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Glied

Glied (künstliches)

Bild 58.75: Glied (künstliches)
* 2 Glied.

[* 2] (Articulus), ein einzelner, besonders beweglicher Teil des tierischen und menschlichen Körpers, namentlich die beiden obern und untern Gliedmaßen oder Extremitäten, im Gegensatz zum Kopf und zum Rumpf, auch ein einzelner Teil einer Gliedmaße, wie die Zehen, Finger u. s. w. Männliches Glied, s. Geschlechtsorgane.

Glied,

Hanc veniam etc. - Han

Bild 8.65: Hanc veniam etc. - Hand
* 3 Hand.

künstliches, auch Ersatzglied, Prothese, im allgemeinen jeder mechan. Apparat, der nach dem Verlust einer Extremität die physiol. Funktionen des betreffenden Teils mehr oder minder vollkommen zu ersetzen vermag. Das Bestreben, derartig Verstümmelten einen künstlichen Ersatz zu verschaffen, ist uralt. Schon im Altertum finden sich hierher gehörende Versuche erwähnt; so berichtet z. B. Plinius von einem röm. Ritter Marcus Sergius, daß er sich als Ersatz für seine im zweiten Punischen Kriege verlorene rechte Hand [* 3] eine künstliche Hand von Eisen [* 4] machen ließ, welche ihn vollkommen zu weiterm Kriegsdienst befähigt haben soll. Am bekanntesten ist die 1505 durch einen Waffenschmied verfertigte und noch heute im Schloß Jagsthausen gezeigte eiserne Hand des Ritters Götz von Berlichingen, die, vollkommen aus Stahl gefertigt und durch eine hohle Schiene am Vorderarm befestigt, nicht nur durch Druck an einem Knopf im Handgelenk gebeugt, sondern auch mit Hilfe der andern natürlichen Hand in allen Fingergelenken beliebig gebogen werden konnte, indem ein Stahlzapfen in ein in jedem Gelenk befindliches gezahntes Rad einsprang und so das in der gegebenen Lage feststellte.

Durch Druck auf einen andern Knopf sprangen die Finger mittels einer Feder in die gestreckte Stellung zurück. Da auch der Daumen einen ähnlichen sinnreichen Mechanismus besaß, so vermochte Götz sein Schwert vollkommen sicher zu führen. Ähnliche, wenn auch minder kunstreiche Vorrichtungen trugen der Seeräuber Horuk (1511), der Herzog Christian von Braunschweig [* 5] (1622), der Soldat La Violette (1761) u. a. In der neuern Zeit ist die Anfertigung künstlicher Gliedmaßen infolge der großen Fortschritte der Technik, der Einführung geeigneterer Materialien, wie des Kautschuks, des Hartgummis, des Aluminiums u. dgl., und infolge der fabrikmäßigen Herstellung, die besonders durch den amerik. Bürgerkrieg angeregt wurde, zu hoher Vollkommenheit gediehen.

Ein künstliches Glied soll im allgemeinen so konstruiert sein, daß es die Amputationsnarbe nirgends drückt und bei einem möglichst geringen Gewicht doch hinreichende Festigkeit, [* 6] Einfachheit und Dauerhaftigkeit besitzt. Ein jeder derartiger Apparat, so verschieden auch im übrigen seine Konstruktion sein

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mag, besteht aus drei Hauptbestandteilen, aus dem sog. Körper oder der Hülse, [* 8] die im allgemeinen die Form des verlorenen Glied nachahmt und genügend fest und dauerhaft sein muß, aus dem sog. Mechanismus, der die einzelnen Hülsenteile miteinander verbindet und durch Scharniergelenke, Metallfedern, [* 9] Kautschukstränge, Darmsaiten u. dgl. gewisse Stellungsveränderungen vermittelt, und aus den sog. Hilfsapparaten, denen die Befestigung des künstlichen Glied am Amputationsstumpfe obliegt.

[* 2] Figur 1:

Hinsichtlich der untern Extremität galt lange Zeit der Stelzfuß für das beste Ersatzmittel, ein hinreichend starker hölzerner Stiel, an dem eine Hülse befestigt ist, die zur Aufnahme des Amputationsstumpfes dient (s. beistehende [* 2] Fig. 1), und in der That erlangen viele Verstümmelte eine ganz außerordentliche Fertigkeit und Geschicklichkeit im Gebrauche ihres Stelzfußes; doch haben sich, ganz abgesehen von der Verunstaltung, die übermäßige Belastung des gesunden Fußes sowie die Notwendigkeit, beim Gehen mit dem Stelzfuß abnorme Drehbewegungen vorzunehmen, und die bei jungen Individuen hieraus entspringende Gefahr einer dauernden Verkrümmung der Wirbelsäule als schwerwiegende Nachteile herausgestellt.

Betuwe - Beugung des L

Bild 2.840: Betuwe - Beugung des Lichts
* 10 Beugung.

Das erste brauchbare künstliche Bein fertigte Pott in Chelsea (1816) für den Marquis von Anglesey an, wobei er zuerst einen besondern Mechanismus für die Beugung des [* 10] Knie- und Fußgelenks anbrachte. Dieses in England sehr verbreitete Anglesey-Pottsche Bein besteht aus einem Lindenholzkörper mit Stahlscharniergelenk, wiegt 3,70 kg und kostet ungefähr 35 Pfd. St. Die wichtigsten Verbesserungen sind: das Bein von Dr. Balmer in Amerika, [* 11] das sich durch einen außerordentlich sinnreichen und komplizierten Mechanismus auszeichnet, aber häufige Reparaturen erfordert (Preis 150 Doll.);

das Bein von William Selpho in Neuyork, [* 12] von andern künstlichen Beinen durch zweckmäßige Anbringung einer Fersensehne unterschieden (Preis 150 Doll.);

das Bein von Dr. Douglas Bly in Rochester, bei dem die Bewegungen nicht durch Metallfedern, sondern durch komprimierten Kautschuk hervorgebracht werden und dessen Sprunggelenk aus einem freibeweglichen Glaskugelgelenk besteht (Preis 175 Doll.);

das Bein von Prof. Esmarch mit sinnreichem Kniegelenkmechanismus, besonderer Federvorrichtung für Beugung des Kniegelenks und Streckung des Fußgelenks und sehr freiem Zehenmechanismus (Preis 150 M.);

das Bein von dem Amerikaner A. Marks, dessen aus Weichgummi bestehender Fuß mit dem Unterschenkel durch einen feststehenden Holzzapfen artikuliert und keinen Zehenmechanismus hat (Preis 100 Doll.) u. a.

[* 2] Figur 2:

Glas (Öfen für Holzfeu

Bild 7.385: Glas (Öfen für Holzfeuerung)
* 13 Glas.

Zur Veranschaulichung des innern Mechanismus von künstlichen Beinen diene [* 2] Fig. 2, einen Längsdurchschnitt durch das Bein von Douglas Bly in Rochester darstellend. Das Fußgelenk C wird durch eine Kugel von gut poliertem Glas [* 13] gebildet, die in einer Höhlung von festem vulkanisiertem Kautschuk sich dreht und so jede Bewegung gestattet, welche das natürliche Fußgelenk macht. l stellt eine von den vier Kautschukfedern dar, welche die Stelle der Muskeln [* 14] des natürlichen Beins vertreten und von starken Darmsaiten (D) durchbohrt werden, die sich nach abwärts an Stelle der natürlichen Sehnen erstrecken und in ihrer Spannung durch Schraubenmuttern (F) erhalten und reguliert werden.

Ruht nun beim Gehen das Gewicht des Körpers auf der Kugel des Fußgelenks C, so ist die Kautschukfeder, die den Wadenmuskel vertritt, stark zusammengedrückt, und wenn das Gewicht des Körpers nach vorn auf den andern Fuß geworfen wird, so hebt sich die Feder und bringt den Fuß nach vorwärts. Auf die gleiche Weise werden die Bewegungen des Kniegelenks durch die Kautschukfeder E und den Draht [* 15] H, die Bewegungen der Zehen durch die Feder O vermittelt; beschränkt und geregelt wird die Bewegung des Kniegelenks durch die Schnur A, die die Stelle der Kreuzbänder des natürlichen Kniegelenks vertritt.

Äußerst schwierig ist der künstliche Ersatz der obern Extremität, da es hier gilt, eine Reihe sehr zusammengesetzter und verwickelter Bewegungen zu ersetzen. Den ersten befriedigenden Apparat der Art stellte der Holländer van Peeterssen (1844) her, der ziemlich ausgiebige Fingerbewegungen dadurch ermöglichte, daß Darmsaiten, die mit dem einen Ende an den künstlichen Fingergliedern, mit dem andern an einem Korsett befestigt sind, durch Verkürzung bei verschiedenen Stellungen des Amputationsstumpfes einen Zug ausüben und dadurch den Widerstand von Federn, die sonst die Finger in beständiger Beugung erhalten, überwinden.

[* 2] Figur 3:



Glied (militärisch) -

Bild 58.76: Glied (militärisch) - Gliederfüßer
* 17 Seite 58.76.

Am kunstvollsten ist der von Charrière verfertigte künstliche Arm des Tenoristen Roger in Paris, [* 16] der durch einen ähnlichen Mechanismus nicht nur jede beliebige Beugung und Streckung der Finger, des Handgelenks und des Vorderarms, sondern auch durch Einschaltung einer rechtwinklig zur Achse des Arms stehenden festen Scheibe, an deren Rand die außerhalb des Oberarms verlaufenden Saiten angreifen, ergiebige Drehbewegungen (Pronation und Supination) der Hand und des Vorderarms gestattet. Weitere Vorrichtungen dieser Art rühren von

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Graf Beaufort, Béchard, Gremmel, Kolbe, Masters, Fichot u. a. her. Der Preis eines künstlichen Arms schwankt zwischen 100 und 225 M. Das Äußere eines solchen stellt [* 17] Fig. 3 dar, in der a den Amputationsstumpf des Oberarms, b die Hülse für den Oberarm, c das Scharniergelenk des Ellbogens, d die Hülse für den Vorderarm, e das drehbare Handgelenk, f die beweglichen Fingerglieder und g die Hilfsapparate zur Befestigung des künstlichen Arms am Oberkörper darstellt. Bei allen Verstümmelten, die schwere Arbeiten zu verrichten haben, muß die künstliche Hand zum Abnehmen eingerichtet sein, um je nach Bedarf an deren Stelle einen starken eisernen Haken (zum Heben, Tragen und Fortschaffen von schweren Lasten) oder eine federnde Greifzange (zum festen Greifen und leichtern Arbeiten) einhängen zu können.

Die Lehre [* 18] von der Herstellung und Anwendung künstlicher Glied wird als Prothesis bezeichnet.

Litteratur. Mechel, Die eiserne Hand des Götz von Berlichingen (Berl. 1815, mit 4 Tafeln);

Fritze, Arthroplastik oder die sämtlichen bisher bekannt gewordenen künstlichen Hände und Füße (Lemgo 1842, mit 26 Tafeln): Douglas Bly, Artificial legs and arms.

Remarkable inventions (Rochester 1860);

E. Meier, Über künstliche Beine (Berl. 1871, mit 24 Holzschnitten);

A. Daul, A. A. Marks' künstliche Glieder [* 19] mit Kautschukfüßen und -Händen (nach dem Amerikanischen, Philad. 1871);

O. Karpinski, Studien über künstliche Glieder, im Auftrag des königlich preuß. Kriegsministeriums bearbeitet (Berl. 1881, mit Atlas). [* 20]

Glied

Fechtart

Bild 6.87: Fechtart
* 21 Fechtart.

[* 2] (militär.), die Aufstellung einer Anzahl Fußgänger oder Reiter in einer Linie nebeneinander, sodaß die einzelnen Leute sich einander berühren (Fühlung haben) oder nur ein geringer Zwischenraum (etwa Handbreite) zwischen den Nebenleuten bleibt. Die Infanterie wird in zwei, die Kavallerie meist auch in zwei Gliedern rangiert. Die Entfernung zweier hintereinander stehenden Glieder nennt man Gliederabstand; derselbe ist in den verschiedenen Armeen sehr verschieden. Bei der Infanterie schwankt er zwischen 40 und 64 cm vom Rücken des Vorder- bis zur Brust des Hintermanns, vergrößert sich aber bei Märschen und den ohne Tritt ausgeführten Bewegungen auf 80 cm. Bei der Kavallerie beträgt der Abstand vom Schwanze des Vorder- bis zum Kopfe des Hinterpferdes 80–240 cm. In Bezug auf die im Laufe der Zeiten stetig abnehmende Gliederzahl s. Fechtart. [* 21]