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Überschwemmungen | eLexikon

  • ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz

Hochwasser,

das Anschwellen der Flüsse [* 4] und die Entstehung von Überschwemmungen infolge einer größern Zufuhr meteorischer Niederschläge, als die Flüsse momentan abführen können. In der neuern Zeit haben im allgemeinen die Hochwasser unsrer Flüsse eine Zunahme erfahren, während der gewöhnliche Wasserstand ein niederer geworden ist. Die Ursachen der Hochwasser sind verschiedene, in erster Linie sind jedoch die Entwaldungen zu nennen. Der Wald und dessen Streudecke verteilt die plötzlich bei starken Niederschlägen oder beim Schmelzen des Schnees auftretenden Wassermassen auf eine längere Abflußperiode, und die Nachteile, welche der schnelle Abfluß des Wassers von den kahlen Hangflächen im Gefolge hat, wie Abschwemmen des Bodens, Herabführen von gewaltigen Geschiebemassen, welche in der Thalebene und den Wasserläufen die ärgsten Verwüstungen anrichten und auch hierdurch die Hochwasser vermehren, treten in weit geringerm Maß auf, sobald die Hänge bewaldet und die Geschiebemassen, wo dies möglich, durch Thalsperren zurückgehalten werden.

Eine weitere Ursache der Steigerung der Hochwasser sind die in sehr vielen Flußgebieten ausgeführten Entwässerungen, Auflassungen von Seen sowie die Umwandlung von Bruch- und Weideländern in Ackerland. Der Einfluß der Entsumpfungen auf das Regime der Flüsse, d. h. auf die Beziehung der Niederschlagsmengen in einem Flußgebiet zu der Wassermenge und deren periodischer Verteilung im Flußlauf, ist ein sehr erheblicher, da Sumpfgebiete, Moräste etc. beträchtliche Wassermengen aufnehmen und zur Verdunstung bringen, während die Entwässerungsanlage den Boden schnell abtrocknet.

Die Sümpfe befinden sich vorwiegend in dem Gebiet des Mittel- und Unterlaufs der Flüsse und Ströme; ihre Trockenlegung übt hier die gleiche, oft sogar eine noch verstärkte nachteilige Wirkung auf das Flußregime aus wie der fehlende oder nicht genügend vorhandene Wald im Quellengebiet. Hiernach ist also darauf zu achten, daß jede größere Entwässerung rationell durchgeführt werde, d. h. daß vermittelst derselben nur eine zweckmäßige Regulierung der Wasserverhältnisse stattfinde, daß also nicht ein einfaches Abzapfen des Wassers aus dem Boden erfolge, wodurch dieser in den meisten Fällen in nicht zu langer Zeit aus einem Sumpf in eine Wüste verwandelt wird, daß vielmehr durch Aufforstung der gewonnenen Kulturfläche, durch Anlage von Wiesen und Weiden, deren Graswuchs eine ähnliche günstige Wirkung auf die Verzögerung des Wasserabflusses ausübt wie der Wald, oder endlich durch eine mit der Entwässerung kombinierte Bewässerung dem Boden in der Periode der Dürre der nötige Grad an Feuchtigkeit zugeführt werde.

Eine Steigerung der Hochwasser entsteht auch durch fehlerhafte Flußregulierungen, welche vielfach als lokale Arbeiten, ohne Berücksichtigung der oberhalb und unterhalb gelegenen Flußstrecken, ausgeführt werden. Die meisten Flußkorrektionen haben eine wesentlich beschleunigte Ableitung des Wassers zum Zweck oder zur Folge, wie z. B. die Geradelegung sich stark schlängelnder Strecken, bei welcher zuweilen im Interesse der Schiffahrt, vorwiegend aber, um den Wasserstand zum Zweck der Entsumpfung des anliegenden Landes zu senken, eine beschleunigte Abführung des Wassers stattfindet. In jedem Fall gelangt mithin nach erfolgter »Streckung« das Wasser schneller in die untern Strecken als vorher. Trifft es hier auf zu enge Profile, Flußeinbauten, Wehre etc., so können die verheerendsten Überschwemmungen stattfinden. Das Nämliche ist der Fall, wenn infolge einer Korrektion das Hochwasser eines Nebenflusses zugleich mit dem eines Hauptflusses stattfindet, während früher die Hochwasser beider Flüsse, in der Regel infolge der verschiedenen klimatischen Verhältnisse in den Niederschlagsgebieten, nacheinander eintraten.

Fernere Ursachen der Überschwemmungen, bez. der Steigerung derselben, sind zu enge Durchflußprofile für das Hochwasser, wie sie durch Profilengen in den Hochwasserdeichen, durch fehlerhaft angeordnete Brückendurchlässe, durch Wehre und Schleusen entstehen. Wo aus irgend einem Grunde das Vorland zu schmal bemessen wurde, da stauten sich die Hochwasserfluten an; es entstanden gerade an diesen Stellen Eisstopfungen, welche die gefährlichsten, sich jeder vorhergehenden Berechnung entziehenden Hochwasser verursachten.

Lassen sich zu enge Profile für den Abfluß des Wassers, wenigstens vom technischen Standpunkt aus, unschwer beseitigen, so würden dagegen die Kosten namentlich bei der Beseitigung oder Tieferlegung von Wehren oder bei der Herstellung von Grundablässen in denselben oft geradezu unerschwingliche sein. In sehr vielen Ländern sind überdies die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Erwirkung einer Wehrbeseitigung so erhebliche, daß bereits aus diesem Grunde dieses Mittel zur Beseitigung der Hochwasserschäden kaum angewendet werden kann.

Zum Schutz gegen Überflutungen sollte bei allen Maßnahmen das gesamte Flußgebiet als ein einheitliches aufgefaßt werden, und Einzelprojekte für bestimmte Strecken sollten in der Regel ausgeschlossen werden. Ferner sollte man die Besserung der bestehenden Verhältnisse durch eine Änderung des Stromregimes zu erreichen suchen, dergestalt, daß die Verteilung der Hochwasser auf eine längere Abflußperiode stattfinde, so daß die plötzlich auftretenden außerordentlichen Wasserstände nach Möglichkeit reduziert werden.

Als Schutzmaßregeln werden in erster Linie Wiederbewaldung kahler Abhänge im Quellengebiet und das Zurückhalten des Wassers durch Reservoirs oder andre Maßregeln gleichfalls vorwiegend im Quellengebiet genannt. Die Anschauung, daß diese Mittel im stande sind, die gefährlichen Hochwasser überall zu beseitigen, bedarf jedoch einiger Einschränkung. Nur wenn die Bewaldung auf einen sehr erheblichen Teil des Flußgebiets ausgedehnt werden kann, wird hierdurch eine beträchtliche Verzögerung des Wasserabflusses stattfinden, so daß sich derselbe auf eine längere Zeitperiode verteilt und extreme Hochwasser gewöhnlich vermieden werden.

Die Aufforstung wird indes aus allgemeinen ökonomischen Gründen nicht überall durchführbar, ja in sehr vielen Fällen wird der mögliche Zuwachs an Wald ein im Vergleich zu der Größe des Flußgebiets nur geringer sein. Trotzdem wird man überall, wo es zulässig, zu diesem Mittel greifen müssen, wenn man die Hochwasser nach Möglichkeit verhüten will, zumal auch die Bewaldung noch andre Vorteile gewährt: die Verhütung der Abschwemmung, bez. des Abbruchs des Bodens, der Verwüstung der Thalebene durch das von den kahlen Hängen herabgeführte feste Material, ferner eine Vermehrung der mittlern und Kleinwassermengen der Flüsse.



Hochwasserzeit - Hochz

Bild 8.597: Hochwasserzeit - Hochzeit
* 5 Seite 8.597.

Die Anlage von Reservoirs zum Zweck der Ansspeicherung des Wassers kann aus der Erfahrung über den günstigen Einfluß abgeleitet werden, welchen natürliche, im Wasserlauf eines Flusses eingeschaltete Seen auf die Wasserstände im untern Lauf ausüben. Der Rhein an der Vorarlberg-Schweizer Grenze, also oberhalb des Bodensees, zeigt das

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Verhältnis 1:70 der kleinsten zur größten Wassermenge, während dieses Verhältnis unterhalb des Bodensees, bei Basel, [* 6] 1:14 beträgt. Eine ähnliche regulierende Wirkung auf die Wassermengen und entsprechend auf die Wasserstände üben die oberitalienischen Seen auf die am Südabhang der Alpen [* 7] entspringenden Flüsse aus. Künstliche Reservoirs, welche die natürlichen ersetzen sollen, können aber nur im Gebirge, in schmalen, steil aufsteigenden Thälern erstellt werden, da andernfalls, wollte man die Mittelgebirgsthäler, wo diese in die Stromniederung übergehen, hierzu verwenden, die Kosten geradezu unerschwingliche werden.

Der Einfluß der im Quellengebiet anzulegenden Reservoirs auf die Verminderung der Hochwasser ist aber infolge des hier nur geringen Niederschlagsgebiets kein sehr beträchtlicher; ihr Fassungsraum, bez. die Anzahl der für einen einzigen Wasserlauf von nennenswerter Bedeutung zu erstellenden Reservoirs müßte, wie die einfachste Betrachtung ergibt, ein außerordentlicher sein, wenn der beabsichtigte Erfolg auch nur annähernd erreicht werden soll. Übrigens dienen die meisten bisher erbauten Reservoirs vorwiegend andern Zwecken, als die Hochfluten nur allmählich an den untern Flußlauf abzugeben, welch letztere Aufgabe zumeist nur als eine sekundäre betrachtet wurde.

Sie dienen zur Speisung der obern Haltungen von Schiffahrtskanälen, zur nachhaltigen Versorgung von Triebwerken mit dem erforderlichen Wasser, zur Bewässerung sowie zur Versorgung von Städten mit Nutzwasser. Diese Aufgaben vertragen sich in der Regel nicht mit der hier in Rede stehenden; die erstern verlangen gefüllte Reservoirs, während die Milderung der Hochfluten leere oder nur zum Teil gefüllte erfordert. Horizontalgräben im Quellengebiet, welche von verschiedenen Seiten empfohlen wurden, bezwecken ein Zurückhalten des Wassers, Abführen desselben in den Untergrund, bez. allmähliche Abgabe an den Fluß. In gewissen Fällen ist dieses Mittel neben andern zweifellos am Platz, selbst im günstigsten Fall wird aber die Wirkung dieser Gräben keine sehr erhebliche sein. Überdies hängt die Möglichkeit der Anlage derselben wesentlich von der geognostischen Beschaffenheit des Terrains und von den Besitzverhältnissen ab. Nur wo ein starkes Einsickern des Wassers in den Untergrund zu erwarten steht, könnten derartige Grabennetze von einigem Nutzen sein.

Auch die Schaffung von seitlichen Bassins zur Einleitung der Hochfluten, in denen das Wasser keinen Schaden anrichten kann, und seitlich des Flußlaufs anzulegende Entlastungskanäle haben wenig praktischen Wert, wenn nicht ganz besonders günstige Terrainverhältnisse vorliegen.

Stets wird man unter den jetzigen Verhältnissen gezwungen sein, neben den oben genannten Mitteln solche anzuwenden, welche bei außerordentlichen Hochwassern, deren Eintritt nicht abgewehrt werden kann, die Überschwemmung unmittelbar verhüten. Zu diesen gehören außer den bereits erwähnten Flußkorrektionen vor allen die Deiche (Dämme), welche denn auch von alters her die größere Zahl unsrer Flüsse und Ströme an beiden Seiten begleiten, soweit nicht das natürliche Ansteigen des Terrains eine künstliche Sicherung des Binnenlandes unnötig macht.

Weide

Bild 16.480a: Weide
* 8 Weide.

Diese Hochwasserdeiche haben manche erhebliche Übelstände im Gefolge. Das im Schutz des Deiches liegende Land ist ausgeschlossen von den fruchtbaren Überschlickungen, welche bei uneingedeichtem Land häufig den Ertrag der Wiese und Weide [* 8] außerordentlich steigerten, und oft ergibt das Terrain zwischen dem Fluß und dem Deiche günstigere Erträge als das geschützte Gebiet. Gleichzeitig erhöht sich aber auch durch die Niederschläge bei Hochfluten das Außenland, und viele Niederungen erhalten im Lauf der Jahre eine tiefere Lage als die gewöhnlichen Wasserstände der Flüsse.

Dadurch werden die Anwohner zur steten Erhöhung und wegen des verstärkten Wasserdrucks auch zur Verstärkung [* 9] der Deiche genötigt, und wegen des hohen Wasserstandes im Rezipienten, verglichen mit demjenigen der Niederung, wird die Abwässerung der letztern außerordentlich erschwert, oft sogar mit den gewöhnlichen Mitteln geradezu unmöglich gemacht. Der beträchtliche Wasserdruck, das oft mangelhafte Material der Deiche sowie Fehler im Innern derselben bewirken häufig ein Durchsickern des Hochwassers, so daß die Niederung lange Zeit hindurch mit Wasser bedeckt ist und somit der Versumpfung mit allen ihren schlimmen Folgen anheimfällt.

Man ist nunmehr vorwiegend auf das Ausschöpfen des Wassers durch Pumpwerke angewiesen, ein Verfahren, welches in ausgedehnten Flußniederungen bereits vielfach angewendet wird, dessen Kosten aber häufig nicht in einem günstigen Verhältnis zu dem Wert und dem Reinertrag der Niederung stehen. Dazu kommt, daß der Getreidebau, in dessen Interesse die Deiche hauptsächlich angelegt wurden, mehr und mehr dem Futterbau weicht, welcher durch die Überflutung des Terrains zu gewissen Zeiten, ein rechtzeitiges Zurücktreten des Wassers vorausgesetzt, nicht geschädigt wird.

Trotzdem wird man in den überwiegend zahlreichsten Fällen auf die Winterdeiche, also auf ihre Erhaltung, in erforderlichem Fall auf die Verstärkung und Erhöhung derselben sowie auf eine Regulierung ihrer Richtung, angewiesen sein, wenn man dem Lande den denkbar zuverlässigsten Schutz gegen Überflutungen gewähren will. Die Erhaltung und Verteidigung der Deiche in der Zeit der Not erfordert eine Organisation, welche noch an vielen Orten fehlt. Hierzu gehört auch ein guter Nachrichtendienst mit telegraphischer Übermittelung der eingetretenen oder zu erwartenden Hochwasserstände an die weiter abwärts gelegenen Stationen. Im Interesse eines solchen Nachrichtenwesens ist aber die Organisation hydrologischer Beobachtungen erforderlich, welche alle in Betracht kommenden Faktoren beständig feststellen.