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Savoyen | eLexikon | Geschichte - Frankreich - Territorialgeschichte

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Sat Mar 24 1860

Savoyen

(franz. Savoie, ital. Savoja), früher zum Königreich Sardinien [* 3] gehöriges Herzogtum, das eigentliche Stammland des italienischen Königshauses, durch Vertrag vom 24. März 1860 an Frankreich abgetreten, liegt zwischen der Schweiz, [* 4] Piemont und den französischen Departements Isère und Ain und hat einen Flächenraum von 10,074 qkm (183 QM.) mit (1886) 542,446 Einw. S. ist das höchst gelegene Land Europas und wird hauptsächlich von den Savoyer Alpen [* 5] (mit dem Montblanc, 4810 m), im SO. auch von den Grajischen Alpen (mit der Grande Sassière, 3756 m, und den Pässen des Kleinen St. Bernhard und des Mont Cenis) erfüllt und im SW. von den Kottischen Alpen (mit dem Mont Tabor, 3173 m) berührt.

Die Savoyarden, ein armes, aber ehrliches, genügsames und fleißiges Volk, sprechen ein französisches Patois, unter das italienische Wörter gemischt sind, und gehören der römisch-katholischen Kirche an. Da sie im Land keinen ausreichenden Unterhalt finden, so wandern sie massenweise in andre Länder oder nach dem innern Frankreich, besonders nach Paris, [* 6] um in niedern Diensten, als Schornsteinfeger, Schuhputzer etc., sich einiges Geld zu erwerben, womit sie dann in die Heimat, an der sie sehr hängen, zurückzukehren pflegen. Das ehemalige sardinische Herzogtum S. bildet gegenwärtig die beiden französischen Departements Obersavoyen und S.



Savoyen (Geschichte)

Bild 14.359: Savoyen (Geschichte)
* 9 Seite 14.359.

Das Departement Obersavoyen (Haute-Savoie) ist aus dem nördlichen Teil des Landes gebildet, grenzt im N. an den Kanton Genf [* 7] und den Genfer See, im O. an den Kanton Wallis und die italienische Provinz Turin, [* 8] im Süden an das Departement S., im W. an das Departement Ain und hat einen Flächenraum von 4315 qkm (78,36 QM.). Es ist durchgehends Gebirgsland, enthält im SO. die Montblancgruppe, hat reizende Thäler (darunter das

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berühmte Thal [* 10] von Chamonix), außer dem Genfer See, von welchem 190 qkm hierher gehören, noch den See von Annecy sowie zahlreiche Mineralquellen und wird vom Rhône (Grenzfluß im W. gegen das Departement Ain), der Arve, Drance und mehreren andern Nebenflüssen desselben bewässert. Dampfschiffahrt findet auf dem Genfer und dem Annecysee statt. Die Bevölkerung [* 11] belief sich 1886 auf 275,018 Einw. Von der nur zum kleinern Teil produktiven Bodenfläche kommen 13,216 Hektar auf Acker- und Gartenland, 44,448 auf künstliche, 34,791 auf natürliche Wiesen, 110,084 auf Waldungen, 8582 Hektar auf Weinland.

Weberei

Bild 16.452a: Weberei
* 16 Weberei.

Bodenprodukte sind: Weizen und Hafer [* 12] (gegen 1 Mill. hl), Kartoffeln, Hanf, Tabak, [* 13] Obst, insbesondere Kastanien, Wein (180,000 hl) und Holz. [* 14] Die Viehzucht [* 15] ist ziemlich ausgedehnt (133,239 Stück Rindvieh, 29,594 Ziegen) und liefert viel Käse. Die Industrie erstreckt sich im wesentlichen auf Spinnerei und Weberei [* 16] in Baumwolle [* 17] und Seide, [* 18] Gerberei, Fabrikation von Papier, Bijouterien und Uhren. [* 19] Die Eisenbahnen von Aix über Annecy nach Genf [* 20] und von Collonges über Annemasse nach St.-Gingolph durchschneiden das Departement. Es zerfällt in die vier Arrondissements: Annecy, Bonneville, St.-Julien und Thonon und hat Annecy zur Hauptstadt.

Das Departement S. umfaßt den südlichen Teil des Landes, grenzt im N. an das Departement Obersavoyen, im O. und Süden an die italienische Provinz Turin und das Departement Oberalpen, im W. an die Departements Isère und Ain und umfaßt 5759 qkm (104,57 QM.). Es ist ein hochalpines Land und enthält als Hauptfluß die Isère, welche hier viele kleine Nebenflüsse aufnimmt. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 267,428 Einw. (1861: 275,039). Der Boden ist zum Ackerbau wenig geeignet, nur ein Drittel ist anbaufähig.

Getreide (Zusammensetz

Bild 7.264: Getreide (Zusammensetzung, Nahrungswert etc.)
* 21 Getreide.

Von der Gesamtfläche kommen 90,028 Hektar auf Acker- und Gartenland, 65,033 auf künstliche Wiesen, 55,482 auf natürliche Wiesen, 122,615 auf Waldungen, 9912 Hektar auf Weinland. Die wichtigsten Bodenprodukte sind außer Getreide [* 21] (ca. 1 Mill. hl): Kartoffeln, Tabak, Hanf, Kastanien und Wein (ca. 140,000 hl). Bei dem ausgedehnten Weideland ist die Viehzucht, namentlich auf Rinder [* 22] und Schafe [* 23] (1882 von erstern 140,375, von letztern 89,533 Stück), sehr lohnend, auch die Seidenkultur ist nennenswert.

Vom Mineralreich ist das treffliche, allenthalben vorhandene Baumaterial, ferner Steinkohle und Eisenerz zu erwähnen. Hervorragende Mineralquellen finden sich zu Aix les Bains. Die Industrie erstreckt sich vornehmlich auf Seidenweberei, dann Papierfabrikation [* 24] und ist im übrigen unbedeutend. Die Mont Cenis-Bahn mit den Zweigbahnen nach Albertville, Grenoble [* 25] u. Annecy durchschneidet das Departement. Dasselbe zerfällt in vier Arrondissements: Albertville, Chambéry, Moutiers und St.-Jean de Maurienne;

Hauptstadt ist Chambéry.

Vgl.   Mortillet, Géologie et minéralogie de la Savoie (Chambéry 1858);

Barbier, La Savoie industrielle (Lyon [* 26] 1875, 2 Bde.);

Reiseführer von Mortillet, Joanne u. a.

Romanzement - Römer

Bild 13.922: Romanzement - Römer
* 27 Römer.

[Geschichte.]  

S. (Sapaudia) wird schon im 4. Jahrh. v. Chr., als von Allobrogern bewohnt, erwähnt. 122 unterwarfen es die Römer [* 27] und vereinigten es mit Gallia, von dem es später die Provinz Alpes Graiae et Poeninae bildete. 437 n. Chr. wurde es von den Burgundern besetzt, gelangte mit dem Untergang des burgundischen Reichs an das Frankenreich und wurde 880 dem arelatischen Reich (s. Burgund) einverleibt, mit dem es 1032 endlich an Deutschland [* 28] kam. Seit 880 ward es durch Grafen als Vasallen des Reichs verwaltet.

Als der mächtigste in dieser Zeit wird der Markgraf von Susa genannt, dessen Linie jedoch schon 1036 erlosch. Seine Macht vererbte sich auf die Grafen von Maurienne, welche als Stammväter der Herzöge von S. angesehen werden. Der erste bekannte derselben, Humbert I., mit den weißen Händen, der durch seinen Vater, den Sachsen [* 29] Bertold, von Widukind abstammen, nach andern ein Sohn Irmengards, der zweiten Gemahlin König Rudolfs III. von Burgund, aus erster Ehe gewesen sein soll, ward von Rudolf III. 1016 zum Statthalter ernannt und von Kaiser Konrad II. 1034 mit Chablais und andern Besitzungen belehnt.

Sein zweiter Sohn, Oddo, erwarb durch seine Vermählung mit Adelheid, einer Tochter Maginfrieds, Susa, Aosta und Turin; sein Sohn Amadeus II. (gest. 1080), der Bruder der Kaiserin Bertha, erhielt für seinen Beistand bei dem Zug Heinrichs IV. nach Canossa 1076 von diesem reichen Lohn. Sein Sohn Humbert II. unterwarf sich 1097 die Herrschaft Tarantaise. Unter Amadeus III., Humberts Sohn, wurden dessen Besitzungen 1111 von Heinrich V. zur Reichsgrafschaft erhoben; er war der erste, welcher neben seinem Titel eines Markgrafen von Turin auch noch den eines Grafen von S. führte.

Toulouse (Stadt)

Bild 65.930: Toulouse (Stadt)
* 30 Toulouse.

Thomas I. erwarb durch Kauf die Stadt Chambéry und das Waadtland und erhielt von König Philipp mehrere Reichslehen; er starb 1233. Sein Sohn und Nachfolger Amadeus IV. eroberte 1245 Turin und ward als treuer Anhänger Kaiser Friedrichs II. von diesem zum Herzog von Chablais und Aosta erhoben; er starb 1253. Seine Großneffen Thomas III. und Amadeus V. wurden die Stifter der beiden Linien Piemont und S. Der Stifter der Linie Piemont, Thomas, brachte das Schloß Pignerol und Toulouse [* 30] an sich und starb 1282. Sein ältester Sohn, Philipp, vermählte sich 1301 mit Isabella von Villehardouin, die ihm Achaia und Morea zubrachte.

Ersteres vertauschte er jedoch 1307 an den König Karl II. von Neapel [* 31] gegen die Grafschaft Alba in [* 32] den Abruzzen. Als die Linie mit Ludwig, welcher 1405 die Hochschule zu Turin stiftete, 1418 erlosch, fiel Piemont wiederum an die Linie S. Der Stifter der letztern, Amadeus V., der Große, wußte sein Gebiet sehr zu erweitern, unter anderm durch die Grafschaft Asti, und ward zum Reichsfürsten und Reichsvikar ernannt; er starb 1323. Sein Sohn Eduard (1323-29) verlor beträchtliche Gebiete an den Dauphin von Vienne, aber dessen Bruder Aymon (1329-43) erwarb durch Vermählung die Anwartschaft auf Montferrat.

Griechenland

Bild 7.696a: Griechenland
* 33 Griechenland.

Amadeus VI. vergrößerte sein Gebiet durch Eroberung und Kauf, ward von Kaiser Karl IV. zum Reichsstatthalter in einem Teil der Schweiz ernannt, focht gegen die Türken in Griechenland, [* 33] setzte die Primogenitur und die Unteilbarkeit der Lande fest und starb 1383. Sein Sohn Amadeus VII. erwarb die Schutzherrschaft über Nizza, [* 34] Ventimiglia und Barcelonette, starb 1391. Dessen Sohn Amadeus VIII. erwarb durch Kauf 1401 die Grafschaft Genf, vergrößerte sein Gebiet noch durch viele andre Landstriche, ward 1416 von Kaiser Siegmund zum Herzog von S. erhoben, legte aber 1433 die Regierung nieder und ward 1439 vom Baseler Konzil unter dem Namen Felix V. zum Papst erwählt, dankte 1448 freiwillig ab und starb 1451 als Kardinal. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig (1433-65) stellte 1445 in einem Grundgesetz die Unveräußerlichkeit der savoyischen Krongüter fest, erwarb ebenfalls mehrere Landstriche und vermählte sich mit Anna von Lusignan, der Tochter des Königs Johann II. von Cypern. [* 35] Seine Nachfolger waren: Amadeus IX., starb 1472;

Philibert I., starb 1482;



Savu - Sax

Bild 14.360: Savu - Sax
* 36 Seite 14.360.

Karl I., der seine Rechte kühn gegen Papst Sixtus IV.

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behauptete und dem Markgrafen von Saluzzo, welcher seine Lehnshoheit nicht anerkennen wollte, sämtliche Lande wegnahm und 1489 starb;

Karl II., gest. 1496;

Philipp II, gest. 1497;

Philibert II., gest. 1504, und dessen Bruder Karl III. Unter letzterm besetzte 1535 Franz I. von Frankreich einen Teil von S., um sich in seinem Kriege gegen den Kaiser einen Durchgang zu bahnen.

Genf und Wallis hatten sich schon 1533 unter den Schutz der schweizerischen Eidgenossenschaft gestellt, und Bern [* 37] besetzte 1536 das Waadtland, Chablais und Gex. Als nun der Krieg nach Piemont gespielt worden war und in dem Waffenstillstand zu Nizza 1538 S. unter Frankreich und Österreich [* 38] so geteilt ward, daß ersteres die besetzten Plätze, letzteres Asti, Vercelli und Fossano nahm, kam Karl um seine sämtlichen Länder. Er starb 1553, und ihm folgte sein Sohn Emanuel Philibert, der sich als Feldherr Karls V. und Philipps II. von Spanien [* 39] im Kriege gegen Frankreich einen Namen erwarb. Er erhielt 1559 durch den Frieden von Cateau-Cambrésis die vom Kaiser besetzten Gebiete, 1560 mit Ausnahme von Pignerol, Savigliano und Saluzzo die ihm von Frankreich und 1564 auch die ihm von den Schweizern entrissenen Landstriche größtenteils zurück und schloß mit letztern 1570 einen Waffenstillstand auf 25 Jahre.

Nachdem er 1574 endlich auch Pignerol und Savigliano von Frankreich zurückerhalten und 1576 das Fürstentum Oneglia durch Tausch und die Grafschaft Tenda durch Kauf erworben hatte, gab er durch Gründung der Citadelle von Turin dem Land eine Hauptstadt und legte durch Erbauung von Galeeren in Villafranca den Grund zu einer Marine. Ihm folgte 1580 Karl Emanuel I., der 1601 Bresse, Bugey und Gex an Heinrich IV., Pignerol und mehrere andre feste Plätze an Ludwig XIII. verlor und 1630 starb.

Sein Sohn Viktor Amadeus I., dessen jüngerer Bruder, Thomas, der Stifter der Linie S.-Carignan wurde, starb 1637. Unter seinem Sohn Karl Emanuel II. fielen 1659 durch das Aussterben der savoyischen Nebenlinie der Grafen von Genf die Besitzungen derselben an S. Auf Karl Emanuel II. folgte 1675 sein Sohn Viktor Amadeus II., der 1686 dem Augsburger Bündnis gegen Frankreich beitrat, worauf dieses längere Zeit S. besetzt hielt. Im Frieden zu Vigevano erhielt er jedoch seine Länder wieder zurück.

Uterus - Utrecht

Bild 16.28: Uterus - Utrecht
* 40 Utrecht.

Seitdem schloß sich S., das im Besitz wichtiger Militärstraßen war, bald an Österreich, bald an Frankreich an, bis die Entwaffnung der savoyischen Truppen durch ein französisches Heer den Herzog endlich offen zum Bündnis mit Österreich drängte (1703). Er verlor Vercelli, Ivrea, Susa, Pignerol und Chierasco an die Franzosen, wurde selbst in seiner Hauptstadt Turin belagert und erst durch Eugens Sieg 7. Sept. 1706 wieder in den Besitz seiner Lande gesetzt. Im Frieden von Utrecht [* 40] 1713 erlangte er wichtige Vorteile, erhielt den Königstitel, die Zusicherung der Erbfolge in Spanien nach dem Aussterben der dortigen bourbonischen männlichen Linie, sofort aber Sizilien, [* 41] das er 24. Aug. 1720 gegen Sardinien vertauschte. Seitdem bildeten S. und Sardinien die Sardinische Monarchie (s. d.), S. wurde aber 1860 an Frankreich abgetreten. Die ältere Linie des Hauses S. erlosch 27. April 1831, worauf die jüngere Linie, S.-Carignan, auf den Thron [* 42] kam.

Vgl.   Cibrario, Notizie sopra la storia dei principi di Savoja (Tur. 1825);

Frézet, Histoire de la maison de Savoie (das. 1826-28, 3 Bde.);

Bertolotti, Compendio della storia della casa di Savoja (das. 1830, 2 Bde.);

Canale, Storia della monarchia Sabauda (Genua [* 43] 1868);

Belgiojoso, Histoire de la maison de Savoie (Par. 1860);

St.-Genis, Histoire de Savoie (Chamb. 1869, 3 Bde.);

Carutti, Storia della diplomazia della casa di Savoja (Tur. 1875-80, 4 Bde.).

S. auch die Litteratur bei Artikel »Sardinische Monarchie« und die Geschichtskarten bei »Italien«. [* 44]