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Lutzer | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Thu Jun 30 1814
Titel
Elemente zu Dingelstedt:

1) Franz, deutscher Dichter

2) Jenny, geborne Lutzer, Bühnensängerin, Gattin des vorigen

Dingelstedt,

1) Franz, deutscher Dichter, geb. 30. Juni 1814 zu Halsdorf in Oberhessen, besuchte das Gymnasium zu Rinteln, studierte 1831-35 Theologie und Philologie in Marburg, [* 3] ward dann auf kurze Zeit als Lehrer der deutschen Sprache [* 4] an der Erziehungsanstalt für junge Engländer zu Ricklingen bei Hannover [* 5] angestellt, aber schon 1836 an das kurfürstliche Lyceum zu Kassel [* 6] berufen. Von hier ward er 1838 nach Fulda [* 7] versetzt, da man höchsten Orts an seinen poetischen Bestrebungen Anstoß nahm. Obschon er sich den Aufenthalt in Fulda durch häufige Ferienreisen und fleißige litterarische Arbeiten erträglich zu machen suchte, so ward ihm weder unter dem Hassenpflugschen Regiment noch in der Enge des Schuldienstes wohl, und nachdem er mit seinem »Wanderbuch« (Leipz. 1839-43, 2 Bde.),

seinem Roman »Unter der Erde« (das. 1840) und den »Liedern eines kosmopolitischen Nachtwächters« (Hamb. 1841),



Dinggüter - Dingler

Bild 4.985: Dinggüter - Dingler
* 14 Seite 4.985.

namentlich aber mit den letztgenannten, zu einem gewissen litterarischen Erfolg gelangt war, nahm er seinen Abschied, ließ sich zunächst, an der Redaktion der »Allgemeinen Zeitung« beteiligt, in Augsburg [* 8] nieder, ging dann als Korrespondent derselben nach Paris, [* 9] London [* 10] und Wien, [* 11] verheiratete sich 1843 mit der berühmten Sängerin Jenny Lutzer (s. unten) und ward vom König von Württemberg [* 12] mit dem Titel eines Hofrats, später eines Legationsrats, als Kabinettsbibliothekar berufen. Von 1844 bis 1850 lebte er in Stuttgart; [* 13] 1851 ward er, nachdem seine

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Tragödie »Das Haus der Barneveldt« ungewöhnliche Wirkung gethan, von König Maximilian II. zum Intendanten des bayrischen Hof- und Nationaltheaters zu München [* 15] ernannt. Hier bildete er eins der hervorragendsten Glieder [* 16] der poetisch-gelehrten Tafelrunde und der »norddeutschen Kolonie«, welche der König um sich versammelt hatte, erzielte mit seiner Bühnenleitung glänzende Resultate, unter denen das große, in den Annalen der deutschen Theatergeschichte unvergeßliche Gesamtgastspiel vom Jahr 1854 in erster Linie stand, zog sich aber den bittersten Haß der ultramontanen bayrisch-nativistischen Partei zu. Den Intrigen derselben gelang es 1856, seine plötzliche Entlassung zu bewirken. Im nächstfolgenden Jahr schon ward Dingelstedt als Generalintendant der großherzoglichen Hofbühne nach Weimar [* 17] berufen, deren Leitung er bis 1867 behielt, und auf der er nach eigner Bearbeitung den ganzen Cyklus der Shakespeareschen »Historien« zuerst zur Aufführung brachte. Im Herbst 1867 ward er zum artistischen Direktor des Wiener Hofoperntheaters ernannt, 1872 mit der Direktion des Hofburgtheaters betraut, die er bis an seinen Tod führte. Er starb 15. Mai 1881 in Wien.

Oesterreich ob der Enn

Bild 12.481a: Oesterreich ob der Enns
* 18 Österreich.

Schon 1867 durch den bayrischen Adel ausgezeichnet, war Dingelstedt vom Kaiser von Österreich [* 18] 1876 in den Freiherrenstand erhoben worden, wie es ihm denn das Geschick an äußern Erfolgen und Ehren nicht fehlen ließ. Dingelstedt ist in seinem gesamten Schaffen ein poetischer Repräsentant der Übergänge, welche von der gestaltlosen Geistreichigkeit der jungdeutschen Belletristik zu einem kräftig-anschaulichen Realismus, von der rhetorisch-politischen Lyrik zum vollen Lebensbild, zu Gestalten, in denen politische Leidenschaft lebt, herüberführen. Er nahm als Lyriker seinen Ausgangspunkt zu gleicher Zeit von der naiven subjektiven Lyrik, deren Töne er, wie seine »Gedichte« (Stuttg. 1845, 2. Aufl. 1858) erweisen, immer wieder zu treffen wußte, und von der politischen Poesie der 40er Jahre, deren Durchschnittsleistungen er in den heißblütigen, kräftigen und anschaulichen besten »Liedern des kosmopolitischen Nachtwächters«, in den Meisterstücken: »Aus der Nordsee«, »Die Flüchtlinge« etc. weit hinter sich ließ. Die Lebensbilder der nichtpolitischen Gedichte, der leidenschaftliche und dabei plastische und farbenvolle Cyklus »Ein Roman« und die »Bilder aus dem Münchener Totentanz« verraten ein unausgelebtes episches Talent. Die Gedichtsammlung »Nacht und Morgen« (Stuttg. 1851) schloß sich an die Nachtwächterlieder an, ohne jedoch einen dichterischen Fortschritt zu bekunden.

Amazonenstein - Amazon

Bild 1.443: Amazonenstein - Amazonenstrom
* 19 Amazone.

Als Erzähler bethätigte sich Dingelstedt durch zwei größere Werke, den schon erwähnten Roman »Unter der Erde« und »Die Amazone« [* 19] (Stuttg. 1868, 2. Aufl. 1869),

letzteres ein echt modernes Produkt, welches ein ernstes Problem und tiefe Empfindungen in keck spielender, frivol-humoristischer Weise behandelt. Unter seinen Novellen, die in verschiedenen Sammlungen, wie: »Licht [* 20] und Schatten [* 21] in der Liebe« (Kassel 1838),

»Frauenspiegel« (Nürnb. 1838),

»Heptameron« (Magdeb. 1841, 2 Bde.),

»Sieben friedliche Erzählungen« (Stuttg. 1844, 2 Bde.),

»Novellenbuch« (Leipz. 1856),

erschienen, sind einzelne, wie: »Das Mädchen von Helgoland«, [* 22] »Deutsche [* 23] Nächte in Paris«, von seltener Farbenfülle und Energie der Darstellung, während viele andre matter und farbloser erscheinen und sich nur durch größere Schärfe des Stils über gewöhnliche belletristische Produktion erheben. Einen sehr bedeutenden dramatischen Anlauf, [* 24] dem er leider keine Folge gab, nahm Dingelstedt mit dem Trauerspiel »Das Haus der Barneveldt« (1850), das noch immer den besten dramatischen Dichtungen der Periode nach 1848 hinzugezählt werden muß.

Daß ein Autor von so großer Weltbildung und mannigfachen Lebenserfahrungen, von so ausgeprägter Lust des Schauens und Schilderns sich in der Wiedergabe äußerlich und innerlich erlebter Dinge mit Glück bewegt, erweisen die Reiseskizzen »Jusqu'à la mer. Erinnerungen an Holland« (Leipz. 1847),

die Essays seines »Litterarischen Bilderbuchs« (Berl. 1880),

vor allem das prächtige, hochinteressante Fragment einer Selbstbiographie unter dem Titel: »Münchener Bilderbogen« (das. 1879). Aus seiner langjährigen und erfolgreichen dramaturgischen Thätigkeit erwuchsen die »Studien und Kopien nach Shakespeare« (Wien 1858),

die Bühnenbearbeitung der Shakespeareschen »Historien« (Berl. 1867, 3 Bde.),

die Übertragung einer Reihe Shakespearescher Dramen (»Der Sturm«, »Was ihr wollt«, »Wie es euch gefällt«, »Die Komödie der Irrungen«) für die Hildburghäuser Shakespeare-Ausgabe sowie eine Übertragung von Beaumarchais' »Figaros Hochzeit« (Hildburgh. 1865),

endlich die dramaturgische Studie »Eine Faust-Trilogie« (Berl. 1876). In den Jahren 1859-65 fungierte Dingelstedt als Präsident der Schiller-Stiftung; auch war er Mitbegründer der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Die Ausgabe seiner »Sämtlichen Werke« (Berl. 1877, 12 Bde.) erwies sich als eine vortreffliche Auswahl.

Vgl.   Ad. Stern, Zur Litteratur der Gegenwart (Leipz. 1880);

Rodenberg, Heimaterinnerungen an F. Dingelstedt und Fr. Ötker (Berl. 1882).

Präeminenz - Prag

Bild 13.305: Präeminenz - Prag
* 25 Prag.

2) Jenny, geborne Lutzer, Bühnensängerin, Gattin des vorigen, geb. 4. März 1816 zu Prag, [* 25] machte ihre Gesangstudien am dortigen Konservatorium und begann ihre Bühnenlaufbahn, nachdem Ciccimara in Wien ihre musikalische Ausbildung vollendet hatte, zu Prag im Mai 1832 in der Titelrolle von Rossinis »Fräulein vom See«. Einem Ruf nach Wien Folge leistend, verließ sie Prag und gehörte bis 1845 (1844 ausgenommen), zur Kammersängerin ernannt, dem Wiener Kärntnerthor-Theater an. Sie erhielt die für die damalige Zeit ungemein hohe Gage von 16,000 Gulden pro Jahr.

Durch Gastspiele errang sie sich während der Ferien auf den meisten großen Bühnen außerhalb Wiens ebenfalls verdienten Ruhm und wurde besonders 1842 in London gefeiert. 1843 verheiratete sie sich mit Franz Dingelstedt und zog sich bald darauf von der Bühne zurück, was in Wien Anlaß gab, ihr zu Ehren eine Medaille zu schlagen. Sie starb in der Nacht vom 2. zum 3. Okt. 1877 in Wien. Das Beste, was sie als Sängerin leistete, war die Prinzessin in »Robert der Teufel« und die Königin in den »Hugenotten«, wenn auch im allgemeinen die Rollen [* 26] heitern Genres ihrem Künstlernaturell besser zusagten als die der großen Oper.