Lötschenthal | eLexikon | Geographie - Schweiz - Kantone
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
![vergrössern: Karte des Lötschenthals. ^[Karte: 5° 25’ O; 46° 20’ N; 1:300000]. vergrössern: Karte des Lötschenthals. ^[Karte: 5° 25’ O; 46° 20’ N; 1:300000].](http://peter-hug.ch/meyers/teile/43/43_0186-1.jpg)
Lœtschenthal
(Kt. Wallis, Bez. Westlich Raron). 26 km langes Thal, grösstes und tiefstes Längsthal an der S.-Flanke der Berner Alpen. Beginnt an der zwischen dem Anengrat und Sattelhorn eingeschnittenen Lötschenlücke (3204 m), die vom Lötschenfirn im W. nach dem Grossen Aletschfirn im O. hinüberführt. Der Lötschenfirn sendet eine etwa 6 km lange Eiszunge, den Langgletscher, bis zu 1990 m ins Lötschenthal hinunter. Das von der Lonza, dem Bach des Langgletschers, ausgewaschene Thal senkt sich in sw. Richtung bis zum Dorfe Ferden, das zugleich im orographischen Mittelpunkt und an der breitesten Stelle des Thales (7,5 km zwischen der Hohgleifen und dem Lötschenpass) liegt.
Dieser ganze obere Thalabschnitt bildet eine der schönsten Landschaften in diesem Hochgebirgsgebiet und wird umrahmt von weiten Eisfeldern und einer Menge von wilden Spitzen. Rechts stehen das Mittaghorn (3895 m), Grosshorn (3765 m), der Jägiknubel (3143 m), das Breithorn (3779 m), der Eiskamm des Petersgrates, das Birghorn (3216 m), Sackhorn und Schilthorn oder Hockenhorn (3297 m), links das Distelhorn (3748 m), Schienhorn (3790 m), Breithorn (3783 m), Bietschhorn (3958 m) und Wilerhorn (3311 m). Das Thal zeigt hier beinahe dieselben regelmässigen Geländeformen wie der obere Abschnitt der Landschaft Goms; seine mit grünem Rasen bekleideten Gehänge sind von zahlreichen kleinen Wildbachrunsen angeschnitten, die dem Thalbach die Schmelzwasser der sie krönenden Firn- und Eisfelder zuführen. In diesem obern Thalabschnitt konzentriert sich auch die Mehrzahl der in ihrer Anhänglichkeit an die alten Wallisersitten noch so interessanten Bevölkerung.
Hier liegen die Gemeinden Ferden, Kippel, Wiler und Blatten mit ihren längs dem rechten Ufer der Lonza zwischen 1375 und 1600 m Höhe aufgereihten Dörfern und Weilern. Zusammen 999 Ew. Die höchstgelegene dieser Gemeinden ist Blatten, die aus mehreren an der Thalstrasse stehenden Siedelungsgruppen, wie Ried (ein Gasthof), Eisten und Weissenried besteht. Das ganze Thal bildet eine einzige Kirchgemeinde, deren Pfarrkirche in Kippel steht. Seit etwa 15 Jahren ist Blatten zum besonderen Rektorat errichtet worden.
Lœtschenthal
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Seite 43.187.Hauptbeschäftigung der Bevölkerung ist die Viehzucht. Die hohe Lage des Thales gestattet nur den Anbau von Kartoffeln, Gerste und Roggen, deren Felder man an den günstigst gelegenen Stellen des rechten Flussufers findet. An geschützten und sonnigen Lagen dieses Gehänges reift auch noch die Kirsche. Ueber den Dörfern stehen auf grünen und von Wald umrahmten Wiesen zahlreiche Hütten und Stadel; darüber folgen die 13 Alpweiden, die im Sommer während 2-3 Monaten mit 800 Milchkühen und nahezu 300 Ziegen bezogen werden und einen jährlichen Ertrag von etwa 4665 kg Butter und 9150 kg Magerkäse liefern. Dieser Käse bildet die hauptsächliche Nahrung der meist grossgewachsenen und kräftigen Thalbewohner, denen vor der Zeit der den Verkehr erleichternden Strassen und Eisenbahnen gar oft das Brot gefehlt hatte. Dieser ausschliesslichen Käsenahrung schrieb Schinner die einst bei den Kindern häufig auftretende Krätze zu. Derselbe Gewährsmann berichtet aus ¶
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dem Jahr 1812, dass die Lötschthaler Pferde und Ziegen züchteten und Schweine und Färsen mästeten, die sie dann im Rhonethal gegen Hanfgespinnste austauschten. Heute liegen die Verhältnisse natürlich wesentlich anders, da sich die Bewohner jetzt Gewebe aller Art leicht verschaffen können. Geblieben ist aber aus jener vergangenen Zeit die Aufzucht von Pferden und Maultieren, welchem Zweck noch eine ganze Alpweide ausschliesslich dient. Es sei gestattet, an dieser Stelle folgende, von Prof. F. O. Wolf gegebene Charakteristik der Thalbewohner anzuführen: «Der Lötschthaler ist ein durch seine Abgeschlossenheit und den steten Kampf mit der feindlichen Natur, mit dem reissenden Gebirgsstrom, mit Lawinen und Steinschlag und andern seine Existenz und seinen Wohlstand bedrohenden Zufällen abgehärteter Volksschlag. Im Allgemeinen ernst und wenig mitteilsam, teilt er mit andern abgesondert lebenden Gebirgsstämmen das Misstrauen gegen Fremdes und Neues, ist jedoch dem einmal ihm Nähergetretenen ein umwandelbar ergebener und treuer Freund. Die Tracht, vollständig aus selbstgezogenem Flachs und selbstgesponnener Schafwolle verfertigt, ist ebenfalls ernst und einförmig. Schwarze Röcke, Weste und Beinkleider, schwarze Hüte bei den Männern, schwarze Kittel bei den Weibern, die nur durch die bunten Kopf- und Brusttücher etwas belebt werden, geben der Tracht ein sehr ernstes und monotones Ansehen. An hohen Festtagen jedoch erscheinen auch gestickte Jacken, schneeweisse Wäsche, seidene Hals- und Brusttücher und die koketten Häubchen der Walliserinnen, wodurch die Frauen und Mädchen ein überaus schmuckes Ansehen erhalten und man die Schönheiten vom Gletscherstaffel, die man am Werktage nur in ihren schmutzigen, unschönen Hirtenhemden zu sehen gewöhnt ist, gar nicht wieder erkennt. Während die Männer mähen und das Heu bergen, Holz schlagen und allerlei häusliche Arbeiten verrichten, besorgen die Weiber ausschliesslich die eigentliche Alpwirtschaft. Daher das allgemein prächtig blühende und gesunde Aussehen der weiblichen Bevölkerung, die zu den schönsten der Schweiz gerechnet werden kann. Auch die Männer sind meist lange, hagere, knochige Gestalten, von denen viele durch ihre roten Haare und blauen Augen urächt germanische Abstammung verraten. Im ganzen Lötschthal gibt es noch keine existenzlosen Proletarier, und der Bettel ist unbekannt. Die Gemeindegüter sind so gross, dass Jeder etwas davon benutzen und wenigstens ein paar Ziegen oder Schafe sein Eigentum nennen kann.»
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Der untere Abschnitt des Lötschenthales zwischen Ferden und Gampel bildet eine wilde und unbewohnbare Schlucht mit nackten Steilhängen, längs welchen der in das obere Becken hinaufführende Weg mit so vielen Hindernissen zu kämpfen hat, dass er stellenweise nicht fahrbar ist. Ueber den senkrechten Felswänden und den kümmerlichen Waldpartien liegen in kleinen Thälchen einige den Gemeinden Gampel, Steg und Ferden gehörende Alpweiden. Wo sich die Schlucht etwas erweitert, trifft man da und dort auf eine kleine Siedelung.
Eine solche ist Goppenstein mit einer Kapelle, einigen Hütten und den alten Anlagen der Bleibergwerke von Rotenberg, die jetzt am Fuss der Felswände links über Goppenstein in einer Höhe von 1672 m wieder ausgebeutet werden. Seit 3-4 Jahren sind hier wieder zahlreiche Arbeiter mit der Neueinrichtung der Hüttenwerke und mit dem Abbau des silberschüssigen Bleies beschäftigt. Diese im 16. Jahrhundert entdeckten und 1640 zum ersten Mal abgebauten Erzgänge werden jetzt, wenn wir uns nicht irren, zum fünften Mal in Angriff genommen. 1854 erbaute man in Goppenstein und Steg Schmelzwerke, die aber ihre Arbeit wegen der zu geringen Mächtigkeit der Gänge bald wieder einstellen mussten. Die heutigen Konzessionäre haben die Fortsetzung des Hauptganges in einem tiefern Niveau aufgesucht, womit sie bis heute einen vollen Erfolg erzielten (vergl. den Art. Goppenstein). Es werden hier auch Versuche gemacht, das Erz vermittels eines hochgespannten elektrischen Stromes zu schmelzen. Beschäftigt werden etwa 50 Arbeiter.
Lœtschenthaler Breitho
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Seite 43.188.Nahe Goppenstein steht am schmalen Lonzaufer ein sonderbarer Felsobelisk, der sog. Längstein, der im Volksmund «Waldisch Ankenchübji» (Waldins Butterfass) heisst und zwar zur Erinnerung an den Meyer Waldin, der ein leidenschaftlicher Jäger war und dessen ganzes schönes Besitztum zusammen mit dem kirchturmgrossen Butterfass zur Strafe für einen Wortbruch zu Stein verwandelt wurde. (S. diese Sage beim Art. Goppenstein). Am Fuss dieses Obelisken stehen einige kleine Hütten. Das Lötschenthal wird bis Goppenstein von einer ¶
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schlechten und schmalen Strasse durchzogen, die ums Jahr 1850 von der die Minen ausbeutenden englischen Gesellschaft erbaut worden ist. Von Goppenstein aufwärts führt nur noch ein Saumpfad. Mit den benachbarten Thälern steht das Lötschenthal über eine Reihe von hohen Pässen in Verbindung. Solche sind der Lötschbergpass oder Lötschenpass (2695 m; Ferden-Gasterenthal-Kanderthal), der von der geplanten Lötschbergbahn (einer Zufahrtslinie zum Simplon) in einem Tunnel unterfahren werden soll, der Ferdenpass (2834 m; nach Leukerbad); der Restipass (2639 m), Faldumpass (2644 m) und Nivenpass (2610 m; alle nach Albinen und Leuk). Den Verkehr mit dem Lütschinenthal und Interlaken vermittelte einst auch der Uebergang über den Petersgrat und Tschingelgletscher. Endlich kann man auch über die Lötschenlücke ins Gebiet der Jungfrau und des Aletschgletschers gelangen.
Das Lötschenthal ist ein synklinales Erosionsthal, das aber in seinem obern und untern Abschnitt zwei wesentlich verschiedene Charaktere zeigt. Oben ist es bis Ferden ein Längsthal, das zwischen zwei Granit- und Gneiszonen in weichen und leicht verwitterbaren, grünen und krystallinischen Schiefern mit Einlagerungen von Amphibolschiefern ausgewaschen worden ist. Hier streicht es genau parallel dem Hauptzug des Finsteraarhornmassives von SW. nach NO. Am s. Thalgehänge finden sich Gänge von Kupfererzen.
Von Ferden an wird das Thal zum Querthal. Hier hat die Lonza, der am Langgletscher entspringende Thalfluss, sich in beinahe rechtem Winkel nach S. gewandt und zwischen der Hohgleifen und Niven die Kette des Bietschhorns mit ihren Gneis- und Schieferwänden und den in ihnen sich auskeilenden Granitgängen des hier in die Tiefe tauchenden Aarmassives durchschnitten, um durch eine enge und lange Schlucht bei Gampel den Austritt ins Rhonethal zu gewinnen. Silberschüssige Bleiminen bei Goppenstein und Rotenberg. Bei Gampel sieht man zu beiden Seiten der Mündungsschlucht sedimentäre Schichten der Trias (dolomitische Kalke) und des Jura (Kalke und Kalkschiefer). Die Lonza treibt zwei Elektrizitätswerke, die die Calciumkarbidfabrik zu Gampel mit Kraft versorgen. (Vergl. die Art. Gampel, Goppenstein, Lonza).
Das Lötschenthal war zuerst Eigentum der Herren Zum Thurm-Gestelenburg, deren Stammschloss zu Niedergestelen stand. Die Herrschaft dieses streitsüchtigen Dynastengeschlechtes war eine harte, und das Thal war öfters der Schauplatz blutiger Kämpfe mit den Bernern. Im Jahr 1368 wurden den Lötschern viele Menschen getötet und über 1000 Häuser verbrannt. 1346 soll Peter zum Thurm eine Kolonie der Bewohner dieses Thales gleich einer Herde Viehes an das Kloster Interlaken für 500 Goldgulden verkauft haben, um die Gegend der Pfarrei Gsteig zu bevölkern.
Ein im Lötschenthal im 18. Jahrhundert aufgefundenes Manuskript erzählt, dass die Schweizer (d. h. wahrscheinlich die Berner) 1386 in feindseliger Absicht hier eingedrungen seien, aber beim Ueberschreiten eines gefährlichen Passes so viele Leute verloren hätten, dass sie sich wieder zurückziehen mussten. Nachdem 1376 die Zum Thurm aus dem Land vertrieben worden waren, wurden die obern Zehnten Herren des Thales. Während dieser Zeit vollzog sich die Germanisierung der Thalleute, die heute ganz deutsch sind. Erst 1790 kauften sich die Lötschthaler um die für sie hohe Summe von 1000 Thalern frei, ohne zu ahnen, dass die Zeit der Umwälzung, die auch ihnen die Freiheit umsonst gebracht hätte, so nahe sei. Ursprünglich Vallis de Lyech; 1233: ecclesia de Lyehc; 1305: Liec. Vergl. Wolf, F. O. Lötschen und Leukerbad. (Europ. Wanderbilder. 105-107). Zürich 1886.