SCHLEITHEIM | eLexikon | _Schweiz_
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
Schleitheim
(Kt. Schaffhausen, Schleitheim). 485 m. Grosses Pfarrdorf und Hauptort des Bezirks; in einem etwa 7 km langen Seitenthal der Wutach, das sich vom w. Steilabfall des Randen in sw. Richtung erstreckt. 15 km nw. Schaffhausen. Station der 1905 eröffneten elektrischen Strassenbahn Schaffhausen-Schleitheim-Oberwiesen. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach Beggingen. Gemeinde, mit Oberwiesen: 293 Häuser, 1893 Ew. (wovon 50 Katholiken);
Dorf: 261 Häuser, 1680 Ew. Pfarrkirche mit neu restauriertem Turm.
Elementar- u. Realschule; Kleinkinderschulen. Asyl für bürgerliche Arme. Die Einwohner beschäftigen sich grösstenteils mit Landwirtschaft: Getreide-, Kartoffel-, Wiesen-, Obst- und Weinbau, mit Rindvieh- und Schweinezucht.
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Eine einer kantonalen Genossenschaft gehörige Viehweide am Fuss des «Langen Randen» (im Babenthal) dient zur Sömmerung von Jungvieh. Die erheblich über den Bedarf gebauten Kartoffeln werden in einer Genossenschaftsbrennerei für das eidgenössische Alkoholamt zu Sprit verarbeitet; ein Teil kommt auch zur Ausfuhr. Die Einwohnergemeinde besitzt 685 ha schöne Waldungen und die Bürgergemeinde 322 ha an die Bürger gegen eine mässige Steuer zur Nutzung überlassenes Gemeindeland.
Die Wasserkraft an der Wutach in dem zur Gemeinde gehörigen Weiler Oberwiesen (2 km von Schleitheim an der Landesgrenze) wird zu verschiedenen industriellen Unternehmungen verwendet. Mechanische Leinenspinnerei und Weberei, mechanische Werkstätte, Bau- und Möbelschreinerei, Sägerei und Gipsmühle. An Stelle der letztern sollen nächstens andere industrielle Anlagen treten. Verschiedene Gipsbrüche in der Keuperformation liefern Ackergips; die durch Stollenbau ausgebeuteten Gipslager in der Anhydritgruppe des Muschelkalks geben gutes Material zu Baugips.
Doch ist das früher blühende Gipsgewerbe in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen. Kalksteinbrüche im Muschelkalk und im Malm. Der grosse Sandsteinbruch von Seewi (im Keuper) wird zur Zeit nur noch spärlich betrieben. Kalk- und Ziegelbrennerei, Sägerei und Holzhandel. Baugeschäft mit Fabrikation von Zementartikeln. Viele Altertümer aus keltischer, römischer und alemannischer Zeit. Das Vorhandensein eines grösseren zusammenhängenden Komplexes römischer Ruinen in den Flurbezirken «z'unterst Wyler», «Salzbrunnen» und «Hinter Mauern» gibt der Vermutung hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei Schleitheim die auf der Peutinger'schen Tafel zwischen den Stationen Tenedone (Zurzach) und Brigobanne (Hüfingen) verzeichnete Station Juliomagus zu suchen ist (vergl. M. Wanner: Beiträge zur Ausmittlung der röm. Militärstation Juliomagus. Frauenfeld 1871). Zerstreute Reste römischer Bauten an verschiedenen Stellen des Gemeindebannes, darunter namentlich Ruinen einer grossen Villa im «Vorholz»; aus derselben findet sich ein grösseres Fragment eines Mosaikbodens in der Sammlung des antiquarischen Vereins in Schaffhausen. In den letzten Jahren hat sich namentlich der Verein für Heimatkunde in Schleitheim die Erforschung der römischen Ruinen zur Aufgabe gemacht.
Eine kleine Sammlung von Fundobjekten, darunter besonders Produkte römischer Töpferei-Industrie, sowie eine kleine Sammlung von Münzen aus den ersten beiden Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit findet sich im untern Schulhaus. In den Jahren 1865 und 1866 wurde bei der Anlage eines neuen Friedhofes ein grösseres alemannisches Totenfeld entdeckt. Ueber 200 Reihengräber wurden blosgelegt; die zahlreich erhobenen Grabbeigaben finden sich in der Sammlung des historisch-antiquarischen Vereins in Schaffhausen (vergl. M. Wanner: Das alemannische Totenfeld bei Schleith. Schaffh. 1867).
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Um 988-990 kam der Ort mit einigen umliegenden kleineren Dorfschaften infolge Schenkung des Herzogs Burkhard II. von Alemannien an das Kloster Reichenau. Jahrhunderte lang behauptete diese Abtei ihren Besitz und ihre Gerechtigkeiten in Schleitheim, obgleich auch hier die Vögte (von Krenkingen, von Bandenburg, von Randegg und von Neuenegg) sich je länger je mehr breit machten und ausserdem der stühlingische Landgraf auf Lupfen sein gieriges Auge auf das fruchtbare Gelände warf.
Aber auch für die Stadt Schaffhausen konnte der Besitz von Schleitheim nicht gleichgiltig sein, und als durch den Vertrag mit dem Abt von Allerheiligen vom Jahr 1451 das Randengebirge von diesem Kloster an die Stadt übergegangen und ihr dieser Besitz durch den Schiedspruch von 1491 auch dem Landgrafen von Lupfen gegenüber bestätigt worden war, gewann der Einfluss der Stadt Schaffhausen auf Schleitheim immer mehr die Oberhand. Schon 1438 hatte der Spital zu Schaffhausen einen Teil der Vogtei in Schleitheim erworben, auf Grund wovon die Stadt die Huldigung gegen Bürgermeister und Rat forderte.
Nach langem und hartnäckigem Widerstreben der Schleitheimer gelang es endlich der Stadt, infolge der Erwerbung auch des andern Teiles der Vogtei 1530 den Widerstand zu brechen und Schleitheim völlig unter seine Gewalt zu bringen. Das alte Verhältnis zu Reichenau, dessen sanftes Regiment die Schleitheimer so schwer vergessen konnten, beschränkte sich von da an auf das Zehntenrecht der Abtei, bezw. des Bischofs von Konstanz, dem die Abtei 1540 inkorporiert worden war, und auf das Bestätigungsrecht der Pfarrer des Fleckens (bis 1803). Die Hochgerichtsrechte, welche die Landgrafschaft Stühlingen in einem grossen Teil des Schleitheimer Bannes ausübte, fanden erst 1839 ihre Ablösung.
Jetzt sind die Schleitheimer, die sonst nur ungern schaffhauserische Untertanen waren und die in den Revolutionszeiten gegen Ende des 18. Jahrhunderts und am Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts mit den Hallauern die ruppigsten Untertanen Schaffhausens waren, gut schaffhauserisch geworden. Heimat des Pädagogen Martin Heusi (1788-1841), des in der Revolution von 1831 eine Rolle spielenden Arztes Joh. Baechtold, des Literaturhistorikers Prof. Dr. Jak. Baechtold in Zürich († 1897) und der Dichter Anton Pletscher und Samuel Pletscher († 1904).