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Milzseuche | eLexikon

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Milzbrand

(Milzseuche, Blutseuche, Anthrax), ansteckende und oft in großer Verbreitung auftretende Krankheit des Rindviehs, der Pferde, [* 4] Schafe, [* 5] Schweine [* 6] und selbst des Wildes, die wesentlich in einer eigentümlichen Zersetzung des Bluts besteht und durch einen Spaltpilz, den Milzbrandbacillus (Bacillus anthracis) hervorgerufen wird. Der Bacillus pflanzt sich ungemein schnell fort und findet sich in ungeheurer Zahl im Blut und in den Geweben milzbrandkranker Tiere. Er besteht aus cylindrischen Stäbchen, die an den Enden fast rechtwinkelig abgestutzt sind, eine Andeutung von Gliederung besitzen und keine Bewegung zeigen. Er vermehrt sich durch Zweiteilung, bildet aber auch Dauersporen, und während die Stäbchen schon durch die Fäulnis des Bluts zu Grunde gehen, sind die Dauersporen ungemein widerstandsfähig und können sich Jahrzehnte im Boden und nach dem Eintrocknen auf den verschiedensten Gegenständen erhalten.

Haut (anatomisch)

Bild 8.231: Haut (anatomisch)
* 7 Haut.

Die Aufnahme des Bacillus kann durch die äußere Haut, [* 7] wo diese leicht verletzt oder nur mit dünner Oberhaut bedeckt ist, ferner im Darm, [* 8] bei Pflanzenfressern auch durch die Lungen stattfinden. Bei den Pflanzenfressern wird der Bacillus indes meist mit dem Futter oder dem Getränk einverleibt. Futterstoffe, [* 9] welche, wenn auch nur mit ganz kleinen Quantitäten Milzbrandblut, verunreinigt sind, können noch nach Monaten den Milzbrand hervorrufen. Ferner kann die Infektion der Tiere dadurch erfolgen, daß sie die auf den Grabstellen von Milzbrandkadavern gewonnenen oder an diesen Stellen aufbewahrten (eingemieteten oder eingekuhlten) Futterstoffe, namentlich wenn diese noch mit Erde verunreinigt sind, verzehren. Von den Grabstellen wird der Bacillus leicht wieder verschleppt, wenn die Kadaver nur oberflächlich verscharrt sind. Die Futterstoffe können auch dadurch mit dem Bacillus verunreinigt werden, daß deren Standort mit Substanzen, denen Teile oder Abgänge von Milzbrandkadavern beigemengt



Milzbrand

Bild 11.637: Milzbrand
* 10 Seite 11.637.
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wurden, gedüngt wird. Durch das Wasser kann das Gift von den Grabstellen in Tränken, Brunnen [* 11] und auch wieder in tiefer liegende Ställe geführt werden. Neuerdings ist nachgewiesen worden, daß auch im Erdboden eine Neubildung des Bacillus stattfindet. Erfahrungsmäßig kommt der Milzbrand vorzugsweise in warmen, dabei aber nicht allzu trocknen Jahren vor, während er in nassen und kalten sowie in recht trocknen Jahren seltener ist. Die Bodenbeschaffenheit und die Witterung haben auf die Entstehung des Milzbrandes nur insofern Einfluß, als davon die Feuchtigkeit und die Wärme [* 12] des Erdbodens abhängt.

Bakterien

Bild 52.311a: Bakterien
* 13 Bakterien.

Der Bacillus anthracis (s. Tafel »Bakterien«, [* 13] Fig. 3) wurde von Davaine, Brauel und Pollender entdeckt, seine Lebensgeschichte aber von Koch nachgewiesen. Bollinger führt die Wirksamkeit des Bacillus darauf zurück; daß derselbe den roten Blutkörperchen [* 14] den Sauerstoff entzieht. Der Ausbruch der Krankheit erfolgt mitunter sehr schnell, in andern Fällen erst 3-4 Tage nach der Einverleibung des Bacillus. Die pathologischen Veränderungen beim Milzbrand zeigen sich hauptsächlich im Blute.

Dieses ist nämlich dunkel, gallert- oder teerartig, gerinnt entweder gar nicht oder nur unvollkommen und zeigt bei mikroskopischer Untersuchung sehr zahlreiche, äußerst feine, stäbchen- oder fadenförmige, unbewegliche Körper. Die Leichen milzbrandiger Tiere gehen außerordentlich schnell in Fäulnis und Verwesung über. Nächst dem Blut zeigen sich in der Milz die auffallendsten Veränderungen, indem dieselbe vergrößert und zwar oft in sehr bedeutendem Grad, sehr blutreich und von brüchiger, breiig zerfließender Beschaffenheit ist und infolge der Zersetzung des in ihr enthaltenen Bluts kurze Zeit nach dem Tode des Tiers von Luft erfüllt und aufgetrieben erscheint.

Muskeln des Menschen

Bild 11.936a: Muskeln des Menschen
* 15 Muskeln.

Ähnliche Veränderungen zeigen häufig auch Leber, Nieren und Lungen. Das lockere Bindegewebe unter der Haut, zwischen den Muskeln [* 15] und in der Umgebung der Eingeweide [* 16] ist zu einer gelben, sulzigen Masse entartet (sogen. gelbsulzige Ergießungen). Die Krankheit tritt in sehr verschiedenen Formen auf, die aber häufig ineinander übergehen und sich in zwei Gruppen bringen lassen: Milzbrand ohne äußeres, lokales Leiden [* 17] und Milzbrand mit lokalem Leiden. Erstere Form ist die des Milzbrandfiebers.

Dasselbe hat oft einen höchst akuten Verlauf, so daß der Tod schon nach wenigen Stunden erfolgt. Es befällt vorzüglich die kräftigsten Stücke der Herde und beginnt gewöhnlich mit einem heftigen Fieberschauer, worauf bald eine brennende Hitze folgt. Die weitern Symptome sind heftiger Herzschlag, schnelles, krampfhaftes Atmen, schneller und undeutlicher Puls, Zittern und Zucken in einzelnen Muskeln und Gliedern, mitunter Krämpfe, Schaumkauen, blutiger Ausfluß [* 18] aus Maul, Nase [* 19] und After, dunkel gefärbte, trockne, oft mit Blutklümpchen untermischte Exkremente.

Die Tiere zeigen entweder große Mattigkeit und stehen teilnahmlos, mit gesenktem Haupte, da, oder sie sind aufgeregt und unruhig, bis ein Zustand der Lähmung eintritt. In manchen Fällen dauert die Krankheit 2-3 Tage, ausnahmsweise 5-6 Tage. Bei mehrtägiger Dauer der Krankheit treten in der Regel abwechselnd Besserungen und dann wieder Verschlimmerungen ein, und der Tod erfolgt nicht selten plötzlich, nachdem der Zustand sich scheinbar bedeutend gebessert hatte.

Schaf (Rassen des Haus

Bild 14.380: Schaf (Rassen des Hausschafs)
* 20 Schaf.

Bei Pferden werden neben den genannten Symptomen sehr häufig Kolikschmerzen, die mitunter sehr heftig, in andern Fällen aber nur gelind sind, beobachtet. Die akuteste Form, der Milzbrandblutschlag (Anthraxapoplexie), kommt am häufigsten beim Schaf, [* 20] oft auch beim Rindvieh, seltener beim Pferd [* 21] vor und befällt vornehmlich wohlgenährte, kräftige Tiere von jüngerm Alter. Die Tiere fangen dabei, oft während des Fressens, der Arbeit etc. plötzlich an zu taumeln, stürzen zur Erde und sterben schon nach 5-10 Minuten unter Krämpfen und Zuckungen.

Manchmal geht dem schlagflußartigen Tod ein kurzer Tobanfall voraus. In andern Fällen verläuft auch diese Form der Krankheit weniger rasch. Die Tiere zeigen einige Stunden vor dem schlagartigen Anfall Mattigkeit, Mangel an Freßlust, Zittern am ganzen Körper, schwankenden, taumelnden Gang, [* 22] beschleunigtes, unregelmäßiges Atmen, unmerkbaren oder pochenden Herzschlag, erhöhte und zugleich verteilte Körperwärme, bekommen dann Zuckungen, taumeln, stürzen zur Erde nieder und verenden unter Krämpfen.

Der Milzbrand mit lokalem Leiden (Karbunkel) tritt ebenfalls in verschiedenen Formen auf. Es bilden sich dabei leicht brandig werdende Anschwellungen oder Geschwülste an dem einen oder dem andern Körperteil, am Hals, am Rumpf, an den äußern Geschlechtsteilen, an den Gliedmaßen, an der Zunge oder auch im Mastdarm. Diese Karbunkel bilden entweder die erste Erscheinung der Krankheit, oder sie erscheinen gleichzeitig mit dem Allgemeinleiden, oder sie treten erst zu letzterm hinzu. Je nach ihrem Sitz rufen die Karbunkel noch besondere Symptome hervor, nämlich Erscheinungen der Bräune beim Sitz am Hals (Milzbrandbräune), Ausfluß von mißfarbigem und übelriechendem Schleim aus dem Maul beim Sitz an der Zunge (Zungenanthrax, Glossanthrax), Abgang von zersetztem Blut aus dem After beim Sitz im Mastdarm (Rücken- oder Lendenblut), Lahmgehen beim Sitz an einer Gliedmaße.

Die äußerlich am Körper vorkommenden Karbunkel sind anfangs klein, vergrößern sich aber bald bedeutend; sie sind zuerst gewöhnlich heiß und schmerzhaft, werden aber bald kalt und unempfindlich, brechen gewöhnlich nach ein- oder zweitägigem Bestehen auf und entleeren eine blutige, jauchige Flüssigkeit. Danach bessert sich zuweilen das Allgemeinleiden, und es erfolgt Genesung; meist ist die Besserung aber nur von kurzer Dauer und der Ausgang ein tödlicher.

Depotgesetz - Desinfek

Bild 67.299: Depotgesetz - Desinfektion [unkorrigiert]
* 23 Desinfektion.

Ein zuverlässiges Heilmittel ist noch nicht gefunden. Die prophylaktischen Maßregeln sind Abstellung oder Minderung der die Krankheit erzeugenden Ursachen durch Futter- oder Weideveränderung, durch Vermeidung des mit dem Infektionsstoff verunreinigten Wassers oder durch gründliche Reinigung und Desinfektion [* 23] des Stalles. Die kranken Tiere sind von den gesunden zu sondern, auch besondern Wärtern zur Pflege zu übergeben. Die Wärter haben sich durch sorgfältige Vermeidung der Besudelung mit Milzbrandstoff vor Ansteckung zu hüten und sich fleißig mit lauem Seifenwasser zu waschen.



Milzfarn - Mimen

Bild 11.638: Milzfarn - Mimen
* 1 Seite 11.638.

Blut und sonstige Abgänge von kranken Tieren sind tief zu verscharren, damit nicht Schweine, Hunde, [* 24] Geflügel dadurch angesteckt werden. Die Kadaver der gefallenen Tiere sind nach vorheriger kreuzweiser Durchschneidung der Haut an einem entlegenen Ort wenigstens 1,5 m tief zu verscharren oder auf chemischem Weg zu zerstören. Die von den kranken Tieren oder von den Kadavern verunreinigten Orte sind gründlich zu reinigen und zu desinfizieren, ebenso die Stallutensilien, Instrumente etc., die bei den kranken Tieren oder bei der Beseitigung der Kadaver benutzt worden sind. Das Schlachten [* 25] milzbrandkranker Tiere oder auch nur der Krankheit verdächtiger sowie der Verkauf der Milch von solchen ist aufs strengste zu verbieten. Durch Toussaint und Pasteur wurde 1881 aus experimentellem Weg ermittelt, daß das Milzbrandkontagium

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mitigiert werden kann und in diesem Zustand nach der Einimpfung bei gesunden Tieren eine Erkrankung in niedrigem Grad verursacht, welche aber die Anlage zu einer erneuten pathogenen Wirkung des Kontagiums tilgt. Zur Prüfung der Frage, ob gegenüber der Milzbrandgefahr eine Schutzimpfung nach diesen Beobachtungen durchführbar sei, ließ das preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten im Frühjahr 1882 auf der Domäne Packisch im Regierungsbezirk Merseburg [* 27] zahlreiche Versuche anstellen. Hierbei wurden die Versuchstiere mit der von Pasteur selbst kultivierten Lymphe geimpft. Das Resultat war im ganzen recht günstig; von mehreren hundert Schafen gingen nur einige Tiere am Impfmilzbrand zu Grunde. Es läßt sich indes gegenwärtig noch kein sicheres Urteil darüber abgeben, ob sich die Milzbrandimpfung in der Praxis allgemein bewähren wird.

Vgl.   Roloff, Der Milzbrand (Berl. 1883);

Hoffa, Die Natur des Milzbrandgiftes (Wiesb. 1886).

Pilze II

Bild 13.64b: Pilze II
* 28 Pilze.

Der Milzbrand geht als Milz- oder Karbunkelkrankheit (Anthrax malignus, Pustula maligna) auch auf den Menschen über; Lumpensammler, Kürschner, Bürstenmacher können sich beim Verarbeiten alter Tierstoffe anstecken. Glücklicherweise bedarf es zur Entwickelung der Keime direkter Wunden, so daß weder das bloße Berühren der Kadaver noch die Einatmung oder das Verschlucken von Staub irgendwelche Gelegenheit zur Niederlassung darbietet. Nach Buchner soll die Entstehung des Milzbrandgifts nicht nur auf steter Fortpflanzung eines Urpilzes beruhen, sondern von einer besonders geeigneten Ernährung gewöhnlicher Pilze [* 28] und Anpassung derselben an die Verhältnisse des Tierkörpers abhängen.

Diese Züchtung außerhalb des Tierbluts ist Buchner angeblich geglückt, und ebenso ist die Überführung bösartiger Milzbrandkeime zu unschuldigen Heubacillen durch allmähliche Kulturen herbeigeführt worden. Die Milzbrandkrankheit beginnt mit der Wucherung der Pilzkeime in der kleinen Wunde (Schrund, Insektenstich), wo die Einimpfung stattgefunden hat. Nach einem ein- bis zweitägigen Zeitraum (Inkubation) beginnt die örtliche Entzündung, eine dunkelrote Beule, welche bald brandig wird.

Zugleich gehen aber die Stäbchen in die Blutbahn über und erregen durch ihre ganz unglaubliche Vermehrung heftiges Fieber, das im Verhältnis zu der unscheinbaren Beule oft ganz unverhältnismäßig stark ist. Das Fieber steigert sich dann zu extremen Graden, die Milz schwillt nur zuweilen an, schwere nervöse Störungen, Delirien, Schlafsucht folgen, und schon nach wenigen Tagen tritt der Tod ein. Die Behandlung bietet um so mehr Aussicht auf Erfolg, je frühzeitiger und je energischer sie vorgeht.

Gleich nach der Verletzung, oder bevor noch ein Übertritt der Keime ins Blut stattgefunden, vermag ausgiebiges Umschneiden, Ausglühen oder Ausätzen der Impfstelle mit rauchender Salpetersäure allen Folgen vorzubeugen. Ist das Fieber einmal erfolgt, so ist noch immer diese örtliche Behandlung erstes Gebot; außerdem ist reichliche Darreichung von Schaumwein, China, [* 29] saurer Limonade, kühle Bäder, überhaupt jedes Mittel am Platz, das die Kräfte des Kranken zu erhalten und seine Widerstandsfähigkeit zu mehren vermag.