Teuerung | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Sat Apr 14 1894
Teuerung
und Teuerungspolitik. Teuerung nennt man den wirtschaftlichen Zustand, in welchem die Gegenstände des notwendigsten Lebensbedarfs, namentlich die Nahrungsmittel, [* 2] einen, mit dem Preise anderer Orte und Zeiten verglichen, hohen Preis besitzen. Eine Teuerung kann zwar bei jeder Warengattung eintreten; von bedeutender nationalökonomischer und selbst polit. Wichtigkeit ist aber vorzugsweise die Getreideteuerung. Sie kann bei längerer Dauer, namentlich in vom Verkehr abgeschiedenen Ländern zur Hungersnot führen.
Getreide (Zusammensetz
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Getreide.Die Summe der wirtschaftlichen Maßregeln, die eine Regierung ergreift, um das Entstehen von Teuerungen zu verhindern oder wenigstens ihre Folgen zu mildern, nennt man Teuerungspolitik. Schon im alten Rom [* 3] schritt früh die Regierung der Republik bei drohenden Teuerungen durch rechtzeitigen Einkauf im Auslande ein. Später wurde überdies das dem Staat aus den Provinzialzehnten in wachsenden Mengen zufließende Getreide [* 4] zu billigen Preisen an die Bürgerschaft abgegeben.
Seit der gracchischen Zeit sorgten sogar Getreidegesetze aus polit. Gründen dafür, daß das hauptstädtische Proletariat jederzeit unmittelbar durch die Regierung mit einer ausreichenden Menge Getreide zu festgesetzten billigen Preisen versorgt wurde. Im Mittelalter gab es einen freien Kornhandel nicht, vielmehr bewegte er sich in fest vorgezeichneten Bahnen. Die städtischen Behörden leiteten ihn nach dem Gesichtspunkte, die Bevölkerung möglichst reichlich und gleichmäßig und zu billigen Preisen mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen. Um dies zu erreichen, wurde der Verkehr der Verkäufer und Käufer auf dem Markte bis in alle Einzelheiten hinein durch strenge Vorschriften geregelt und im einzelnen kontrolliert, das Interesse des platten Landes den städtischen Lokalinteressen völlig untergeordnet.
Bevölkerungsstatistisc
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Bevölkerung.Die städtische Getreidemarktpolizei wurde von den ausgebildeten Territorialstaaten zum großen Teil aus dem Mittelalter übernommen und fortgesetzt. Auch in ihren übrigen Maßnahmen wurde die spätere staatliche Getreidehandelspolitik, ähnlich wie die städtische Politik des Mittelalters, lange Zeit hindurch von dem Gesichtspunkt geleitet, die Ernährung der Bevölkerung [* 5] sicherzustellen und eine vermeintlich künstliche Preissteigerung durch den von vornherein allzusehr als Kornwucher betrachteten Getreidehandel zu verhindern.
Als Hauptmittel dienten ihr neben den marktpolizeilichen Beschränkungen anfangs vorzugsweise Ausfuhrverbote (s. d.) oder anderweitige Ausfuhrbeschränkungen, besonders Ausfuhrzölle (s. d.), die sowohl im Verkehr von Provinz zu Provinz als auch im Verkehr der einzelnen Provinzen und später des ganzen Staatsgebietes mit dem Auslande gehandhabt wurden. Später kamen zwar diese Beschränkungen im Verkehr zwischen den einzelnen Provinzen und Landesteilen desselben Staates der Hauptsache nach in Wegfall, im auswärtigen Verkehr blieben sie indessen lange Zeit hindurch bestehen.
Getreidepreise [unkorr
![Bild 57.960: Getreidepreise [unkorrigiert] Bild 57.960: Getreidepreise [unkorrigiert]](http://peter-hug.ch/meyers/thumb/57/57_0960.jpeg)
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Getreidepreise.Soweit Einfuhrzölle zur Erhebung gelangten, was meistens erst in späterer Zeit der Fall war, suchte man dem Steigen der Preise bei ungünstigen Ernteverhältnissen durch vorübergehende Aufhebung dieser Zölle oder gar durch Gewährung von Einfuhrprämien zu begegnen. Vielfach richtete sich die Höhe der Ausfuhr- wie der Einfuhrzölle gesetzlich nach dem Stande der binnenländischen Marktpreise. Während in England seit dem 15. und 16. Jahrh. die Getreidehandelspolitik die Hochhaltung der Getreidepreise [* 6] als Ziel verfolgte, nicht nur im Interesse des Landbaues und des Grundbesitzes, sondern auch im Interesse der Industrie, deren Vorteil man mehr durch hohe als durch niedrige Getreidepreise zu wahren glaubte, wurde in Frankreich, nachdem unter Sully vorübergehend behufs Förderung und Hebung [* 7] des Landbaues die Ausfuhr unter Beibehaltung nur mäßiger Zölle allgemein freigegeben worden war, unter Colberts Regiment diese Freiheit wieder aufgehoben und die landwirtschaftlichen Interessen völlig den industriellen untergeordnet.
Nur bei besonders reichen Ernten wurde die Getreideausfuhr und dann nur gegen hohe Zölle erlaubt. Durch billige Kornpreise suchte Colbert die Löhne niedrig zu halten, um den Absatz der gewerblichen Produkte im Auslande nach Möglichkeit zu fördern, eine Politik, die von seinen Nachfolgern mechanisch fortgesetzt wurde, um in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. unter dem Einfluß des Kampfes der die Landbauinteressen fördernden physiokratischen Schule mit dem die industriellen Interessen begünstigenden Merkantilismus schwankenden Grundsätzen Platz zu machen.
Teuerungszuwachs - Teu
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Seite 65.732.In Deutschland [* 8] wie auch in andern Staaten wurde vielfach, um die Teuerung zu bekämpfen, das System staatlicher Kornmagazine entwickelt, die sich teilweise bis in das 19. Jahrh. hinein erhalten haben. Solcher Magazine bediente sich unter anderm Friedrich d. Gr. Neben den staatlichen bestanden in einzelnen deutschen Staaten obligatorische Getreidemagazine, ¶
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halboffizielle Niederlagen, oder auch Vorschriften, welche die Landwirte zum Halten bestimmter Vorräte zwangen. Ähnliche Einrichtungen bestehen noch heute in Rußland. Der franz. Konvent nötigte noch durch ein Gesetz vom J. 1793 alle Getreidehändler und Landwirte, ihre Vorräte zu deklarieren und zu einem festen Preise zu verkaufen. Vorübergehend sind Ausfuhrverbote in Teuerungszeiten mehrfach auch noch im Laufe dieses Jahrhunderts in verschiedenen Staaten erlassen worden. Auch die Ausfuhrzölle haben sich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts teilweise in Europa [* 10] erhalten. Ein weiteres Mittel, das behufs Bekämpfung der Teuerung Anwendung fand, war die Suspension der Luxusgewerbe, die Korn als Rohstoff verarbeiten, der Branntwein-, Bier-, Stärke-, Puderfabrikation u. s. w. Auch diesem begegnet man noch im Laufe dieses Jahrhunderts; so noch in dem Notjahre 1846/47.
Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich mehr und mehr die Anschauung, daß das geeignetste Mittel, um Teuerungen vorzubeugen, in der freien Entwicklung eines selbständigen Kornhandels zu erblicken sei.
Als aber seit den sechziger Jahren des 19. Jahrh. die überseeische Getreideproduktion sich immer stärker entwickelte und mit ihren billigen Produkten dem europ. Getreide auf seinen alten Märkten eine immer empfindlichere Konkurrenz bereitete, entwickelte sich allmählich in den Staaten, die nicht, wie England, in der Lage und gewillt waren, die Interessen der Landwirtschaft denen der Industrie und des Handels zu opfern, eine Politik, die bezweckte, eine übermäßige Verbilligung des Getreides und anderer wichtiger landwirtschaftlicher Produkte zu verhüten. In Deutschland wurden zu diesem Zwecke die bereits abgeschafften Getreide-, Mehl- und Viehzölle 1879 wiederum eingeführt und in den folgenden Jahren allmählich erhöht.
Deutschland. Fluß- und
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Deutschlands.Ähnlich verfuhren die übrigen Staaten. Da aber der getreidereiche Osten Deutschlands, [* 11] um den Vorteil der durch den Zoll erhöhten Preise sich nutzbar zu machen, genötigt war, seinen Überschuß anstatt wie früher überseeisch ins Ausland, nunmehr zu Lande nach Mittel-, West- und Süddeutschland abzusetzen, so daß ihm auf dem teuern Landwege der größte Teil des Vorteils aus den Zöllen wieder verloren ging, wurde durch Gesetz vom 14. April 1894, nachdem zuvor durch die Handelsverträge (s. d.) der J. 1891-94 die Getreidezölle um etwas ermäßigt waren, der Identitätsnachweis (s. d.) bei der Ausfuhr von Getreide aufgehoben und dadurch für den Getreideexport eine Art von Ausfuhrprämie geschaffen. Der tiefgreifendste Versuch, ein weiteres Sinken der Getreidepreise zu verhindern und die gesunkenen Preise wieder zu heben, liegt in dem zuerst 1894, dann noch zweimal im J. 1895 in modifizierter Gestalt im Reichstage eingebrachten Antrag Kanitz (s. Getreidehandel und Kanitz).