Soda | eLexikon | Technologie, Gewerbe und Industrie - Chemische Industrie
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
Soda
(Kohlensaures Natron, kohlensaures Natrium, Natronkarbonat, Natriumkarbonat, lat. Natrum carbonicum, sal sodae; frz. carbonate de soude oder sei de soude; engl. soda salt, carbonate of soda), ist einer der wichtigsten Artikel des Chemikalienhandels, im reinsten Zustande nur aus Kohlensäure und Natriumoxyd bestehend. Das kohlensaure Natron findet sich lokal in ziemlichen Mengen schon fertig in der Natur, und zwar als Rückstand verdunsteten Wassers von Landseen und Teichen, sog. Natronseen, deren Quellen von diesem Salze größere Mengen herzugeführt hatten.
Durch Sammeln der von Salz gebildeten Ausblühungen und Krusten, Auslaugen des damit imprägnierten Erdreichs mit Wasser und Abdampfen kann dasselbe, doch immer mit viel Koch- und Glaubersalz gemischt, gewonnen werden. Solche Seen, resp. Bodenflächen, finden sich in Ungarn, Ägypten und anderwärts in Nordafrika, in Südamerika und andern Gegenden. In Ungarn sollen auf die angegebene Weise etwa 50000 Ztr. Erdsoda jährlich gewonnen werden, die man Debrecziner oder Kehrsoda nennt.
Sie bildet bloß einen Inlandsartikel und wird besonders zur Darstellung der berühmten Debrecziner Seife verbraucht. Die in Ägypten vorfindliche S. heißt dort Trona, woraus durch Umkehr das Wort Natron entstanden ist, die aus Kolumbien Urao. Beide sind jedoch nicht einfaches kohlensaures Natron, sondern durch Mehrgehalt an Kohlensäure anderthalb kohlensaures. Bis zur großen französischen Revolution benutzte man hauptsächlich den Natrongehalt des Meeres zur Sodagewinnung.
Gewisse Strandpflanzen aus den Gattungen Salsola, Salicornia, Chenopodium, Atriplex haben die Eigenschaft, aus dem salzigen Boden ihrer Standorte größere Mengen Natron aufzunehmen. Derartige Pflanzen wurden an den spanischen und französischen Küsten gesammelt, getrocknet und in Gruben verbrannt. Der Rückstand an Salzen und Asche bildet halb verschlackte harte Klumpen, die gewöhnlich in dieser rohen Form und unter verschiednen Namen in den Handel kommen.
Soda

* 2
Seite 21.537.Folge der Verbrennung ist es, daß der Natrongehalt der Asche immer kohlensaures Salz ist, während er in den Pflanzen selbst an irgendwelche Pflanzensäuren gebunden sein mag. Das beste derartige Produkt mit einem Sodagehalt bis zu 30% lieferte Spanien, an dessen Südküsten die Salsola soda auf großen Küstenstrecken selbst angesät wurde oder vielleicht noch wird. Diese spanische Ware führt den Namen Barilla. In Südfrankreich, bei Narbonne, gewann man aus Glasschmalz (Salicornia annua) die Salicor genannte Salzasche mit 15% Sodagehalt, bei Frontignan und in andern Gegenden die Blanquette mit kaum 8% S. und mehr Kochsalz. Noch weniger, zuweilen gar keine S. enthalten die Varec und Kelp genannten Aschen, erstere in der Normandie, letztere in Schottland und Irland, aus Seetang erhalten. Die Seetange, obwohl im Meerwasser selbst wachsend, sammeln eigentümlicherweise mehr das in winzigem Verhältnis darin vorkommende Kali und dienen daher zur ¶
mehr
Gewinnung von Kalisalzen, Jod und Brom. - Alle diese Gewinnungsarten sanken jedoch zur Unbedeutendheit herab, nachdem Leblanc in Frankreich im Jahre 1794, aus Anlaß eines Ausschreibens des republikanischen Konvents, mit seiner Erfindung, die S. auf chemischem Wege aus Kochsalz herzustellen, hervorgetreten war. In Marseille, wo schon vorher die Pflanzensoda in großem Maßstabe auf Seife verarbeitet wurde, entwickelte sich nun auch die Sodafabrikation zuers ^[richtig: zuerst] ins Große.
Bald ging nun auch die neue Industrie nach England und in andre Länder über; sie folgt im wesentlichen noch heute der Leblancschen Darstellungsweise, doch sind in neurer Zeit auch andre Methoden der Sodafabrikation in Aufnahme gekommen, so z. B. das Ammoniaksodaverfahren und die Fabrikation der S. aus Kryolith, aus welchem auf einfache, in dem betreffenden Artikel angegebene Weise sehr gute, am Markte bevorzugte S. und Ätznatron gewonnen werden. Nur lassen sich aus dieser Quelle nicht die Millionen von Zentnern des Salzes schöpfen, die gebraucht werden; das Hauptmaterial wird trotzdem das Kochsalz bleiben.
Das erste Stadium bei Leblancs Verfahren ist die Verwandlung des Kochsalzes (Chlornatrium) in schwefelsaures Natron, das gewöhnliche Glaubersalz. Bei Zusammenbringen von Kochsalz und verdünnter Schwefelsäure unter Mitwirkung von Wärme entsteht Glaubersalz und Dämpfe von Salzsäure (Chlorwasserstoff) entweichen, obgleich dieser Stoff nicht im Kochsalz enthalten ist, sondern nur der eine Bestandteil desselben, das Chlor. Es wird aber bei dem stattfindenden chemischen Prozesse zugleich Wasser mit in seine Bestandteile Sauer- und Wasserstoff zerlegt; der letztere bildet sogleich mit dem Chlor Chlorwasserstoff und der erstere mit dem Natrium das Natriumoxyd, welches mit der Schwefelsäure in Verbindung tritt.
Die Darstellung des Glaubersalzes im großen erfolgt in geschlossenen Flammenöfen, die zwei Abteilungen haben, eine weniger stark geheizte, in welche die Flammen keinen Zutritt haben, und eine, dem Feuer näher liegende, mit direkter Feuereinwirkung. In die erste Abteilung werden Salz und Säure zuerst eingebracht; die hier entstehende reinere Salzsäure zieht durch ein dickes Rohr nach einer Reihe großer steinerner Ballons, die alle durch Verbindungsrohre zu einem ganzen System vereinigt und zur Hälfte mit Wasser gefüllt sind.
Das Wasser verschluckt die darüber hinziehenden sauren Dämpfe begierig und so entsteht die bekannte flüssige Salzsäure, eine Auflösung des an sich gasförmigen Chlorwasserstoffs in Wasser. Wenn die Masse im ersten Ofenraum dick und klümprig geworden, zieht man sie in den andern, wo sich durch die direkte Feuerwirkung die Zersetzung vollendet und die nun aus Glaubersalz bestehende Masse zu einem harten festen Körper wird. Die hier noch entstehende Salzsäure wird mit den Verbrennungsgasen zugleich durch ein andres System von Verdichtungsballons oder durch große mit Koaksstücken gefüllte Türme geleitet, in welches ein beständiger Wasserregen herabträufelt, wodurch das Chlorwasserstoffgas absorbiert wird.
Dies Nebenprodukt, die Salzsäure, wird bei der Sodafabrikation in so beträchtlichen Mengen erhalten, daß von hier aus aller mögliche Bedarf mehr als gedeckt werden kann und die Fabriken den wohlfeilen Stoff oft lieber in die Luft entließen, wenn sie dies dürften. Das erhaltene Glaubersalz, gewöhnlich kurz weg Sulfat genannt, erfährt nun alsbald eine weitere Umwandlung: man pulverisiert es, mengt es mit etwa dem gleichen Gewicht an kohlensaurem Kalk, also z. B. Kreide oder Kalkstein, und dem halben Gewicht Kohlenklein und bringt das Gemisch in den Flammenofen, wo es unter Erweichung und Umrühren durch die Hitze derart umgesetzt wird, daß die Kohle dem Glaubersalz seinen Sauerstoff entreißt und es so zu Schwefelnatrium (Natronschwefelleber) reduziert, indes der kohlensaure Kalk mit diesem sich in Schwefelcalcium (Kalkschwefelleber) und kohlensaures Natron umsetzt.
Aus diesen beiden Stoffen besteht demnach in der Hauptsache die kalcinierte, graue, steinige Masse, welche Schmelze genannt wird. Diese wird nunmehr zerschlagen und das kohlensaure Salz mit warmem Wasser ausgezogen. Da gewöhnliche Kalkschwefelleber aber im Wasser auch löslich ist, so muß, was zum Erfolg unerläßlich ist, die Beschickung zur Darstellung der Schmelze mit einem Überschuß an Kalk gemacht werden. Es bildet sich dann ein mehr kalkhaltiges Schwefelcalcium (Calciumoxysulfid), welches unlöslich ist und den Rückstand bei der Auslaugung bildet. Diese festen Rückstände sind es, die sich neben den Sodafabriken früher in großen Hügeln und Halden anhäuften, aus denen man aber jetzt gelernt hat, den darin steckenden Schwefel wiederzugewinnen. Außerdem werden diese Rückstände noch ausgenutzt dadurch, daß man sie auf unterschwefligsaures Natron verarbeitet. - Die aus der Schmelze extrahierte Lauge wird ganz wie Salzsole eingekocht und die dabei in kleinern Körnern herausfallende einfach gewässerte S. ausgeschaufelt, getrocknet und im Flammenofen bei mäßiger Hitze, sodaß keine Schmelzung eintritt, kalciniert, bis sie ganz weiß wird.
Soda

* 3
Seite 21.538.Sie erscheint nun infolge der Entwässerung als ein bröckliches weißes Pulver und heißt weiße oder kalcinierte S., auch Sodasalz. Sie enthält schwankende Mengen, gewöhnlich 80-96%, reines kohlensaures Natron, außerdem besonders Glaubersalz und Kochsalz. Diese kalcinierte S. ist der Hauptartikel der Sodafabrikation; außerdem wird aber auch viel kristallisierte S. erzeugt, das großkristallinische glasige Salz, welches für den häuslichen Gebrauch überall den Vorzug zu haben scheint, weil der Gewichtspreis um die Hälfte geringer ist als bei kalcinierter, und die Frauen nicht wissen, daß sie in den Kristallen 63% (zehn Äquivalente) Wasser chemisch gebunden mit erhalten. Zur Darstellung dieses Salzes wird kalcinierte oder auch unkalcinierte S., welche ein unreineres Produkt gibt, in möglichst wenig heißem Wasser gelöst, die Lösung geklärt und in Bottichen zum Kristallisieren hingestellt. In 10-12 Tagen wachsen dann die Kristalle, oft fußlang, an eingelegten Stäben heraus. Die hierbei, sowie beim ersten Einkochen verbleibenden ¶
mehr
Mutterlaugen sind noch reichlich natronhaltig und werden wieder mit auf S. verarbeitet.
Außer diesem Leblancschen Verfahren der Sodagewinnung, welches neuerdings in England durch Einführung der rotierenden Sodaöfen eine wesentliche Verbesserung erfahren hat, hat von den vielen andern empfohlenen Methoden der direkten Darstellung der S. aus Chlornatrium nur das sog. Ammoniaksodaverfahren oder Solveyverfahren im großen Eingang gefunden. Dasselbe beruht darauf, daß eine konzentrierte Lösung von Chlornatrium (Kochsalz) sich mit einer konzentrierten Lösung von doppeltkohlensaurem Ammoniak in der Weise umsetzt, daß doppeltkohlensaures Natron und Salmiak (Chlorwasserstoffammoniak) entstehen.
Letzterer bleibt gelöst, während das doppeltkohlensaure Natron aus dieser konzentrierten Lösung sich ausscheidet. Das doppeltkohlensaure Natron wird dann durch Erhitzen in einfachkohlensaures Natron, die S., umgewandelt, wobei die entweichende Hälfte der Kohlensäure wieder mit zur Darstellung von doppeltkohlensaurem Ammoniak verwendet wird; die noch fehlende Kohlensäure gewinnt man durch Brennen von Kalkstein. Der hierbei entstehende gebrannte Kalk wird verwendet, um den aus obiger Lösung ausgeschiednen Salmiak zu zersetzen; das dadurch frei werdende Ammoniak wird durch Zuführung von Kohlensäure wieder in doppeltkohlensaures Ammoniak umgewandelt.
Die auf diese Weise gewonnene S. führt im Handel zum Unterschiede von der gewöhnlichen den Namen Ammoniaksoda, obschon sie kein Ammoniak enthält; im Gegenteil ist sie in der Regel reiner als die nach dem alten Verfahren dargestellte kalcinierte S., da sie gewöhnlich 98-99% kohlensaures Natron enthält. Zuweilen kommt allerdings auch sehr geringwertige (80%) Ammoniaksoda in den Handel, die wahrscheinlich absichtlich mit Chlornatrium verfälscht ist. Selbstverständlich wird aus der Ammoniaksoda nach Bedarf auch kristallisierte wasserhaltige gefertigt.
Das kristallisierte Salz verliert in der Berührung mit Luft allmählich den größten Teil seines Kristallwassers, indem es sich anfänglich mit weißem Pulver überzieht, mit der Zeit ganz in solches übergeht und zerfällt oder auch zu harten Klumpen zusammenbäckt. Zuweilen kommt es auch vor, daß von Zwischenhändlern Kristalle von Glaubersalz unter die Sodakristalle gemengt werden;
eine solche Verfälschung läßt sich leicht durch Betröpfeln mit einer Säure erkennen, da Glaubersalzkristalle hierbei nicht aufbrausen;
ein andres einfaches Mittel besteht darin, daß man die Kristalle mit einer Quecksilberoxydlösung oder mit Quecksilberchloridlösung befeuchtet;
alle Sodakristalle färben sich dadurch rotbraun, während die Glaubersalzkristalle farblos bleiben.
Für manche Zwecke, z. B. zur Bereitung guten weißen Glases, braucht man die S. reiner als gewöhnlich und muß sie raffinieren, was eben auch durch Wiederauflösen und Neukristallisieren geschieht. Ein so gereinigtes Salz gibt dann durch Behandlung in der Hitze natürlich auch eine reine kalcinierte Sorte. Auch für Apotheken und chemische Laboratorien wird doppeltgereinigte S. (Natrum carbonicum depuratum oder purissimum) geführt. Der Handelswert der S. kann nur von dem häufig sehr schwankenden Gehalte an kohlensaurem Natron abhängen und es gibt für Ermittelung desselben keinen andern sichern Weg als die chemische Prüfung durch die Mittel, welche die Alkalimetrie an die Hand gibt und die für Natron dieselben sind, wie für Pottasche und beim Verbrauch im großen immerfort in Anwendung kommen, da die Gehaltsangaben der Verkäufer nicht immer zuverlässig sind.
Die Gehaltsprozente heißen im Handel Grade, z. B. 95grädige Ware, 90grädige. Die englischen Grade stimmen jedoch nicht mit den deutschen überein, denn in England bezeichnet man damit nicht die Menge von kohlensaurem Natron, sondern von reinem Natron (real soda). Aber auch diese Grade sind um 2-3 Grade höher als bei uns, da man dort ganz willkürlich das Äquivalent des Natrons zu 32 anstatt 31 annimmt. Einzelne englische Fabriken haben noch andre Grade. Bei der Prüfung treibt man aus einer abgewogenen Sodaprobe die Kohlensäure durch Schwefelsäure aus und berechnet aus dem durch die fortgegangene Kohlensäure entstandenen Gewichtsverlust den Gehalt an S.; 100 Tle. Kohlensäure zeigen 242 Tle. wasserfreies kohlensaures Natron an. Die kalcinierte S. enthält immer auch mehr oder weniger Ätznatron, das man für manche Zwecke gern sieht, weil solche Ware mit dem höhern Gehalte immer ätzender wird.
Dieser Gehalt wird durch die Kohlensäuregrade begreiflich nicht mit angezeigt, und man hat noch die andre gebräuchliche Prüfung, die Titriermethode anzuwenden, indem man der Probe von einer, ihrem Gehalte nach genau bestimmten Schwefelsäure aus einem graduierten Probierröhrchen so lange zutröpfelt, bis die Sättigung und Neutralität genau erreicht ist. Aus der verbrauchten Säuremenge findet man auf diese Art durch Rechnung den ganzen Natrongehalt; alsdann ermittelt man durch die Kohlensäureprobe die Menge des kohlensauren Salzes und somit durch Subtrahieren des letzten Befundes vom ersten auch das Ätznatron. Beide wirksame Stoffe werden in der Praxis gleich hoch im Preise gesetzt, indem man das Ätznatron als S. rechnet. -
Der Hauptverbrauch der S. ist der zu Glas und Seife, den zwei hochwichtigen Artikeln, deren jetzige Wohlfeilheit nur der durch die künstliche Sodafabrikation ermöglichten Massenerzeugung dieses Salzes zu verdanken ist. Außerdem werden große Mengen zum Beugen in der Bleicherei und Färberei, zum Waschen als Zusatz zu Glasuren, ferner in der Ultramarinfabrikation und zur Darstellung zahlreicher Natronpräparate gebraucht. Der Konsum an S. und Natron überhaupt ist um so bedeutender als es in vielen Fällen das teure Kali vertreten kann. Die Versendung der S. geschieht in Holzfässern. -
Am großartigsten ist die Sodaindustrie in England entwickelt; man fabriziert dort jährlich ca. 9000
000
Ztr.; dann folgen Frankreich und Belgien. Die deutsche Sodaproduktion schätzt man auf 840
000
Ztr., welche 57% des deutschen Totalbedarfs repräsentieren, sodaß 43%
¶
Fortsetzung Soda:
→ Seite 21.539 || aus dem Auslande bezogen werden müssen. In Deutschland wurden im Jahre 1881 eingeführt: 9093200