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MAROZZO | eLexikon | Graubünden - Maloja

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Marozzo

(Val) (Kt. Graubünden. Bez. Maloja). Obere Thalstufe der Maira oder Mera, die sich bei Casaccia nach S. wendet, um dann in das eigentliche Bergell einzutreten. Val Marozzo folgt zunächst ziemlich genau der SW.-NO.-Richtung des Seenthales des Ober Engadin und biegt dann nach O. um, worauf sich sein Fluss vor dem tiefen Thalkessel von Casaccia in sö. Richtung durch Schluchten hindurcharbeitet, um etwa 700 m weiter unten sich nach S. zu wenden. Das Thal wird begrenzt im N. vom Pizzo del Sasso, der Septimerhöhe und dem Pizzo Maedero, im W. vom Piz Piott, dem hochgelegenen Val Duana und dem Pizzo della Duana, im S. vom Pizzo Campo und Pizzo Lizzone. Nach N. führt über die Alpe Marozzo fuori der Septimerpass (2311 m) nach Stalla ins Oberhalbstein hinüber, während von Marozzo dentro im Thalhintergrund ein Weg auf die im Val Campo unter dem Pizzo della Duana gelegene Alp Pianlò (2400 m) leitet.

Man kommt auf diesem Wege am schönen Alpsee Campo vorbei und kann von der Alp Pianlò nach Vicosoprano, Stampa oder Soglio hinuntersteigen. Nebenthälchen sind auf der linken Seite die Furche des Alpicellabaches, diejenige des Septimerbaches, die Rinne des Mortarolohanges Östl. vom Pizzo Maedero und das Felsenthälchen Lunga zwischen dem eben genannten Gipfel und dem Piz Piott; die westlichste Bachrinne greift noch weit hinauf in die Felswüste Mungiroi zwischen dem Piz Piott, Val Duana und Gletscherhorn. Im SW. liegt das Val Campo, in dem die Maira entspringt, die mit mehreren hübschen Wasserfällen sich durch tief eingerissene Schluchten über eine mächtige Felsenschwelle herabstürzt.

Das Val Marozzo ist vom Einfluss des Alpicellabaches bis zum Gebirgskamm im W., unter dem sich die obersten westlichen Quelladern vereinigen, etwa 5 km, bis zur Vereinigung der Quellen oberhalb der Ausmündung des Val Campo gegen 4 km lang. Auf dieser letztgenannten Strecke beträgt das Thalgefälle etwa 84‰. Das Val Marozzo ist als das eigentliche Quellthal des Inn und somit als eine Fortsetzung des Ober Engadin zu betrachten, und sein Thalboden (2000-1800 m; Marozzo dentro 2028 m) entspricht dem jetzigen Thalboden von Maloja (etwa 1800 m). Die grosse Quellader dieses Thales ist dem Inn durch die Maira abgeschnitten worden.

Durch lange Zeiträume der Erdgeschichte haben beide Flüsse um ihre Wasserscheide gekämpft, bis der heutige Fluss des Bergell, dem alten Quellarm des Inn in die Seite fallend, dessen Wasser nach der S.-Seite des Gebirges abzufliessen zwang. (Vergl. den Art. Maira). Der Thalgrund von Marozzo besteht grösstenteils aus Gneis und Glimmerschiefer mit NO.-Streichen und SO.-Fallen. Die linke Thalwand zeigt graubraunen Glimmerschiefer, der nach unten in typischen flaserigen Gneis, nach oben in graue glimmerige und talkige Schiefer übergeht.

Aus solchen Glimmer- und Talkglimmerschiefern bestehen auch die alten Moränen, die oberhalb der Einmündung des Septimerbaches das Thal sperren und mächtige, manchmal haushohe, eckige Blöcke aufweisen. Den krystallinen Schiefern liegen sedimentäre graue und metamorphosierte grüne Schiefer auf. Gegen den Thalausgang verbinden sich die grünen Schiefer der beiden Bergseiten, während die Schluchten, durch die sich die Maira gegen Casaccia hinunterstürzt, aus Gneis und Talkglimmerschiefer bestehen. Zwischen die obern krystallinen und die grauen u. grünen Schiefer finden sich Streifen von hellen Kalken und Kalkschiefern (wahrscheinlich der Trias) eingelagert, die zum Teil in Marmor umgewandelt sind. Ihre Platten u. Trümmer liegen vielfach an den n. Thalgehängen umher.

Val Marozzo ist gänzlich waldlos und stark verödet, doch haben wir Kunde von früheren Waldbeständen. Die Abholzung ward durch einen Waldbrand vollendet, und seither nahm die Häufigkeit der Lawinen und Erdschlipfe zu. Bei Molinetto am schluchtartigen Ausgang des Val Marozzo zum Bergell bildet die Grünerle (Alnus viridis) dichte Bestände; in Marozzo fuori wachsen an der N.-Halde in etwa 1800 m Alpenrosen, Vaccinien, Arctostaphylos alpina; in Marozzo dentro (2028 m) finden wir Alpenrosen, Juniperus nana, Lonicera coerulea, Vaccinium myrtillus, V. vitis idaea und V. uliginosum, Azalea, Empetrum, Salix myrsinites, S. helvetica, S. reticulata und S. retusa.

Die meisten dieser Arten werden auch im Val Campo bis zu 2300 und 2400 m hoch angetroffen. Von Alpenpflanzen des Thales und seiner Umgebung seien hier genannt: Leontopodium alpinum, Artemisia spicata und A. mutellina, Achillea nana und A. moschata, Armeria alpina, Viola calcarata, Phyteuma hemisphaericum, Androsace glacialis, Geum reptans, Ranunculus glacialis, Arabis alpina, Saxifraga oppositifolia, S. muscoides und S. adscendens, Pedicularis rostrata, Elyna scirpina, Poa minor, Avena subspicata, Eritrichium nanum etc. Im See des Val Campo fand Dr. Tarnuzzer massenhaft den pechfüssigen Wasserküfer (Hydroporus picipes) vor.

Das Thal enthält streckenweise noch gute Alpweiden, so die Alpen Marozzo fuori (1794 m) und Marozzo dentro (2028 m), von denen die erste an Italiener, die andere an Private von Soglio verpachtet wird. Vom alten Septimerweg kommt man über eine hübsche steinerne Brücke nach der vordern Hütte auf Alp Marozzo fuori, von der aus man den stürzenden Septimerbach herrlich am Abhang glänzen sieht. Auch die grosse Mairaschlucht oberhalb Casaccia ist landschaftlich bemerkenswert.

Hinter der Alphütte von Marozzo dentro liegt eine kleine, zum Teil mit Moränentrümmern überführte Ebene, gegenüber der im S. die junge Maira in prächtigen Stürzen über eine steile Felsenschwelle eilt. In ¾ Stunden hat man diese erstiegen und befindet sich nun im Val Campo, dem Quellthal der Maira, dessen zwischen drei Felsenschwellen gelegene Böden fast eben und von glazialen Rundhöckern begrenzt sind. Jede dieser drei Terrassen oder Mulden ist ein Quellensammler. Zu hinterst folgt vor der Wasserscheide ein kleines Seelein, das auf der Siegfriedkarte nicht verzeichnet ist. Erst über einer Schwelle drüben liegt der schöne, etwa 300 m lange See von Campo. Der Passgrat über dem See bietet eine imposante Fernsicht auf die Gebirge des Albigna- und Fornogebietes.