Der KZ-Friedhof in Leonberg (Landkreis Böblingen)
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
(Frühere und bestehende) Synagogen
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Friedhöfe in der Region"
Zusammenstellung:
Jüdische KZ-Friedhöfe in Baden-Württemberg
Der Tunnel unter dem Engelberg, in dem der Rüstungsbetrieb
untergebracht war
(Quelle: KZ-Gedenkstätteninitiative
e.V. Leonberg)
Leonberg
(Kreis Böblingen)
KZ-Friedhof innerhalb des städtischen Friedhofes Seestraße
und Mahnmal Blosenberg
Zur Geschichte des KZ Leonberg und des
Friedhofes In Leonberg bestand seit April 1944 ein Außenkommando des Konzentrationslagers
Natzweiler/Elsass. Die Zwangsarbeiter arbeiteten vor
allem in dem zu einer Rüstungsfabrik umgebauten Autobahntunnel unter dem
Engelberg (Herstellung von Tragflächen des Düsenjägers Me 262
für die Firma Messerschmitt AG). Zur Unterbringung der Arbeitskräfte
wurde in unmittelbarer Nähe zum Tunnel zunächst das "alte Lager",
ein Holzbarackenlager, eingerichtet. Es befand sich im heutigen Wohngebiet
zwischen der Seestraße, Schleiermacherstraße, Oberer Birkenweg und oberer
Römerstraße (die heutige Fliederstrasse entspricht einer der damaligen
Lagerstraßen). Ab dem Spätsommer 1944 wurde das "neue Lager"
auf dem Gelände des heutigen Altenzentrums "Samariterstift" in der
Seestraße 56-80 erbaut (die Grundmauern mehrerer heutiger Gebäude sind
teilweise mit denen des "neuen Lagers" identisch, insbesondere Haus
74). Die Höchstbelegungsstärke wurde Ende Januar 1945 mit etwa 3200
KZ-Häftlingen erreicht. Insgesamt waren im letzten Kriegsjahr zwischen 3500 und
4000 Häftlinge aus 24 Nationen im KZ Leonberg. Unter ihnen waren vermutlich
mehr als 1000 jüdische Männer (nachzuweisen mindestens 689). Auf Grund der katastrophalen Lebens- und
Arbeitsbedingungen starben viele der Häftlinge. Nur ein Teil der Namen der
Toten ist bekannt. Diese wurden vor allem in Massengräbern auf dem Blosenberg (hier heute "Mahnmal
Blosenberg")
beigesetzt. Viele Häftlinge starben unmittelbar nach ihrer Abschiebung aus
Leonberg z.B. im Sterbelager Vaihingen an
der Enz. Bis zu einem Drittel der 2700 Häftlinge, die im April 1945 auf den
Todesmarsch in Richtung Bayern geschickt wurden, können unterwegs umgekommen
sein.
1953 wurden 373 Leichen aus den KZ-Massengräbern auf dem Blosenberg
geborgen. Die exhumierten
Toten wurden teils in ihre Heimatländer überführt (36), teils auf den Städtischen
Friedhof Leonberg in der Seestraße umgebettet. Das Mahnmal auf dem Friedhof erinnert
an die "Söhne vieler Völker Europas... Opfer der Gewaltherrschaft in dunkler
Zeit. Ihr Tod mahnt uns alle, das Rechte zu tun, dem Unrecht zu wehren und Gott
in seinen Geschöpfen zu ehren."
Auf einem "Weg der Erinnerung" kann man die Spuren des KZ
Leonberg in Erinnerung rufen. Seit dem 8. Mai 2005 gehört zu diesem "Weg
der Erinnerung" eine große Namenswand, auf der die bisher bekannten
Namen von 2.892 KZ-Häftlingen sowie 16 Gestapohäftlingen und (Ost-)Zwangsarbeitern
festgehalten
sind.
Fotos von Spuren des KZ Leonberg und des KZ-Friedhofes im städtischen Friedhof:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 12.10.2003)
April 2015: Namenstafel für KZ-Häftlinge aufgestellt |
Artikel von Brunhilde Arnold
in der "Stuttgarter Zeitung" vom 20. April 2015:
"Leonberg. KZ-Opfer bekommen ihre Namen zurück Eine Tafel hält jetzt auch am Sammelgrab auf dem Alten Friedhof die Erinnerung wach. Zudem gibt es von bis zum 29. April eine deutsch-französische Ausstellung im Neuen Rathaus zum Thema. Leonberg - Roger Coillet ist erst 18 Jahre alt gewesen, genauso alt, wie die Gymnasiasten des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, die aus seinem kurzen Leben vorlesen. Der junge Franzose starb am 25. Februar 1945 im Konzentrationslager in Leonberg. Sein Name steht nun zusammen mit 307 weiteren auf einer Gedenktafel am Alten Friedhof in der Seestraße. Die drei Zwölftklässler des ASG sind mit Schulleiter Klaus Nowotzin zur Einweihung der Erinnerungstafeln, die die KZ-Gedenkstätteninitiative und die Stadt aufgestellt haben, auf den Friedhof gekommen. Im Deutsch-Leistungskurs haben sie sich mit ihrem Lehrer Sasa Krizan mit dem Thema Konzentrationslager in Leonberg befasst, erzählt Katharina Koziollek. Die 18-Jährige sowie ihre Mitschüler Maren Galle und Alexander Zeising sprechen auch über die im Leonberger KZ umgekommenen Häftlinge Giovanni Cima und Edoardo Goruppi aus Italien. Der Sohn von Goruppi, Riccardo, der zusammen mit seinem Vater in den Leonberger Tunnelröhren für die deutsche Rüstungsindustrie schuftete, überlebte die Gefangenschaft. Er hat zur Einweihung der Gedenktafel ein Grußwort geschrieben, das Irmtraud Klein von der KZ-Gedenkstätteninitiative vorliest. 'Für mich und meine Familie ist dies ein heiliger Ort, denn in dieser Erde ist auch mein Vater begraben', schrieb Riccardo Goruppi. Weiter heißt es in seinem Brief: 'Dieser Tag, an dem ihr nun den Bestatteten die Namen zurückgebt, bedeutet für alle Deportierten einen großen Sieg.' '337 KZ-Häftlinge'. Bisher lagen die KZ-Opfer anonym im Sammelgrab. Die Gedenkstätteninitiative hatte sich zum Ziel gesetzt, ihnen ihre Namen zurückzugeben, wie die Vereinsvorsitzende Marei Drassdi erklärt. Zwar gibt es schon seit 1962 eine Gedenktafel, die aber ist eher allgemein gehalten und macht nicht deutlich, dass es sich um KZ-Opfer handelt. Dies hat sich nun mit der neuen Tafel geändert, auf der es heißt: 'Hier ruhen 337 KZ-Häftlinge. Umgekommen 1944/45 im KZ Leonberg.' Gestorben sind in Leonberg 389 Männer, von denen einige aber an anderen Orten bestattet wurden. Von 308 der Toten sind die Namen bekannt. 256 von ihnen sind in Leonberg bestattet, die weiteren 81 dort begrabenen Häftlinge konnten nicht identifiziert werden. Die Recherche der Namen sei mühsam gewesen, sagt Drassdo. Während des Krieges waren die KZ-Häftlinge in einem Massengrab auf dem Blosenberg beerdigt worden. Erst 1953 wurden sie auf den Friedhof umgebettet. Große Symbolik. 'Wir alle wissen, dass auf einem Friedhof Grabsteine mit den Namen der Bestatteten die Erinnerung wachhalten', sagt Eberhard Röhm, der stellvertretende Vorsitzende der Initiative. 'Die Toten hier im Sammelgrab wurden anonym bestattet.' Auch im KZ seien sie anonym gewesen und wurden nur mit ihrer Nummer gerufen. 'Wir haben ihnen symbolisch ihre Namen zurückgegeben', sagt Röhm mit Blick auf die bereits 2005 errichtete Namenswand am alten Engelbergtunnel. Doch es seien in der Vergangenheit immer wieder Angehörige von überallher gekommen auf der Suche nach den Gräbern ihrer im KZ umgekommenen Verwandten, berichtet Röhm. So sei der Sohn von Eduardi Goruppi jedes Jahr an das Grab des Vaters gereist, dessen Tod er im KZ miterlebt hatte. Einige Besucher haben selbst schon Namensschilder auf das Sammelgrab gelegt. Oberbürgermeister Bernhard Schuler schildert, wie Eberhard Röhm schon 2009 auf die Stadt zukam und darauf aufmerksam machte, wie wichtig es sei, einen Ort des Gedenkens zu haben. 'Dass es diesen heute gibt, wäre nicht möglich gewesen, ohne die akribische Arbeit der KZ-Gedenkstätteninitiative.' Viel Fleiß und Recherche seien nötig gewesen, um die Namen ausfindig zu machen, so Schuler. 'Aus eigenem Erleben kann ich verstehen, dass es für Angehörige wichtig ist, Namen an einem Grab wiederzufinden', so der OB. Der ehemalige KZ-Häftling Riccardo Goruppi schrieb in seinem bewegenden Grußwort: 'Ich würde mich freuen, wenn die Jungen und nicht mehr ganz so Jungen bei der Erinnerung an diese Orte und die Geschichte dieser brutalen Zeit darüber nachsinnen würden, wie viel Hass einmal war und auch darüber, niemals zu hassen.' Mit den Klängen des Bläserensembles der evangelisch-methodistischen Kirche, die Klezmer-Musik und eine Weise von Django Reinhardt spielte, geht die Feier zu Ende." Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur (Auswahl der verwendeten Literatur):
![]() | Joachim Baur/Birgit Wörner (Hg.): Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg. Geschichtswerkstatt Leonberg (= Beiträge zur Stadtgeschichte Bd. 8, hg. vom Stadtarchiv Leonberg). Leonberg 2001. |
![]() | Coen Rood: "Wenn ich es nicht erzählen kann, muss ich weinen". Als Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie. Fischertaschenbuch 15017, Frankfurt am Main 2002. |
![]() | Renate Stäbler/Monica Mather: Schwierigkeiten des Erinnerns. Über den Umgang der Leonberger mit dem KZ nach 1945. In: Aus Schönbuch und Gäu. Heft 1. 2003. |
![]() | Eberhard Röhm/Wolfgang Schiele: Auf den Spuren von KZ und Zwangsarbeit in Leonberg. Hg. von der Stadt Leonberg/Stadtarchiv und der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. Leonberg 2003. |
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![]() | ![]() Inhalt: Inhalt des Buches sind die Rastatter Prozesse gegen Kriegsverbrecher in den Jahren 1946-1950. Ziel war, für tatsächlich 61 hingerichtete Kriegsverbrecher in Rastatt den jeweiligen Prozess zu finden. Das Buch beschreibt die großen Prozesse zu den Außenlagern von Natzweiler-Struthof, aber auch andere Prozesse, wie z.B. der Dora Prozess, der Leonberg-Tunnel Prozess, der Hinzert Prozess usw. Es ist die bisher einmalige Aufführung vieler in Rastatt stattgefundener Prozesse und eine aufwändige Recherche von drei Jahren. |
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