Steuerbewilligung | eLexikon | Rechtswissenschaft - Verfassung - Staatsbürgerrechte
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Steuben - Steuerbewill
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Steuerbewilligung | und Steuerverweigerung ist als Recht der Volksvertretung nicht erst mit der konstitutionellen / 438 |
Steuerbewilligung _2 | und Steuerverweigerung. Als ein alter Grundsatz german. Verfassung stand es fest, daß der König, / 456 |
Steuerbewilligung
2 Seiten, 894 Wörter, 6'696 Zeichen
Rechtswissenschaft — Verfassung — Staatsbürgerrechte
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Steuerbewilligung
und Steuerverweigerung ist als Recht der Volksvertretung nicht erst mit der konstitutionellen Staatsform anerkannt worden. Die Entstehung dieser Befugnis reicht vielmehr viel weiter zurück. Den mittelalterlichen Ständen in den einzelnen deutschen Territorien, welche allerdings nicht die Gesamtheit des Volkes, sondern nur gewisse bevorzugte Klassen desselben vertraten, stand sie unbestritten zu. Aus dem Recht, Steuern zu bewilligen, d. h. ihre Erhebung zuzulassen, entwickelte sich aber auch ein Recht der Mitwirkung bei ihrer Verwendung, und so entstand das parlamentarische Budgetrecht. In England unterscheidet man dabei einen festen und einen beweglichen Teil des Staatshaushalts. Zu dem festen Teil gehören alle diejenigen Einnahmen, welche durch Gesetz auf unbestimmte Zeit, d. h. auf so lange bewilligt sind, bis sie durch ein andres Gesetz aufgehoben werden, und alle diejenigen Ausgaben, welche dem Betrag nach gesetzlich feststehen.
Steuerbord - Steuern
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Seite 15.310.Von den Ausgaben für das Heer abgesehen, welche in England alljährlich neu bewilligt werden müssen, gehören die meisten Staatsausgaben dem festen Teil des Budgets an. Dieser feste Teil unterliegt der jährlichen Bewilligung nicht. Das Recht des Unterhauses bei Feststellung des Staatshaushalts besteht nur in folgenden Befugnissen: jeder neuen von der Regierung geforderten Steuer, jeder Verlängerung [* 2] einer nur periodisch oder auf einen bestimmten Zeitraum eingeführten Steuer, jeder Erhöhung oder Abänderung bestehender Steuern die Zustimmung versagen zu können und in dem beweglichen Teil der Staatsausgaben die von der Regierung geforderten Beträge im einzelnen abzusetzen oder zu streichen. Je nach der Richtung, in welcher diese Befugnisse ausgeübt werden, spricht man von einer Bewilligung oder Verweigerung der Steuern. Diese beiden Rechte sind offenbar Korrelate: man kann nur bewilligen, was man auch verweigern dürfte. Die meisten Verfassungen enthalten gegenwärtig die Bestimmung, daß alle Einnahmen und Ausgaben des Staats jährlich auf den Staatshaushaltsetat gebracht und dort bewilligt werden müssen. Infolgedessen kann ein ¶
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Widerspruch zwischen einem Gesetz und einem Geldbewilligungsbeschluß entstehen und damit ein Konflikt, dessen Lösung nicht durch eine Interpretation des geltenden Rechts herbeigeführt, sondern der als eine Machtfrage behandelt wird. Ein solcher Konflikt war der preußische »Militärkonflikt«, der von 1862 bis 1866 währte. Übrigens bleiben Steuergesetze, welche auf die Dauer erlassen sind, so lange wirksam, bis sie auf verfassungsmäßigem Weg wieder aufgehoben werden; gleichviel ob das Budget zu stande kommt oder nicht.
Dies ist z. B. in der preußischen Verfassungsurkunde (Artikel 109) ausdrücklich anerkannt. Um der Volksvertretung ein wirksames Recht der S. u. S. zu geben, ist notwendig, daß wenigstens Eine periodische und bewegliche Steuer vorhanden sei, durch deren Bewilligung oder Verweigerung die Volksvertretung einen Einfluß auf die beweglichen Ausgaben gewinnt. Im Deutschen Reich ersetzen die Matrikularbeiträge diese periodische, bewegliche Steuer, und durch sie übt der Reichstag ein Recht der S. u. S.
Vgl. Gneist, Budget und Gesetz (Berl. 1867);
Laband, Das Budgetrecht (das. 1871).
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Steuerbewilligung
und Steuerverweigerung. Als ein alter Grundsatz german. Verfassung stand es fest, daß der König, der im Besitz seiner Domänen und Regalien war, dem Volke keine Lasten auflegen konnte, die nicht von diesem selbst beschlossen waren. Nur den Kriegsdienst im Heerbann mußte es leisten, die Verteidigungsanstalten (Burgen) [* 4] und die Kommunikationen (Straßen und Brücken) [* 5] unterhalten und in Notfällen (Einbruch von Feinden oder Räubern, Wassersgefahr, Feuersbrunst u. dgl.) Hilfe leisten.
Was sonst zum gemeinen Besten unternommen werden sollte, mußte von dem Volke genehmigt sein. In den einzelnen Ländern wiederholte sich dies. Der Fürst und Landesherr mußte die gewöhnlichen Ausgaben aus seinen Gütern und Regalien bestreiten; zu den allgemeinen Reichslasten, z. B. zu den Reichskriegen, Reichsfestungen und auch zu den Beschickungen der Reichstage, mußte das Land die Kosten bestreiten und hatte dabei nichts zu verwilligen noch zu verweigern.
Belgien und Luxemburg
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Belgien.Die Kosten für gemeinnützige Anstalten mußten dagegen vom Lande genehmigt werden, ebenso die außerordentlichen Beiträge für den Fürsten zur Abtragung der Kammerschulden oder zur Erhöhung seiner Einkünfte. Daher waren in den meisten deutschen Ländern die Steuern zweierlei Art, nämlich feststehende, einer Verwilligung von Anfang an nicht bedürfende oder für immer verwilligte Steuern, Ordinärsteuern, und nur auf gewisse Zeiten oder zu gewissen Zwecken verwilligte Extraordinär steuern. Diese Unterscheidung verschwand jedoch, seitdem nach den neuen Staatsgrundgesetzen der ganze Staatshaushalt den Kammern zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden mußte. Nach einer in Frankreich und Belgien [* 6] aufgekommenen Doktrin ist die Steuerbewilligung eine jährlich wiederkehrende Übereinkunft der Regierung mit dem Volke oder dessen Vertretung, den Kammern. (S. Budget.)
Das Steuerbewilligungsrecht schließt natürlich das Recht einer gänzlichen und einer teilweisen Verweigerung und Verminderung der geforderten Steuern in sich. Das deutsche Bundesrecht verneinte indes nicht nur das Recht zur totalen Steuerverweigerung (Art. 58 der Wiener Schlußakte), sondern beschränkte auch das Recht der relativen wesentlich durch die Beschlüsse vom 28. Juli 1832 und 30. Okt. 1834. In England ist das Recht der Steuerverweigerung, abgesehen von den gesetzlich feststehenden Ausgaben, anerkannt, aber niemand denkt daran, daß es möglich sei, es auszuüben. In Preußen [* 7] ließ sich die Nationalversammlung am 15. Nov. 1848 unter dem Einfluß revolutionärer Anschauungen zu dem Beschluß der Steuerverweigerung hinreißen; dies blieb ohne Erfolg.
Kraft [unkorrigiert]
![Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert] Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]](http://peter-hug.ch/meyers/thumb/60/60_0671.jpeg)
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Kraft.Ähnliche Vorgänge wiederholten sich 1862-66 (s. Preußen, Geschichte). Staatsrechtlich bleiben Steuergesetze, welche für die Dauer erlassen sind, so lange in Kraft, [* 8] bis sie auf verfassungsmäßigem Wege aufgehoben werden, ohne Rücksicht auf das Zustandekommen eines Budgetgesetzes. Dies ist auch in der preuß. Verfassungsurkunde Art. 109 anerkannt worden. Dagegen können neue Steuern nur mit Zustimmung der Volksvertretung eingeführt werden. Im Deutschen Reiche dürfen Matrikularbeiträge nur auf Grund des Budgetgesetzes erhoben werden. -
Vgl. Gneist, Gesetz und Budget (Berl. 1879);
Laband, Das Budgetrecht (ebd. 1871);
Artikel Staatshaushalt in von Stengels «Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts», Bd. 2 (Freib. i. Br. 1890);
Artikel Budgetrecht im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 2 (Jena [* 9] 1891).