Zweites Gesicht | eLexikon | Kulturgeschichte - Aberglaube etc
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Zweites Gesicht | (engl. Second sight), ein besonders in Schottland und Nordengland herrschender Glaube, daß / 310 |
Zweites Gesicht _2 | auch Deuteroskopie genannt, das Hervortreten von ahnungsvollen Traumbildern (Visionen) während / 176 |
Zweites Gesicht
486 Wörter, 3'408 Zeichen
Kulturgeschichte — Aberglaube etc
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Zweites
Gesicht [* 2] (engl. Second sight), ein besonders in Schottland und Nordengland herrschender Glaube, daß gewisse Personen die Gabe besitzen, Zukünftiges vorauszusehen und namentlich alle demnächst dem Tod anheimfallenden Bekannten zuvor mit geistigem Auge [* 3] zu erkennen, indem sie entweder nächtlich ihren Leichenzug sehen oder sie allein in der Kirche erblicken etc. Sieht der Seher sich selbst mit verkehrtem Plaid, so weiß er, daß er sich zum Tod vorbereiten muß.
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* 4
Deutschland.Oft beschränkt sich jedoch die Seherkraft darauf, daß kommender Besuch vorausgesehen oder die Rückkehr eines Abwesenden vorher verkündet wird. Auch in Deutschland [* 4] erzählt man sich viel Wunderbares von dem zweiten Gesicht, welches man im Plattdeutschen die Gabe, »Schicht to kiken«, nennt. Es gibt verschiedene Mittel, um diese Gabe zu erlangen oder »schichtig« zu werden; wer sie aber besitzt, gilt für unglücklich, weil er den Spuk sehen muß, so oft er kommt, und die Fähigkeit nur los wird, wenn er sie auf einen andern überträgt.
In der Vendée glaubt man, daß jeder, der bald stirbt, entweder einen Leichenzug mit einer Leiche, in der er sich erkennt, erblickt, oder einen mit einem Leichentuch bedeckten Nachen, der vorübergleitet, und dessen Führer den Namen des Toten ruft. Im übrigen Frankreich sieht man den »Totenwagen« vor dem Haus vorüberfahren, in welchem jemand sterben soll. Jedenfalls hängt der Glaube an das zweite Gesicht mit dem an ein Vermögen der Ahnung (s. d.) zusammen, obschon es sich mit dem Vorgefühl des eignen Todes ganz anders verhält als dem fremder Personen. zweites Gesicht nennt man auch das Doppeltsehen (Deuteroskopie) oder die nach dem Volkswahn gewissen Menschen verliehene Fähigkeit, zu gleicher Zeit an zwei Orten gesehen zu werden, wo dann das eine Gesicht der wirkliche Mensch, das zweite bloß dessen gespenstisches Schattenbild ist. Solche Doppelgänger sollen meist besondern Unglücksfällen ausgesetzt sein und sterben, sobald sie sich selbst erblicken.
Vgl. Horst, Deuteroskopie (Frankf. a. M. 1830, 2 Bde.);
du Prel, Das Zweite Gesicht (Bresl. 1882).
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Zweites
Gesicht, auch Deuteroskopie genannt, das Hervortreten von ahnungsvollen Traumbildern (Visionen) während des wachenden Zustandes. Diese Erscheinung wurde namentlich durch das, was Sam. Johnson in seinem «Journey to the Western Isles of Scotland» (Lond. 1775) darüber gesammelt hatte, bekannt. G. C. Horst in seiner «Deuteroskopie» (Frankf. 1830) und Walter Scott in seinen «Letters on demonology and witchcraft» haben eine Menge von Fällen solcher Visionen zusammengestellt, und in Carus' «Vorlesungen über Psychologie» (Lpz. 1851) ist die Theorie dieser Erscheinungen ausführlicher erläutert.
Die Thatsachen dieser Art sind an so verschiedenen Orten, zu so verschiedenen Zeiten und zum Teil von so unparteiischen und wissenschaftlich gebildeten Beobachtern gesammelt worden, daß es unmöglich erscheint, sie nicht in einer gewissen Beschränkung als wahr anzuerkennen. Die psychol. Möglichkeit derselben liegt in einer anomalen, häufig krankhaften und, wie es scheint, leicht erblichen Steigerung der Phantasiethätigkeit, die durch lebhafte Interessen und starke Gefühle in einer ihr selbst unbewußten Weise zu hallucinatorischen Vorstellungen getrieben wird. -
Vgl. Horst, Deuteroskopie (2 Bde., Frankf. a. M. 1830);
Mayer, Die Sinnestäuschungen u. s. w. (Wien [* 5] 1869);
Du Prel, Das (Bresl. 1882).