. Zu der politischen Einzelgemeinde aber treten die Kommunalverbände höherer Ordnung hinzu, wie sie sich insbesondere in der preußischen Dreiteilung in Provinz, Bezirk und Kreis [* 5] darstellen (s. Kreis).
Auch zur Ausübung der Ortspolizei bestehen in Preußen [* 6] besondere Gemeindeverbände, indem für die sogen. Amtsgemeinde zu ebendiesem Zweck ein Amtsvorsteher (s. d.) bestellt ist. Analoge Einrichtungen wie die preußischen Kommunalverbände bestehen übrigens auch in den meisten andern deutschen Staaten. Die politische Ortsgemeinde deckt sich räumlich nicht immer mit einer einzelnen Ortschaft. Sie kann vielmehr mehrere Dörfer, Vororte, Weiler, Höfe etc. mit umfassen; sie kann ferner einfach oder zusammengesetzt sein. So werden in großen Gemeinden Bezirke mit einer gewissen korporativen Selbständigkeit abgegrenzt, während umgekehrt mehrere kleinere Gemeinden ohne Aufhebung ihrer Sonderpersönlichkeit für gewisse kommunale Zwecke zu einer Samtgemeinde vereinigt sind. Dies ist namentlich in Rheinland und Westfalen [* 7] der Fall, wo das platte Land aus der französischen Zeit her in Bürgermeistereien und Ämter organisiert ist. Der wichtige Unterschied zwischen Stadt- und Landgemeinde hat sich im Lauf der Zeit wesentlich abgeschwächt (s. Bürger); manche Gesetzgebungen kennen übrigens in den Märkten oder Flecken auch noch eine Zwischengattung zwischen Stadt- und Landgemeinde.
Glied (künstliches)
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Glied.Während die in dem modernen Staatswesen eine Doppelstellung einnimmt, insofern sie Grundlage und Glied [* 8] eines höhern Organismus (des Staats) und zugleich ein Organismus für sich ist, fiel im Altertum der Begriff des Staats mit demjenigen der Gemeinde zusammen. Bei den Griechen und Römern war die Stadt zugleich ein Staat. Später, nachdem sich das römische Stadtwesen eine Weltherrschaft errungen hatte, war von der Entwickelung eines Gemeindewesens in unserm Sinne nicht mehr die Rede.
Gemeinde (Gesetzgebung
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Seite 7.65.Dagegen beruht bei den germanischen Völkern alle staatliche Organisation auf der Gemeinde. Es währte geraume Zeit, bis sich Einzelgemeinden zu einer Volksgemeinde zusammenfanden und Völkerbündnisse die Anfänge eigentlicher Staatsbildungen wurden. In den ersten Zeiten des Mittelalters bestand in Deutschland ein freies Gemeindewesen, bis die Entwickelung des Lehnswesens und des Patrimonialsystems die Freiheit der Landgemeinden mehr und mehr beseitigte (s. Bauer). Zu hoher Blüte [* 9] entfaltete sich auf der andern Seite das mittelalterliche Städtewesen, indem die Städte fast durchweg nur einer monarchischen Schutzherrschaft, sei es des Kaisers oder einzelner Landesfürsten, unterworfen, im wesentlichen aber freie Gemeinwesen waren. Die Schwäche des Kaisertums und das Erstarken der ¶
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Landeshoheit der Dynasten untergruben jedoch die städtische Freiheit und Gemeindeselbständigkeit. Dieselbe Erscheinung findet sich auch in andern Staaten des europäischen Kontinents, während in England die historische Gemeindefreiheit, unbeschadet der Entwickelung eines zentralen Staatswesens, gewahrt wurde. Am weitesten ging die staatliche Zentralisation in Frankreich, woselbst die Gemeinde lediglich zu einem staatlichen Verwaltungsbezirk herabsank, eine Erscheinung, welche auch auf die angrenzenden westdeutschen Landschaften nicht ohne Einfluß bleiben konnte. Gleichwohl boten in Deutschland die alten Gemeindeverfassungen die Grundlage und die Möglichkeit zu einer Neubelebung des Bürgertums dar, und auf der Basis der Gemeinde baute sich eine neue staatliche Organisation auf, die Verjüngung des deutschen Gemein- und Gemeindewesens. Für die Emanzipation der Gemeinde war namentlich die preußische Städteordnung des Freiherrn vom Stein (vom 19. Nov. 1808) bahnbrechend.
Hebriden, Neue - Hebun
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Hebung.Von dieser hochwichtigen Schöpfung datiert die freiheitliche Entwickelung des deutschen Bürgertums in Preußen und in Deutschland, die Hebung [* 11] des deutschen Gemeindewesens durch die ihm verliehene Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Seitdem hat das deutsche Gemeindewesen je nach der Ab- oder Zunahme der politischen Reaktion Perioden des Obsiegens oder der Unterdrückung durchgemacht. Die Bewegung des Jahrs 1848 machte sich auch auf diesem Gebiet geltend.
Die verschiedenen Strömungen im politischen Leben der Nation haben auf die Gemeindegesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten den merkwürdigsten Einfluß ausgeübt. Die deutsche Gemeindegesetzgebung ist daher nichts weniger als eine einheitliche, und gerade in dem größten deutschen Staat fehlt es an einer einheitlichen Gemeindeordnung. Insbesondere haben in Preußen die sieben östlichen Provinzen keine vollständige Landgemeindeordnung, nur eine Ergänzung des allgemeinen Landrechts und provinzieller Gesetze und Herkommen durch ein Gesetz vom 14. April 1856, das aber durch die Kreisordnungen von 1872, 1884, 1885 und 1886 mannigfach modifiziert ist.
Rheinprovinz
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Rheinprovinz.In den Städten der alten Provinzen (mit Ausnahme von Vorpommern und Rügen) gilt die Städteordnung vom 30. Mai 1853; in Westfalen gelten die Städte- und die Landgemeindeordnung vom 19. März 1856; in der Rheinprovinz [* 12] besteht für die größern Städte das Gesetz vom 15. Mai 1856, für die andern Gemeinden die Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 mit einigen Änderungen. Neuere Gemeindeordnungen haben Schleswig-Holstein [* 13] (14. April 1869) und die Stadt Frankfurt [* 14] a. M. (25. März 1867). Das Bedürfnis einer allgemeinen Landgemeindeordnung tritt in Preußen immer mehr zu Tage. In freisinnigem Geist sind abgefaßt die Gemeindeordnungen für Bayern, [* 15] 29. April 1869, Sachsen, [* 16] Städteordnung vom 24. April 1873, Baden, [* 17] 1870 u. 1874, Oldenburg, [* 18] 29. April 1831 und 12. Aug. 1833, und das österreichische Gemeindegesetz vom 5. März 1862. Frankreich dagegen hat seit 1872 in der Gesetzgebung noch weitere Rückschritte gemacht, da jetzt die Gemeindevorsteher (maires) ganz unter die Gewalt der Staatsregierung gestellt sind.
Die Bildung einer Gemeinde kann nur mit staatlicher Genehmigung erfolgen; in Baden, Braunschweig [* 19] und andern Ländern ist sogar ein Gesetz hierzu erforderlich. Die Gemeindeangehörigkeit, welche im weitesten Sinn in dem Recht besteht, an den öffentlichen Gemeindeanstalten teilzunehmen, Unterstützungswohnsitz zu erwerben, und in der Pflicht, die Gemeindelasten mit zu tragen, ist entweder die von Rechts wegen eintretende Folge der unter bestimmten polizeilichen Voraussetzungen jedem gestatteten Niederlassung, oder sie wird durch Aufnahme erworben, welche jedoch seit dem Freizügigkeitsgesetz vom 1. Nov. 1867 nur unter genau bestimmten Voraussetzungen, z. B. wegen Nahrungsunfähigkeit, verweigert werden darf (s. Freizügigkeit).
Hessen
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Hessen.Mit der Gemeindeangehörigkeit ist aber nicht immer auch das sogen. aktive Bürgerrecht (Ortsbürgerrecht, Gemeinderecht) gegeben, d. h. das Recht, in Gemeindeangelegenheiten abzustimmen, zu wählen und gewählt zu werden und am Gemeindevermögen teilzunehmen; vielmehr knüpfen viele Gemeindegesetze das aktive Bürgerrecht an die Aufnahme durch die Gemeindebehörde und die Aufnahmeberechtigung an gewisse Bedingungen, z. B. Heimatsrecht oder zweijährigen Wohnsitz in der Gemeinde, verbunden mit Steuerzahlung. In manchen Ländern kann die Gemeinde für die Verleihung des Bürgerrechts auch eine Abgabe (Bürger-, Einzugs-, Nachbargeld) erheben, so in Sachsen, Hessen, [* 20] einigen thüringischen Staaten und im rechtsrheinischen Bayern.
Für die Teilnahme an dem Bürgernutzen (Allmande) muß meistens noch ein besonderes Einkaufsgeld bezahlt werden. Wo diese Teilnahme an den Besitz von Grundstücken gebunden ist, bleibt dies Verhältnis unberührt. In Preußen, Baden und in der bayrischen Pfalz besteht das System, wonach unter den gesetzlichen Voraussetzungen das Gemeinderecht durch bloße Niederlassung und Aufenthalt im Gemeindebezirk erworben wird ohne besondere und ausdrückliche Aufnahme in den Gemeindeverband.
Nach der preußischen Städteordnung ist das Bürgerrecht die Folge der Gemeindeangehörigkeit, wofern letztere ein Jahr gedauert hat, mit preußischer Staatsangehörigkeit, Selbständigkeit und einem Alter von 24 Jahren verbunden ist und entweder der Besitz eines Wohnhauses, oder der selbständige Betrieb eines Nahrungsgewerbes, oder eine bestimmte Steuerveranlagung, oder doch ein entsprechendes Einkommen hinzutritt. In den preußischen Landgemeinden besteht für die westlichen Provinzen dasselbe System, während in den östlichen Provinzen die besondern Ortsstatuten maßgebend sind. Im rechtsrheinischen Bayern ist zur Erwerbung des Gemeinderechts befähigt jeder volljährige und selbständige, in der Gemeinde besteuerte Einwohner, berechtigt jeder Befähigte, welcher in der Gemeinde entweder das Heimatsrecht besitzt, oder zwei Jahre gewohnt und Steuern bezahlt hat, ohne Armenunterstützung empfangen zu haben oder sonst unwürdig zu sein; verpflichtet endlich zur Erlangung des Gemeindebürgerrechts ist jeder Befähigte, welcher seit fünf Jahren in der Gemeinde wohnt und zu einem bestimmten Steuersatz veranlagt ist. Die Staatsangehörigkeit ist in allen Staaten Voraussetzung des Erwerbs des Bürgerrechts. Frühere Einteilungen der Bürger in ungleich berechtigte Klassen, wie Groß- und Kleinbürger, Voll- und Schutzbürger u. dgl., sind fast allenthalben hinweggefallen.
Gemeindeabgaben - Geme
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Seite 7.66.Die Gemeindeverfassung ist in den verschiedenen Staaten und in den einzelnen Landesteilen der größern Staaten eine außerordentlich verschiedene; auch fehlt es zum Teil an einer scharfen Unterscheidung zwischen der Gemeindeverwaltung, d. h. zwischen den vollziehenden, und der Gemeindevertretung, den beschließenden Organen der Gemeinde. Die Verwaltung der Gemeinde repräsentiert der Gemeindevorstand, sei es ein einzelner Gemeindevorsteher (Bürgermeister, Schulze, ¶
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Schultheiß, Richter, Vogt), sei es ein Kollegium (Magistrat, Gemeinderat, Stadtrat). In dem ersten Fall stehen dem Gemeindevorstand Beigeordnete, ein zweiter Bürgermeister, Dorfgeschworne oder Schöffen als Gehilfen zur Seite, so namentlich in den Landgemeinden Norddeutschlands. Der Gemeindevorstand wird regelmäßig von der Gemeindevertretung gewählt und zwar auf eine bestimmte Reihe von Jahren; zuweilen wird er jedoch auch von der Regierung ernannt.
In den östlichen Provinzen Preußens [* 22] ist das Schulzenamt mitunter mit dem Besitz eines gewissen Guts (Erbscholtisei) verbunden. Nach andern Gemeindeordnungen dagegen und insbesondere nach den meisten Städteordnungen hat der Gemeindevorstand eine kollegialische Verfassung. Der Bürgermeister, in den größern Städten vielfach durch das Prädikat »Oberbürgermeister« ausgezeichnet, hat hier nur die Stellung eines Vorsitzenden des Vorstandskollegiums, welches er auch in repräsentativer Hinsicht vertritt.
Sein Vertreter ist der zweite Bürgermeister oder Beigeordnete. Das Magistratskollegium besteht aus besoldeten und unbesoldeten Stadträten (Ratmannen), welche von der Stadtverordnetenversammlung regelmäßig auf eine bestimmte Reihe von Jahren gewählt werden und in der Regel der Bestätigung der Regierung bedürfen. In der Rheinprovinz dagegen besteht kein Kollegialsystem, sondern nach französischem Muster führt der Bürgermeister (Maire) mit den nötigen Gemeindebeamten die Gemeindeverwaltung. Regelmäßig ist der Ortsvorstand auch mit gewissen staatsobrigkeitlichen Funktionen betraut, so daß er insoweit, z. B. als Standesbeamter, Amtsanwalt, Polizeirichter u. dgl., als mittelbarer Staatsbeamter erscheint. Eine Gemeindegerichtsbarkeit besteht nur noch in ganz geringem Umfang (s. Gemeindegerichte).
Was die beratende und beschließende Gemeindevertretung anbetrifft, so ist es nur in kleinen Gemeinden die Gemeindeversammlung selbst, welche sich aus den stimmberechtigten Ortsnachbarn zusammensetzt, die in dieser Beziehung in Thätigkeit tritt. Nach manchen Gemeindeverfassungen besteht zwar eine repräsentative Gemeindevertretung, doch ist die Beschlußfassung über einzelne besonders wichtige Gemeindeangelegenheiten, z. B. über die Aufnahme von Schulden, der vollen Gemeinde vorbehalten.
Die Regel aber, namentlich in den Stadtgemeinden, bildet die Vertretung durch eine repräsentative Körperschaft (Stadtverordnetenversammlung, Gemeinderat, Stadtrat, Schöffenrat, Gemeindeausschuß, Bürgerausschuß, franz. Conseil municipal). Das Wahlsystem ist ein außerordentlich verschiedenes. Nach manchen Gemeindegesetzen werden Wählerklassen der Gemeindeangehörigen nach Maßgabe der Gemeindeumlagen gebildet, auch werden die Sonderinteressen der Grundeigentümer zuweilen besonders berücksichtigt.
Hessen-Nassau
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Hessen-Nassau.Die Gemeindevertretung wird nach bestimmten Grundsätzen periodisch erneuert, indem alljährlich eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern ausscheidet, um durch Neuwahl ersetzt zu werden. Die Regierung hat solchen repräsentativen Körperschaften gegenüber das Recht der Auflösung und der Anordnung von Neuwahlen. Der Stadtrat ist wenigstens in den größern Städten zumeist nach Art der parlamentarischen Versammlungen und nach dem Vorbild ihrer Geschäftsordnungen eingerichtet, so bezüglich der Redeordnung, der Stellung von Interpellationen und Anträgen, der Erörterung von Petitionen und der Beratung und Feststellung des Gemeindehaushalts. In manchen Staaten und Landschaften aber hat der Gemeinderat in Verbindung mit dem Gemeindevorstand zugleich die Funktionen einer Verwaltungsbehörde, so in der Rheinprovinz, Hessen-Nassau, [* 23] Pfalz und in einigen Thüringer Staaten. In Sachsen kann durch Ortsstatut die Bildung eines Gemeinderats durch Zusammenfassung der beiden sonst getrennten Körperschaften, Stadtrat und Stadtverordnetenversammlung, erfolgen.
In den östlichen Provinzen Preußens bestehen gemischte, aus Magistrat und Stadtverordneten zusammengesetzte Verwaltungsdeputationen neben den besoldeten Fachbeamten, welche nebst den ihr Amt als Ehrenamt verwaltenden Bezirksvorstehern und ähnlichen Funktionären im Kommunaldienst thätig sind. Die Gemeinde ist eine juristische Person mit selbständiger Vermögensverwaltung und mit dem Recht, Abgaben zu Gemeindezwecken zu erheben (s. Gemeindehaushalt).
Nach den neuern Gesetzen sind die Gemeinden selbständig, d. h. sie beschließen ohne staatliche Kontrolle über ihre Angelegenheiten; nur in wichtigen Angelegenheiten (Veräußerungen von erheblichem Betrag, Teilung von Gemeindevermögen, Festsetzung außerordentlicher Umlagen, Aufnahme von Kapitalien) tritt die staatliche Oberaufsicht ein. Dagegen ist fast überall die Autonomie der Gemeinde, d. h. das Recht, für sich und ihre Bürger besondere Rechtssätze aufzustellen, weggefallen unbeschadet des Rechts, innerhalb des Rahmens der bestehenden bürgerlichen Gesetzgebung durch Ortsstatuten, die freilich in der Regel von der Aufsichtsbehörde genehmigt sein müssen, allgemein verbindliche Anordnungen für die Gemeindeangehörigen nach Maßgabe der diesbezüglichen Gesetzesnormen zu erlassen.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts: v. Möller, Preußisches Stadtrecht (Bresl. 1864);
Derselbe, Landgemeinden und Gutsherrschaften nach preußischem Recht (das. 1865);
Stolp, [* 24] Deutsche [* 25] Ortsgesetze (Berl. 1871-85, Bd. 1-15);
Stengel, [* 26] Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts (Stuttg. 1886);
Staas, Der Gemeindevorsteher (6. Aufl., Frankf. a. O. 1877);
Stein, Handbuch für preußische Amtsvorsteher (5. Aufl., Grünb. 1881);
Otte, Der preußische Gemeindevorsteher (5. Aufl. von Brandt, Halle [* 27] 1883);
Stadelmann, Die Gemeindeverfassung des Königreichs Bayern (5. Aufl., Bamb. 1884, 2 Bde.);
Bosse, Leitfaden für die Gemeindevorstände des Königreichs Sachsen (5. Aufl., Leipz. 1884);
Weinheimer, Die württembergische Gemeindeverwaltung (Stuttg. 1880);
Wielandt, Badisches Gemeinderecht (2. Aufl., Heidelb. 1883);
»Deutsche Gemeindezeitung« (hrsg. von Stolp, 25. Jahrg., Berl. 1886).