peter-hug.ch

Hitzschlag | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Hitzschlag,

ein Komplex von Krankheitserscheinungen, welcher durch Einwirkung abnormer Wärme [* 2] unter gewissen Bedingungen den Körper befällt und so plötzlich auftreten kann, daß die Personen beim Hitzschlag wie von einem Schlage getroffen hinstürzen. Es ist zum Zustandekommen dieser Krankheit die Einwirkung direkter Sonnenstrahlen durchaus nicht notwendig, ja nicht einmal häufig; vielmehr wird durch letztere eine besondere, in unserm Klima [* 3] seltene Krankheit hervorgerufen, welche man als Sonnenstich (s. d.) bezeichnet.

Der menschliche Körper besitzt die Fähigkeit, die überschüssige Wärme, welche er besonders durch Muskelthätigkeit produziert, und welche bei stärkern Anstrengungen sehr bedeutend und für das Leben gefährlich werden kann, auf verschiedene Weise wieder abzugeben. Es geschieht dies einmal fortwährend durch Strahlung und dann besonders durch Verdunstung des Schweißes, welche, wenn sie ungehindert von statten geht, eine fortwährende Abkühlung des erhitzten Körpers bewirkt.

Ägypten etc

Bild 1.209a: Ägypten etc
* 4 Ägypten.

Der Hitzschlag entsteht nun, wenn bei starker Erhitzung des Körpers durch hohe Außentemperatur und starke Muskelthätigkeit diese Quellen der Abkühlung des Körpers behindert sind. Man beobachtet den am häufigsten bei Soldaten auf dem Marsch, und besonders haben einzelne Feldzüge, wie der Napoleons I. in Ägypten, [* 4] der nordamerikanische Bürgerkrieg, und verschiedene Manövermärsche durch massenhaftes Auftreten des Hitzschlags eine traurige Berühmtheit erlangt.

Ferner kommt der Hitzschlag nicht selten bei Heizern vor, welche in schlecht ventilierten Schiffsräumen der Glut des Feuers und der Außentemperatur bei angestrengter Arbeit ausgesetzt sind; auch bei Feldarbeitern tritt Hitzschlag zur Sommerszeit auf, und schließlich unterliegen häufig auch Tiere, wie Pferde, [* 5] Kamele [* 6] etc., bei Märschen dem Hitzschlag. Bei der Entstehung des Hitzschlags spielt die sogen. schwüle Luft eine Hauptrolle, nämlich eine Luft, welche keineswegs exzessiv heiß zu sein braucht, welche aber warm und stark mit Wasserdämpfen gesättigt ist, wie das meistens unmittelbar vor Gewittern oder in den Tropen vor der Regenperiode der Fall ist.



Hivernage - Hjort

Bild 8.581: Hivernage - Hjort
* 9 Seite 8.581.

In der Regel ist bei solchem Wetter [* 7] der Himmel [* 8] bewölkt, so daß direkte Sonnenstrahlen gar nicht in Betracht kommen. Eine solche wassergesättigte Luft ist für Schweißverdunstung durchaus ungünstig, da sie eben keine Feuchtigkeit mehr aufzunehmen vermag, dazu kommt dann meist eine absolute Windstille, so daß die Abkühlung durch Verdunstung auf der Hautoberfläche auf ein Minimum reduziert wird. Wenn dazu die Strapazen des Marsches, das Tragen der Gepäckstücke etc. die innere Körperwärme noch stark erhöhen, so wird der Schweiß zwar äußerst reichlich abgesondert, jedoch fließt er unverdunstet in Strömen am Körper herunter, das Herz wird aufs äußerste angestrengt, zumal dem Blute durch die reichliche Schweißsekretion eine große Flüssigkeitsmenge entzogen wird, wodurch es allmählich dicker wird; unter krampfartigem Stillstand der linken Herzkammer und starker Überfüllung aller

mehr

venösen Blutgefäße des Körpers stürzt der Kranke, wie vom Blitz getroffen, bewußtlos zusammen. Ehe jedoch dies schlimmste Endstadium auftritt, machen sich eine ganze Reihe von Krankheitserscheinungen bemerkbar, welche bei sorgsamer Beobachtung, besonders bei Truppenmärschen, die drohende Gefahr anzeigen. Zunächst erscheint der Kranke apathisch, teilnahmlos, und der Schweiß läuft in Strömen über Stirn und Brust, allmählich wird der Gang [* 10] unsicher, der Kranke taumelt umher, sieht besonders im Gesicht [* 11] gedunsen aus und stürzt demnächst, wenn nicht inzwischen Hilfe kommt, wie oben geschildert, bewußtlos um. Meist treten dann allgemeine Krämpfe auf, oder es kommt durch die starke Blutstauung zu Blutungen der Lunge, [* 12] Nase [* 13] etc., und sehr häufig ist der Tod die schnelle Folge dieses Zustandes.

Die Entstehung des Hitzschlags wird begünstigt, wenn der Körper durch Exzesse irgend welcher Art geschwächt ist, besonders wenn vorher reichliche Spirituosen getrunken sind, wenn die Strapazen sehr groß sind, die Kleidung, besonders die geschlossene Uniform, die Respiration und Transpiration behindert, und wenn die betreffende Person nicht reichlich zu trinken und auch zu essen hat. Naturgemäß ist in der Armee die Krankheit am häufigsten bei der Infanterie, da bei dieser zu den Strapazen des Marsches und dem Tragen der Ausrüstung noch das Marschieren in geschlossenen Kolonnen hinzukommt, wobei besonders in der Tiefe der Kolonnen der Staub und die Ausdünstungen, zumal bei windstillem Wetter, die Luft oft in unerträglicher Weise verderben.

Die wichtigste Behandlung des Hitzschlags besteht in geeigneter Prophylaxe, d. h. in möglichster Vermeidung der erwähnten Schädlichkeiten. Deshalb sollen an den heißen Tagen die Märsche, resp. ähnliche Strapazen möglichst in die kühlern Tagesstunden verlegt werden, der Soldat muß unterwegs den Kragen und die obern Rockknöpfe öffnen und muß in häufigern Rendezvous Gelegenheit haben, sich zu erholen. Das Wichtigste aber ist eine reichliche Wasserzufuhr des Körpers, und hierbei muß daran erinnert werden, daß der weitverbreitete Glaube an die Schädlichkeit des Trinkens von kaltem Wasser bei erhitztem Körper durchaus unbegründet ist. Im Gegenteil muß der Körper naturgemäß und notwendig einen Ersatz des enormen Wasserverlustes haben, welchen er durch das starke Schwitzen erleidet; nur muß der erhitzte Körper nach dem Wassertrinken wieder in Bewegung kommen, und das Wasser darf nicht in zu großen Quantitäten auf einmal getrunken werden.

Gleichheit - Gleichsch

Bild 58.69: Gleichheit - Gleichschritt
* 14 Gleichgewicht.

Durchaus schädlich jedoch und in der Armee streng verboten ist das Trinken von Spirituosen auf dem Marsch. Was die direkte Behandlung des Hitzschlags anbetrifft, so muß in den geschilderten ersten Stadien der Krankheit der Soldat schleunigst aus der marschierenden Truppe herausgezogen, an einem schattigen, kühlen Ort mit Wasser getränkt werden und durch Ruhe und Öffnen der Kleider der Körper wieder ins Gleichgewicht [* 14] gebracht werden. Ist der Kranke aber bereits hingestürzt, so muß man ihn so schnell wie möglich an einen kühlen Ort schaffen, alle Kleider öffnen und entfernen, den ganzen Körper in nasse Tücher schlagen, kalte Umschläge auf den Kopf machen und, wenn die Atmung stockt, die künstliche Atmung einleiten, auch Riech- und Reizmittel andrer Art anwenden. Auch wenn der Tod nicht eintritt, bleibt noch Gefahr vorhanden, daß der Betreffende geisteskrank wird, oder daß die Krankheit leicht einmal wiederkehrt.

Vgl.   Jacubasch, Sonnenstich und Hitzschlag (Berl. 1879).