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Neutralität | eLexikon | Rechtswissenschaft - Völkerrecht - Friede

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Mon Nov 20 1815
Titel
Elemente zu Neutralität:

1) Der Neutrale darf keinen Kriegführenden unterstützen. 2) Der neutrale Staat hat den Kriegführenden sein Gebiet

3) Der neutrale Staat darf den Kriegführenden keine Gelddarlehen machen oder gar Geldunterstützungen

4) Er darf den Kriegführenden keine unmittelbaren Kriegsbedürfnisse zuführen

5) Er hat sich dem rechtmäßig geübten Durchsuchungsrecht

6) Er darf den kriegführenden Mächten auf neutralem Gebiet keine Ausübung des Prisenrechts gestatten

1) Bei Beobachtung ihrer Pflichten können die Neutralen von den Kriegführenden beanspruchen

2) Störungen des Handels und des Verkehrs sind den Neutralen gegenüber möglichst zu vermeiden.

3) Die neutralen Unterthanen gelten

4) Das neutrale Staats- und Privateigentum bleibt unangetastet. Kriegsschiffe und Handelsschiffe

Neutralität

(neulat.), das Verhältnis desjenigen, welcher an dem Streit andrer nicht teilnimmt; insbesondere im völkerrechtlichen Verkehr das Verhältnis eines Staats zu kriegführenden Mächten, vermöge dessen er zu denselben in friedlichen Beziehungen (neutral) verbleibt, ohne sich irgendwie in den Krieg einzumischen. An und für sich liegt es in der freien Entschließung eines jeden selbständigen Staatswesens, ob dasselbe in einen Krieg mit eintreten oder ob es sich in demselben neutral verhalten will.

Allerdings können Schutz- und Trutzbündnisse vorliegen, welche einer Staatsregierung die Teilnahme an einem Krieg zur Pflicht und somit die Einhaltung der Neutralität unmöglich machen; anderseits kann sich ein Staat vor Ausbruch des Kriegs dem einen Teil oder auch beiden kriegführenden Mächten gegenüber ausdrücklich zur Neutralität verpflichtet haben, und endlich sind manche Staaten durch völkerrechtliche Abmachungen dauernd für neutral erklärt. Die Völkerrechtslehre kennt verschiedene Einteilungen der Neutralität. So wird zwischen allgemeiner oder natürlicher (Neutralité naturelle) einerseits und besonderer oder vertragsmäßiger (Neutralität conventionelle) anderseits unterschieden, je nachdem die Neutralität auf natürlicher oder vertragsmäßiger Grundlage beruht.

Man unterscheidet ferner zwischen allgemeiner und partieller (teilweiser) Neutralität, welch letztere nur für gewisse Gebietsteile oder Gegenstände Platz greift, zwischen vollkommener und unvollkommener, bedingter und unbedingter, beschränkter und unbeschränkter Neutralität Gegenstandslos ist dagegen die übliche Einteilung in bewaffnete und unbewaffnete Neutralität, da einem jeden Staate das Recht der Bewaffnung zusteht. Indessen ist der Ausdruck bewaffnete Neutralität von historischer Wichtigkeit, indem wiederholt verschiedene Mächte ihre Neutralität ausdrücklich für eine bewaffnete erklärten, um damit ihre Absicht kundzugeben, dieselbe nötigen Falls mit Waffengewalt zu schützen und so unter Umständen selbst zur Kriegführung überzugehen.

Preußen

Bild 13.338a: Preußen
* 2 Preußen.

Bekannt ist in dieser Hinsicht die bewaffnete Neutralität von 1780, zu welcher sich Rußland, Preußen, [* 2] Dänemark, [* 3] Schweden [* 4] und Portugal [* 5] in dem nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg England gegenüber vereinigt hatten. Eine dauernde Neutralität ist für manche Staaten dadurch herbeigeführt, daß dieselben ausdrücklich für neutral erklärt sind (Neutralisation). Für den neutralisierte Staat erwächst hierdurch die Verpflichtung eines friedlichen, an keinem Streit andrer Staaten sich mittelbar oder unmittelbar beteiligenden Verhaltens. In diesem Sinn ist der Schweiz [* 6] durch die Pariser Akte der Alliierten vom 20. Nov. 1815 die Neutralität (Neutralité perpétuelle et inviolabilité de son territoire) gewährleistet, ebenso Belgien [* 7] (Londoner Vertrag vom 15. Nov. 1831, Art. 7), den Ionischen Inseln bei ihrer Vereinigung mit Griechenland [* 8] (Vertrag vom 14. Nov. 1863), Luxemburg (Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867) und dem Congostaat (Berliner [* 9] Akte vom 26. Febr. 1885, § 3). Das moderne Völkerrecht kennt aber auch eine teilweise (partielle) Neutralisation. In dieser Hinsicht ist namentlich die Genfer Konvention (s. d.) vom 22. Aug. 1864 nebst Zusatzartikeln vom 20. Okt. 1868 von Wichtigkeit, welche nicht nur die Ambulanzen und Militärspitäler neutralisiert, sondern auch dem Personal der Spitäler und Ambulanzen für die Aufsicht und für den Gesundheits-, Verwaltungs- und Krankentransportdienst sowie den Feldpredigern, solange sie ihren Verrichtungen obliegen und Verwundete aufzuheben oder zu verpflegen sind, Teil »an der Wohlthat der Neutralität« gewährt. Auch Evakuationen und das sie leitende Personal werden durch »unbedingte Neutralität« gedeckt; Landesbewohner, welche Verwundeten zu Hilfe kommen, sollen geschont werden, und den Ambulanzen soll ihr Material verbleiben. Dagegen sind die Anregungen, welche zur Neutralisation von submarinen Telegraphenkabeln gegeben wurden, bisher ohne Erfolg gewesen; hingegen ist der Suezkanal neutralisiert.

Pflichten der Neutralen:

1) Der Neutrale darf keinen Kriegführenden unterstützen.



Neutralsalze - Neuwede

Bild 12.106: Neutralsalze - Neuwedell
* 10 Seite 12.106.

2) Der neutrale Staat hat den Kriegführenden sein Gebiet zum Zweck der Kriegführung zu verschließen. Das in neutrales Gebiet vertriebene feindliche Kriegsschiff muß abrüsten und darf nicht auf den Kriegsschauplatz zurückkehren. Truppen der kriegführenden Mächte, welche auf neutrales Gebiet übertreten, sind zu entwaffnen. Es gilt als eine Verletzung der Neutralität, wenn die Ausrüstung von Kriegsschiffen in neutralen Häfen gestattet wird. Truppen der Kriegführenden dürfen nicht durch neutrales Gebiet hindurchmarschieren. Truppen für eine kriegführende Macht dürfen auf neutralem Gebiet nicht angeworben werden. Jede

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Verletzung der Neutralität in dieser Hinsicht verpflichtet zur Genugthuung, wie dies durch das Genfer Schiedsgericht in der Alabamafrage (s. d.) ausgesprochen wurde.

3) Der neutrale Staat darf den Kriegführenden keine Gelddarlehen machen oder gar Geldunterstützungen (Subsidien) gewähren.

4) Er darf den Kriegführenden keine unmittelbaren Kriegsbedürfnisse zuführen (s. Konterbande).

5) Er hat sich dem rechtmäßig geübten Durchsuchungsrecht (s. d.) zu unterwerfen und muß eine effektive Blockade (s. d.) respektieren.

6) Er darf den kriegführenden Mächten auf neutralem Gebiet keine Ausübung des Prisenrechts gestatten (s. Prise).

Rechte der Neutralen:

1) Bei Beobachtung ihrer Pflichten können die Neutralen von den Kriegführenden beanspruchen, daß diese die Neutralität der erstern und insbesondere das Gebiet des neutralen Staats als solches achten. Sie dürfen daher keine Truppen aus demselben anwerben, in neutralen Gewässern keine Prise und auf neutralem Gebiet keine Beute machen; überhaupt dürfen sie das Gebiet des neutralen Staats in die kriegerische Operation in keiner Weise mit hineinziehen.

2) Störungen des Handels und des Verkehrs sind den Neutralen gegenüber möglichst zu vermeiden.

3) Die neutralen Unterthanen gelten, solange sie sich nicht an den Feindseligkeiten beteiligen, als unverletzlich. Die durch besondere Abmachungen einzelnen Personen und gewissen Kategorien von Personen gewährte Neutralität, insbesondere nach Maßgabe der Genfer Konvention (s. oben), ist zu respektieren, auch wenn dieselben Angehörige der kriegführenden Macht sind, und selbst wenn sie zu der mobilen Armee mit gehören.

4) Das neutrale Staats- und Privateigentum bleibt unangetastet. Kriegsschiffe und Handelsschiffe, welche unter dem Geleit (Konvoi) von neutralen Kriegsschiffen segeln, sind dem Durchsuchungsrecht nicht unterworfen. Nach dem Grundsatz »Frei Schiff, [* 11] frei Gut« deckt die neutrale Flagge auch feindliches Gut mit Ausnahme der Kriegskonterbande. Auf feindlichen Schiffen ist neutrales Gut gleichfalls zu respektieren (»Unfrei Schiff, frei Gut«).

Verletzungen der Neutralität durch die Neutralen haben die Nichtanerkennung ihrer Neutralität durch die Kriegführenden zur Folge. Sie berechtigen dieselben zu Repressalien und können zur Kriegserklärung, jedenfalls aber zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen führen. Insbesondere treten bei Verletzung der Blockade, Zuführung von Kriegskonterbande, Beförderung feindlicher Mannschaften oder bei sonstigem Transportdienst für die Kriegführenden Beschlagnahme und Wegnahme von Schiff und Ladung ein (s. Prise).

Auf der andern Seite sind die Neutralen bei Verletzung ihrer Neutralität durch die Kriegführenden durch ihre Neutralität nicht so weit gebunden, daß sie nicht auch ihrerseits zu Repressalien und nötigen Falls selbst zur kriegerischen Selbsthilfe schreiten könnten.

Vgl.   außer den Lehrbüchern des Völkerrechts (Heffter, Holtzendorff, Bulmerincq u. a.) Geßner, Das Recht des neutralen Seehandels (Brem. 1855);

Derselbe, Droit des neutres sur mer (2. Aufl., Berl. 1876);

Hautefeuille, Des droits et des de voirs des nations neutres (3. Aufl., Par. 1869, 3 Bde.);

Schiattarella, Diritto della neutralità (2. Aufl., Flor. 1881);

di Marco, La neutralità nelle guerre marittime (Palermo [* 12] 1882);

den Beer Poortugael, Oorlogsrecht te land en ter zee, rechten en plichten der neutralen (2. Aufl., Breda 1882);

Bergbohm, Die bewaffnete Neutralität 1780-83 (Berl. 1884).