Zünfte | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Wed Jul 08 1868
Zünfte,
die fachgenossenschaftlichen Handwerkerverbände in den besondern Formen, die sie im mittelalterlichen Städtewesen erhalten haben. Schon bei den Römern gab es Collegia der Handwerker, von denen man nur so viel mit Bestimmtheit sagen kann, daß sie nicht zur Förderung gemeinschaftlicher gewerblicher Interessen dienten, also mit den spätern Zünfte nichts gemein hatten. In der Kaiserzeit scheinen sie eine Art von Steuergesellschaften gewesen zu sein, die für den Staat bestimmte Dienste [* 3] und Naturallieferungen zu leisten hatten. Im Anfang des Mittelalters wurden auf den großen Fronhöfen die hörigen Handwerker desselben Gewerbes häufig zu Einungen oder Innungen (s. d.) verbunden, und da aus vielen dieser Höfe allmählich Städte geworden sind, so haben wahrscheinlich auch häufig solche hofrechtliche, ursprünglich unfreie Verbände den Kern gebildet, aus dem durch Eintritt freier Handwerker Zünfte im eigentlichen Sinne hervorgegangen sind. Diese entstanden als freie Vereinigungen von Fachgenossen seit dem 12. Jahrh., vielfach auch im Zusammenhang mit den ältern Schutzgilden. Von Anfang an hatten sie wohl den Zweck, die Kleinbürger gegen die Übergriffe der herrschenden Familien zu schützen, und infolge dieses Strebens erlangten sie zeitweise große Bedeutung für das polit. Parteileben der Städte.
Trotz des Widerstandes der Patricier, selbst der Kaiser, errangen diese untereinander verbundenen Korporationen inmitten der Kämpfe jener Zeit eine steigende Macht, so daß man sich genötigt sah, die Satzungen der einzelnen Zünfte zu bestätigen und ihnen Einfluß auf die städtische Verwaltung durch Wahl von Magistratsgliedern oder Deputierten u. s. w. einzuräumen. Selbst die Städtebewohner, welche gar kein gewöhnliches Gewerbe trieben (Künstler, Gelehrte, unvermögende Adlige, Notare u. s. w.), mußten dann, um im Gemeinwesen eine polit.
Stellung zu erlangen, sich einer Zunft anschließen. Der engherzige Monopolgeist des spätern Zunftwesens trat in dieser Glanzzeit noch nicht hervor. In dem Maße aber, wie der ursprüngliche Geist der Zünfte entwich und zugleich die einfachen gewerblichen Verhältnisse durch die allmähliche Entwicklung des Großbetriebes und des Welthandels gestört wurden, gewannen monopolistische Tendenzen immer mehr Boden. Es entstanden so nicht allein die Verbietungsrechte gegen alle Pfuscher und sog. Böhnhasen (s. d.), sondern auch die Abschließung einzelner Städte durch Verbot der Einführung fremder Arbeiter, die Beschränkung der Innungen auf eine geschlossene Zahl von Meistern (geschlossene Handwerker) oder wenigstens die äußerste Erschwerung jeder Vermehrung der Meisterzahl durch lästige Bedingungen beim Meisterwerden (Zunftzwang im weitern Sinne, s. auch Befähigungsnachweis), endlich eine solche Abgrenzung der Gebiete einzelner Handwerke durch die Zunftartikel, daß auch Meister ganz verwandter Handwerke gehindert wurden, mit ihren Erzeugnissen das so abgegrenzte Gebiet zu überschreiten (Zunftzwang im engern Sinne).
Zunftrolle - Zunge
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Seite 66.1039.Außerhalb der Zünfte gab es nur vereinzelt selbständige Gewerbtreibende, die sog. Freimeister. Mit der Befestigung und Ausdehnung [* 4] der landesherrlichen Macht und dem Untergange der städtischen Autonomie verschwand zwar die polit. Bedeutung des Zunftwesens, aber es wurde als polizeiliche Organisation der Gewerbe beibehalten. Die Notwendigkeit von Reformen wurde allerdings seit dem 18. Jahrh. immer mehr empfunden, und in Deutschland [* 5] richteten sich unter anderm die Reichsgesetze von 1731 und 1764 sowie die Edikte Josephs II. von 1771 gegen die bestehenden Mißbräuche. Dagegen blieben ¶
mehr
überall die gewerblichen Vorrechte der Zünfte bestehen, wenngleich die veränderte Gestalt des technischen Betriebes, die Entstehung ganz neuer Gewerbe, welche demnach unzünftig blieben, die Ausbildung des Fabrikprincips und die Berührung der Handwerker mit Handel und Fabriken in der Praxis mannigfache Milderungen der alten Strenge erzeugten. In England hatte das Zunftwesen schon im vorigen Jahrhundert alle praktische Bedeutung verloren, wenn auch in den ältern Städten die Zünfte als bürgerliche Korporationen ohne gewerblichen Charakter noch beute bestehen.
In den rasch aufgeblühten neuern Fabrik- und Handelsstädten dagegen gab es von Anfang an keine Zünfte, sie sind zu nennenswerter Bedeutung da auch später nicht gelangt. In Frankreich machte Turgot 1776 einen ersten, jedoch unglücklichen Versuch zur Aufhebung der Zünfte, die erst mit einem Schlage 1791 erfolgte. An ihre Stelle trat die volle Gewerbefreiheit, und Gleiches geschah später auch in den von der Französischen Revolution unmittelbar berührten Ländern. In den deutschen Staaten verlief der Auflösungsprozeß der Zünfte langsamer und in gleichem Schritt mit Entfaltung der wirtschaftlichen Interessen. (S. Gewerbegesetzgebung.) Das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 8. Juli 1868 löste die Frage für sämtliche Bundesstaaten durchgreifend, indem hiermit die Zünfte und kaufmännischen Korporationen einfach das Recht verloren, andere vom Betriebe eines Gewerbes auszuschließen. Über die Bemühungen, die freien Innungen wieder in eine neue Form der Zünfte umzuwandeln und den Beitritt zu denselben zu erzwingen, s. Innungen.
Das für die Zünfte geltende Recht ist niedergelegt in den Zunftrollen, auch Zunftbriefe, Die wirtschaftliche Bedeutung des Zunftwesens war in seiner Blütezeit sehr groß. Die Zunft vertrat mit Nachdruck die Interessen der Produzenten und ließ sich angelegen sein, dem Einzelnen ein standesgemäßes Einkommen zu gewährleisten, aber sie erkannte auch die Bedürfnisse der Konsumenten an und hielt sich für verpflichtet, für tadellose, gute Waren und Leistungen Sorge zu tragen. Auch erfüllte sie polit. Funktionen und pflegte gesellige Beziehungen der Zunftgenossen. (S. Association, Freizügigkeit, Gewerbe, Gewerbegesetzgebung, Handwerk.)
16.384e
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Wappen.Die auch jetzt noch von den Innungen geführten Zunft- und Gildenwappen sind keineswegs,wie zuweilen angenommen wird, einheitliche und überall in derselben Gestalt gültige Embleme, sondern zeigen wechselnde Formen an den verschiedenen Orten. Die auf den beifolgenden Tafeln: Zunftwappen I und II zusammengestellten Wappen [* 7] bilden gewissermaßen die Quintessenz aus der ungeheuren Menge des vorhandenen Materials.
Vgl. Hüllmann, Über das Städtewesen im Mittelalter (4 Bde., Bonn [* 8] 1825–29);
Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland (4 Bde., Erlangen [* 9] 1869–71);
Wehrmann, Die ältern Lübeckischen Zunftrollen (Lübeck [* 10] 1864);
Rüdiger, Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen (Hamb. 1895);
Bodemann, Die ältern Zunfturkunden der Stadt Lüneburg [* 11] (Hannov. 1883);
Schönberg, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im Mittelalter (Berl. 1868);
Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht, Bd. 1 (ebd. 1868);
Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart, Bd. 1 (Lpz. 1871);
Stahl, Das deutsche Handwerk (Bd. 1, Gieß. 1874);
Stieda, Die Entstehung des deutschen Zunftwesens (Jena [* 12] 1876);
Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände (Lpz. 1877);
Schmoller, Die Straßburger Tucher- und Weberzunft (Straßb. 1879);
Neuburg, [* 13] Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung u. s. w. (Jena 1880);
Artikel «Zunftwesen» von Stieda im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 6 (ebd. 1894);
Brügel, Die Ansbacher Schneiderzunft.
Ein Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens (Ansbach [* 14] 1897).