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Geselle | eLexikon

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Geselle

(ursprünglich Saal-, Hausgenosse, dann Verbrüderter, Gefährte) ist die übliche Bezeichnung für gelernte Lohnarbeiter in gewerblichen Unternehmungen im engern Sinn (Handwerks- und industriellen Unternehmungen), im Gegensatz zu ungelernten Arbeitern und Lehrlingen. Gesellen sind Arbeiter, deren Leistungen eine besondere Ausbildung, welche nur durch regelmäßigen Fachunterricht, die sogen. Lehre, [* 2] erworben werden kann, erfordern. Der Name Geselle für gelernte gewerbliche Lohnarbeiter ward in Deutschland [* 3] erst üblich, als diese, bis dahin Knechte genannt, zu einem besondern Arbeiterstand wurden und (im 15. Jahrh., vereinzelt auch schon im 14. Jahrh.) nach dem Vorbild der Zünfte eigne Gesellschaften (Gesellenschaft, Gesellenbrüderschaft mit besondern Statuten, Vorständen, Beamten und Kassen) bildeten, welche nicht mehr, wie die alten Brüderschaften, nur für religiöse und gesellige Bedürfnisse und für die Unterstützung von armen und kranken Knechten sorgten.

Diese Gesellenverbände suchten die Interessen ihrer Mitglieder nach allen Richtungen zu fördern, sie waren gesellige Vereine und Hilfskassen, sie wahrten Ehre und Sitte des Gesellenstandes durch genossenschaftliche Überwachung und Gerichtsbarkeit, sie waren insbesondere aber auch, und das war ein Hauptzweck, wie die heutigen Gewerkvereine bestrebt, die Mitglieder in ihren Arbeits- und Erwerbsverhältnissen gegen Willkür und Egoismus der Arbeitgeber zu schützen, und führten zu diesem Zweck auch planmäßige Koalitionen und Arbeitseinstellungen herbei (s. darüber Geselle Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, Leipz. 1877). Bei der frühern strengen Scheidung des Gewerberechts nach Meistern, Gesellen und Lehrlingen war ein Rechtsbegriff.

Die Arbeits- und Erwerbsverhältnisse der Gesellen waren durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt und in den Zeiten gewerblicher Unfreiheit den mannigfachsten Beschränkungen unterworfen; überall war in der Regel eine bestimmte Lehrlingszeit und Gesellenprüfung vorgeschrieben. Die Beschränkungen sind nach Einführung der Gewerbefreiheit fortgefallen, in Deutschland allgemein erst nach der Gewerbeordnung von 1869, und das Wort Geselle ist kein Rechtsbegriff mehr.

Oesterreich ob der Enn

Bild 12.481a: Oesterreich ob der Enns
* 4 Österreich.

Rechtlich werden gelernte und ungelernte Arbeiter nicht mehr unterschieden (die auf sie bezüglichen Bestimmungen enthält für Deutschland der Titel 7 der Gewerbeordnung über »gewerbliche Arbeiter«, für Österreich [* 4] das 6. Hauptstück der Gewerbeordnung über »gewerbliche Hilfspersonale«). Aber im gewöhnlichen Leben und in der Wissenschaft wird jener Unterschied noch gemacht, und je nachdem gelernte Lohnarbeiter in sogen. Handwerksunternehmungen oder in industriellen Unternehmungen beschäftigt sind, unterscheidet man Handwerks- und Fabrikgesellen.

Die Lage der letztern und der Gesellen in andern großen gewerblichen Unternehmungen ist Gegenstand der »industriellen Arbeiterfrage« (s. d.), die der Handwerksgesellen im Klein- und Mittelgewerbe ist Gegenstand der sogen. Gesellenfrage, die ihrerseits einen Teil der Arbeiterfrage (s. d.) bildet. Die Verhältnisse dieser Arbeiterklasse sind aber nur in geringem Grad Gegenstand eines sozialen Problems, die Gesellenfrage tritt an Inhalt und Bedeutung weit hinter die landwirtschaftliche (s. d.) und die industrielle Arbeiterfrage zurück.

Vergleicht man die hier in Betracht kommenden Lohnarbeiter mit den industriellen, so ist ihre ganze ökonomische und soziale Lage eine wesentlich andre, viel günstigere. Vor allem schon dadurch, daß die Gesellenschaft für den größten Teil derselben nur eine Durchgangsstufe zum selbständigen Gewerbebetrieb ist und die meisten dieser Gesellen noch in jüngerm Lebensalter und unverheiratet sind. In den Unternehmungen überwiegt die Zahl der Arbeitgeber. Die Gesellen sind viel freier in der Wahl des Arbeitsorts, des Arbeitsvertrags und stehen auch dem letztern bei der Abrede der Bedingungen des Arbeitgebers (Arbeitszeit, Lohn, Arbeitsort) viel selbständiger gegenüber; von einer Übermacht derselben kann keine Rede sein.

Viel günstiger liegen auch die Verhältnisse bezüglich der Arbeitsart: die Arbeit ist weniger monoton, anstrengend und gesundheitsschädlich, der Geselle verrichtet in der Regel gleiche Arbeitsleistungen und in denselben Räumen wie der Arbeitgeber. Übermäßige Arbeitszeit kommt wider den Willen des Gesellen kaum vor. Leichter ist die Lohnabstufung nach den Leistungen (Akkordlöhnung, Prämien beim Zeitlohn), und was sehr wesentlich: keine soziale Kluft scheidet Arbeitgeber und -Nehmer, die letztern können sich durch Fleiß, Moralität, Wirtschaftlichkeit, ordentliche Ausbildung etc. eine selbständige befriedigende Existenz schaffen.



Gesellenvereine - Gese

Bild 7.228: Gesellenvereine - Gesellschaft
* 5 Seite 7.228.

Übelstände gibt es auch hier, aber diese sind mit Ausnahme der geringen Arbeitsfähigkeit, über welche oft geklagt wird, und welche die Folge einer schlechten Ausbildung und eines schlechten Zustandes des Lehrlingswesens (s. d.) ist, und des Mangels der Versicherung gegen Unfälle, Krankheit, Tod (bei Verheirateten) und Alter auf dem Weg der Selbst- und Gesellschaftshilfe zu beseitigen. Zu solchen Übelständen gehören moralische, wie geringer Arbeitsfleiß, geringes Streben, sich ordentlich auszubilden und durch Fleiß, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit vorwärts zu kommen, eine schlechte Verwendung der freien Stunden, insbesondere ein liederliches Wirtshausleben etc.; mit der Freiheit ist auch die Zuchtlosigkeit gewachsen, hat der Kontraktbruch zugenommen und die sozialdemokratische Agitation auch hier Anhänger gefunden. Diese moralischen Mißstände haben zum Teil ihre Ursache in dem schlechten Zustand des Lehrlingswesens, die Reform desselben wird auch da eine Besserung herbeiführen; im übrigen können hier helfend einwirken: Vereine der

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verschiedensten Art, welche sich die moralische Hebung [* 6] von Gesellen zur Aufgabe machen, Arbeiterbildungsvereine, an denen auch die Arbeitgeber sich beteiligen, Gesellen-, Handwerker- und Gewerbevereine, Innungen etc. Gegen den Übelstand, daß vom Lohn am Sonnabend Abend und Sonntag zu viel im Wirtshaus verbraucht und dann noch ein blauer Montag gemacht wird, ist das einfache Heilmittel: die Verlegung des Zahltags auf einen andern Wochentag als den üblichen Sonnabend.

Ein spezifischer Übelstand endlich, die Notlage wandernder Gesellen, welche keine Arbeit finden und keine Existenzmittel haben, ist zu heben, mindestens zu mildern durch Errichtung von Herbergen (s. d.), mit welchen Arbeitsnachweisungsbüreaus zu verbinden sind, seitens der Innungen oder andrer gewerblicher Korporationen oder durch entsprechende Organisation von Gesellenvereinen, event. durch gemeinnützige Vereine zur Unterstützung wandernder Gesellen. - Im Bergbauwesen heißen Gesellen die Teilhaber (Eigenlöhner) an einem gemeinschaftlichen sogen. Bau, sofern deren nicht über acht sind; der Bau einer solchen Gesellschaft heißt dann Gesellenbau, Gesellenzeche.