Necker | eLexikon | Geschichte - Frankreich - Staatsmänner etc
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Tue Sep 30 1732
Necker,
Jacques, franz. Staatsmann, geb. 30. Sept. 1732 zu Genf, [* 3] wo sein Vater, eingeborner Brandenburger, Professor des Staatsrechts war, erlernte die Handlung, trat 1750 in das Bankgeschäft Vernet zu Paris [* 4] und ward bald Teilhaber an demselben, welches während des Siebenjährigen Kriegs glänzenden Gewinn brachte. Als er 1762 von dem Geschäft zurücktrat, hatte er bereits ein Vermögen von gegen 6 Mill. Frank erworben, womit er gemeinschaftlich mit Thelusson ein großes Bankgeschäft gründete. 1768 ward er zum Ministerresidenten seiner Vaterstadt bei dem französischen Hof [* 5] ernannt und Syndikus der Ostindidischen Kompanie, in deren Interesse er 1769 sein Werk über das Merkantilsystem schrieb.
Dem Staatsschatz kam er wiederholt mit seinem Reichtum und seinem Kredit zu Hilfe. Sein Haus war der Sammelpunkt einer gewählten, geistreichen Gesellschaft. 1772 zog er sich von dem Bankgeschäft zurück, lenkte aber durch seine von der Akademie gekrönte Lobrede auf Colbert (»Éloge de Colbert«, Par. 1778; deutsch, Dresd. 1786),
die sich durch Würde des Stils und leichtfaßliche Behandlung der wichtigsten Fragen der Nationalökonomie auszeichnete, sowie den »Essai sur la législation et le commerce de grains« (Par. 1775, neue Ausg. 1848; deutsch, Dresd. 1777), worin er gegen die Physiokraten auftrat, die öffentliche Aufmerksamkeit so auf sich, daß ihn Ludwig XVI. im Juli 1776 zum Finanzrat ernannte und, obwohl er als Protestant keine Stimme im Staatsrat haben konnte, im Juni 1777 als Generaldirektor des königlichen Schatzes an die Spitze der Finanzen stellte.
Nord-Amerika. Fluß- un
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Nordamerika.Uneigennützig, wohlwollend und gewandt, hatte Necker doch nicht die Eigenschaft eines schöpferischen Staatsmanns; seine Eitelkeit hinderte ihn oft an der richtigen Erkenntnis der Dinge. Zunächst suchte er nur als guter Bankier zu wirtschaften und das Defizit durch Anleihen, diese Schulden durch neue Schulden zu decken. Sein unbegrenzter Kredit in der Geschäftswelt und seine Geschicklichkeit als Börsenmann bewirkten, daß er die Anleihen zu billigen Bedingungen erhielt und 1770-80 über 500 Mill. neue Schulden machte, was Frankreich die Teilnahme am Krieg in Nordamerika [* 6] nicht wenig erleichterte und Necker Dank und Lob auch von seiten des Hofs eintrug. Allerdings setzte er auch einige Ersparungen durch, beseitigte die Generaleinnahmen und 1780: 400 königliche Hofstellen, errichtete 1777 eine Diskontobank und ein Leihhaus (Mont de piété) in Paris, ordnete und vereinfachte die Finanzverwaltung, wußte jedoch schließlich auch kein andres Mittel der Besserung als die Reformen Turgots, und als er endlich in seinem »Compte rendu au roi« (Par. 1781; deutsch, Berl. 1787) den Zustand der Finanzen, namentlich die Verschwendung des Hofs, rücksichtslos aufdeckte und diesen Bericht drucken ließ, darauf, heftig angegriffen, als Anerkennung seiner bisherigen Leistungen den Eintritt ins Ministerkonseil beanspruchte, erhielt er vom König 19. Mai 1781 plötzlich seine Entlassung. Er zog sich zunächst nach St.-Ouen zurück und begab sich 1784 in die Schweiz, [* 7] wo er in der Nähe von Genf die Herrschaft Coppet erwarb.
Von hier aus schrieb er zur Rechtfertigung seiner öffentlichen Thätigkeit die Schrift »L'administration des finances« (Lausanne [* 8] 1784; deutsch, Lübeck [* 9] 1785, 3 Bde.), und als Calonne 1787 die bald wieder eingetretene Zerrüttung der Finanzen Neckers Verwaltung zuschrieb, begab sich dieser selbst nach Paris, widerlegte die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen durch eine treffliche Denkschrift (1787) und geißelte hierauf, aus Paris ausgewiesen, in den »Nouveaux éclaircissements für le Compte rendu« (1788) die Verwaltung Calonnes auf das schonungsloseste. In die Zeit seiner Zurückgezogenheit fällt auch die Abfassung des beachtungswerten Werkes »für l'importance des opinions religieuses« (Par. 1788; deutsch von Ströhlin, Stuttg. 1788),
Necrophorus - Neer
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Seite 12.37.worin sowie indem später erschienenen »Cours de morale religieuse« (Par. 1800, 3 Bde.) er die Religion als die Grundlage der menschlichen Gesellschaft darzustellen suchte. Am 26. Aug. 1788 trat Necker, von der öffentlichen Meinung als der Retter aus der Notlage bezeichnet, mit dem Titel eines Generaldirektors der Finanzen von neuem in den Staatsdienst ein und steigerte seine Popularität noch dadurch, daß er sich für die Einberufung der Generalstaaten erklärte. Er eröffnete 5. Mai 1789 die Generalstaaten mit einer dreistündigen Rede, in welcher er die wirkliche Lage der Finanzen verhüllte und nur ein Defizit von 56 Mill. angab. Vergeblich versuchte Necker durch die in der königlichen Sitzung vom 23. Juni verheißenen Reformen den dritten Stand zur Nachgiebigkeit gegen den Hof zu bewegen. Dieser entschloß sich zu einem Staatsstreich, und Necker erhielt 11. Juli 1789 seine Entlassung mit der Weisung, insgeheim Frankreich sofort zu verlassen, ¶
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worauf er sich über Brüssel [* 11] nach seinem Landgut Coppet begab. Das Bekanntwerden dieses Schrittes der Hofpartei führte den Aufstand in Paris (12. und 13. Juli) und die Erstürmung der Bastille (14. Juli) herbei, infolgedessen sich der König genötigt sah, den verabschiedeten Minister zurückberufen. Als Necker nach langem Zögern nach Paris zurückkehrte, glich seine Reise einem Triumphzug. Es gelang ihm jedoch nicht, nach dem Vorbild der englischen Verfassung ein Zweikammersystem einzuführen. Unsicher hin- und herschwankend, verlor er allen Einfluß und ward zuletzt fast gar nicht mehr beachtet. Als sein Plan zu einer Anleihe an der Ungefügigkeit der Deputierten scheiterte und Mirabeau die Krëierung der Assignaten durchsetzte, forderte und erhielt Necker im September 1790 seine Entlassung, vom Pöbel verhöhnt und bedroht. Von der Schweiz aus die politischen Bewegungen in Frankreich aufmerksam verfolgend, beleuchtet er unter anderm die Fehler der Konstitution in seinen Schriften: »Sur l'administration de M. Necker, par lui-même« (Par. 1791; deutsch, Hildburgh. 1792) und »Du pouvoir exécutif dans les grands États« (Par. 1772; deutsch, Nürnb. 1793, 2 Bde.) mit großer Schärfe.
Seine »Réflexions présentées à la nation française« (Par. 1792; deutsch, Passau [* 12] 1793) zur Verteidigung Ludwigs XVI. hatten für Necker die Einziehung seiner Güter zur Folge. Nach dem Sturz des Konvents trat er mit seiner trefflichen Schilderung der französischen Revolution (»De la Révolution française«, Par. 1796, 4 Bde.; deutsch, Zürich [* 13] 1797, 2 Bde.) hervor. Die Machinationen des Ersten Konsuls veranlaßten Necker zur Darlegung der Grundsätze der wahren Republik in der gehaltreichen Schrift »Les dernières vues de politique et des finances« (Par. 1802). Er starb 9. April 1804 auf seinem Landgut Coppet. Seine Tochter war die berühmte Frau v. Staël-Holstein (s. d.). Seine »Œuvres complètes« erschienen Paris 1821-22, 17 Bde.
Vgl. Madame de Staël, Neckers Charakter und Privatleben (deutsch, Rost. 1805);
Nourrisson, Trois révolutionnaires: Turgot, Necker, Bailly (2. Aufl., Par. 1886).
Neckers Gemahlin Susanne, geborne Curchod de la Nasse, geb. 1739 zu Crassier im Waadtland als Tochter eines unbemittelten protestantischen Geistlichen, lernte als Erzieherin in Paris Necker dort kennen und verheiratete sich 1764 mit ihm. Ihr Haus wurde bald der Sammelplatz der bedeutendsten Männer ihrer Zeit. Als Necker Generaldirektor der Finanzen geworden war, wandte sie ihre Sorgfalt insbesondere dem Gefängnis- und Hospitalwesen zu und gründete 1778 ein Hospital in Paris, das noch heute ihren Namen trägt. Später wandte sie sich der Schriftstellerei zu und starb im Mai 1794 in Coppet. Ihr »Mémoire sur l'établissement des hospices« und die Abhandlung »Des inhumations précipitées« (1790) sowie die »Réflexions sur le divorce« (Lausanne 1794, Par. 1881) bekunden die edelsten Grundsätze.
Die nach ihrem Tod von ihrem Gatten herausgegebenen »Mélanges extraits des manuscrits de Madame Necker« (Par. 1798, 3 Bde.; deutsch, Chemn. 1799-1800, 2 Bde.) und die »Nouveaux mélanges« (Par. 1801, 3 Bde.; deutsch, Gieß. 1804, 2 Bde.) enthalten viele beachtenswerte Aufschlüsse über das geistige und gesellschaftliche Leben in jener stürmischen Zeit. Ihr Leben beschrieb Aug. de Staël-Holstein (Par. 1820; deutsch in den »Zeitgenossen«, Bd. 1, Leipz. 1821).
Vgl. Haussonville, Le [* 14] Salon de Madame Necker (Par. 1882).