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Reichsgesundheitsamt | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Gesundheitsamt.

Während in England, Amerika [* 4] und der Schweiz [* 5] die öffentliche Gesundheitspflege das allgemeine Interesse seit langem in hohem Grad in Anspruch nimmt, machte sich in Deutschland [* 6] eine allgemeine regere Teilnahme selbst seitens der Ärzte erst seit der 1867 in Weimar [* 7] zusammengetretenen ärztlichen Cholerakommission und der in demselben Jahr in Frankfurt [* 8] a. M. erfolgten Bildung einer besondern hygieinischen Sektion der deutschen Naturforscherversammlung geltend. Es folgten 1869 die Bildung des Niederrheinischen, 1873 die des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege sowie der Ortsvereine in Berlin, [* 9] Bremen, [* 10] Magdeburg [* 11] etc. 1869 wurde im Anschluß an die Sektionsverhandlungen der Naturforscherversammlung in Innsbruck [* 12] dem Bundesrat des Norddeutschen Bundes eine Petition überreicht, worin um Vorlage eines Gesetzes über die Verwaltungsorganisation der öffentlichen Gesundheitspflege gebeten ward.

Der Reichstag überwies 1870 diese Petition dem Kanzler zur Berücksichtigung, und 1875 trat das in Thätigkeit. Es ist dem Gesundheitsamt die Aufgabe gestellt, seine Ziele der Regierung, dem Reichstag und dem großen Publikum selbst klarzulegen, das höhere einstige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, aber auch nicht durch zu hohe Forderungen abzuschrecken. Eine richtige Erkenntnis dessen, was das Amt zu leisten berufen ist, schöpft man am besten aus der von dem Amt selbst verfaßten und 1878 dem Reichstag durch den Bundesrat vorgelegten »Denkschrift über die Aufgaben und Ziele, die das kaiserliche Gesundheitsamt sich gestellt hat, und über die Wege, auf denen es dieselben zu erreichen hofft«.

Hiernach nun gehört zur möglichst genauen Erforschung der Entstehungs- und Verbreitungsursachen der vermeidbaren Krankheiten wie zu deren Bekämpfung eine große Reihe systematisch geordneter Vorarbeiten im ganzen Reich; als gemeinsames Bindemittel und Vermittelungsorgan ist dafür eine medizinisch-wissenschaftliche Kontrollbehörde erforderlich. Die verfassungsmäßige Berechtigung des Reichs, nicht allein Gesetze auf dem Gebiet der Medizinal- und Veterinärpolizei selbst zu geben, sondern auch eine Anregung zu Maßnahmen der Landesgesetzgebung in den Einzelstaaten zu erteilen, setzt voraus, daß das auch aus eignem Antrieb die Reichsregierung von den Fortschritten der Gesundheitswissenschaft in Kenntnis setze und darauf gegründete Verbesserungsvorschläge unterbreite.



Gesundheitsgeschirr -

Bild 7.257: Gesundheitsgeschirr - Gesundheitspflege, öffentliche
* 13 Seite 7.257.

Hierzu bedarf es zuvörderst eines Studiums aller Gesetze und sonstigen Vorgänge des In- und Auslandes auf dem betreffenden Gebiet. Eine tüchtige Medizinalstatistik ist Grundlage und Prüfstein; auch ist zu ihrer gleichmäßigen und einheitlichen Herstellung ein Zentralorgan erforderlich. Das Amt hat sich einstweilen in die Lage gesetzt, aus sämtlichen 149 Städten des Reichs mit mehr als 15,000 Einw. über die eigentlichen Todesursachen der Verstorbenen wie über die Geburten und die meteorologischen Verhältnisse berichten zu können. Diese Veröffentlichung (auch in vierteljährlichen und jährlichen Zusammenstellungen) erfolgt seit Januar 1877 übersichtlich und eingehend in tabellarischer Form. Eine fortlaufende Erkrankungsstatistik für die Angehörigen des Heers, der Marine, der Post, der Eisenbahnen, einer Anzahl von Knapp- und Genossenschaften sowie der unter Armenunterstützung lebenden Bewohner des Reichs wird bereits veröffentlicht oder doch angebahnt;

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mit der Zeit werden daraus und aus der Rekrutierungsstatistik ebenso wichtige wie zuverlässige Folgerungen gezogen werden können. Hieran reiht sich das Studium der Seuchen, ihrer Ätiologie, die Verfolgung ihres Verbreitungswegs. Dies führt zur Untersuchung der Beschaffenheit des Trinkwassers, der Boden- und Flußverunreinigung, der Entfernung der Abfallstoffe. Ebenso liegt Abwehr gegen Entstehung und Verbreitung der Viehseuchen ob, Untersuchung des Schlachtviehs vor und nach dem Schlachten; [* 14] ferner Überwachung des Impfgeschäfts, des Apothekerwesens, der Geheimmittel und vor allem Verordnungen gegen die Verfälschung von Nahrungsmitteln.

Für die Beratung spezieller Fragen hat das Gesundheitsamt sich durch eine Anzahl außerordentlicher beratender Mitglieder kooptiert, welche von dem Direktor zu kollegialen Plenarsitzungen zusammenberufen werden sollen. Über die bisherige Thätigkeit des Gesundheitsamts vgl. die wöchentlich erscheinenden »Berichte aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt« sowie »Mitteilungen aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt« (Berl. 1881, 1884 und 1886), welche die im G. ausgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen enthalten. In mehreren größern Städten sind neuerdings Ortsgesundheitsämter errichtet worden, welche den Ortsbehörden in Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheitspflege beratend zur Seite stehen.