Lenau | eLexikon | Litteratur - Deutsche Literatur - Neuere Dichtung seit 1500
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Sun Aug 15 1802
Lenau,
Niembsch
Stuttgart
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Stuttgart.von Strehlenau, Nikolaus, gewöhnlich nur mit seinem Dichternamen Nikolaus Lenau genannt, ausgezeichneter Dichter, geb. 15. Aug. 1802 zu Czatad in Ungarn, [* 3] studierte zu Wien [* 4] Jurisprudenz und wandte sich dann der Medizin zu, ohne jedoch zur Ausübung der letztern zu gelangen. Von früh auf eine eigentümliche, zu gleicher Zeit feurige und melancholisch gestimmte Natur, deren innerste poetische Ideale mit der umgebenden Wirklichkeit in Konflikt gerieten, der Bewegung und Gärung der Zeit mit hoffendem Blick zugewandt und doch zu elegischer Trauer über den verlornen Frieden harmloser Tage gestimmt, leidenschaftlich und wiederum von krankhafte Weichheit der Empfindung, sprach Lenau die wechselnden Stimmungen seines Innern in lyrischen und lyrisch-epischen Dichtungen aus. Die beabsichtigte Herausgabe seiner »Gedichte« (Stuttg. 1831, 4. Aufl. 1840) führte ihn nach Stuttgart, [* 5] wo er im Kreis [* 6] der schwäbischen Dichter große Sympathien gewann und sich besonders eng an Justinus Kerner, Schwab und K. Mayer anschloß.
Doch konnten zunächst weder die neuen Freunde noch die Aussichten auf litterarischen Ruhm Lenau bewegen, von der beabsichtigten Reise nach Amerika [* 7] abzustehen; er hoffte in den Urwäldern die Befriedigung zu finden, die ihm daheim selbst die Einsamkeit der Alpen [* 8] versagte. Er trat die Reise nach den Vereinigten Staaten [* 9] 1832 an, kaufte dort etwas Land an, das er an einen seiner Reisegefährten verpachtete, und bereiste zu Pferde [* 10] den Westen der Union. Der Eindruck der amerikanischen Zustände konnte auf eine tieflyrische Natur wie die Lenaus nur ein abstoßender sein; amerikamüde kehrte er nach Verlauf einiger Monate nach Europa [* 11] zurück, wo inzwischen seine Gedichte ihre erste Verbreitung gewonnen hatten.
Niemcewicz - Niemen
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Seite 12.166.Die Dichtererscheinung Lenaus mußte in einer gärenden Übergangsepoche, wie die 30er Jahre waren, das höchste Interesse wachrufen. Neben der tiefen Innigkeit des Gefühls, dem melodischen Reiz seines lyrischen Ausdrucks wirkte bei seinen frühern und spätern Gedichten auch die Eigentümliche des Kolorits. Die Bilder aus seiner ungarischen Heimat verliehen namentlich den kleinern epischen Dichtungen Lenaus ihren unwiderstehlichen Reiz, und die Mischung kräftiger Züge der Wirklichkeit und elegischer Grundstimmung kam ¶
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auch den erzählenden Dichtungen ohne ungarischen Hintergrund zu gute, welche neben zahlreichen lyrischen Gedichten in der ersten Zeit nach der Rückkehr aus Amerika entstanden. Das Jahrzehnt zwischen 1833-43 verbrachte der Dichter abwechselnd in Wien und in Schwaben. Seine erste größere Dichtung: »Faust« (Stuttg. 1836; für die Bühne eingerichtet von Gramming, Münch. 1869), weder eine eigentlich epische noch eine dramatische Dichtung, sondern eine Reihe zum Teil farbenprächtiger Lebensbilder, durch welche eine skeptische, unselig mit Gott und Welt zerfallene Natur hindurchgeht, vermehrte den Ruf, dessen sich der Dichter bereits erfreute. In ihm selbst aber nagte, trotz allen poetischen Gelingens, eine schmerzliche Unbefriedigung, die auch in der wachsenden Schwermut seiner Dichtungen zu Tage trat. Vielfache Herzenserlebnisse, Erschütternden und Enttäuschungen, die Rastlosigkeit eines beständigen Reiselebens und der nie ruhende Widerspruch seiner persönlichen Neigungen und seiner Geistesziele steigerten die nervöse Reizbarkeit des Dichters Schritt für Schritt. Außer den »Neuern Gedichten« (Stuttg. 1838, 2. vermehrte Auflage 1840) erschienen die größern Dichtungen: »Savonarola« (das. 1837, 5. Aufl. 1866) und »Die Albigenser« (das. 1842, 4. Aufl. 1873), welche beide alle Vorzüge des Lenauschen Talents: die Tiefe der Empfindung, die Glut und Farbenpracht der Schilderung, den Schwung echter Begeisterung, in einer Reihe glänzender Situationen und Bilder aufweisen, aber beide mehr geniale Fragmente als geschlossene Kunstwerke sind. Im »Savonarola« hielt Lenau wenigstens noch die einheitliche Form fest, in den »freien Gesängen« der »Albigenser« verzichtete er auch auf diese und erzielte darum nur fragmentarische Eindrücke.
Sein letztbegonnenes Gedicht: »Don Juan« (im »Nachlaß« erschienen),
schloß sich in der Kompositionsweise völlig dem »Faust« an.
Die Vollendung desselben war Lenau leider nicht beschieden. Im Sommer 1844 überraschte der Dichter seine Freunde durch die Nachricht von seiner glücklichen Verlobung;
wenige Monate später aber ward er im Hause seines Freundes, des Hofrats Reinbeck in Stuttgart, vom Wahnsinn ergriffen.
Leichlingen - Leidener
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Leiden.Seine Geisteskrankheit erwies sich als völlig unheilbar; Lenau ward daher nach der Irrenanstalt Oberdöbling bei Wien gebracht, wo ihn erst 22. Aug. 1850 der Tod von seinen Leiden [* 13] erlöste. Seine »Gedichte« (Vereinigung der beiden obigen Sammlungen) sind seitdem in zahlreichen Auflagen erschienen; sonst ist von seinen Publikationen noch der »Frühlingsalmanach« (Stuttg. 1835-36, 2 Jahrg.) zu erwähnen. Seinen dichterischen »Nachlaß« (Stuttg. 1851) und seine »Sämtlichen Werke« (das. 1855, 4 Bde.; illustriert Ausg. 1881, 2 Bde.) gab Anastasius Grün, dem Dichter im Leben eng befreundet, heraus.
Von den neuern Ausgaben sind die vom Bibliographischen Institut in Leipzig [* 14] veranstaltete (mit Anmerkungen etc., 1882, 2 Bde.) und die Hempelsche (Berl. 1883, 2 Bde.) zu nennen.
Vgl. Schurz, Lenaus Leben, großenteils aus des Dichters eignen Briefen (Stuttg. 1855, 2 Bde.);
E. Niendorf, Lenau in Schwaben (Leipz. 1853);
K. Mayer, Lenaus Briefe an einen Freund (Stuttg. 1853);
Frankl, Zu Lenaus Biographie (2. Aufl., Wien 1885);