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Mannsehr von Treubach | eLexikon | Litteratur - Deutsche Literatur - Neuere Dichtung seit 1500

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Fischart,



Fischauge - Fischbach

Bild 6.293: Fischauge - Fischbach
* 9 Seite 6.293.

Johann, einer der originellsten deutschen Satiriker (auch bekannt unter den Namen Huldrich Elloposkleros, Ulrich Mannsehr von Treubach, Menzer und Reznem, wie man denn überhaupt 40 Verstellungen und Umschreibungen seines Namens kennt), war um die Mitte des 16. Jahrh. zu Mainz, [* 3] nach andern zu Straßburg [* 4] geboren und von seinem Oheim Kaspar Scheid in Worms [* 5] erzogen, erlangte 1574 von der Universität in Straßburg das juristische Doktordiplom, ward 1581 Reichskammeradvokat in Speier [* 6] und um 1583 Amtmann zu Forbach [* 7] bei Saarbrücken, [* 8] wo er im Herbst 1589 starb. Fischart war ein Mann von der wärmsten vaterländischen Gesinnung, ein bedeutender Dichter und nächst Luther

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der gewaltigste protestantische Publizist seiner Zeit, deren Liebhabereien und Polemiken er nach jeder Richtung hin teilte. Neben Biederkeit und Charaktertüchtigkeit war ihm ein seltener Reichtum an Geist wie an Kenntnissen zu eigen. Er besaß nicht nur klassische Gelehrsamkeit, sondern auch Bekanntschaft mit der französischen und der altheimatlichen Litteratur, und seine staunenswürdige Kenntnis aller Äußerungen des deutschen Lebens im 16. Jahrh. macht seine Werke für die Geschichte der Sitten zu einer noch lange nicht ausgebeuteten Fundgrube.

Als Dichter zeichnete er sich besonders durch Sprachgewalt und ungewöhnliche Bildlichkeit der Rede aus; nur Maß und Geschmack gehen ihm ab. Mit Ausnahme des Schauspiels hat sich in jedem nur einigermaßen bedeutenden Litteraturzweig versucht. Er übersetzte die »Daemonomania magorum« von Bodin, versifizierte den »Eulenspiegel« (»Eulenspiegel Reimensweiß«) und schloß sich hiermit ebenso an die Litteratur der Volksbücher an, wie seine tollkomische Dichtung »Flöhhatz, Weibertratz« (Straßb. 1573 u. öfter; neu hrsg. von Wendeler, Halle [* 10] 1877), worin er einen Rechtsstreit der Flöhe mit den Weibern schildert, mit dem Tiergedicht zusammenhängt, das er in demselben satirischen Geist erfaßt, wie wir ihn bereits in den mittelalterlichen Tierdichtungen finden.

Die Verse sind die gewöhnlichen deutschen, aber mit Gewandtheit und Lebendigkeit behandelt und voll von komischen Wort- und Reimspielen. In dem »Podagrammisch Trostbüchlein« (Straßb. 1577 u. öfter) stellt Fischart das Podagra als einen Verschoner der arbeitsamen Armut und als wohlthätige Züchtigung der Reichen dar, die den Geist freiläßt zu Witz und Heiterkeit. Das Glück des häuslichen Lebens schildert das »Philosophisch Ehzuchtbüchlein« (Straßb. 1578),

das übrigens, wie das »Podagrammisch Trostbüchlein«, hauptsächlich nur Übersetzungen enthält. In der Satire »Aller Practick Großmutter« (1572; auch in den Haller »Neudrucken«, 1876),

die durch Rabelais' »Prognostication« angeregt ward, zieht Fischart gegen die Kalendermacher und Wahrsager zu Felde. Im »Bienenkorb des Heyligen Römischen Imenschwarms« (frei nach dem Holländischen des Marnix von St. Aldegonde, 1579 u. öfter) und den Schriften: »Nachtrab oder Nebelkräh« (1570),

»Der Barfüßer Sekten- und Kuttenstreit« (vor 1579),

Orden

Bild 12.426a: Orden
* 11 Orden.

»Beschreibung des vierhörnigen Hütleins« (zuerst 1580; neu hrsg. von Chr. Schad, Leipz. 1845; modernisiert von Pannier, das. 1879) u. a. bekämpft er auf burleske Weise den neugestifteten Jesuitenorden (dessen Anhänger er »Jesuwider, die Schüler des Ignaz Lugiovoll, die Sauiter, Jesseer, Götzsuiter« etc. nennt) sowie die ältern Orden [* 11] der Franziskaner und Dominikaner. Das Gegenstück zu diesen Satiren bilden seine ernsten und würdigen Paraphrasen einiger Psalmen, seine Kirchenlieder (im Straßburger Gesangbuch von 1576; neue Ausg., Berl. 1849), in denen er Luthers gewaltige Sprache [* 12] mit Glück handhabte, und eine Anzahl trefflicher kleinerer Gedichte: das »Lob der Laute«, die »Ermahnung an die lieben Teutschen«, die »Ermahnung zu christlicher Kinderzucht«, das »Lob des Landlusts« (aus »Sieben Bücher von dem Feldbau«, 1579) u. a. Ernst gehalten ist auch die poetische Erzählung »Das glückhafft Schiff [* 13] von Zürich" [* 14] (1576; neue Ausg. von Halling, mit einleitendem Beitrag über die Geschichte der Freischießen von Uhland, Tübing. 1828; auch in Gödekes »Elf Büchern deutscher Dichtung«, Bd. 1, Leipz. 1849),

welche die bekannte, damals großes Aufsehen erregende Ruderfahrt der Züricher mit dem Hirsebrei feiert, welchen sie von Zürich noch warm nach Straßburg brachten. Sein Hauptwerk aber ist die »Affentheurliche und ungeheurliche Geschichtschrift vom Leben, Rhaten und Thaten der vor langen weilen vollenwolbeschreiten Helden und Herren Grandgusier, Gargantoa und Pantagruel« (1575; dann unter verändertem Titel: »Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung von Thaten und Rahten etc.«, 1582; darauf bis 1631 noch acht Ausgaben),

das nach Rabelais' »Gargantua« gearbeitet ist, jedoch bei weitem mehr als eine bloße Nachbildung der Rabelaisschen Dichtung darbietet. Es ist ein satirischer Heldenroman, der gegen den Ritterroman komische Opposition machte, indem er, »dem Charakter der Reformationszeit getreu, die Natur der Unnatur, den gesunden Menschenverstand der übertriebenen Idealistik, die plebejische Derbheit und Roheit der aristokratisch-romantischen Verschrobenheit entgegensetzte« und zugleich den geistigen Fortschritt verherrlichte.

Bedeutend sind besonders die Stellen, wo er seine Ergüsse über die Gebrechen der Zeit anbringt und Spott und Witz frei spielen läßt. Auch in sprachlicher Beziehung ist das Buch höchst bemerkenswert, insofern darin ein Übermut und eine Unerschöpflichkeit im Erfinden neuer Worte und Wendungen entwickelt sind, welche das Buch zu einem Unikum in der Litteratur machen. Freilich schoß dabei der Verfasser oft über das Ziel hinaus und hat sowohl hierdurch als durch die bunt wechselnde Häufung der verschiedenartigsten Beziehungen und Anspielungen die Lesbarkeit seines Buches erschwert, das mehr als jedes andre der Erklärung bedarf.

Berlin

Bild 2.752a: Berlin
* 15 Berlin.

Von seinen übrigen im allgemeinen sehr selten gewordenen Schriften sei nur noch das satirische Bücherverzeichnis »Catalogus catalogorum perpetuo durabilis« (1590) erwähnt. Eine vollständige Ausgabe von Fischarts Werken wurde vom Freiherrn v. Meusebach vorbereitet, dessen reiche Fischart-Bibliothek jetzt der königlichen Bibliothek in Berlin [* 15] einverleibt ist. Die poetischen Werke gab H. Kurz (Leipz. 1866-68, 3 Bde.), eine Auswahl derselben Gödeke (das. 1880) neu heraus.

»Neue Originalpoesien« Fischarts veröffentlichte Weller (Halle 1854).

Vgl.   W. Wackernagel, J. Fischart von Straßburg und Basels Anteil an ihm (2. Aufl., Basel [* 16] 1874);

Vilmar in der Encyklopädie von Ersch und Gruber (1850);

Derselbe, Zur Litteratur J. Fischarts (2. Aufl., Frankf. 1865);

Gelbcke, Johann und Rabelais' Gargantua (Petersb. 1874);

Dederding, Zur Charakteristik Fischarts (Berl. 1876);

Erich Schmidt in der »Allgemeinen deutschen Biographie«, Bd. 7; v. Meusebach, Fischartstudien (hrsg. von Wendeler, Halle 1879);

Weitbrecht, Joh. Fischart als Dichter und Deutscher (Stuttg. 1879);

Ganghofer, Joh. und seine Verdeutschung des Rabelais (Münch. 1881).