Zustandsvormundschaft | eLexikon
- ️Peter Hug, Sollrütistr. 24, CH-3098 Schliern b. Köniz
- ️Wed Feb 17 1875
Vormundschaft
(Tutel, Kuratel, Pflegschaft), die unter öffentlicher Autorität stehende privatrechtliche Fürsorge für schutzbedürftige Personen (Bevormundete, Mündel) durch einen nicht selbst gewählten Beistand (Vormund, Tutor, Kurator, Pfleger). Der Inbegriff der Rechtssatzungen über das Vormundschaftswesen heißt Vormundschaftsrecht. Letzteres wird in der Regel als Teil des Familienrechts betrachtet, so auch in dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 1633 ff.). Unter den Verhältnissen, durch welche eine Vormundschaft veranlaßt wird, steht die Jugend obenan, indem die Vormundschaft ergänzend eingreifen soll, wenn und soweit der hausväterliche Schutz nicht ausreicht oder ganz fehlt.
Geschichtskarten von D
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Deutschland.Das römische Recht unterschied dabei zwischen der tutela und der cura. Die Tutel bezog sich auf Unmündige bis zum 14., resp. 12. Jahr, während Minderjährige von dieser Altersgrenze ab bis zum Volljährigkeitstermin unter Kuratel standen. Nach heutigem Recht sind der Altersvormundschaft alle Minderjährigen unterworfen, in Deutschland [* 3] also nach dem Reichsgesetz vom 17. Febr. 1875 alle Personen bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, sofern sie nicht unter väterlicher Gewalt stehen. Im Gegensatz zur Altersvormundschaft werden die übrigen Fälle der als Zustandsvormundschaft bezeichnet.
Eine solche wird nach vorgängiger Entmündigung (s. d.) infolge von Geisteskrankheit, Verschwendung und sogen. Bresthaftigkeit angeordnet, unter welch letzterer man den Zustand solcher Personen (personal debiles) versteht, welche wegen körperlicher Gebrechen, z. B. Blindheit, Taubheit, oder wegen langwieriger Krankheit ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können. Daneben kommen auch bloße Vermögenskuratelen oder Pflegschaften (curae bonorum) vor, so die Kuratel über das Vermögen eines Verschollenen, über eine ruhende Erbschaft und über das Vermögen, welches für das noch nicht geborne Kind einer Schwangern reserviert wird (cura ventris).
Vorort - Vorparlament
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Seite 16.286.Der Vormund wird in solchen Fällen Pfleger (Kurator) genannt. Die namentlich im deutschen Recht begründete Geschlechtsvormundschaft, welcher früher jede nicht unter väterlicher Gewalt stehende unverheiratete und volljährige Frauensperson unterworfen war, ist jetzt beseitigt. Die eheliche Vormundschaft des Ehemanns über die Ehefrau, welch letztere sich regelmäßig nicht ohne des erster Zustimmung rechtsgültig verpflichten kann, ist dagegen praktisch geblieben. Auch der Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 1300 ff.) hält an dem Grundsatz fest, daß die Zustimmung des Ehemanns zur Gültigkeit von Rechtsgeschäften der Ehefrau unter Lebenden erforderlich ist. Nur wenn die Ehefrau mit Wissen ¶
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und ohne Widerspruch oder mit Einwilligung des Ehemanns ein Erwerbsgeschäft betreibt, so ist die Zustimmung des Ehemanns zu denjenigen Rechtsgeschäften nicht erforderlich, welche ebendieser Geschäftsbetrieb mit sich bringt; ein Grundsatz, der nach dem deutschen Handelsgesetzbuch bereits für die Handelsfrau in Geltung ist. In vielen Staaten ist das Vormundschaftswesen durch ausführliche Vormundschaftsordnungen normiert, so in Preußen [* 5] durch die Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875. Im Anschluß an das gemeine Recht unterscheidet die letztere zwischen gesetzlichen, berufenen und gewählten Vormündern.
Gesetzliche Vormünder sind der Vater in Ansehung der aus seiner väterlichen Gewalt geschiedenen minderjährigen Kinder, der mütterliche Großvater unehelicher Kinder und der Vorstand der unter Verwaltung des Staats oder einer Gemeindebehörde stehenden Verpflegungsanstalten über die darin aufgenommenen Mündel bis zu deren Großjährigkeit. Berufen zur Vormundschaft sind der Adoptivvater, die Mutter in Ansehung ihrer ehelichen Kinder, die Großeltern, die vom Vater oder von der Mutter im letzten Willen oder in einer gerichtlich oder notariell beglaubigten oder in einer eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunde ernannten Vormünder. Im Mangel berufener Vormünder sind Wahlvormünder zu bestellen.
Diese sowie die berufenen Vormünder bedürfen einer richterlichen Bestallung, die für die gesetzlichen Vormünder nicht erforderlich ist. In der Regel fungiert nämlich der ordentliche Richter (Vormundschaftsrichter), unter welchem der zu Bevormundende steht, als Obervormundschaftsbehörde (s. Obervormundschaft). Durch diese Behörde wird das staatliche Oberaufsichtsrecht über das gesamte Vormundschaftswesen ausgeübt; sie hat die Verpflichtung des Vormundes zu bewirken und dessen Bestallungsurkunde (Tutorium) auszufertigen, sie entscheidet über die Entfernung (Remotion) eines untauglichen oder unredlichen Vormundes und über die etwanige Unfähigkeit eines solchen oder über die Ablehnung eines designierten Vormundes.
Als Ablehnungsgründe (Exkusationsgründe) werden namentlich folgende anerkannt: die Übernahme einer Vormundschaft kann ablehnen, wer das 60. Lebensjahr zurückgelegt hat;
wer fünf oder mehr minderjährige Kinder hat;
wer an einer hindernden Krankheit oder an einem Gebrechen leidet;
wer im Bezirk des Vormundschaftsgerichts nicht seinen Wohnsitz hat.
Nach dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch eine Frau, soweit sie überhaupt zur Übernahme einer Vormundschaft fähig, zur Ablehnung berechtigt. Unfähig zur Übernahme einer Vormundschaft ist jeder, der selbst der Vormundschaft bedarf, also namentlich Minderjährige, ferner Frauen, die eheliche Mutter und Großmutter und nach dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs auch die berufene Vormünderin ausgenommen, desgleichen der Gemeinschuldner während der Dauer des Konkurses.
Die Rechnungslegung seitens des Vormundes geschieht unter Kontrolle der Obervormundschaft. Außerdem hat die preußische Vormundschaftsordnung noch das französische Institut des Familienrats (s. d.) adoptiert, der dem Vormundschaftsrichter zur Seite steht. Ferner soll in jeder Gemeinde ein sogen. Waisenrat bestellt und den Vormündern für das Erziehungswesen der Mündel beigeordnet werden. Familienrat und Waisenrat sind auch in den Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs übergegangen.
Für die Vermögensverwaltung endlich ist dem Vormund ein Gegenvormund beizugeben, soweit dies nicht vom Vater oder von der Mutter ausdrücklich untersagt ist. Auch kann die Bestellung eines Gegenvormundes unterbleiben, wenn das Mündelvermögen nur ein geringfügiges ist.
Vgl. Kraut, Die Vormundschaft (Götting. 1835 bis 1859, 3 Bde.);
Rive, Geschichte der deutschen Vormundschaft (Braunschw. 1862-74, 2 Bde.);
Dernburg, Vormundschaftsrecht der preußischen Monarchie (3. Aufl., Berl. 1886);
Christiani, Das Amt des Vormundes (3. Aufl., das. 1886);
Wachler, Die preußische Vormundschaftsordnung (2. Aufl., Bresl. 189).