Inzucht | eLexikon | Land- und Forstwirtschaft - Thierzucht - Viehzucht
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
Inzucht,
im allgemeinen die geschlechtliche Vereinigung unter (blutsverwandten) Gliedern derselben Abstammung bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Paarungen unter Menschen oder Tieren, welche in auf- oder absteigender oder in gleicher Linie miteinander verwandt sind, z. B. zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln oder zwischen Geschwistern, stellen die I. im engern Sinne oder beim Menschen Verwandtschafts- oder Inzestzucht dar (s. Blutschande); sind die Eltern Geschwisterkinder oder sonst näher verwandt, so wird Familienzucht getrieben, welche aber zur I. wird, sobald in der Folge nähere Verwandten zur Kopulation [* 4] gelangen.
Wenn die beiden Erzeuger derselben Herde, demselben Stamme oder Schlage (Rasse) angeboren, so spricht der Tierzüchter von I. im weitern Sinne; für größere Differenzen zwischen den Erzeugern wird die technische Bezeichnung Kreuzung gebraucht. Reinzucht fällt häufig mit I. zusammen, ist aber nicht ohne weiteres damit gleichbedeutend, da z. B. zwei in ihren Eigenschaften voneinander abweichende Tiere einer und derselben Rasse, Herde u. s. w. miteinander gepaart werden können, ohne daß zunächst (wegen dieser Verschiedenheit) Reinzucht stattfindet.
Über I. unter Menschen s. Verwandtschaft. In der Tierzucht greift man namentlich dort zur I., wo ganz bestimmte, nach irgend einer Nutzungsrichtung hin hervorragende Qualitäten in den Nachkommen befestigt oder potenziert werden sollen, wobei die Inzestzucht am schnellsten zum Ziele führt. Allein es kann keine Zucht und kein Beispiel bestimmt nachgewiesen werden, wo durch eine längere Reihe von Generationen ausschließlich an der I. festgehalten werden konnte; es stellen sich bei fortgesetzter I. jedesmal degenerierende Erscheinungen ein, sodaß Kreuzungen vorgenommen werden müssen, um die Zucht vor dem gänzlichen Ruin zu retten.
Haut (anatomisch)
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Haut.Zunächst äußert sich die Degeneration infolge der I. in einer gewissen Über- oder Hyperbildung; die Tiere bleiben klein, Ohren und Augenlider werden dünn, der Hals wird schlank, die Haut [* 5] feiner, der Haarwuchs spärlich, der Knochenbau schwächer. Die Konstitutionskraft erfährt eine wesentliche Herabsetzung, die Widerstandsfähigkeit und Leistungen gehen zurück, die Tiere werden zahmer und temperamentloser, nähren sich nicht mehr gut und neigen zur Fettbildung.
Geschlechtstrieb und Fruchtbarkeit nehmen ab, Frühreife tritt ein; bei Säugetieren verwerfen die Mütter leicht und säugen schlecht, die Jungen verlieren den Instinkt des Saugens, entwickeln sich langsam und schwer und die Lebensfähigkeit geht ihnen ab. Mängel der Sinnesorgane, Mißbildungen und geistige Störungen sind keine Seltenheit, bei Schweinen sind Lähmungen der Beine, bei Schafen die Traberkrankheit, bei Pferden Albinismus u. s. w. gewöhnliche Folgeerscheinungen.
Kaninchen
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Kaninchen.Schließlich wird die Zucht ganz hinfällig und geht in sich selbst zu Grunde, wenn nicht rechtzeitig eine Blutauffrischung erfolgt. Das frühere oder spätere Eintreten der Degeneration steht im geraden Verhältnis zur Intensität, mit welcher die I. betrieben wird. Bei Schweinen, Hunden, Schafen, Kaninchen, [* 6] Tauben [* 7] u. s. w., die sich rasch vermehren, tritt die Degeneration schon nach kurzer Zeit in die Erscheinung, bei den sich langsamer vermehrenden Tieren (Pferden, Rindern) erst nach längern Zeiträumen, folgt aber unweigerlich.
Das Maß von Blutgleichgewicht zwischen zwei Erzeugern ist aber nicht allein von deren direktem Verwandtschaftsverhältnis abhängig, sondern auch von der größern oder geringern Gleichheit der Existenzbedingungen, unter denen dieselben aufgewachsen sind bez. leben. Dieses letztere Blutgleichgewicht heißt indirekte Konsanguinität, und die Fortpflanzung von Menschen und Tieren, welche unter sich längere Zeit hindurch kontinuierlich ganz gleichbleibenden Existenzbedingungen indirekt konsanguin geworden sind, heißt indirekte I., welche in ihren Folgen nicht minder verderblich ist.
Io - Ionicus
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Seite 59.671.In der Pflanzenwelt entspricht der I. biologisch genau die Selbstbefruchtung; die Mannigfaltigkeit in den Befruchtungsorganen, die in Bau, Farbe, Geruch und allerlei sonstigen Einrichtungen verschiedenen Blütenformen sind Anpassungen, um die Kreuzung zu ermöglichen, die inzüchterische Selbstbefruchtung zu vermeiden. Bei der Mehrzahl ^[fehlend: der] Pflanzen ist die Selbstbefruchtung auch durch besondere Einrichtungen vermieden oder sogar vollständig unmöglich, entweder ganz fruchtlos oder doch unvorteilhaft, und nur die Fremdbefruchtung ist möglich und hat Erfolg. Es giebt keine Pflanze, welche sich fortwährend nur durch Selbstbefruchtung fortpflanzen kann, da durch dieselbe die Fruchtbarkeit herabgemindert wird und die Gewächse schwach und zu Krankheiten disponiert werden. In der Landwirtschaft vermeidet man deshalb den fortgesetzten inzüchterischen Anbau mit dem selbstgezogenen Saatgute durch den sog. Saatgutwechsel. Auch bei den Kryptogamen ist die Verminderung der Selbstbefruchtung ausgesprochen, und hieraus erkennt man das Alter des Gesetzes, daß kein organisches Wesen, welches sich geschlechtlich ¶
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fortzupflanzen vermag, durch I. existenzfähig bleiben kann, überall ist die Kreuzung (Blutauffrischung) Bedingung zur Erhaltung der Art. –
Vgl. Hildebrand, Die Geschlechterverteilung bei den Pflanzen und das Gesetz der vermiedenen und unvorteilhaften Selbstbefruchtung (Lpz. 1867);
Nathusius, Vorträge über Viehzucht und Rassenkenntnis (3 Tle., Berl. 1872‒80);
Schiller-Tietz, Inzucht und Konsanguinität (Osterwieck 1887);
Settegast, Tierzucht (5. Aufl., Bresl. 1888);
Folgen, Bedeutung und Wesen der Blutsverwandtschaft (Inzucht) im Menschen-, Tier- und Pflanzenleben (2. Aufl., Neuwied-Lpz. 1892).