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Gemmen | eLexikon | Bildende Künste - Steinschneidekunst

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Gemmen

Gemmen und Kameen

Bild 7.74a: Gemmen und Kameen
* 2 Gemmen.

[* 2] (Gemmae, hierzu die Tafel »Gemmen und Kameen«, mit Textblatt), Edelsteine [* 3] im allgemeinen, dann geschnittene Steine. Gemmen im engern Sinne nennt man solche Edelsteine, in welche das Bild vertieft geschnitten ist (intaglio), und Kameen (cammeo) solche, auf welchen das Bild sich in erhabener Arbeit (en relief) befindet. In neuerer Zeit nennt man auch für den Galanteriewarenhandel angefertigte Muscheln [* 4] mit erhaben geschnittenem Bildwerk Kameen und Gemmen. Die Gemmen dienten ursprünglich nur zum Abdrücken in Wachs etc. und wurden meist in Siegelringen getragen, während Kameen zum Besetzen von Knöpfen, Spangen, Ringen, dann von Pokalen, Waffen, [* 5] Kandelabern, Götterbildern etc. dienten. In Zeiten des Verfalls der Kunst verwendete man aber auch die in ähnlicher Weise.

Berlin

Bild 2.752a: Berlin
* 6 Berlin.

Die Fertigkeit, Edelsteine künstlich zu schneiden, war schon im Altertum bekannt. Nach einem Bericht des Herodot trug jeder Babylonier einen Siegelring, deren sich auch in Menge erhalten haben (s. Tafel, [* 1] Fig. 2 und 6). Im Museum zu Berlin [* 6] befinden sich Mumien, an deren Fingern noch Siegelringe stecken. Bekannt ist der sagenhafte Siegelring des Polykrates. Seit den Perserkriegen wurde auch in Griechenland [* 7] das Wohlgefallen an Siegelringen ziemlich allgemein. Man benutzte dazu fast alle damals bekannten, meist orientalischen Ganz- und Halbedelsteine, für die Gemmen einfarbige, durchsichtige, aber auch fleckige, wolkige Steine, von eigentlichen Edelsteinen fast nur Amethyst und Hyacinth, dagegen viele halbedle Steine, besonders die mannigfachen Achate, darunter den sehr beliebten Karneol, den Chalcedon, auch das Plasma des Smeraldo.

Für Kameen (s. d.) bevorzugte man mehrfarbige Steine, wie den aus rauchbraunen und milchweißen Schichten bestehenden Onyx, den Sardonyx, der noch eine dritte Schicht von Karneol besaß, und andre aus dem Orient eingeführte Steinarten, indem man die dunkelste Schicht zum Hintergrund, die hellern zur Kolorierung des Reliefbildes benutzte. Von griechischen Steinschneidern sind uns nur wenig Namen bekannt, und auf diese können wir die uns erhaltenen Steine nicht mehr zurückführen; wo ihre Namen auf Gemmen vorkommen, sind sie häufig in neuerer Zeit in betrügerischer Absicht hinzugefügt.

Vgl.   die Liste in Brunns »Geschichte der griechischen Künstler«, Bd. 2, S. 441 ff. Als der ausgezeichnetste gilt Pyrgoteles, dem allein Alexander d. Gr. gestattete, sein Bild zu schneiden.

Die künstlerische Entwickelung des Gemmenschnittes (Glyptik) richtete sich nach der Entwickelung der griechischen Plastik überhaupt. Neben Porträten und symbolischen Darstellungen mit Bezug auf den Namen und den Beruf des Trägers des Ringes, wohl auch mit Rücksicht auf die Eigenschaft des Steins als Amulett, wurden auch Darstellungen berühmter Kunstwerke, hochverehrter Götterbilder und Ähnliches in Stein geschnitten. Auch im alten Etrurien stand die Glyptik in hoher Blüte. [* 8] Es sind uns noch eine große Anzahl etruskischer Gemmen, meist in Form von Käfern (Skarabäen), [* 9] zum Teil von ausgezeichneter Arbeit, erhalten (s. Tafel, [* 1] Fig. 3).

In Rom [* 10] war die Sitte, Siegelringe zu tragen, seit der letzten Zeit der Republik ganz allgemein geworden, die Vorliebe für geschnittene Steine artete hier bald in Leidenschaft aus. Kunstliebhaber legten große Sammlungen von

[* 1] ^[Abb.: Gemmen aus Pompeji. [* 11] Artemis. [* 12] Perseus.] [* 13]

^[Abb.: Kameen (Neapel). [* 14] Dionysos. [* 15] Pan [* 16] mit dem jungen Dionysos.]


1. Altindische Gemme. [* 18]

2. Babylonisch-persische Cylindergemme.

3. Etruskische Gemme.

4. Griechische Kamee von Athenion.

5. Altgriechische Cylindergemme.

6. Assyrische Cylindergemme.

7. Persische Gemme.

8. Abraxasgemme. [* 19]

9. Etruskischer Glasfluß.

10. Ägyptische Kamee.

11. Griechische Gemme von Aspasios.

12. Ägyptischer Skarabäus.

13. Griechische Kamee.

14. Römisch-altchristliche Gemme.

15. Cameo Gonzaga.

16. Ägyptische Gemme.

17. Kamee des Tiberius.

18. Siegel des Michelangelo.

19. Kamee zu Berlin.

20. Gotische Gemme.

21. Gemme von Gemmen Pichler.

22. Gemme von Cerbara.

23. Gemme von Marchant.

24. Gemme von Nassaro.

25. Italienische Gemme.

26. Byzantinische Gemme.

27. Gemme von Calandrelli.

28. Gemme von Gemmen Pichler.

29. Gemme von A. Pichler.

30. Muschel-Kamee von Coldoré.

31. Gemme von Guay.

32. Gemme von Brown.

33. Gemme von Jeuffroy.



Gemmi - Gemsbart

Bild 7.75: Gemmi - Gemsbart
* 20 Seite 7.75.

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Gemmen (Daktyliotheken, s. d.) an. Pompejus brachte die Daktyliothek des Königs Mithridates nach Rom und stellte sie in einem Tempel [* 21] auf. Julius Cäsar stiftete sechs Daktyliotheken in dem Tempel der Venus Genitrix. Man trieb nun großen Luxus mit Gemmen, besetzte damit sogar Kleider, Gefäße, Kandelaber [* 22] und Geräte aller Art. Der bedeutendste Gemmenschneider dieser Zeit war Dioskurides. Damals entstanden auch die sehr großen, überaus kostbaren Kameen, die jetzt in den Sammlungen zu Wien, [* 23] Paris, [* 24] Petersburg [* 25] u. a. aufbewahrt werden. Die berühmtesten sind: der schon in alexandrinischer Zeit entstandene Cammeo Gonzaga in Petersburg (s. Tafel, [* 20] Fig. 15), die Gemma Augustea mit der Darstellung der Familie des Augustus in Wien, der Pariser Cammeo mit demselben Gegenstand (s. Tafel, [* 20] Fig. 17) und der niederländische mit der Familie des Claudius im Haag. [* 26] Man fertigte selbst ganze Gefäße aus Edelstein und versah sie mit künstlerisch ausgebildeten Reliefs, wovon die hervorragendsten Beispiele das Mantuanische Gefäß (s. d.) in Braunschweig, [* 27] die Farnesische Schale aus Sardonyx in Neapel u. ein Becher [* 28] in Paris sind.

Glas (Öfen für Holzfeu

Bild 7.385: Glas (Öfen für Holzfeuerung)
* 29 Glas.

Antike Gemmen aller Art, auch antike Nachbildungen derselben in Glas, [* 29] sogen. Pasten, oft von vorzüglicher Arbeit, sind uns noch in sehr großer Anzahl erhalten. Zu Ende der römischen Kaiserzeit artete die Glyptik aus, wurde roh und diente häufig dem Aberglauben. Im Mittelalter verlor sich die Kunst beinahe, und erst gegen das Ende desselben erwachte zunächst in Italien [* 30] das Interesse für antike Münzen [* 31] und Gemmen wieder. Es entstanden damals die Grundlagen der noch heute bestehenden großen Sammlungen im Besitz des italienischen Adels und in den Museen zu Berlin, Wien, Petersburg, Paris, London, [* 32] Florenz, [* 33] Neapel, Gotha, [* 34] Dresden, [* 35] Kassel, [* 36] Kopenhagen, [* 37] Haag.

Giovinazzo - Gips

Bild 58.13: Giovinazzo - Gips
* 39 Gips.

Die Liebhaberei dafür war besonders im 18. Jahrh. weit verbreitet. Damals entstand die große Sammlung des Barons Ph. v. Stosch (s. d.), welche nachmals an das Berliner [* 38] Museum überging; ferner die Sammlung des Herzogs von Marlborough, die 1875 für 35,000 Guineen (735,000 Mk.) an den englischen Kohlenbergwerksbesitzer David Bronslow überging. Auch Kopien der in Glas und Abdrücke in Schwefel, Gips [* 39] etc. wurden gefertigt und fleißig gesammelt. Am bekanntesten sind die Lippertschen Abdrücke, welche unter dem Namen Lippertsche Daktyliothek (3000 Abdrücke) noch heute benutzt werden.

Daneben sind die Abdrücke von Tassie (Katalog von Raspe, 1792) und die »Impronte gemmarie del Istituto archeologico di Roma« [* 40] hervorzuheben. Mit dem Interesse für antike Gemmen entstand auch das Bedürfnis, sie nachzuahmen, woraus sich dann allmählich ein neuer Kunstzweig entwickelte, welcher im 16. Jahrh. zu hoher Blüte gelangte. Die bedeutendsten Gemmenschneider des »Cinquecento« sind: Vittorio Pisano, Compagni, Caradosso, Giovanni delle Carneoli, Marmitta Vater und Sohn, Belli, Daniel Engelhart und etwas später Caraglio, Cesari, Mondella, Nassaro [* 20] (Fig. 24), Pescia, Saracchi, Trezzo, Coldoré [* 20] (Fig. 30), Kilian und Schwaiger und im 17. und 18. Jahrh. Pilaja, Torricelli, Tortorino, Höfler, Antonio, Giovanni und Luigi Pichler [* 20] (Fig. 21, 28 u. 29), Amastini, Cades, Cerbara [* 20] (Fig. 22), Costanzi, Santarelli, Dorsch, Hecker, Natter, Brown [* 20] (Fig. 32), Busch, Marchant [* 20] (Fig. 23), Guay [* 20] (Fig. 31), Jeuffroy [* 20] (Fig. 33), Berini, Morelli, Girometti und Calandrelli [* 20] (Fig. 27). Im Anfang unsers Jahrhunderts hatten besonders Goethe, dann Kestner in Rom, der Herzog von Luynes und der Herzog von Blacas eifrig antike Gemmen gesammelt.

Seitdem ist aber das Interesse für sie wesentlich erlahmt, trotz der wissenschaftlichen Anregung dazu, namentlich durch die Forschungen von Köhler und Brunn (»Geschichte der griechischen Künstler«, Bd. 2, S. 441 ff.). Doch ist noch in letzter Zeit eine bedeutende, über 1000 Gemmen von allen Völkern zählende Privatsammlung von Tob. Biehler (Baden [* 41] bei Wien) angelegt worden.

Vgl.   O. Müller, Handbuch der Archäologie (3. Aufl., § 313-315);

Frischholz, Lehrbuch der Steinschneidekunst [* 42] (Münch. 1820);

Krause, Pyrgoteles (Halle [* 43] 1856, woselbst auch fast die gesamte Litteratur über Kunde antiker Gemmen angegeben ist);

King, Antique gems and rings (3. Aufl., Lond. 1872);

Derselbe, Handbook of engraved gems (2. Aufl., das. 1885);

Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 1 (Stuttg. 1875);

Kluge, Handbuch der Edelsteinkunde (Leipz. 1860).