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Schleiermacher | eLexikon | Theologie - Protestantische Kirche - Deutsche

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
  • ️Mon Nov 21 1768

Schleiermacher,

Friedrich Ernst Daniel, Bahnbrecher der neuern protestantischen Theologie, geb. 21. Nov. 1768 zu Breslau, [* 2] wo sein Vater reformierter Feldprediger war, besuchte seit 1783 das Gymnasium der Brüdergemeinde zu Niesky und seit 1785 das Seminar derselben zu Barby und studierte seit 1787 in Halle [* 3] Theologie. 1794 ward er als Hilfsprediger in Landsberg [* 4] an der Warthe, 1796 als Prediger an dem Chariteekrankenhaus in Berlin, [* 5] 1802 als Hofprediger in Stolpe, 1804 als außerordentlicher Professor der Theologie in Halle angestellt.

Berlin-Dresdener Eisen

Bild 52.817: Berlin-Dresdener Eisenbahn - Berliner Handels-Gesellschaft
* 8 Berliner.

Schon in Berlin war er, durch die beiden Schlegel und Henriette Herz in die romantischen Kreise [* 6] hereingezogen, als Schriftsteller aufgetreten in den berühmten »Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern« (Berl. 1799 u. öfter; Neueste Ausg. von Lommatzsch, Gotha [* 7] 1888) und den »Monologen« (Leipz. 1800, 7. Aufl. 1868). Seine Freundschaft mit Fr. Schlegel verschuldete die »Vertrauten Briefe über Schlegels Lucinde« (Berl. 1801; mit einem Vorwort von Gutzkow wieder herausgegeben, Hamb. 1835). Auch vereinigte er sich mit demselben zur Übersetzung des Platon, die er dann allein unternahm (Berl. 1804-10, 5 Bde.; 3. Aufl. 1855-61; Bd. 6, 1828; 2. Aufl. 1855-62), und die besonders durch die Einleitungen zu den Platonischen Dialogen für das Studium der betreffenden Philosophie epochemachend geworden ist. An seine »Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre« (Berl. 1803, 2. Aufl. 1834) schlossen sich später die in den Denkschriften der Berliner [* 8] Akademie erschienenen Abhandlungen über die wissenschaftliche Behandlung des Tugendbegriffs, des Pflichtbegriffs, über den Begriff des Erlaubten, über den Unterschied zwischen Natur- und Sittengesetz und den Begriff des höchsten Gutes an. Nachdem die Katastrophe von 1806 den zeitweiligen Schluß der Universität Halle herbeigeführt, hatte sich S. nach Berlin begeben, wo er, von Stein und Humboldt herangezogen, vorzüglich bei Gründung der neuen Friedrich Wilhelms-Universität thätig war, an welcher er auch 1810 als ordentlicher Professor der Theologie angestellt wurde, nachdem er 1809 Prediger an der Trinitatiskirche geworden war.

Damals veröffentlichte er: »Die Weihnachtsfeier, ein Gespräch« (Halle 1806; 4. Aufl., Berl. 1850);

die kritische Schrift »Über den sogen. ersten Brief des Paulus an den Timotheus« (das. 1807);

»Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn« (das. 1808).

Kreiden - Kreis

Bild 10.184: Kreiden - Kreis
* 9 Kreis.

In der bewunderungswürdigen Vielseitigkeit seiner nach den verschiedensten Richtungen eingreifenden Thätigkeiten war er eine der bedeutendsten geistigen Größen während der ersten glänzenden Periode der Berliner Universität. Die Fülle der Gedanken, die Form, die in schönster Vollendung ihm zu Gebote stand, und vor allem die seltenste Vereinigung der zartesten Religiosität mit der schärfsten Dialektik und der freiesten, an kein Herkommen gebundenen Kritik führten ihm begeisterte Schüler zu. Seine Kollegia umfaßten nicht bloß fast den ganzen Kreis [* 9] des theologischen Wissens, sondern er trug auch seit 1811 Dialektik vor, welche er als Einheit der Logik und Metaphysik faßte.

Damals erschien seine »Kurze Darstellung des theologischen Studiums« (Berl. 1811, 2. Aufl. 1830). Aber der reifste Ausdruck seiner religiösen Überzeugungen ist: »Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt« (Berl. 1821-22, 2 Bde.; 6. Aufl. 1884),

der erste Versuch, den überlieferten Inhalt mit der Innerlichkeit und Freiheit des Subjekts auszusöhnen und zu erfüllen. Nachdem schon seine »Reden« die Religion vor jeder Verwechselung mit Metaphysik oder Ethik sichergestellt und ihre originell sprudelnde Quelle [* 10] im menschlichen Gefühlsleben, wo nach romantischer Voraussetzung der absolute sich mit dem endlichen Geist berührt, nachgewiesen hatten, führte die »Glaubenslehre« die Religion auf das Gefühl absoluter (»schlechthinniger«) Abhängigkeit zurück. Da nämlich der Welt gegenüber selbst im äußersten Fall noch ein Minimum von Freiheitsgefühl wirksam sein soll, baute S. auf Grund der freilich selbst wieder fraglichen Thatsache eines Abhängigkeitsgefühls, welches, weil totale Abhängigkeit bedeutend, seinen Gegenstand nicht in der Welt haben kann, ein Gottesbewußtsein auf, mit dessen Beschreibung und Analysierung seine Glaubenslehre es zu thun hat.



Schleiertuch - Schleif

Bild 14.509: Schleiertuch - Schleifen
* 11 Seite 14.509.

Von der weitern Voraussetzung aus, daß in dem geschichtlichen Christus dieses Gottesgefühl in absoluter Kräftigkeit gelabt und durch ihn in der Christenheit angeregt worden sei, werden dann die einzelnen Dogmen kritisch beleuchtet und auf ihren religiösen Gehalt zurückgeführt. Das ergänzende Seitenstück zu dieser Dogmatik ist das aus seinem Nachlaß von Jonas herausgegebene Werk »Die christliche Sitte« (Berl. 1843, 2. Aufl. 1884). Als die Akademie der Wissenschaften,

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deren Mitglied S. seit 1811 war, ihn 1814 zum Sekretär [* 12] der philosophischen Abteilung erwählte, ließ er sich von seiner Beschäftigung im Ministerien entbinden, wie er denn überhaupt wachsende Ungunst seitens der Regierung zu erfahren hatte und eine Zeitlang in Gefahr stand, wegen angeblicher Demagogie in Untersuchung gezogen oder abgesetzt zu werden. Die Schriften der königlichen Akademie bereicherte er durch eine große Anzahl von Reden und Abhandlungen, namentlich über einzelne schwierige Punkte der Geschichte der alten Philosophie.

Seine Teilnahme an dem allgemeinen kirchlichen Leben und eine klare Einsicht in die Bedürfnisse desselben hatte er schon bekundet durch die 1804 anonym erschienenen »Zwei unvorgreiflichen Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens in Beziehung auf den preußischen Staat«, worin er namentlich auf die Nachteile der Trennung der protestantischen Kirchen hinwies. Als nun 1817 die Union auf einer von ihm präsidierten Synode zu stande gebracht wurde und die Ausschreiben zur Bildung einer Presbyterial- und Synodalverfassung erschienen waren, suchte er das Werk mit Rat und That, wenngleich ohne Erfolg, zu fördern.

Ebensowenig richtete er aus im Kampf gegen die lediglich im königlichen Kabinett entstandene Agende. Unter dem Namen »Pacificus Sincerus« schrieb er 1824 ein »Theologisches Bedenken über das liturgische Recht evangelischer Landesherren«, das den alten Streit über die Rechtsprinzipien in dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat wieder anregte. Als Prediger übte S. fortgehend, namentlich auf den gebildeten Teil des Publikums, einen bedeutenden Einfluß aus.

Nach seinem 12. Febr. 1834 erfolgten Tod vereinigten sich seine Freunde und Anhänger zur Herausgabe seiner Werke, welche in drei Abteilungen (Berl. 1836-65) erschienen. Die erste Abteilung: »Zur Theologie« (11 Bde.) enthält außer den oben erwähnten: »Die christliche Sitte« und »Der christliche Glaube« folgende Werke: »Einleitung in das Neue Testament« (hrsg. von Lücke, 1845);

»Hermeneutik und Kritik mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament« (von demselben, 1838);

»Geschichte der christlichen Kirche« (von Bonnell, 1840);

»Das Leben Jesu« (von Rütenik, 1864);

»Die praktische Theologie« (von Frerichs, 1850) und drei Bände kleiner Schriften;

die zweite Abteilung enthält »Predigten« (meist hrsg. von Sydow, 1836-56, 10 Bde.);

aus der dritten Abteilung: »Zur Philosophie« (9 Bde.),

erwähnen wir: »Dialektik« (von Jonas, 1830);

»Entwurf eines Systems der Sittenlehre« (von Schweizer, 1835);

Lehrbegriff - Lehrerin

Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert]
* 13 Lehre.

»Die Lehre [* 13] vom Staat« (von Brandis, 1845);

»Die Erziehungslehre« (von Platz, 1849);

»Geschichte der Philosophie« (von Ritter, 1839).

Schleiermachers »Pädagogische Schriften« wurden besonders herausgegeben von Platz (2. Aufl., Langens. 1876); auch sind seine »Rätsel und Charaden« (3. Aufl., Berl. 1883) zu erwähnen.

Vgl.   »Schleiermachers Briefwechsel mit J. Chr. ^[Joachim Christian] Gaß« (Berl. 1852);

»Aus Schleiermachers Leben, in Briefen« (hrsg. von Dilthey, das. 1860-63, 4 Bde.);

die Biographien von Dilthey (das. 1870, Bd. 1) u. Schenkel (Elberf. 1868);

Bender, Schleiermachers Theologie mit ihren philosophischen Grundlagen (Nördl. 1876-78, 2 Bde.);

Ritschl, Schleiermachers Reden über die Religion (Bonn [* 14] 1874);

Keferstein, S. als Pädagog (2. Aufl., Jena [* 15] 1889).